4. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert

[103] Pong Gong14 befragte den Mong Dsï und sprach: »Mit einem Gefolge von mehreren Dutzend Wagen und mehreren hundert Menschen bei den Fürsten umherzuziehen und sich von ihnen ernähren zu lassen: ist das nicht allzu anspruchsvoll?«

Mong Dsï sprach: »Außer auf rechtmäßige Weise darf man auch keine Schüssel Reis von anderen annehmen. Auf rechtmäßige Weise dagegen konnte Schun von Yau das Weltreich annehmen, ohne daß man es anspruchsvoll nennen konnte. Oder haltet Ihr es für anspruchsvoll?«

Der andere sprach: »Nein, aber ein Gelehrter, der nichts leistet, soll auch nicht essen.«

Mong Dsï sprach: »Wenn Ihr nicht einen gegenseitigen Austausch der Arbeitserträge durchführt, so daß, was auf dem einen Punkte übrig ist, zum Ausgleich eines Mangels auf einem andern Punkte verwendet wird, so haben die Bauern Korn im Überfluß und die Frauen Tuch im Überfluß. Wenn Ihr für Ausgleich sorgt, so bekommen auch Tischler und Wagner alle ihre Nahrung[103] von Euch. Wenn nun ein Mann da wäre, ehrfürchtig und bescheiden, der die Lehren der alten Könige bewahrt und auf die Nachwelt überliefert, und Ihr wolltet nicht für seinen Unterhalt sorgen: weshalb wollt Ihr die Handwerker wichtiger nehmen als einen, der Liebe und Pflicht verbreitet?«

Der andere sprach: »Tischler und Wagner haben von Anfang an die Absicht, ihren Lebensunterhalt zu suchen; wenn aber der Edle für die Wahrheit eintritt: tut er das auch mit der Absicht, seinen Lebensunterhalt dabei zu suchen?«

Mong Dsï sprach: »Was geht Euch seine Absicht an? Wenn er sich Verdienste um Euch erworben hat, die es wert sind, daß er ernährt werde, so ernähret ihn! Belohnt Ihr eigentlich die Absicht zu verdienen oder die geleisteten Dienste?«

Der andere sprach: »Die Absicht zu verdienen.«

Mong Dsï sprach: »Angenommen, hier ist jemand, der Euch die Ziegel zerbricht und frischgetünchte Wände beschmiert. Er hat dabei die Absicht, von Euch ernährt zu werden: Würdet Ihr ihn ernähren?«

Der andere sprach: »Nein.«

Mong Dsï sprach: »Dann belohnt Ihr also doch nicht die Absicht zu verdienen, sondern die Verdienste.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 103-104.
Lizenz: