II. Der Wechselkurs

[589] 〈Der Barometer für die internationale Bewegung der Geldmetalle ist bekanntlich der Wechselkurs. Hat England mehr Zahlungen zu machen an Deutschland als Deutschland an England, so steigt in London der Preis von Mark, in Sterling ausgedrückt, und in Hamburg und Berlin fällt der Preis von Sterling, ausgedrückt in Mark. Gleicht sich dies Übergewicht der Zahlungsverpflichtungen Englands an Deutschland nicht wieder aus, z.B. durch[589] überwiegende Einkäufe Deutschlands in England, so muß der Sterlingpreis für Markwechsel auf Deutschland bis zu dem Punkt steigen, wo es sich lohnt, statt Wechseln Metall – Goldgeld oder Barren – aus England in Zahlung nach Deutschland zu schicken. Dies ist der typische Verlauf.

Nimmt dieser Export von Edelmetall stärkeren Umfang und längere Dauer an, so wird die englische Bankreserve angegriffen, und der englische Geldmarkt, voran die B. von E., muß Schutzmaßregeln ergreifen. Diese bestehn wesentlich, wie wir schon gesehn, in Heraufsetzung des Zinsfußes. Bei bedeutendem Goldabfluß ist der Geldmarkt regelmäßig schwierig, d.h. die Nachfrage nach Leihkapital in Geldform überwiegt bedeutend das Angebot, und der höhere Zinsfuß ergibt sich hieraus ganz von selbst; die von der B. von E. dekretierte Diskontorate entspricht der Sachlage und setzt sich im Markte durch. Es kommen aber auch Fälle vor, wo der Metallabfluß aus andern als den gewöhnlichen Geschäftskombinationen entspringt (z.B. durch Anleihen fremder Staaten, Kapitalanlage im Ausland usw.), wo der Londoner Geldmarkt als solcher eine wirksame Zinsratenerhöhung keineswegs rechtfertigt; die B. von E. hat dann durch starke Anleihen im »offnen Markt« erst »Geld rar zu machen«, wie der Ausdruck lautet, um so künstlich die Lage zu schaffen, die eine Zinserhöhung rechtfertigt oder nötig macht; ein Manöver, das ihr von Jahr zu Jahr schwerer wird. – F.E.}

Wie nun diese Heraufsetzung der Zinsrate auf die Wechselkurse wirkt, zeigen folgende Aussagen vor dem Unterhausausschuß über Bankgesetzgebung 1857 (zitiert als B. A. oder B.C., 1857).

John Stuart Mill:

2176. »Wenn das Geschäft schwierig geworden ist... tritt ein beträchtlicher Fall im Preis der Wertpapiere ein... Ausländer lassen hier in England Eisenbahnaktien kaufen, oder englische Eigner auswärtiger Eisenbahnaktien verkaufen sie im Ausland... um so viel wird die Übertragung von Gold beseitigt.« – 2182. »Eine große und reiche Klasse von Bankiers und Händlern in Wertpapieren, durch welche die Ausgleichung des Zinsfußes und die Ausgleichung des kommerziellen Barometerstandes (pressure) zwischen den verschiednen Ländern gewöhnlich bewirkt wird... ist immer auf der Ausschau, um Wertpapiere zu kaufen, die eine Preissteigerung versprechen... der richtige Ort für sie, zum Einkauf, wird das Land sein, das Gold ins Ausland schickt.« – 2183. »Diese Kapitalanlagen fanden 1847 in bedeutendem Maßstab statt, hinreichend, den Goldabfluß zu vermindern.«

J. G. Hubbard, Ex-Gouverneur und seit 1838 in der Direktion der B. of E.:

2545. »Es gibt große Mengen europäischer Wertpapiere... die eine europäische Zirkulation haben in allen den verschiednen Geldmärkten, und diese Papiere, sobald[590] sie in einem Markt um 1 oder 2% fallen, werden sofort aufgekauft zur Übersendung nach den Märkten, wo ihr Wert sich noch gehalten hat.« – 2565. »Stehn nicht auswärtige Länder in bedeutender Schuld gegenüber den Kaufleuten in England? – ... Sehr bedeutend.« – 2566. »Die Einkassierung dieser Schulden könnte also allein hinreichen, eine sehr große Akkumulation von Kapital in England zu erklären? – Im Jahre 1847 wurde unsre Position schließlich dadurch wiederhergestellt, daß wir einen Strich machten durch soundso viel Millionen, die Amerika und Rußland früher an England schuldeten.«

〈England schuldete eben denselben Ländern gleichzeitig »soundso viel Millionen« für Korn und verfehlte nicht, auch hierdurch großenteils »einen Strich zu machen« vermittelst Bankerotts der englischen Schuldner. Siehe den Bericht über die Bankakte von 1857, oben Kap. 30, S. 31.}

2572. »1847 stand der Kurs zwischen England und Petersburg sehr hoch. Als der Regierungsbrief erlassen wurde, der die Bank bevollmächtigte, Banknoten auszugeben, ohne sich an die vorgeschriebne Grenze von 14 Mill.« (über die Goldreserve hinaus) »zu binden, war die Bedingung, daß der Diskonto auf 8% gehalten werden müsse. In jenem Augenblick, und bei jener Diskontorate, war es ein profitliches Geschäft, Gold von Petersburg nach London verschiffen zu lassen und es bei seiner Ankunft zu 8% auszuleihen bis zum Verfall der Dreimonatswechsel, die gegen das verkaufte Gold gezogen waren.« – 2573. »In allen Goldoperationen sind viele Punkte in Erwägung zu ziehn; es kommt auf den Wechselkurs an und auf den Zinsfuß, zu dem man das Geld anlegen kann bis zum Verfall des« 〈dagegen gezognen} »Wechsels.«

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 589-591.
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