9. Warum Mong streitet

[107] Gung-Du Dsï26 sprach: »Die Außenstehenden alle nennen Euch streitsüchtig, Meister; darf ich fragen, wie es sich damit verhält?«

Mong Dsï sprach: »Ferne sei es von mir, den Streit zu lieben. Ich kann nicht anders.

Lange ist es schon, daß die Welt steht, und immer folgten auf Zeiten der Ordnung Zeiten der Verwirrung. Zu Yaus Zeiten überfluteten die Wasser ringsum das Land der Mitte, und Schlangen und Drachen wohnten darin. Die Menschen hatten keine[107] feste Stätte. In den Niederungen machten sie Pfahlbauten, in den Bergen gruben sie sich Höhlen. Das Buch der Urkunden27 sagt: ›Die wilden Wasser schrecken mich.‹ Die ›wilden Wasser‹ sind eben jene Sintflut. Er befahl dem Yü, sie zu ordnen. Yü grub die Erde aus und leitete die Wasser in das Meer, er entfernte die Schlangen und Drachen und trieb sie in die Marschen. Das Wasser floß nun in festen Betten, das sind die Ströme Yangtse, Huai, Huangho und Han. Gefahren und Hindernisse waren entfernt. Die Vögel und Tiere schädigten nicht mehr die Menschen. So bekamen die Menschen ebenes Land, darauf sie wohnen konnten.

Als Yau und Schun gestorben waren, da verfiel der Weg der Heiligen. Tyrannen kamen nacheinander auf. Sie zerstörten Wohnungen und Häuser, um Teiche und Seen anzulegen, so daß das Volk keine ruhige Stätte mehr fand. Sie ließen die Felder öde liegen und machten Gärten und Parke daraus, so daß das Volk keine Nahrung und Kleidung mehr hatte.

Ruchlose Reden und grausame Taten kamen abermals auf. Die Gärten und Parke, die Teiche und Seen, die Sümpfe und Marschen mehrten sich, Vögel und Tiere kamen wieder hervor. Und als es auf Dschou Sin28 kam, da war die Welt wieder in großer Verwirrung. Der Fürst von Dschou half dem König Wu. Dschou Sin wurde hingerichtet, das Land Yän29 wurde bekämpft und nach drei Jahren sein Fürst beseitigt. Der gottlose Minister Fe Liän30 wurde in einen Winkel am Meer getrieben und dort zu Tode gebracht. Im ganzen wurden vernichtet fünfzig Staaten, und es wurden entfernt und abgetan die Tiger, Panther, Nashörner und Elefanten. Und alle Welt ward hocherfreut. Das Buch der Urkunden31 sagt: ›Erhaben und leuchtend waren König Wens Pläne, erhaben und kräftig war König Wus Durchführung, zur Hilfe und Lehre für uns Spätergeborene, alles recht und ohne Tadel.‹ Abermals verfiel die Welt, und der Weg ward verdunkelt. Ruchlose Reden und grausame Taten kamen abermals auf. Es kam vor, daß Diener ihre Fürsten mordeten, es kam vor, daß Söhne ihre Väter mordeten. Meister Kung war besorgt darob und schrieb ›Frühling und Herbst‹. Das Werk ›Frühling und Herbst‹ ist das Werk eines königlichen Mannes32. Darum sagte Meister Kung: ›Daß ich gekannt sein werde, verdanke ich ›Frühling und Herbst‹, daß ich verdammt werden werde, verdanke ich ›Frühling und Herbst.‹

Ein heiliger König stand nicht mehr auf. Die Fürsten ließen ihren[108] Lüsten freien Lauf. Müßige Gelehrte führten quere Reden. Yang Dschus und Mo Dis33 Worte erfüllten die Welt. Was heute auf der Welt geredet wird, ist entweder von Yang oder von Mo beeinflußt. Yang lehrt den Egoismus, darum führt er zur Auflösung des Staats. Mo lehrt die unterschiedslose allgemeine Liebe, darum führt er zur Auflösung der Familie. Ohne Staat und Familie kehrt man in den Zustand der Tiere zurück.

Wenn die Lehren Yangs und Mos nicht verstummen, kann die Lehre des Meister Kung nicht zur Geltung kommen. Denn diese verkehrten Reden betören das Volk, und Liebe und Pflicht müssen verkümmern. Durch die Verkümmerung von Liebe und Pflicht bringt man die Tiere dazu, Menschen zu fressen; ja, die Menschen werden einander noch auffressen.

Ich bin besorgt darüber. Ich will die Lehren der alten Heiligen verteidigen, Yang und Mo abwehren und ihren frechen Worten ein Ziel setzen, damit diese ruchlosen Reden sich nicht ausbreiten. Denn wenn sie Einfluß haben im Herzen, so bringen sie Schaden beim Handeln. Wenn sie Einfluß haben auf das Handeln, so bringen sie Schaden bei der öffentlichen Ordnung. Wenn abermals ein Heiliger aufsteht, wird er an diesen meinen Worten nichts zu ändern haben.

Vor alters beschränkte der große Yü die Sintflut, und die Welt kam in Ruhe. Der Fürst von Dschou ließ auch den Grenzstämmen im Osten und Westen seine Liebe angedeihen, vertrieb die wilden Tiere, und die Leute bekamen Frieden. Meister Kung vollendete ›Frühling und Herbst‹, und die aufrührerischen Knechte und mörderischen Söhne bekamen Angst.

Jene vaterlosen und herrscherlosen Gesellen hätte also auch der Fürst von Dschou bekämpft. Auch ich begehre, der Menschen Herzen recht zu machen, ruchlose Reden zum Schweigen zu bringen, verkehrte Werke zu bannen, frechen Worten ein Ziel zu setzen, um so das Werk jener drei Heiligen fortzuführen. Wie sollte es mir nur um Streit zu tun sein! Ich kann nicht anders. Wer mit seinen Worten Yang und Mo bannen kann, der ist ein Genosse der Heiligen.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 107-109.
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