1. Verschiedene Heilige[146] 1: Be-I, I-Yin, Liu Hia Hui, Kung Dsï

Mong Dsï sprach: »Be-I war so, daß seine Augen nach nichts Schlechtem blickten, seine Ohren auf nichts Schlechtes hörten; wer nicht sein Fürst war, dem diente er nicht; was nicht sein Volk[146] war, dessen bediente er sich nicht. Wo Ordnung war, da ging er hin; wo Wirren herrschten, da zog er sich zurück. Wo eine üble Regierung ausgeübt ward, wo ein übles Volk wohnte, da hielt er es nicht aus. Der Gedanke, mit einem geringen Manne zusammen zu sein, war ihm, gleich als säße er mit Feierkleidung angetan im Kot der Straße. Zur Zeit des Tyrannen Dschou Sin weilte er am Strand des Nordmeers, um abzuwarten, bis der Erdkreis wieder rein geworden. Darum wenn sie von Be-I erzählen hören, da werden die Abgestumpftesten in ihrem Gewissen geschärft, und die Schwächlinge lernen Entschlüsse fassen.

I-Yin2 sagte: ›Welcher Fürst, dem ich diene, wäre nicht mein Fürst? Welches Volk, dessen ich mich bediene, wäre nicht mein Volk?‹ Wo Ordnung war, da ging er hin; wo Wirren herrschten, da ging er auch hin. Er sprach: ›Gott hat dies Volk erzeugt, daß die, die früher zur Erkenntnis gelangten, die später zur Erkenntnis Kommenden erwecken, daß die früher Erwachten die später Erwachenden erwecken. Ich bin einer aus Gottes Volk, der früher erwacht ist. Ich will durch diese Lehren die Menschen erwecken.‹ Er war der Meinung, daß, wenn unter allem Volk auf Erden auch nur Ein Mann oder Eine Frau des Segens von Yau und Schun nicht teilhaftig würden, es wäre, als hätte er sie selbst in einen Graben gestoßen. Er nahm die Verantwortung für die Lasten der ganzen Welt auf sich.

Liu Hia Hui3 schämte sich nicht eines schmutzigen Herren, verschmähte nicht ein kleines Amt. Ward er befördert, so verdunkelte er nicht verdienstvolle Männer und ließ nicht ab von seinem Wege. Ward er vernachlässigt und abgesetzt, so murrte er nicht; kam er in Gefahr und Mißerfolg, so regte er sich nicht auf. War er mit einem geringen Mann zusammen, so blieb er harmlos und brachte es nicht über sich zu gehen. Er sprach: ›Du bist du, ich bin ich; wenn du auch nackt und bloß an meiner Seite stehst, wie kannst du mich beflecken?‹ Darum wenn sie von Liu Hia Hui hören, werden Engherzige weit und Kleinliche großartig.

Als Meister Kung aus Tsi wegging4, hatte er es so eilig, daß er den eben gewaschenen Reis noch feucht mitnahm. Als er aus Lu5 wegging, sprach er: ›Langsam, langsam will ich gehen.‹ Das war die Art, wie er sein Vaterland verließ. Wenn's sich geziemte, schnell zu sein, war er schnell. Wenn sich's geziemte innezuhalten, hielt er inne. Wenn's sich geziemte, ein Amt zu übernehmen, übernahm er ein Amt: so war Meister Kung.«[147]

Mong Dsï sprach: »Be-I war der Heilige der Reinheit, I-Yin war der Heilige der Verantwortung, Liu Hia Hui war der Heilige der Eintracht, Meister Kung war der Heilige der rechten Zeit.

Meister Kungs Tun kann man mit einer Symphonie6 vergleichen. Die Symphonie beginnt mit dem Ton der Glocke und endet mit dem Klang des Klingsteins. Der Ton der Glocke beginnt die durchgehenden Einzelstimmen, der Klang des Klingsteins endet die durchgehenden Einzelstimmen. Die durchgehenden Einzelstimmen zu intonieren, ist Sache der Weisheit, sie durchzuführen bis zum Ende, ist Sache der Heiligkeit.

Die Weisheit7 kann man auch vergleichen mit der Sicherheit der Hand, die Heiligkeit mit der Kraft. Wenn man beim Bogenschießen auf über hundert Schritt Entfernung schießt und der Pfeil kommt an, so ist das Sache der Kraft; daß er aber trifft, das ist nicht Sache der Kraft.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 146-148.
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