IV. Die Geldrente

[805] Unter der Geldrente verstehn wir hier – im Unterschied von der auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden industriellen oder kommerziellen Grundrente, die nur ein Überschuß über den Durchschnittsprofit ist – die Grundrente, die aus einer bloßen Formverwandlung der Produktenrente entspringt, wie diese selbst nur die verwandelte Arbeitsrente war. Statt des Produkts hat der unmittelbare Produzent hier seinem Grundeigentümer (ob dieser nun der Staat oder ein Privatmann) den Preis desselben zu zahlen. Ein Überschuß an Produkt in seiner Naturalform genügt also nicht mehr; er muß aus dieser Naturalform in die Geldform verwandelt werden. Obgleich der unmittelbare Produzent nach wie vor fortfährt, mindestens den größten Teil seiner Subsistenzmittel selbst zu produzieren, muß jetzt ein Teil seines Produkts in Ware verwandelt, als Ware produziert werden. Der Charakter der ganzen Produktionsweise wird also mehr oder weniger verändert. Sie verliert ihre Unabhängigkeit, ihr Losgelöstsein vom gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Verhältnis der Produktionskosten, in welche nun mehr oder minder Geldausgaben eingehn, wird entscheidend; jedenfalls wird entscheidend der Überschuß des in Geld zu verwandelnden Teils des Bruttoprodukts über den Teil, der einerseits wieder als Reproduktionsmittel, andrerseits als unmittelbares Subsistenzmittel dienen muß. Indes, die Basis dieser Art Rente, obgleich sie ihrer Auflösung entgegengeht, bleibt dieselbe wie in der Produktenrente, die den Ausgangspunkt bildet. Der unmittelbare Produzent ist nach wie vor erblicher oder sonst traditioneller Besitzer des Bodens, der dem Grundherrn als dem Eigentümer dieser seiner wesentlichsten Produktionsbedingung, überschüssige Zwangsarbeit, d.h. unbezahlte, ohne Äquivalent geleistete Arbeit in der Form des in Geld verwandelten Mehrprodukts zu entrichten hat. Das Eigentum an den vom Boden verschiednen Arbeitsbedingungen, Ackergerätschaft und sonstigem Mobiliar, verwandelt sich schon in den frühern Formen erst faktisch, dann auch rechtlich in das Eigentum der unmittelbaren Produzenten, und noch mehr ist dies für die Form der Geldrente vorausgesetzt. Die erst sporadisch, sodann auf mehr oder minder nationalem Maßstab vor sich gehende Verwandlung der Produktenrente in Geldrente setzt eine schon bedeutendere Entwicklung des Handels, der städtischen Industrie, der Warenproduktion überhaupt und damit der Geldzirkulation voraus. Sie setzt ferner voraus einen Marktpreis der Produkte, und daß selbe mehr oder minder ihrem Wert annähernd verkauft werden, was unter den frühern Formen keineswegs der Fall zu sein braucht. Im Osten von Europa können wir zum Teil[805] noch unter unsern Augen diese Verwandlung vorgehn sehn. Wie wenig sie ohne eine bestimmte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit durchführbar ist, bezeugen verschiedne unter dem römischen Kaisertum gescheiterte Versuche dieser Verwandlung und Rückfälle in die Naturalrente, nachdem man wenigstens den als Staatssteuer existierenden Teil dieser Rente allgemein in Geldrente hatte verwandeln wollen. Dieselbe Schwierigkeit des Übergangs zeigt z.B. vor der Revolution in Frankreich die Verquickung und Verfälschung der Geldrente durch Reste ihrer frühern Formen.

Die Geldrente als verwandelte Form der Produktenrente, und im Gegensatz zu ihr, ist aber die letzte Form und zugleich die Form der Auflösung der Art von Grundrente, die wir bisher betrachtet haben, nämlich der Grundrente als der normalen Form des Mehrwerts und der dem Eigentümer der Produktionsbedingungen zu entrichtenden unbezahlten Mehrarbeit. In ihrer reinen Form stellt diese Rente, wie die Arbeits- und Produktenrente, keinen Überschuß über den Profit dar. Sie absorbiert ihn dem Begriff nach. Soweit er faktisch als ein besondrer Teil der überschüssigen Arbeit neben ihr entspringt, ist die Geldrente, wie die Rente in ihren frühern Formen, immer noch die normale Schranke dieses embryonischen Profits, der sich erst entwickeln kann im Verhältnis zu der Möglichkeit der Ausbeutung, sei es eigner überschüssiger, sei es fremder Arbeit, welche übrigbleibt nach Leistung der in der Geldrente dargestellten Mehrarbeit. Entspringt wirklich ein Profit neben dieser Rente, so ist also nicht der Profit die Schranke der Rente, sondern umgekehrt die Rente die Schranke für den Profit. Aber wie bereits gesagt, die Geldrente ist zugleich die Auflösungsform der bisher betrachteten, mit dem Mehrwert und der Mehrarbeit prima facie zusammenfallenden Grundrente, der Grundrente als der normalen und herrschenden Form des Mehrwerts.

In ihrer weitern Entwicklung muß die Geldrente führen – von allen Zwischenformen abgesehn, wie z.B. von der des kleinbäuerlichen Pächters – entweder zur Verwandlung des Bodens in freies Bauerneigentum oder zur Form der kapitalistischen Produktionsweise, zur Rente, die der kapitalistische Pächter zahlt.

Mit Geldrente verwandelt sich notwendig das traditionelle gewohnheits-rechtliche Verhältnis zwischen den, einen Teil des Bodens besitzenden und bearbeitenden, Untersassen und dem Grundeigentümer in ein kontraktliches, nach festen Regeln des positiven Gesetzes bestimmtes, reines Geldverhältnis. Der bebauende Besitzer wird daher der Sache nach zum bloßen Pächter. Diese Verwandlung wird einerseits, unter sonst geeigneten allgemeinen[806] Produktionsverhältnissen, dazu benutzt, die alten bäuerlichen Besitzer nach und nach zu expropriieren und an ihre Stelle einen kapitalistischen Pächter zu setzen; andrerseits führt sie zum Loskauf des bisherigen Besitzers von seiner Rentpflichtigkeit und zu seiner Verwandlung in einen unabhängigen Bauer, mit vollem Eigentum an dem von ihm bestellten Boden. Die Verwandlung der Naturalrente in Geldrente wird ferner nicht nur notwendig begleitet, sondern selbst antizipiert durch Bildung einer Klasse besitzloser und für Geld sich verdingender Taglöhner. Während ihrer Entstehungsperiode, wo diese neue Klasse nur noch sporadisch auftritt, hat sich daher notwendig bei den bessergestellten rentepflichtigen Bauern die Gewohnheit entwickelt, auf eigne Rechnung ländliche Lohnarbeiter zu exploitieren, ganz wie schon in der Feudalzeit die vermögenderen hörigen Bauern selbst wieder Hörige hielten. So entwickelt sich nach und nach bei ihnen die Möglichkeit, ein gewisses Vermögen anzusammeln und sich selbst in zukünftige Kapitalisten zu verwandeln. Unter den alten, selbstarbeitenden Besitzern des Bodens selbst entsteht so eine Pflanzschule von kapitalistischen Pächtern, deren Entwicklung durch die allgemeine Entwicklung der kapitalistischen Produktion außerhalb des flachen Landes bedingt ist und die besonders rasch aufschießt, wenn ihr, wie im 16. Jahr hundert in England, so besonders günstige Umstände zu Hilfe kommen wie die damalige progressive Entwertung des Geldes, die bei den herkömmlichen langen Pachtkontrakten sie auf Kosten der Grundeigentümer bereicherte.

Ferner: Sobald die Rente die Form der Geldrente und damit das Verhältnis zwischen Rente zahlendem Bauer und Grundeigentümer die eines kontraktlichen Verhältnisses annimmt – eine Verwandlung, die überhaupt nur bei schon gegebner relativer Entwicklungshöhe des Weltmarkts, des Handels und der Manufaktur möglich ist –, tritt notwendig auch Verpachtung des Bodens an Kapitalisten ein, welche bisher außerhalb der ländlichen Schranken standen und welche nun städtisch erworbnes Kapital und die in den Städten bereits entwickelte kapitalistische Betriebsweise, die Herstellung des Produkts als bloßer Ware und als bloßes Mittels zur Aneignung von Mehrwert, auf das Land und die Landwirtschaft übertragen. Allgemeine Regel kann diese Form nur in den Ländern werden, die beim Übergang aus der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise den Weltmarkt beherrschen. Mit dem Dazwischentreten des kapitalistischen Pächters zwischen den Grundeigentümer und den wirklich arbeitenden Ackerbauer sind alle Verhältnisse zerrissen, die aus der alten ländlichen Produktionsweise entsprangen. Der Pächter wird der wirkliche Kommandant dieser[807] Ackerarbeiter und der wirkliche Exploiteur ihrer Mehrarbeit, während der Grundeigentümer in einem direkten Verhältnis, und zwar einem bloßen Geld- und Kontraktsverhältnis, nur noch zu diesem kapitalistischen Pächter steht. Damit verwandelt sich auch die Natur der Rente, nicht nur tatsächlich und zufällig, was sie zum Teil schon unter den frühern Formen getan, sondern normal, in ihrer anerkannten und herrschenden Form. Von der normalen Form des Mehrwerts und der Mehrarbeit sinkt sie herab zum Überschuß dieser Mehrarbeit über den Teil derselben, der vom exploitierenden Kapitalisten unter der Form des Profits angeeignet wird; wie die ganze Mehrarbeit, Profit und Überschuß über den Profit, jetzt unmittelbar von ihm extrahiert, in der Form des totalen Mehrprodukts eingenommen und versilbert wird. Es ist nur noch ein überschüssiger Teil dieses von ihm, vermöge seines Kapitals, durch direkte Exploitation der Landarbeiter extrahierten Mehrwerts, den er als Rente an den Grundeigentümer weggibt. Wieviel oder wie wenig er an ihn weggibt, ist bestimmt, im Durchschnitt, als Grenze, durch den Durchschnittsprofit, den das Kapital in den nicht agrikolen Produktionssphären abwirft, und durch die, durch ihn geregelten, nicht agrikolen Produktionspreise. Aus der normalen Form des Mehrwerts und der Mehrarbeit hat sich die Rente jetzt also verwandelt in einen dieser besondern Produktionssphäre, der agrikolen, eigentümlichen Überschuß über den Teil der Mehrarbeit, der von dem Kapital als ihm vorweg und normaliter zukommend in Anspruch genommen wird. Statt der Rente ist jetzt der Profit die normale Form des Mehrwerts geworden, und die Rente gilt nur noch als eine unter besondern Umständen verselbständigte Form, nicht des Mehrwerts überhaupt, sondern eines bestimmten Ablegers desselben, des Surplusprofits. Es ist nicht nötig, weiter darauf einzugehn, wie dieser Verwandlung eine allmähliche Verwandlung in der Produktionsweise selbst entspricht. Dies geht schon daraus hervor, daß das Normale für diesen kapitalistischen Pächter ist, das Bodenprodukt als Ware zu produzieren, und daß, während sonst nur der Überschuß über seine Subsistenzmittel sich in Ware verwandelt, jetzt nur ein relativ verschwindender Teil dieser Waren sich unmittelbar in Subsistenzmittel für ihn verwandelt. Es ist nicht mehr das Land, sondern es ist das Kapital, welches sich und seiner Produktivität jetzt selbst die Landarbeit unmittelbar subsumiert hat.

Der Durchschnittsprofit und der durch ihn geregelte Produktionspreis bildet sich außerhalb der Verhältnisse des flachen Landes im Kreise des städtischen Handels und der Manufaktur. Der Profit des rentpflichtigen Bauern geht nicht ausgleichend in ihn ein, denn sein Verhältnis zum Grundeigentümer[808] ist kein kapitalistisches. Soweit er Profit macht, d.h. einen Überschuß über seine notwendigen Subsistenzmittel realisiert, sei es durch eigne Arbeit, sei es durch Ausbeutung fremder Arbeit, geschieht es hinter dem Rücken des normalen Verhältnisses und ist, bei sonst gleichen Umständen, die Höhe dieses Profits nicht die Rente bestimmend, sondern umgekehrt durch sie als seine Grenze bestimmt. Die hohe Profitrate im Mittelalter ist nicht nur geschuldet der niedrigen Zusammensetzung des Kapitals, worin das variable, in Arbeitslohn ausgelegte Element vorherrscht. Sie ist geschuldet der am flachen Land verübten Prellerei, der Aneignung eines Teils der Rente des Grundeigentümers und des Einkommens seiner Untersassen. Wenn das Land im Mittelalter die Stadt politisch ausbeutet, überall da, wo der Feudalismus nicht durch ausnahmsweise städtische Entwicklung gebrochen ist, wie in Italien, so exploitiert die Stadt überall und ohne Ausnahme das Land ökonomisch durch ihre Monopolpreise, ihr Steuersystem, ihr Zunftwesen, ihren direkten kaufmännischen Betrug und ihren Wucher.

Man könnte sich einbilden, daß das bloße Eintreten des kapitalistischen Pächters in die landwirtschaftliche Produktion den Beweis liefre, daß der Preis der Bodenprodukte, die von jeher in der einen oder andern Form eine Rente zahlten, wenigstens zur Zeit dieses Eintritts über den Produktionspreisen der Manufaktur stehn muß; sei es, weil er die Höhe eines Monopolpreises erreicht, sei es, weil er bis auf den Wert der Bodenprodukte gestiegen und ihr Wert in der Tat über dem durch den Durchschnittsprofit regulierten Produktionspreis steht. Denn wenn nicht, so könnte der kapitalistische Pächter, bei den vorgefundnen Preisen der Bodenprodukte, unmöglich erst den Durchschnittsprofit aus dem Preis dieser Produkte realisieren und dann aus demselben Preis noch einen Überschuß über diesen Profit unter der Form der Rente zahlen. Man könnte danach schließen, daß die allgemeine Profitrate, die den kapitalistischen Pächter in seinem Kontrakt mit dem Grundeigentümer bestimmt, gebildet war ohne Einbegriff der Rente und daher, sobald sie regulierend in die ländliche Produktion eintritt, diesen Überschuß vorfindet und an den Grundeigentümer zahlt. Es ist in dieser traditionellen Weise, daß sich z.B. Herr Rodbertus die Sache erklärt. Aber:

Erstens. Dieser Eintritt des Kapitals als selbständiger und leitender Macht in den Ackerbau findet nicht auf einmal und allgemein, sondern allmählich und in besondren Produktionszweigen statt. Er ergreift zuerst nicht[809] den eigentlichen Ackerbau, sondern Produktionszweige wie die Viehzucht, namentlich Schafzucht, deren Hauptprodukt, die Wolle, bei Emporkommen der Industrie zunächst beständigen Überschuß des Marktpreises über den Produktionspreis bietet, was sich erst später ausgleicht. So in England während des 16. Jahrhunderts.

Zweitens. Da diese kapitalistische Produktion zunächst nur sporadisch eintritt, so ist keineswegs etwas gegen die Annahme aufzubringen, daß sie zunächst nur solcher Komplexe von Ländereien sich bemächtigt, die, infolge ihrer spezifischen Fruchtbarkeit oder besonders günstigen Lage, im ganzen eine Differentialrente zahlen können.

Drittens. Gesetzt selbst, die Preise des Bodenprodukts ständen beim Eintritt dieser Produktionsweise, die in der Tat ein zunehmendes Gewicht der städtischen Nachfrage voraussetzt, über dem Produktionspreis, wie dies z.B. im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts in England zweifelsohne der Fall war; so wird, sobald diese Produktionsweise sich einigermaßen aus der bloßen Subsumtion der Agrikultur unter das Kapital herausgearbeitet und sobald die mit ihrer Entwicklung notwendig verbundne Verbesserung in der Agrikultur und Herabdrückung der Produktionskosten eingetreten, sich dies durch eine Reaktion, einen Fall im Preis der Bodenprodukte ausgleichen, wie dies in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England der Fall war.

Auf diesem traditionellen Weg kann also die Rente als Überschuß über den Durchschnittsprofit nicht erklärt werden. Unter welchen geschichtlich vorgefundnen Umständen immer sie zuerst eintreten mag – sobald sie einmal Wurzel geschlagen, kann die Rente nur noch unter den früher entwickelten modernen Bedingungen stattfinden.

Schließlich ist noch bei der Verwandlung der Produktenrente in Geldrente zu bemerken, daß mit ihr die kapitalisierte Rente, der Preis des Bodens und damit seine Veräußerlichkeit und Veräußerung ein wesentliches Moment wird und daß damit nicht nur der früher Rentpflichtige sich in den unabhängigen bäuerlichen Eigentümer verwandeln kann, sondern auch städtische und andre Geldbesitzer Grundstücke kaufen, um sie, sei es an Bauern, sei es an Kapitalisten zu verpachten und die Rente als Form des Zinses ihres so angelegten Kapitals zu genießen; daß also auch dieser Umstand die Umwandlung der frühern Exploitationsweise, des Verhältnisses zwischen Eigentümer und wirklichem Bebauer, und der Rente selbst fördern hilft.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 805-810.
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