7. Wie I-Yin zu Amt und Würden kam

[143] Wan Dschang fragte den Mong Dsï und sprach: »Die Leute sagen, I-Yin habe den Tang für sich bestochen durch seine Kochkunst. Ist das wahr?«

Mong Dsï sprach: »Nein, so war es nicht. I-Yin pflügte seinen Acker in den Gefilden von Yu-Sin und erbaute sich an den Lehren Yaus und Schuns. Man hätte ihm alle Schätze der Welt anbieten können: wenn es nicht recht und billig gewesen wäre, so hätte er sich nicht darnach umgesehen. Und man hätte ihn nicht mit tausend Viergespannen dazu gebracht, auch nur einen Blick darauf zu werfen. Wenn es nicht recht und billig war, so gab er weder andern auch nur einen Strohhalm, noch nahm er von andern auch nur einen Strohhalm an.

Tang sandte Leute, die ihm Geschenke von Seidenstoffen überbrachten, um ihn in seinen Dienst zu bitten. Er sprach gleichgültig: ›Was soll ich mit den Seidenstoffen Tangs? Tue ich nicht besser, wenn ich in meinen Feldern bleibe und an den Lehren Yaus und Schuns auf diese Weise mich erbaue?‹ Tang sandte dreimal hin, ihn bitten zu lassen, da änderte er seinen Entschluß, wurde ernst und sprach: ›Statt daß ich in meinen Feldern bleibe und an den Lehren Yaus und Schuns auf diese Weise mich erbaue, sollte ich da nicht lieber aus diesem Fürsten einen Fürsten wie Yau und Schun machen, sollte ich da nicht lieber aus diesem Volk ein Volk wie Yaus und Schuns machen, sollte ich da nicht lieber in eigner Person hingehen und selber vor ihn treten? Gott hat die Menschen erzeugt, damit die, die früher zur Erkenntnis gelangen, die später zur Erkenntnis Kommenden erwecken, daß die früher Erwachten die später Erwachenden erwecken. Ich bin einer aus Gottes Volk, der früher erwacht ist, ich will durch diese Lehren die Menschen erwecken. Wenn ich sie nicht erwecke, wer soll es dann tun?‹ Er war der Meinung, daß, wenn unter allem Volk auf Erden auch nur ein Mann oder eine Frau des Segens von Yau und Schun nicht teilhaftig würde, es so wäre, als hätte er sie selbst in einen Graben gestoßen. So groß war sein Gefühl der Verantwortung für die Lasten der ganzen Welt. Darum ging er zu Tang und riet ihm, das Haus Hia zu stürzen und das Volk zu retten.

Ich habe nie gehört, daß einer, der selbst sich krümmt, andre gerade machen kann, wieviel weniger, daß einer, der sich selbst in Schmach bringt, die ganze Welt gerade machen kann. Der[144] Heiligen Handlungen sind verschieden, aber ob sie sich fern halten oder nähern, ob sie gehen oder nicht gehen, alles kommt darauf hinaus, ihre eigne Person rein zu erhalten.

Ich habe gehört, daß I-Yin den Tang bestochen habe durch die Lehren Yaus und Schuns; ich weiß nichts davon, daß er es durch seine Kochkunst getan habe.

Im Rat des I-Yin heißt es: ›Gott fing in dem Königschloß zu Mu an, den Tyrannen zu vernichten, ich fing an in Bo, der Stadt Tangs.‹«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 143-145.
Lizenz: