Charakterisierende Übersetzung Nr. IV

[52] Der kritische Proudhon reformiert schließlich die französische Gesellschaft, indem er ebensosehr die französischen Proletarier als die französische Bourgeoisie umschafft.

Den französischen Proletariern spricht er die »Kraft« ab, weil der wirkliche Proudhon ihnen den Mangel an Tugend (vertu) vorwirft. Er macht ihre Geschicklichkeit zur Arbeit zu einer problematischen Geschicklichkeit – »ihr seid vielleicht zur Arbeit geschickt« –, weil der wirkliche Proudhon ihr Geschick zur Arbeit unbedingt anerkennt (prompts au travail vous êtes etc.). Er verwandelt die französischen Bourgeois in geistlose Bürger, wo der wirkliche Proudhon die unedlen bourgeois (bourgeois ignobles) den gebrandmarkten Edlen (nobles flétris) entgegenstellt. Er verwandelt den Bourgeois aus einem juste-milieu-Bürger (bourgeois juste-milieu) in »unsere guten Bürger«, wofür sich die französische Bourgeoisie bei ihm bedanken mag. Wo der wirkliche Proudhon daher den »bösen Willen« (la malveillance de nos bourgeois) der französischen Bourgeois »wachsen« läßt, läßt er konsequenterweise die »Sorglosigkeit unserer Bürger« wachsen. Der Bourgeois des wirklichen Proudhon ist so wenig sorglos, daß er sich selbst zuruft: »N'ayons pas peur! N'ayons pas peur!« So spricht einer, der sich die Furcht und die Sorge wegräsonieren will.

Die kritische Kritik hat in der Schöpfung des kritischen Proudhon durch die Übersetzung des wirklichen Proudhon der Masse offenbart, was eine kritisch vollendete Übersetzung ist. Sie hat eine Anweisung gegeben zu der »Übersetzung, wie sie sein soll.« Sie bekämpft daher mit Recht die schlechten, massenhaften Übersetzungen:

»Das deutsche Publikum will die buchhändlerische Ware zu einem Spottpreise, der Verleger will also eine billige Übersetzung, der Übersetzer will bei seiner Arbeit nicht verhungern, er kann sie sogar nicht mit reiflicher Bedächtigkeit« (mit aller Ruhe des Erkennens) »machen, weil der Verleger durch schnelle Lieferung der Übersetzungen Konkurrenten den Rang ablaufen muß; ja sogar der Übersetzer muß die Konkurrenz fürchten, muß fürchten, daß ein anderer sich erbiete, die Ware billiger und schneller herzustellen – und so diktiert er sein Manuskript irgendeinem armen Schreiber frisch drauflos – und zwar diktiert er so schnell wie möglich, damit er nicht den nach Stunden gezahlten Schreiberlohn umsonst gebe – überfroh, wenn er am nächsten Tag den mahnenden Setzer gehörig befriedigen kann. Übrigens sind die[53] Übersetzungen, mit denen man uns überflutet, nur ein Ausdruck der jetzigen Impotenz der deutschen Literatur« etc. (Heft VIII, p. 54, »Allgemeine Literatur-Zeitung.«)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1957, Band 2, S. 52-54.
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