I. Preisschwankungen des Rohstoffs, ihre direkten Wirkungen auf die Profitrate

[115] Es wird hier wie bisher vorausgesetzt, daß kein Wechsel in der Rate des Mehrwerts stattfindet. Diese Voraussetzung ist nötig, um den Fall in seiner Reinheit zu untersuchen. Es wäre indes möglich, bei gleichbleibender Rate des Mehrwerts, daß ein Kapital eine wachsende oder abnehmende Zahl von Arbeitern beschäftigte, infolge der Kontraktion oder Expansion, welche die hier zu betrachtenden Preisschwankungen des Rohstoffs bei ihm verursachte. In diesem Fall könnte die Masse des Mehrwerts wechseln bei konstanter Rate des Mehrwerts. Indes ist auch dies als ein Zwischenfall hier zu beseitigen. Wenn Verbesserung der Maschinerie und Preisänderung des Rohstoffs gleichzeitig wirken, sei es auf die Masse der von einem gegebnen Kapital beschäftigten Arbeiter, oder auf die Höhe des Arbeitslohns, so hat man bloß zusammenzustellen 1. die Wirkung, welche die Variation im konstanten Kapital auf die Profitrate hervorbringt, 2. die Wirkung, welche die Variation im Arbeitslohn auf die Profitrate hervorbringt; das Fazit ergibt sich dann von selbst.

Es ist aber im allgemeinen hier zu bemerken, wie bei dem frühern Fall: Finden Variationen statt, sei es infolge von Ökonomie des konstanten Kapitals, sei es infolge von Preisschwankungen des Rohstoffs, so affizieren sie stets die Profitrate, auch wenn sie den Arbeitslohn, also die Rate und Masse des Mehrwerts, ganz unberührt lassen. Sie ändern in m' v/C die Größe von C und damit den Wert des ganzen Bruchs. Es ist also auch hier ganz gleichgültig – im Unterschied von dem, was sich bei der Betrachtung des Mehrwerts zeigte – in welchen Produktionssphären diese Variationen vorgehn; ob die von ihnen berührten Industriezweige Lebensmittel für die Arbeiter, resp. konstantes Kapital zur Produktion solcher Lebensmittel,[115] produzieren oder nicht. Das hier Entwickelte gilt ebensowohl, wo die Variationen sich in Luxusproduktionen ereignen, und unter Luxusprodukt ist hier alle Produktion zu verstehn, die nicht zur Reproduktion der Arbeitskraft erheischt ist.

Unter Rohstoff werden hier auch die Hilfsstoffe einbegriffen, wie Indigo, Kohle, Gas etc. Ferner, soweit die Maschinerie in dieser Rubrik in Betracht kommt, besteht ihr eigner Rohstoff aus Eisen, Holz, Leder etc. Ihr eigner Preis ist daher affiziert durch die Preisschwankungen des Rohmaterials, das in ihre Konstruktion eingeht. Sofern ihr Preis erhöht wird durch Preisschwankungen, sei es des Rohstoffs, woraus sie besteht, sei es des Hilfsstoffs, den ihr Betrieb verbraucht, fällt pro tanto die Profitrate. Umgekehrt, umgekehrt.

In den folgenden Untersuchungen wird man sich beschränken auf Preisschwankungen des Rohstoffs, nicht soweit er eingeht, sei es als Rohstoff der Maschinerie, die als Arbeitsmittel fungiert, sei es als Hilfsstoff in ihrer Anwendung, sondern soweit er als Rohstoff in den Produktionsprozeß der Ware eingeht. Nur dies ist hier zu merken: Der Naturreichtum an Eisen, Kohle, Holz etc., den Hauptelementen in der Konstruktion und Anwendung von Maschinerie, erscheint hier als naturwüchsige Fruchtbarkeit des Kapitals und ist ein Element in der Bestimmung der Profitrate, unabhängig von der Höhe oder Niedrigkeit des Arbeitslohns.

Da die Profitrate m/C oder = m/c+v, so ist klar, daß alles, was einen Wechsel in der Größe von c und deswegen von C verursacht, ebenfalls einen Wechsel in der Profitrate hervorbringt, auch wenn m und v und ihr gegenseitiges Verhältnis unverändert bleiben. Der Rohstoff bildet aber einen Hauptteil des konstanten Kapitals. Selbst in Industriezweigen, worin kein eigentlicher Rohstoff eingeht, geht er ein als Hilfsstoff oder als Bestandteil der Maschine usw., und beeinflussen dadurch seine Preisschwankungen pro tanto die Profitrate. Fällt der Preis des Rohstoffs um eine Summe = d, so geht m/C oder m/(c + v) über in m/(C – d) oder m/((c – d) + v)). Es steigt daher die Profitrate. Umgekehrt. Steigt der Preis des Rohstoffs, so wird aus m/C oder m/(c + v) nun m/(C + d) oder m/((c + d) + v); es fällt daher die Profitrate. Bei sonst gleichen Umständen fällt und steigt die Profitrate daher in umgekehrter Richtung wie der Preis des Rohstoffs. Es ergibt sich hieraus u.a., wie wichtig für industrielle Länder der niedrige Preis des Rohstoffs ist, selbst wenn die Schwankungen im Preis des Rohstoffs durchaus nicht begleitet wären von Änderungen in der[116] Verkaufssphäre des Produkts, also ganz abgesehn von dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr. Es ergibt sich ferner, daß der auswärtige Handel die Profitrate beeinflußt, auch abgesehn von aller Einwirkung desselben auf den Arbeitslohn durch Verwohlfeilerung der notwendigen Lebensmittel. Er affiziert nämlich die Preise der in die Industrie oder Agrikultur eingehenden Roh- oder Hilfsstoffe. Der bisher noch durchaus mangelhaften Einsicht in die Natur der Profitrate und in ihre spezifische Verschiedenheit von der Rate des Mehrwerts ist es geschuldet, wenn einerseits Ökonomen, die den durch praktische Erfahrung festgestellten, bedeutenden Einfluß der Preise des Rohstoffs auf die Profitrate hervorheben, dies theoretisch ganz falsch erklären (Torrens), während andrerseits an den allgemeinen Prinzipien festhaltende Ökonomen, wie Ricardo, den Einfluß z.B. des Welthandels auf die Profitrate verkennen.

Man begreift daher die große Wichtigkeit, für die Industrie, von Aufhebung oder Ermäßigung der Zölle auf Rohstoffe; diese möglichst frei hereinzulassen, war daher schon Hauptlehre des rationeller entwickelten Schutzzollsystems. Dies war, neben der Abschaffung der Kornzölle, Hauptaugenmerk der englischen Freetraders, die vor allem sorgten, daß auch der Zoll auf Baumwolle abgeschafft wurde.

Als ein Beispiel von der Wichtigkeit der Preiserniedrigung, nicht eines eigentlichen Rohstoffs, sondern eines Hilfsstoffs, der allerdings zugleich Hauptelement der Nahrung ist, kann der Gebrauch des Mehls in der Baumwollindustrie dienen. Schon 1837 berechnete R. H. Greg13, daß die damals in Großbritannien betriebnen 100000 Kraftstühle und 250000 Handstühle der Baumwollweberei jährlich 41 Millionen Pfund Mehl zum Kettenschlichten verbrauchten. Dazu kam noch ein Drittel dieser Quantität beim Bleichen und andern Prozessen. Den Gesamtwert des so verbrauchten Mehls berechnet er auf 342000 Pfd. St. jährlich für die letzten 10 Jahre. Der Vergleich mit den Mehlpreisen auf dem Kontinent zeigte, daß der durch die Kornzölle den Fabrikanten aufgenötigte Preisaufschlag für Mehl allein jährlich 170000 Pfd. St. betragen hatte. Für 1837 schätzt ihn Greg auf mindestens 200000 Pfd. St. und spricht von einer Firma, für die der Preisaufschlag auf Mehl 1000 Pfd. St. jährlich betrug. Infolge hiervon

»haben große Fabrikanten, sorgfältige und berechnende Geschäftsmänner, gesagt, daß 10 Stunden tägliche Arbeit ganz hinreichend sein würden, wären die Kornzölle abgeschafft«. (»Rep. Fact., Oct. 1848«, p.98.)[117]

Die Kornzölle wurden abgeschafft; außerdem der Zoll auf Baumwolle und andre Rohstoffe; aber kaum war dies erreicht, so wurde die Opposition der Fabrikanten gegen die Zehnstundenbill heftiger als je. Und als die zehnstündige Fabrikarbeit trotzdem gleich darauf Gesetz wurde, war die erste Folge ein Versuch allgemeiner Herabsetzung des Lohns.

Der Wert der Roh- und Hilfsstoffe geht ganz und auf einmal in den Wert des Produkts ein, wozu sie verbraucht werden, während der Wert der Elemente des fixen Kapitals nur nach Maßgabe seines Verschleißes, also nur allmählich in das Produkt eingeht. Es folgt daraus, daß der Preis des Produkts in einem viel höhern Grad affiziert wird vom Preis des Rohmaterials als von dem des fixen Kapitals, obwohl die Profitrate bestimmt wird durch die Gesamtwertsumme des angewandten Kapitals, einerlei, wieviel davon konsumiert ist oder nicht. Es ist aber klar – obgleich dies nur nebenbei erwähnt wird, da wir hier noch voraussetzen, daß die Waren zu ihrem Wert verkauft werden, die durch die Konkurrenz herbeigeführten Preisschwankungen uns also hier noch nichts angehn –, daß Ausdehnung oder Einschränkung des Markts vom Preis der einzelnen Ware abhängt und in umgekehrtem Verhältnis zum Steigen oder Fallen dieses Preises steht. In der Wirklichkeit findet sich daher auch, daß mit steigendem Preis des Rohstoffs der Preis des Fabrikats nicht in demselben Verhältnis steigt wie jener und bei fallendem Preis des Rohstoffs nicht in demselben Verhältnis sinkt. Daher fällt in dem einen Fall die Profitrate tiefer und steigt in dem andern höher, als bei Verkauf der Waren zu ihrem Wert der Fall wäre.

Ferner: Masse und Wert der angewandten Maschinerie wächst mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, aber nicht im selben Verhältnis wie diese Produktivkraft wächst, d.h. wie diese Maschinerie ein vermehrtes Produkt liefert. In den Industriezweigen also, worin überhaupt Rohstoff eingeht, d.h. wo der Arbeitsgegenstand selbst schon Produkt früherer Arbeit ist, drückt sich die wachsende Produktivkraft der Arbeit gerade in dem Verhältnis aus, worin ein größeres Quantum Rohstoff ein bestimmtes Quantum Arbeit absorbiert, also in der wachsenden Masse Rohstoff, die z.B. in einer Arbeitsstunde in Produkt verwandelt, zu Ware verarbeitet wird. Im Verhältnis also wie die Produktivkraft der Arbeit sich entwickelt, bildet der Wert des Rohstoffs einen stets wachsenden Bestandteil des Werts des Warenprodukts, nicht nur weil er ganz in diesen eingeht, sondern weil in jedem aliquoten Teil des Gesamtprodukts der Teil, den der Verschleiß der Maschinerie, und der Teil, den die neu zugesetzte Arbeit[118] bildet, beide beständig abnehmen. Infolge dieser fallenden Bewegung wächst verhältnismäßig der andre Wertteil, den der Rohstoff bildet, wenn dies Wachstum nicht aufgehoben wird durch eine entsprechende Wertabnahme auf seiten des Rohstoffs, die aus der wachsenden Produktivität der zu seiner eignen Erzeugung angewandten Arbeit hervorgeht.

Ferner: Da die Roh- und Hilfsstoffe, ganz wie der Arbeitslohn, Bestandteile des zirkulierenden Kapitals bilden, also beständig ganz ersetzt werden müssen aus dem jedesmaligen Verkauf des Produkts, während von der Maschinerie nur der Verschleiß, und zwar zunächst in Form eines Reservefonds, zu ersetzen ist – wobei es in der Tat keineswegs so wesentlich ist, ob jeder einzelne Verkauf seinen Teil zu diesem Reservefonds beiträgt, vorausgesetzt nur, daß der ganze Jahresverkauf seinen Jahresanteil dazu liefert –, so zeigt sich hier wieder, wie ein Steigen im Preis des Rohstoffs den ganzen Reproduktionsprozeß beschneiden oder hemmen kann, indem der aus dem Warenverkauf gelöste Preis nicht hinreicht, alle Elemente der Ware zu ersetzen; oder indem er es unmöglich macht, den Prozeß auf einer, seiner technischen Grundlage gemäßen Stufe fortzusetzen, so daß also entweder nur ein Teil der Maschinerie beschäftigt werden oder die gesamte Maschinerie nicht die volle gewohnheitsmäßige Zeit arbeiten kann.

Endlich wechseln die durch Abfälle verursachten Kosten in direktem Verhältnis zu den Preisschwankungen des Rohstoffs, steigen, wenn er steigt, und fallen, wenn er fällt. Aber auch hier gibt es eine Grenze. 1850 hieß es noch:

»Eine Quelle beträchtlichen Verlustes aus der Preissteigerung des Rohstoffs würde kaum jemandem auffallen, der kein praktischer Spinner ist, nämlich der Verlust durch Abfall. Man teilt mir mit, daß, wenn Baumwolle steigt, die Kosten für den Spinner, besonders der geringern Qualitäten, in höherm Verhältnis wachsen als der gezahlte Preisaufschlag anzeigt. Der Abfall beim Spinnen grober Garne beträgt reichlich 15%; wenn dieser Satz also einen Verlust von 1/2 d. per Pfund bei einem Baumwollpreis von 3 1/2 d. verursacht, so steigert er den Verlust per Pfund auf 1 d., sobald Baumwolle auf 7 d. per Pfund steigt.« (»Rep. Fact., April 1850«, p. 17.)

Als aber infolge des Amerikanischen Bürgerkriegs die Baumwolle auf seit fast 100 Jahren unerhörte Preise stieg, lautete der Bericht ganz anders:

»Der Preis, der jetzt für Baumwollabfall gegeben wird, und die Wiedereinführung des Abfalls in die Fabrik als Rohstoff bieten einigen Ersatz für den Unterschied, im Verlust durch Abfall, zwischen indischer und amerikanischer Baumwolle. Dieser Unterschied beträgt ungefähr 12 1/2%. Der Verlust bei Verarbeitung indischer Baumwolle ist 25%, so daß die Baumwolle in Wirklichkeit dem Spinner 1/4 mehr kostet, als er für sie zahlt. Der Verlust durch Abfall war nicht so wichtig, als amerikanische Baumwolle[119] auf 5 oder 6 d. per Pfund stand, denn er überstieg nicht 3/4 d. per Pfund; aber er ist jetzt sehr wichtig, wo das Pfund Baumwolle 2 sh. kostet und der Verlust durch Abfall also 6 d. beträgt.«14 (»Rep. Fact., Oct. 1863«, p. 106.)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 115-120.
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