1. Der Einzige und sein Eigentum

[102] Der Mann, der »sein' Sach' auf Nichts gestellt hat«, beginnt als guter Deutscher sein langgezogenes »kritisches Juchhe« sogleich mit einer Jeremiade: »Was soll nicht Alles Meine Sache sein?« (p. 5 des Buchs). Und er jammert herzzerreißend weiter, daß »Alles seine Sache sein soll«, daß man ihm »die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, Freiheit, ferner die Sache Seines Volkes, Seines Fürsten« und tausend andre gute Sachen aufbürdet. Der arme Mann! Der französische und englische Bourgeois klagt über Mangel an Débouchés über Handelskrisen, panische Schrecken an der Börse, augenblickliche politische Konstellationen usw.; der deutsche Kleinbürger, der aktiv nur einen ideellen Anteil an der Bourgeoisbewegung genommen und im übrigen nur seine eigne Haut zu Markt getragen hat, stellt sich seine eigne Sache nur als »die gute Sache«, die »Sache der Freiheit, Wahrheit, Menschheit« etc. vor.

Unser deutscher Schulmeister glaubt ihm tout bonnement diese Einbildung und setzt sich mit allen diesen guten Sachen auf drei Seiten vorläufig auseinander.

Er untersucht die »Sache Gottes«, die »Sache der Menschheit«, p. 6 und 7, und findet, daß dies »rein egoistische Sachen« sind, daß sowohl »Gott« wie »die Menschheit« sich nur um das Ihrige bekümmern, daß es »der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit« »nur um sich, nicht um Uns, nur um ihr Wohl, nicht um das Unsere zu tun ist« – woraus er den Schluß zieht, daß sich alle diese Personen »ausnehmend gut dabei stehen«. Er geht so weit, diese Idealistischen Phrasen, Gott, Wahrheit usw., in wohlhabende Bürger zu verwandeln, die »sich ausnehmend gut stehen« und eines »einträglichen Egoismus« erfreuen. Das aber wurmt den heiligen Egoisten: »Und Ich?« ruft er aus.

[102] »Ich Meinesteils nehme Mir eine Lehre daran und will, statt jenen großen Egoisten ferner zu dienen, lieber selber der Egoist sein!« (p. 7).

Wir sehen also, welch heilige Motive den heiligen Max bei seinem Übertritt zum Egoismus leiten. Nicht die Güter dieser Welt, nicht die Schätze, so die Motten und der Rost fressen, nicht die Kapitalien seiner Mit-Einzigen, sondern der Schatz im Himmel, die Kapitalien Gottes, der Wahrheit, Freiheit, Menschheit etc. lassen ihn nicht ruhen.

Mutete man ihm nicht zu, den vielen guten Sachen zu dienen, er würde nie zu der Entdeckung gekommen sein, daß er auch eine »eigne« Sache habe, würde also auch diese seine Sache nicht »auf Nichts« (d.h. »das Buch«) »gestellt« haben.

Hätte Sankt Max sich die verschiedenen »Sachen« und »Eigner« dieser Sachen, z.B. Gott, Menschheit, Wahrheit etwas näher betrachtet, so wäre er zu dem entgegengesetzten Schluß gekommen, daß ein auf die egoistische Handlungsweise dieser Personen basierter Egoismus ebenso eingebildet sein müsse wie diese Personen selbst.

Statt dessen entschließt sich unser Heiliger, »Gott« und »der Wahrheit« Konkurrenz zu machen und seine Sache auf Sich zu stellen –

»auf Mich, der Ich so gut wie Gott das Nichts von allem Andern, der Ich Mein Alles, der Ich der Einzige bin. – – Ich bin Nichts im Sinne der Leerheit, sondern das schöpferische Nichts, das Nichts, aus welchem Ich selbst als Schöpfer Alles schaffe.«

Der heilige Kirchenvater hätte diesen letzten Satz auch so ausdrücken können: Ich bin Alles in der Leerheit des Unsinns, »sondern« der nichtige Schöpfer, das Alles, aus welchem ich selbst als Schöpfer Nichts schaffe.

Welche von diesen beiden Lesarten die richtige ist, wird sich herausstellen. Soweit die Vorrede.

»Das Buch« selbst teilt sich, wie das »weiland« Buch, in das Alte und Neue Testament, nämlich in die einzige Geschichte des Menschen (das Gesetz und die Propheten) und in die unmenschliche Geschichte des Einzigen (Evangelium vom Reiche Gottes). Das erste ist die Geschichte innerhalb der Logik, der in der Vergangenheit gebundene Logos, das zweite die Logik in der Geschichte, der freigewordene Logos, der mit der Gegenwart kämpft und sie siegreich überwältigt.[103]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1958, Band 3, S. 102-104.
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