Achtes Kapitel.

Ueber die Gerichte; und über das bürgerliche und peinliche Recht.

[245] 1. Wenn ein König den Verhandlungen in Gerichtshöfen beywohnen will, so muß er sich mit Fassung und ernstem Anstande, von Brahminen und Räthen, die ihm Rath geben können, begleitet, dorthin verfügen.1


2. Dort sitze oder stehe er und strecke seinen rechten Arm aus; so, ohne sich in seinem Anzuge und Schmucke zu brüsten, untersuche er die Rechtssachen der streitenden Partheyen.
[245]

3. Täglich entscheide er Rechtshändel welche unter die achtzehn Hauptabtheilungen der Rechtskunde gehören, so wie sie auf einander folgen, nach Gründen und Vorschriften, welche theils auf die Gebräuche des Landes, theils auf Sammlungen niedergeschriebener Gesetze beruhen.


4. Die erste dieser Abtheilungen betrifft Schuld von Anleihen für tägliche Bedürfnisse; die zweyte Sachen, welche zur Aufbewahrung gegeben, und Sachen welche zum Gebrauche geborgt worden sind; die dritte Verkauf ohne Eigenthumsrecht; die vierte Angelegenheiten zwischen Handlungsgenossen; die fünfte Zurücknehmung dessen was man gegeben hatte;


5. Die sechste Nichtbezahlung des bedingten Lohnes; die siebente Nichterfüllung der Contracte; die achte Aufhebung des Kaufs oder Verkaufs; die neunte Streit zwischen Herren und Diener;


6. Die zehnte Gränzstreitigkeiten; die eilfte und zwölfte Ueberfall und Verläumdung; die dreyzehnte Diebstahl; die vierzehnte Raub und andere Gewaltthätigkeiten; die funfzehnte Ehebruch;


7. Die sechzehnte Zänkerey zwischen Mann und Weib und ihre gegenseitigen Pflichten; die siebzehnte das Erbrecht; die achtzehnte das Spielen mit Würfeln und mit lebendigen Geschöpfen: diese achtzehn Abtheilungen in der Rechtskunde sind zum Grundpfeiler aller richterlichen Aussprüche in dieser Welt gemacht worden.


8. Ein König muß daher unter den Menschen, welche meistens über die just erwähnten Punkte, und über[246] einige andere die nicht darunter begriffen sind, uneinig werden, die Urgesetze vor Augen haben und gerechte Aussprüche thun.


9. Kann er aber selbst nicht persönlich solchen Geschäften vorstehen, so ernenne er dazu einen Brahminen von großer Gelehrsamkeit.


10. Dieser Oberrichter muß mit drey andern Beysitzern alle Rechtssachen, welche vor den König gebrach werden, reiflich überlegen und wenn er in den Gerichts-Hof kommt, so sitze oder stehe er, und gehe nicht bald hierhin bald dorthin.


11. Wenn drey Brahminen die in den drey verschiedenen Vedas tief belesen sind, mit dem vom Könige ernannten hochgelehrten Brahminen in irgend einem Lande zusammen sitzen, so nennen die Weisen diese Versammlung den Gerichtshof des Brahma mit vier Antlitzen.


12. Wenn sich die Gerechtigkeit, vom Laster verwundet, dem Gerichtshofe nähert und die Richter ziehen ihr nicht den Pfeil aus, so sollen sie auch von demselben verwundet werden.


13. Richter, Partheyen und Zeugen, müssen entweder gar nicht in den Gerichtshof kommen, oder Gerechtigkeit und Wahrheit müssen an den Tag gebracht werden; derjenige ist strafbar, welcher entweder gar nichts sagt, oder eine falsche und ungerechte Aussage thut.


14. Wo Gerechtigkeit von Ungerechtigkeit verdrängt wird, und Wahrheit durch falsches Zeugniß, da sollen die Richter, welche ohne dem Uebel abzuhelfen, es böslich mit ansehen, auch zu Grunde gehen.
[247]

15. Unterdrückte Gerechtigkeit pflegt wiederum zu unterdrücken, beschütze aber zu beschützen, daher muß man ihr nie Gewalt anthun.

»Nimm dich in Acht o Richter, daß nicht etwa die umgestoßene Gerechtigkeit uns und dich zugleich mit umwerfe.«


16. Die göttliche Gestalt der Gerechtigkeit wird wie Vrisha oder wie ein Stier abgebildet und die Götter halten den, der die Gerechtigkeit verletzt, für einen Vrishala, oder für den Todschläger eines Stiers; daher muß ein König und seine Richter sich in Acht nehmen die Gerechtigkeit zu verletzen.


17. Die einzige beständige Freundin welche dem Menschen sogar nach dem Tode folgt, ist die Gerechtigkeit, alle andern verschwinden mit seinem Körper.


18. Ein Viertel der Ungerechtigkeit bey Entscheidungen fällt auf den Kläger; ein Viertel auf seine Zeugen; ein Viertel auf alle Richter, und ein Viertel auf den König.


19. Wird aber ein wirklicher Verbrecher verdammt, so ist der König unschuldig und die Richter tadellos, denn eine Uebelthat prallt auf den zurück welcher sie begangen hat.


20. Ein Brahmin welchen seine Classe bloß erhält, und jemand der bloß den Namen eines Brahminen führt, aber keine priesterlichen Handlungen verrichtet, haben die Erlaubniß, wenn es dem Könige gefällig seyn sollte, ihm die Gesetze zu erklären: auch ist es den beyden mittlern Classen erlaubt; aber einem Sudra durchaus nicht.


21. Wenn ein König einfältigerweise einen Sudra Rechtssachen entscheiden läßt, so soll sein Königreich[248] eben so, wie eine Kuh in tiefem Schlamme, sich nicht mehr zu helfen wissen.


22. Das ganze Land, welches von vielen Sudras bewohnt, mit Atheisten überhäuft und der Brahminen beraubt ist, muß, durch Theurung und Seuchen aufgerieben, in kurzer Zeit zu Grunde gehn.


23. Wenn sich der König oder sein Richter auf die Bank gesetzt, seinen Körper gehörig bekleidet und seine Gedanken sorgfältig gesammelt hat, so erzeige er zuförderst den Gottheiten die die Welt bewachen, seine Hochachtung und dann fange er an die Gerichtsgeschäfte vorzunehmen.


24. Bey Beurtheilung der Streitigkeiten aller Art zwischen Partheyen, nach der Ordnung ihrer verschiedenen Classen, darf er bloß darauf sehen was das Gesetz befiehlt oder verbietet, ob er gleich selbst versteht was rathsam oder nicht rathsam ist.


25. Aus äußeren Merkmalen erkenne er die Gedanken der Menschen; aus ihrer Stimme, Farbe Miene, Gliedern, Augen und Bewegung.


26. Aus den Gliedern, aus dem Blicke, der Bewegung des Körpers, den Gebährden im Sprechen, aus der Sprache und aus den Veränderungen des Auges und des Gesichtes entdeckt man die innere Regung der Seele.


27. Güter welche ein Schüler oder ein Unerwachsener durch Verlassenschaft oder sonst besitzt, halte der König in seiner Verwahrung bis die Lehrjahre des Jünglings verflossen oder seine Kindheit mit seinem sechzehnten Jahre vorüber ist.


28. Eben diese Vorsorge erfordern unfruchtbare Weiber, Frauen ohne Söhne deren Gatten andere[249] Weiber geheirathet haben, Frauen ohne alle Verwandten, oder deren Ehegatten in fernen Ländern sind, Wittwen die ihren Herren treu bleiben und kranke Frauen.


29. Wenn männliche Anverwandte sich unter irgend einem Vorwande das Vermögen von Verwandtinnen noch bey ihrer Lebenszeit zueignen, so muß sie ein gerechter König mit eben der Strenge bestrafen als ob sie Diebe wären.


30. Güter, wozu sich nach deutlicher Bekanntmachung kein Eigenthümer meldet, bewahre der König drey Jahre auf: stellt sich der Eigenthümer innerhalb dreyer Jahre, so kann er die Güter zurücknehmen, aber nach dieser Frist steht es dem Könige frey sie einzuziehen.


31. Wenn jemand sagt, das ist sein, so muß man es gehörig untersuchen, und wenn er vor der Besichtigung die Formen, die Anzahl oder andere Umstände der Sache angiebt, so soll er als Eigenthümer zum Besitze desselbigen gelangen.


32. Wenn er aber nicht angeben kann wo und wenn etwas verloren worden ist, und wenn er nicht die Farbe, die Gestalt und Größe davon anzeigen kann, so sollte ihm eine Geldstrafe anerkannt werden.


33. Der König kann den sechsten, zehnten oder zwölften Theil der Güter sich zueignen die er auf solche Art in Verwahrung hält, wohl eingedenk der Pflicht guter Könige.


34. Wenn jemand etwas verloren und ein Anderer es gefunden hat, so muß es der König zur Sicherheit ehrlichen Leuten aufzubewahren geben, und[250] wenn jemand überführt wird es entwendet zu haben, so lasse er den Dieb von einem Elephanten zu todte2 treten.


35. Für die Aufbewahrung mag der König den sechsten oder zwölften Theil von Jemanden nehmen, welcher mit Wahrhaftigkeit erklärt: »Diese aufbewahrte Sache ist mein Eigenthum.«


36. Wer es aber fälschlich vorgiebt, sollte entweder zur Strafe den achten Theil seines eigenen Vermögens, oder sonst etwas in einem kleinen Verhältnisse zu dem Werthe der Güter, auf die er fälschlich Anspruch gemacht hat, nach richtiger Berechnung bezahlen.


37. Wenn ein gelehrter Brahmin einen ehedem verborgenen Schatz gefunden hat, so kann er ihn ohne Abzug behalten, weil er Herr von allem ist.


38. Hat aber ein anderer Unterthan des Königs einen Schatz gefunden, der vordem vergraben worden war, so kann der König die Hälfte davon in seine Schatzkammer legen, wenn er die andere Hälfte den Brahminen gegeben hat.


39. Der König hat ein Recht zu der Hälfte von verborgen gewesenen Schätzen und kostbaren Metallen in der Erde, weil er der öffentliche Beschützer und der willkührliche Herr des Erdbodens ist.


40. Der König muß Leuten aus allen Classen ihre Güter, welche von Räubern genommen worden sind, wieder[251] zustellen; denn wenn sie der König für sich selbst behält, so ladet er die Schuld eines Räubers auf sich.


41. Ein König der die geoffenbarten Gesetze kennt, muß auch nach den besondern Gesetzen der Classen, nach den Gesetzen oder Gebräuchen der Bezirke, nach den Gebräuchen der Kaufleute, und dem Herkommen gewisser Familien forschen, und ihre besondern Gesetze gelten lassen, wenn sie mit den Gesetzen Gottes nicht streiten.


42. Denn alle diejenigen, welche auf ihre eigenen hergebrachten Gewohnheiten halten, und ihre verschiedenen Pflichten genau beobachten, sind durch Bande der Freundschaft und des Wohlwollens mit ihrem ganzen Stamme vereinigt, wenn sie auch in noch so großer Entfernung wohnen.


43. Weder der König selbst noch seine Beamten müssen jemals Streitigkeiten zu befördern suchen, und nie eine Rechtssache vernachlässigen, welche von andern ist anhängig gemacht worden.


44. Wie ein Jäger dem verwundeten Thiere auf den Blutstropfen nachspürt, so muß ein König durch wohl überlegte Gründe in allen Fällen die strengste Gerechtigkeit zu erreichen suchen.


45. Zuförderst denke er reiflich über die Natur der Wahrheit, über die Beschaffenheit der Rechtssache und über seine eigene Person nach, und dann über die Zeichen, den Ort, die Art und die Zeit, und binde sich genau an alle eingeführte Verfahrungsarten.


46. Er führe die Gewohnheiten guter Leute und tugendhafter Brahminen ein, wenn sie nicht mit den gesetzmäßigen Gebräuchen der Provinzen oder Kreise, der Classen und Familien streiten.
[252]

47. Wenn ein Gläubiger bey ihm wegen seines Rechts wider einen Schuldner einkommt, so nöthige er den Schuldner das zu bezahlen was der Gläubiger als rechtmäßige Schuld bewiesen hat.


48. Wenn ein Gläubiger durch gesetzmäßige Mittel irgend einer Art sich das Seinige wieder zu schaffen gewußt hat, so erkläre der König diese Bezahlung für gültig, sollte er auch dieselbe durch Zwang bekommen haben.


49. Durch die Vermittlung von Freunden, durch Anklage vor Gericht, durch Schlauheit oder durch Wegnahme, und fünftens durch gerichtlichen Zwang kann sich ein Gläubiger wieder in den Besitz dessen setzen, was er einem andern geliehen hat.


50. Ein Gläubiger welcher sich das was ihm von Rechtswegen gebührt, von seinem Schuldner wieder verschaft, muß keinen Tadel vom Könige deswegen zu erwarten haben, daß er sich sein Eigenthum wieder genommen hat.


51. Bey Verklagung wegen einer Schuld, welche der Beklagte abläugnet, spreche er dem Gläubiger die Bezahlung dessen zu, was er durch gute Gründe beweist fordern zu dürfen, und lege dem Schuldner nach Beschaffenheit seiner Umstände eine kleine Strafe auf.


52. Wenn Beklagter eine Schuld deren Bezahlung man ihm vor Gerichte auferlegt hat, abläugnet, so muß der Kläger einen Zeugen herbeyrufen, welcher am Orte der Entlehnung gegenwärtig war, oder andere Beweise, zum Beyspiel, Wechsel und dergleichen vorbringen.
[253]

53. Der Kläger welcher einen Zeugen aufruft, der an dem Orte wo der Handel geschlossen wurde, nicht gegenwärtig gewesen ist, oder welcher einen Zeugen den er ausdrücklich hat vorrufen lassen, nachher nicht als solchen anerkennen will, oder welcher nicht gewahr wird, daß er unzusammenhängende und widersprechende Sachen behauptet;


54. Oder welcher in dem, worauf er vorher bestanden hat, nicht bey einerley Aussage bleibt; oder welcher bey der Untersuchung etwas das er vorher zugegeben hatte, sich nachgehends anzuerkennen weigert;


55. Oder welcher sich mit dem Zeugen an einem Orte besprochen hat, wo dergleichen Rücksprache unschicklich ist, oder welcher der Beantwortung einer Frage ausweicht die man von Rechtswegen an ihn thun kann, oder welcher den Gerichtshof verläßt;


56. Oder welcher, wenn man ihm zu sprechen befiehlt, stumm dasteht; oder welcher nicht beweist, was er behauptet hat; oder welcher nicht weiß, was erweislich oder unerweislich ist, ein solcher Kläger soll seine Rechtssache verlieren.


57. Den welcher gesagt hat: »ich habe Zeugen« und wenn er sie darstellen soll, keine herbeybringt, muß der Richter deswegen zur Verlassung seiner Rechtssache verurtheilen.


58. Wenn der Kläger unterläßt seine Klage anzubringen, so kann man ihn nach den Umständen der Sache körperlich züchtigen, oder auch mit Recht um Geld strafen; und wenn sich der Beklagte nicht innerhalb sechs Wochen vertheidiget, so ist er durchs Gesetz für schuldig erklärt.
[254]

59. Eine Summe welche vom Beklagten fälschlich abgeläugnet, oder vom Kläger fälschlich abgefodert wird, lasse der König beyde zur Strafe doppelt bezahlen, weil sie vorsätzlicherweise wider die Gerechtigkeit gehandelt haben.


60. Wenn Jemand von einem Gläubiger wegen Schuld vor Gericht gebracht wird, und dieselbe abläugnet, wenn man Rechenschaft von ihm fodert, so sollte der Brahmin welcher des Königs Stelle vertritt, nach Verhörung dreyer Zeugen zum wenigsten, diese Sache entscheiden.


61. Ich will kürzlich darthun, was für Zeugen bey Rechtssachen von Gläubigern und andern aufgestellt werden müssen, und wie die wahre Aussage dieser Zeugen beschaffen seyn muß.


62. Verheirathete Hausbesitzer, Väter die Knaben gezeugt haben, Einwohner des nemlichen Bezirkes aus der Classe der Krieger, der Kaufleute oder der Diener können von Rechtswegen, wenn sie von einer Parthey dazu aufgerufen werden, ihr Zeugniß geben; aber nicht Jedermann ohne Unterschied, ausgenommen bey einigen dringenden Fällen die bald erwähnt werden sollen.


63. Gerechte und verständige Männer aus allen vier Classen können Zeugen bey Rechtssachen abgeben; Männer die ihre ganze Pflicht verstehen und nicht geizig sind: aber Leute von entgegengesetztem Character muß der Richter abweisen.


64. Auch die können nicht zugelassen werden, deren Vortheil bey einer Rechtssache im Spiele ist, keine vertrauten Freunde, kein Gesinde, keine Feinde, keine Meineidigen, keine[255] gefährlich Kranke, noch irgend Jemand, welcher sich eines abscheulichen Verbrechens schuldig gemacht hat.


65. Ein König kann nicht zum Zeugen angerufen werden; auch nicht Köche und andere Leute von dergleichen niedrigen Beschäftigungen, keine öffentliche Tänzer und Sänger; kein tief in der Schrift gelehrter Priester; kein Schüler der Gottesgelahrtheit; kein Einsiedler welcher von allen weltlichen Verbindungen abgeschnitten ist.


66. Keiner der ganz und gar abhängig ist; keiner der in üblem Rufe steht; keiner dessen Beschäftigung grausam ist; keiner der offenbar wider das Gesetz handelt; kein betagter Greis; kein Kind; auch nicht ein einziger Mann allein; er zeichne sich denn wegen seiner Tugend aus; kein Verworfener von der niedrigsten, vermischten Classe; keiner der den Gebrauch der Sinnwerkzeuge verloren hat.


67. Keiner der große Schmerzen leidet; kein Betrunkener; kein Toller; keiner der großen Hunger oder Durst leidet; kein Uebermüdeter; kein Wollüstiger; kein zum Zorn Entflammter, noch jemand der eines Diebstahls überführt worden ist.


68. Frauen sollten ohne Ausnahme Zeugen für Frauen seyn; wiedergeborne Männer für wiedergeborne ihres Geschlechts; gute Diener und Handwerksleute für Diener und Handwerker; und Leute vom niedrigsten Herkommen für ihres gleichen.


69. Aber jede Person ohne Ausnahme welche genaue Kenntniß von Vorfällen hat, die sich in den innern Gemächern eines Hauses, in einem Walde, oder bey einem Todesfalle zugetragen haben, kann wischen zwey Partheyen zum Zeugen dienen.
[256]

70. Wenn es an Zeugen fehlt, welche die gehörigen Erfordernisse haben, so kann in solchen Fällen ein Weib, ein Kind, ein Greis, ein Schüler, ein Verwandter, ein Sclave oder ein Lohndiener Zeugniß ablegen.


71. Aber auf das Zeugniß von Kindern, Greisen und Kranken, welche alle sehr leicht unzuverläßige Dinge sagen, muß der Richter nicht viel bauen, und noch weniger auf die Aussage von Leuten deren Verstandeskräfte zerrüttet sind.


72. Bey Gewaltthätigkeiten, bey Diebstahl und Ehebruch, bey Verläumdung und Ueberfällen muß er die Zulänglichkeit der Zeugen nicht allzu genau untersuchen.


73. Wenn sich die Aussagen widersprechen, dann entscheide der König nach der Mehrheit glaublicher Zeugen, wenn die Anzahl auf beyden Seiten gleich ist, nach größerer Tugend; wenn das Verdienst der Tugend gleich groß ist, nach dem Zeugnisse von Wiedergebornen, die ihre öffentlichen Pflichten am besten erfüllt haben.


74. Zeugniß das auf Sachen beruht, die man gesehn oder gehört hat, zum Beyspiel Verläumdung und dergleichen, wenn es von denen kommt die so etwas selbst sahen oder hörten, ist zuläßlich; und wenn ein Zeuge bey dergleichen Fällen die Wahrheit spricht, so verletzt er weder seine Tugend noch verliert er seinen Reichthum.


75. Aber wenn ein Zeuge vor einer Versammlung von guten Männern wissentlich etwas anders aussagt, als er würklich gesehn oder gehört hat, soll er nach dem Tode in eine Gegend von Schrecken gestürzt, und vom Himmel getrennt werden.
[257]

76. Es trift sich zuweilen, daß jemand etwas sieht oder hört, ohne es sogleich bezeugen zu müssen; indessen wenn er nachgehends zum Zeugen aufgeruft werden sollte, so ist er gehalten das Geschehene pünktlich so auszusagen, wie er es sah und wie er es hörte.


77. Ein einziger Mann, welcher nicht vom Geize oder von andern Lastern angesteckt ist, kann in manchen Fällen der alleinige Zeuge seyn, und macht gewöhnlich größern Eindruck als viele Weiber, weil weiblicher Verstand sehr flatterhaft ist, oder auch als viele andere Männer, die sich mit Verbrechen befleckt haben.


78. Was Zeugen von freien Stücken oder ohne Einwürkung aussagen, muß seine Gültigkeit in Rechtssachen haben; aber was sie ohne Ueberzeugung wegen eines äußern Einflusses sagen, darauf darf bey den Aussprüchen der Gerichtshöfe keine Rücksicht genommen werden.


79. Nachdem sich die Zeugen mitten in der Richterstube, in Gegenwart des Klägers und des Beklagten versammlet haben, befrage sie der Richter: zuvor aber halte er an alle Gegenwärtige folgende Anrede:


80. »Thut nun vollständige und wahrhaftige Aussage von allem, was in der jetzt zu entscheidenden Rechtssache, auf beyden Seiten, eures Wissens vorgefallen ist, denn wir brauchen euer Zeugniß dabey.«


81. Ein Zeuge, dessen Aussage wahrhaftig ist, wird erhabene Sitze dort oben im Lichtreiche und den höchsten Ruhm hienieden erlangen: ja Brahma selbst verehrt ein solches Zeugniß.
[258]

82. Ein falscher Zeuge soll unterm Wasser mit den Schlangen-Banden Varuna's zusammengeschnürt, und hundert Seelenwanderungen hindurch aller Kraft, aus seiner Quaal zu entfliehen, beraubt werden: fern sey es daher von dem Menschen, falsches Zeugniß zu geben.


83. Wahrhaftigkeit reinigt einen Zeugen von Sünde, und bietet der Gerechtigkeit die Hand: daher müssen Zeugen aus allen Classen die Wahrheit sprechen.


84. Die Seele ist ihr eigner Zeuge; die Seele ist ihr eigner Zufluchtsort; verletze nicht deiner Seele Bewußtseyn, den höchsten innern Zeugen der Menschen!


85. Die Sünder sprechen in ihrem Herzen: »Niemand sieht uns.« Wahrlich, die Götter sehen sie deutlich und auch der Geist in ihrer Brust.


86. Die Schutzgottheiten der Veste, der Erde, der Gewässer, des menschlichen Herzens, des Mondes, der Sonne und des Feuers, der Strafe nach dem Tode, der Winde, der Nacht, der Abend und Morgendämmerung, und der Gerechtigkeit, kennen hinlänglich den Zustand aller bekörperter Geister.


87. Wenn sich der Richter gereinigt hat, so ermahne er des Vormittags die Wiedergebornen nach der Reihe und ebenfalls nach ihrer Reinigung in Gegenwart eines Bildes, welches die Gottheit vorstellt, und im Beyseyn der Brahminen, die Wahrheit auszusagen: die Zeugen müssen ihre Gesichter während dieser Zeit entweder nach Mitternacht oder Mittag zuwenden.


88. Wenn er einen Brahminen vor sich hat, muß er seine Anrede mit »Verkündige« anfangen; einen Cshatriya muß er mit »Sage die Wahrheit« anreden;[259] hat er es mit einem Vaisya zu thun, so vergleiche er den Meineyd mit dem Verbrechen dessen, der Kühe, Getreyde oder Geld gestohlen hat; aber in der Ermahnung an einen Sudra nach einigen oder nach allen der folgenden Anreden vergleiche er falsches Zeugniß mit jedem Verbrechen, dessen Menschen fähig find.


89. »Alle Oerter der Quaal, die für den Todtschläger eines Priesters, für den Mörder einer Frau oder eines Kindes, für den Verletzer eines Freundes und für einen Undankbaren zubereitet sind, erwarten den falschen Zeugen.«


90. »Die Frucht jeder guten Handlung, die du, o guter Mann, seit deiner Geburt gethan hast, wird von dir zu den Hunden gehen, wenn du in deiner Rede von der Wahrheit abweichst.«


91. »O Freund der Tugend, der erhabene Geist, den du für dein eignes Selbst hältst, wohnt beständig in deinem Busen, und ist ein allwissender Beobachter deiner guten oder deiner bösen Handlungen.«


92. »Wenn du dich mit Yama, oder dem Allbezwinger, mit Vaivaswata oder den Bestrafer, mit der großen Gottheit, die in deiner Brust wohnt nicht, wegen falscher Aussage, veruneiniget hast, so gehe nicht auf Pilgrimschaft an den Fluß Ganga, oder in die Gefilde von Curu, denn du bedarfst keiner Aussöhnung.«


93. »Der, welcher falsches Zeugniß giebt, soll nackend und beschoren, von Hunger und Durst geplagt, und seines Gesichts beraubt mit einer Scherbe an der Thüre seines Feindes Nahrung betteln.«
[260]

94. »Der gottlose Bösewicht, welches bey einer gerichtlichen Untersuchung auf die an ihn gerichteten Fragen nur eine einzige falsche Antwort ertheilt, wird über Hals und Kopf durch äusserste Finsterniß in die Hölle hinabstürzen«3.


95. »Wer in einem Gerichtshofe etwas nicht vollständig aussagt oder eine Thatsache behauptet, von welcher er nicht selbst Augenzeuge war, wird Schmerz anstatt des Vergnügens empfinden, und einem Manne gleichen, der gierig Fische ißt, und die scharfen Gräten mit verschluckt.«


96. »Den Göttern ist kein besserer Sterblicher in dieser Welt bekannt als der, in welchem der verständige Geist, welcher sich durch seinen Körper verbreitet, kein Mißtrauen setzt, wenn er ein Zeugniß ablegen soll.«


97. »Höre ehrlicher Mann in richtiger Ordnung wie viele Verwandten, bey verschiedenen Aussagen ein falscher Zeuge umbringt, oder doch die Schuld davon auf sich ladet.«


98. »Durch falsches Zeugniß in Rücksicht auf Vieh überhaupt, mordet er fünfe; durch falsches Zeugniß, betreffend Kühe mordet er zehne, durch falsches Zeugniß, betreffend Pferde mordet er hundert und durch falsches Zeugniß, betreffend das Menschengeschlecht mordet er tausend.«


99. »Durch falsche Aussage in einer Rechtssache die Gold betrift, bringt er die Gebornen und die Ungebornen um; durch falsches Zeugniß[261] betreffend Land, tödtet er alles was lebt: hüte dich daher in einer Rechtssache wegen Land falsche Aussage zu thun.«


100. »Die Weisen haben falsches Zeugniß Wasser und den Besitz oder Genuß der Weiber betreffend für einerley mit dem falschen Zeugnisse wegen Land gehalten; auch ist es gleich strafbar bey Rechtssachen, welche Perlen und andere im Wasser gebildete Kostbarkeiten, ferner alles was aus Stein gemacht ist zum Gegenstande haben. Nimm dir nun alle die Mordthaten die in den Verbrechen des falschen Zeugnisses begriffen sind, wohl zu Gewissen, und sage pünktlich die völlige Wahrheit in allem was du sahest und hörtest.«


102. Brahminen, welche Viehheerden hüten, handeln, Handwerke treiben, sich mit tanzen und singen beschäftigen, und welche für Lohn dienen oder wuchern, muß der Richter eben so ermahnen und befragen, als ob sie Sudras wären.


103. Es giebt einige Fälle, wo jemand aus einem frommen Bewegungsgrunde falsches Zeugniß ablegt, ob ihm gleich die Wahrheit bekannt ist; er wird dafür seinen Sitz im Himmel nicht verlieren, und weise Männer nennen ein solches Zeugniß die Rede der Götter.


104. In Fällen, wo wahre Aussage den Tod eines Mannes der kein großes Verbrechen begangen hat, aus der Classe der Diener, Kaufleute, Krieger oder Priester nach sich ziehen könnte, weil man weiß daß der König selbst bey Fehlern die aus Unachtsamkeit oder Irrthum entspringen, unerbittlich bleibt; in dergleichen Fällen kann man falsches Zeugniß ablegen; ja es ist selbst der Wahrheit vorzuziehen.
[262]

105. Dergleichen Zeugen müssen dem Saraswati Spenden von Reißkuchen und Milch darbringen, und sie an die Göttinn der Rede4 richten, so werden sie die verzeihliche Sünde der wohlgemeinten Unwahrhaftigkeit völlig aussöhnen.


106. Oder ein solcher Zeuge kann nach der heiligen Vorschrift, gereinigte Butter in geweyhetes Feuer gießen, und sie mit den Sprüchen welche cushmanda heißen, mit denen, die sich auf Varuna beziehen, und mit ud anfangen, oder mit den drey Sprüchen, welche den Wassergöttern zukommen, einsegnen.


107. Wer in Streitigkeiten über Anleihen und dergleichen, innerhalb dreyer vierzehn Tage nach gehöriger Vorladung ohne krank zu seyn sich als Zeuge vor Gericht zu stellen unterläßt, soll die ganze Schuld auf sich laden, und sein Zehntel davon als Strafe an den König zahlen.


108. Wenn einem Zeugen, welcher gerichtliche Aussage gethan hat, in den sieben darauf folgenden Tagen ein Unglück widerfährt, zum Beyspiel Feuer, Krankheit oder der Tod eines Verwandten, so soll er die Schuld und eine Strafe zu bezahlen verurtheilt seyn.


109. Bey Vorfällen, wo man keinen Zeugen haben kann, bleibt dem Richter übrig durch den Eyd der streitenden[263] Partheyen sich Kenntniß von der Wahrheit zu verschaffen; und auch wenn er sonst nicht völlig zur Gewißheit kommen kann.


110. Die sieben großen Rishis und die Gottheiten selbst haben Eyde abgelegt, um etwas vor Gerichte zu beweisen; und selbst Vasisht'ha, als er von Viswamitra eines Todtschlags angeklagt worden war, that einen Eydschwur vor König Sudaman, Piyavana's Sohne.


111. Kein verständiger Mann schwöre einen vergeblichen Eyd, bey unbedeutenden Vorfällen, nämlich vor Gericht: denn wer vergeblich schwört, soll in diesem und dem nächsten Leben bestraft werden.


112. Indessen wenn man mit Frauenzimmern tändelt, bey einem Heurathsantrage, wenn eine Kuh Gras oder Früchte abgeweidet, wenn man Holz zum Opfer genommen, oder sich verbindlich gemacht hat, einen Brahminen das Leben zu erhalten, in allen diesen Fällen ist ein kleiner Schwur keine Todsünde.


113. Der Richter lasse einen Priester bey seiner Wahrhaftigkeit schwören, einen Soldaten bey seinem Pferde und Elephanten oder bey seinen Waffen; einen Handelsmann bey seinen Kühen, seinem Getreide und Gelde; und einen Handwerker oder Dienstboten lasse er sich alle mögliche Verbrechen auf sein eignes Haupt wünschen, wenn er falsch zeugen würde.


114. Oder bey wichtigen Gelegenheiten lasse er den Zeugen Feuer halten, unters Wasser tauchen, oder die Häupter seiner Kinder und seiner Frau nach der Reihe berühren.
[264]

115. Wen das lodernde Feuer nicht brennt, wen das Wasser nicht gleich wieder heraufstößt, oder wem kein plötzliches Unglück zustößt, dessen beschwornes Zeugniß muß für wahr gehalten werden.5


116. Dem weisen Vatsa, welchem sein jüngerer Halbbruder einst vorwarf, er sey der Sohn einer Dienstfrau, verletzte das Feuer, welches die Welt durchglüht, auch nicht ein einziges Haar, weil er die reine Wahrheit sprach.


117. Wenn bey einer Rechtssache falsches Zeugniß abgelegt worden ist, so muß der König das gefällte Urtheil widerrufen, und alles was dabey vorgefallen ist, für ungültig gehalten werden.


118. Zeugniß, gegeben aus Eigennutz, Zerstreuung, Freundschaft, Wollust, Zorn, Unwissenheit, und Unachtsamkeit, ist für ungültig zu halten.


119. Nun will ich die verschiedenen Strafen, deren sich Jemand schuldig macht, welcher aus irgend einer der genannten Ursachen falsches Zeugniß ablegt, vollständig nach der Reihe darthun.


120. Ein falscher Zeuge soll tausend Panas zur Strafe bezahlen, wenn er es aus Gewinnsucht gethan hat; zwey hundert und funfzig oder die kleinste Geldstrafe, wenn aus Zerstreuung; die kleinste Geldstrafe doppelt wenn aus Furcht; vierfach die kleinste wenn aus Freundschaft;


120. Zehnmal die kleinste Geldstrafe, wenn aus Wollust; dreymal die nächste oder die mittelste, wenn[265] aus Zorn; just zweyhundert, wenn aus Unwissenheit; aber nur hundert, wenn aus Unachtsamkeit.


121. Gelehrte Männer haben uns diese Strafen umständlich überliefert, wie sie von weisen Gesetzgebern für Meineidige Zeugen in der Absicht vorgeschrieben wurden, um die Bemühungen der Gerechtigkeit nicht fruchtlos zu machen und Gewissenlosigkeit zu verhindern.


123. Wenn Leute aus den drey niedrigern Classen falsche Aussage gethan haben, so strafe sie ein gerechter Fürst erst an Gelde und dann verbanne er sie; aber einen Brahminen verbanne er blos.


124. Menu der Sohn des selbstständigen hat zehn Oerter zur Strafe bestimmt, welche bey den drey niedern Classen dazu ausgewählt sind, aber ein Brahmin muß das Reich verlassen, ohne an irgend einem derselben beschädigt zu werden:


125. Die Zeugungstheile, der Leib, die Zunge, die beiden Hände, und fünftens die beiden Füße, das Auge, die Nase, beyde Ohren, das Eigenthum, und bey einem Hauptverbrechen, der ganze Körper.


126. Der König überlege und unterrichte sich wohl, ob sich jemand eines solchen Vergehens mehrmals schuldig gemacht hat; er erforsche den Ort und die Zeit, und ob der Verbrecher im Stande ist zu bezahlen oder zu leiden, endlich überlege er das Verbrechen selbst, und lasse blos die bestrafen, die es verdienen.


127. Ungerechte Bestrafung verscherzt den guten Nahmen im Leben und den Ruhm nach dem Tode: ja sie vertritt sogar im nächsten Leben den Weg zum Himmel, daher muß sich ein König aus allen Kräften bemühen nicht ungerecht zu strafen.
[266]

128. Derjenige König, welcher solche bestraft die es nicht verdienen, und diejenigen welche es verdienen ungestraft läßt, bringt bey seinen Lebzeiten Schande über sich, und wird nach seinem Tode in eine Gegend der Quaal hinabsinken.


129. Erst strafe er durch sanfte Erinnerung; dann durch harte Vorwürfe; drittens durch Verminderung des Vermögens, und zuletzt durch körperlichen Schmerz.


130. Aber wenn er solche Verbrecher nicht einmal durch körperliche Strafe in Zaume halten kann, dann bediene er sich bey ihnen aller vier Arten mit Nachdruck.


131. Ich will nun kürzlich die Nahmen der Kupfer-Silber- und Goldgewichte erklären, welche gemeiniglich unter den Menschen bey weltlichen Geschäften gebraucht werden.


132. Das ganz kleine Stäubchen welche man im Sonnenstrahle durchs Gitter kann kommen sehen, ist die kleinste sichtbare Quantität, und wird von den Menschen ein Trasarenu genannt.


133. Man hält achte dieser Trasarenus einem kleinen Mohnkörnchen gleich; drey dieser Körnchen sind einem schwarzen Senfkorne gleich, und drey dieser letztern einem weißen Senfkorne.


134. Sechs weiße Senfkörner sind einem Gerstenkorne von Mittelgröße gleich; drey solcher Gerstenkörner einem Ractica oder Korne der Gunja; sieben Racticas von Gold machen einen Masha, und sechzehn solche Mashas einen Suvern a;6
[267]

135. Vier Suvernas machen einen Pala; zehn Palas einen Dharana; aber zwey silberne Racticas auf eine Waagschale gelegt, werden einem Mashaca gleich gehalten.


136. Sechzehn von diesen Mashacas machen einen silbernen Dharana oder Puraua; aber ein Carsha, oder achtzig Racticas von Kupfer wird ein Pana oder Carshapana genannt.


137. Zehn silberne Dharanas kennt man unter dem Nahmen eines Satamana; und eine Schwere von vier Suvernas wird auch Nishca genannt.


138. Zweyhundert und fünfzig Panas nun werden als die erste oder niedrigste Geldstrafe angegeben; fünfhundert derselben hält man für die mittlere; und tausend für die höchste.


139. Wenn der Beklagte eine Schuld eingestanden hat, so muß er dem König eine Geldstrafe von fünfen aufs hundert bezahlen, aber wenn er sie abgeläugnet und man ihn überführt hat, zweymal so viel: dieses Gesetz wurde von Menu gegeben.


140. Ein Geldausleiher hat die Erlaubniß ausser dem Capitale noch die Zinßen zu fordern welche Vasisht'ha vergönnet hat, das ist den achtzigsten Theil von hundert, oder eins und ein Viertel jeden Monat, wenn er ein Pfand hat.


141. Oder wenn er kein Pfand hat, so kann er Monatlich zwey von hundert nehmen, wohl eingedenk der Pflicht guter Menschen, denn wenn er unter solchen Umständen zwey vom Hundert nimmt, so macht er sich der Sünde der Gewinnsucht nicht schuldig.
[268]

142. Eben so kann er nach Maßgabe der Gefahr und in der geraden Folge der Classen einen Priester zwey vom Hundert, einen Soldaten drey, einen Handelsmann viere, und einen Handwerker oder Dienstboten fünf, aber niemahl mehr monatliche Zinsen bezahlen lassen.


143. Wenn er ein Nutzungspfand oder ein Pfand das er zu seinem Vortheile braucht, annimmt, so darf er keine andern Zinsen von der entlehnten Summe nehmen; und lange Zeit darnach oder wenn sein Vortheil eben so groß als die Schuld selbst ist, hat er nicht die Erlaubniß ein solches Pfand wegzuschenken oder zu verkaufen, oder es gleich wieder als Pfand, einem andern anweisen kann.


144. Ein Pfand welches blos aufbehalten werden soll, darf nicht mit Gewalt, das heißt ohne Einwilligung gebraucht werden: der Empfänger welker einen Nutzen daraus zieht, muß entweder alle seine Zinsen fahren lassen, oder den der das Pfand niedergelegt hat, dafern es verdorben oder abgenutzt ist, dadurch befriedigen, daß er ihm den ursprünglichen Kaufpreis dafür bezahlt; außerdem ist er ein Dieb des Pfandes.


145. Ein Pfand das auf unbestimmte Zeit gegeben wird, kann in einer langen Zeit darauf dem Eigenthümer eben so wenig abgesprochen werden, als eine zum Aufbewahren niederlegte Sache; beyde hat man das Recht wieder zu fordern, wenn sie der Empfänger auch noch so lange bey sich gehabt hätte.


146. Eine Milchkuh, ein Cameel, in Reitpferd, ein Stier oder irgend ein anderes Thier, welche[269] wohin geschickt worden sind um zur Arbeit abgezähmt zu werden, desgleichen andere Dinge, die mit freundschaftlicher Einwilligung gebraucht werden, hat der Eigenthümer wegen des Verkaufs einer langen Zeit nicht verloren.


147. Aber überhaupt alle Sachen, welche ein Eigenthümer zehn Jahre lang in dem Besitze anderer sieht, ohne etwas dazu zu sagen, ob er gleich gegenwärtig ist, diese soll er nicht wieder zurück fordern dürfen.


148. Wenn ein Mann der kein blödsinniger oder kein unerwachsener unter dem vollen Alter von funfzehn Jahren ist, etwas das ihm zugehört, irgendwo, wo er es ansichtig werden kann, ohne seinen Willen aufbehalten sieht, so hat er sein Eigenthum daran dem Gesetze nach verscherzt, und der unrechtmäßige Besitzer soll es behalten.


149. Ein Pfand, eine Landesgränze, das Eigenthum eines Unerwachsenen, etwas das entweder offen oder in einem versiegelten Kasten zur Aufbewahrung gegeben worden ist, Sklavinnen, der Reichthum eines Königs und eines gelehrten Brahmin sind, wegen wiederrechtlichen Genusses, nicht für verloren aufzugeben.


150. Der Thor, welcher von einem Pfande, ohne die Einwilligung des Eigenthümers, jedoch auch nicht wider dieselbe, insgeheim Gebrauch macht, soll die Hälfte der schuldigen Zinsen als eine Entschädigung für solchen Gebrauch fahren lassen.


151. Zinsen von Geld welche auf einmal, nicht monatlich oder täglich wie es sich eigentlich gebührte, bezahlt werden, müssen nie mehr als das Doppelte der Schuld seyn, das ist nie mehr als der Vertrag des Capitals welches zur nehmlichen[270] Zeit bezahlt wird: von Getreide, von Früchten, von Wolle oder von Haaren und von Lastthieren, die man sämmtlich gelehnt hat, um mit den nehmlichen Sachen, von gleichem Werthe bezahlt zu werden, müssen die Interessen nie das Fünffache der Schuld übersteigen.


152. Wenn die im Gesetze vorgeschriebenen Zinsen überschritten werden, und von den in vorstehender Satzung erwähnten verschieden sind, so ist der Vertrag ohne Gültigkeit, und die Weisen nennen dies eine wucherische Art zu leihen: der Gläubiger darf höchstens fünf vom Hundert nehmen.


153. Keiner, der auf einen, zwey oder drey Monate Geld gegen gewisse Zinsen ausleihet, soll dieselben länger als ein Jahr annehmen, eben so wenig als unerlaubte Zinsen, oder Zinsen für Zinsen nach vorhergemachtem Vertrage, oder monatliche Zinsen, die mit der Zeit mehr als das Capital betragen, oder Zinsen, die man von dem Schuldner als Entschädigung für die zulaufende Gefahr nimmt, ob gleich zur Zeit dem Staate kein Unglück bevorsteht, oder übertriebenen Vortheil von einem Pfande, welches anstatt der Zinsen dem Gläubiger zum Gebrauche ist überlassen worden.


154. Wer seine Schuld zur anberaumten Zeit nicht bezahlen kann, und seinen Vertrag erneuern will, muß es mit des Gläubigers Einwilligung schriftlich thun, wenn er anders alle zur Zeit gefällige Zinsen bezahlt hat.


155. Wenn er aber durch einen unvermeidlichen Vorfall, nicht den ganzen Zins bezahlen kann, so sey ihm erlaubt, den Ueberschuß welchen er hätte[271] abtragen sollen, in den erneuten Vertrag, als Capital einzurücken.


156. Wer eine Sache in der Erwartung ausleihet, daß sie sicher ankommen wird, und wegen des Ortes und der Zeit überein kommt, soll, wenn zufälliger weise die Sache nicht am rechten Orte oder zur rechten Zeit anlangt, keine Zinsen erhalten.


157. Aller Zins, oder alle Schätzung der zulaufenden Gefahr worüber Männer, die mit See- und Landreisen mit der erforderlichen Zeit und mit den Oertern wohl bekannt sind, einen Vergleich zwischen zwey Handelsleuten zu Stande gebracht haben, soll für gesetzmäßig gehalten werden.


158. Wer sich für die Erscheinung eines Schuldners in dieser Welt verbürgt, und ihn nicht stellen kann, soll die Schuld aus seinem eigenen Vermögen bezahlen.


159. Jedoch Geld, welches ein Bürge schuldig ist, oder welches nichtswürdigerweise Tonkünstlern und Schauspielerinnen versprochen, oder im Spiele verloren worden, oder für erhitzende Getränke zu bezahlen ist, oder der zu bezahlende Rest einer Geldstrafe oder eines Zolls, das soll im Ganzen der Sohn eines Bürgen oder eines Schuldners nicht zu bezahlen verbunden seyn:


160. So lautet die Vorschrift in Fällen wo jemand für die Erscheinung oder das gute Betragen eines andern Bürge wird; sollte aber jemand der sich für eine Bezahlung verbürgt hat, sterben, so kann der Richter sogar dessen Erben zwingen die Schuld zu bezahlen.


161. Weswegen hat denn nun ein Gläubiger in einem gewissen Falle das Recht, nach dem Absterben[272] eines Mannes, der zwar Bürge geworden war, aber nicht für Bezahlung, die Schuld von dessen Erben zu fodern, da doch des Verstorbenen Angelegenheiten keinem Zweifel unterworfen und bekannt sind?


162. Wenn der verstorbene Bürge vom Schuldner Geld erhalten und genug zur Bezahlung der Schuld hatte, so soll der Sohn dessen der es erhielt, die Schuld aus seinem geerbten Vermögen bezahlen: dies ist eine heilte Verordnung.


163. Ein Vertrag welchen ein Betrunkener, einer der nicht bey Sinnen ist, ein schmerzhaft Kranker, ein ganz Abhängiger, ein Unmündiger, ein unbehülflicher alter Mann, oder ein Vertrag welchen jemand ohne Vollmacht im Nahmen eines andern macht, ist durchaus ungültig.


164. Ob gleich eine Klage durch Zeugniß unterstützt wird, so kann sie doch keine Folgen haben, wenn die Ursache auf welche sich der Rechtshandel gründet dem eigentlichen Gesetze oder dem Herkommen zuwider läuft.


165. Wenn ein Richter ein betrügerisches Pfand, oder einen betrügerisch Kauf entdeckt, ferner eine betrügerische Gabe und Annahme derselben, oder wenn er sonst in irgend einem Falle Betrug entdeckt, da erkläre er die ganze Unterhandlung für ungültig.


166. Wenn ein Schuldner mit Tode abgegangen und das geborgte Geld zum Nutzen der Familie angewendet worden ist, so soll diese Familie es aus ihrem eignen Vermögen auf einmal oder nach und nach bezahlen.


167. Wenn auch ein bloßer Sclave, im Nahmen seines abwesenden Herrn, zum Besten der Familie[273] einen Vertrag macht, so soll der Herr denselben weder zu Hause noch in der Fremde für ungültig erklären.


168. Wenn jemanden etwas aus Zwang ist gegeben worden, der kein Recht hat es zu empfangen, wenn man von etwas gewaltsamerweise Gebrauch gemacht hat, wenn etwas aus Zwang geschrieben worden ist, und alles andere, das aus Zwang, oder ohne freye Einwilligung geschehen ist, das hat Menu für nichtig erklärt.


169. Drey werden von andern geplagt, nämlich Zeugen, Bürgen und Aufseher über Rechtssachen, und viere machen sich langsam ein Vermögen, wobey sie andern Vortheil bringen, ein Brahmin, ein Geldleiher, ein Kaufmann und ein König.


170. Ein König wenn er es auch noch so bedürftig wäre, sollte nie etwas nehmen das nicht angenommen werden darf; hingegen aber auch sich nicht weigern das anzunehmen, was ihm zugehört, es sey noch so geringe, und sein Vermögen sey auch noch so groß.


171. Wenn ein König annimmt was er nicht sollte, und von sich weist, was er nehmen könnte, verräth seine eigene Schwäche, und ist sowohl in dieser als in jener Welt verloren.


172. Aber wenn er nimmt was ihm gehört, wenn er Gerechtigkeit handhabt, und die Schwachen beschützt, so vermehrt er seine eigene Stärke, und wird in der nächsten und in dieser Welt erhoben.


173. Daher thue ein König eben so wie Yama auf alles Verzicht, das ihm selbst gefällt oder nicht gefällt, lebe nach den strengen Vorschriften des Yama, unterdrücke seinen Zorn und wache über seine Glieder.
[274]

174. Ein übelgesinnter König, welcher aus Verblendung in Streitigkeiten vor Gerichte ungerecht entscheidet, wird da ihm sein eignes Volk abgeneigt ist, in kurzer Zeit von einem Feinde unterjocht werden.


175. Aber wer seine Lüste und seinen Zorn im Zaume hält, und Streitigkeiten mit Gerechtigkeit schlichtet, zu dem drängt sich sein Volk natürlich wie Flüsse nach dem Ocean.


176. Ein Schuldner, welcher sich vor dem Könige beklagt, daß sich sein Gläubiger eigenmächtig, wie es das Gesetz erlaubt, seine Schuld wiederverschafft hat, soll vom Könige gezwungen werden, ein Viertel der Summe als eine Geldstrafe zu befahlen, und der Gläubiger soll im Besitze dessen was ihm gehört, gelassen werden.


177. Was dem Schuldner ist zuerkannt worden, soll er sogar durch persönliche Arbeit abtragen, wenn er aus der nämlichen Classe mit dem Gläubiger, oder aus einer niedrigern ist; aber der Schuldner aus einer höhern Classe muß es nach seinen Einkünften nach und nach bezahlen.


178. Nach dieser Sammlung von Vorschriften entscheide ein König unpartheyisch alle Streitigkeiten die Menschen unter einander haben, nachdem er durch Zeugnisse, oder durch Eidschwüre von beyden Seiten die Wahrheit hat zu erfahren gesucht.


179. Wenn ein verständiger Mann etwas zur Verwahrung geben will, so sollte er es bey jemanden von hoher Geburt und von guten Sitten, bey einem der das Gesetz wohl versteht, der sich angewöhnt hat die Wahrheit[275] zu reden, und der eine große reiche und verehrungswürdige Familie hat, niederlegen.


180. Alles was jemand auf irgend eine Art bey einem andern niederlegt, das nämliche soll der Eigenthümer und auch auf die nämliche Art wieder erhalten: wie die Ueberlieferung war, so muß die Zurückgabe seyn.


181. Wer dem Niederleger auf sein Verlangen das nicht wieder giebt was dieser ihm anvertraut hatte, kann zuförderst in des Niederlegers Abwesenheit auf folgende Art vom Richter auf die Probe gestellt werden.


182. Wenn keine Zeugen da sind, so suche der Richter vermittelst schlauer Spione, die über das Alter der Kindheit hinaus und von einnehmenden Aeusseren sind wirkliches Gold oder kostbare Dinge bey dem Beklagten niederlegen zu lassen.


183. Wenn der Beklagte dieses Anvertrauete in eben der Beschaffenheit und Gestalt, in welchen es ihm von den Spionen überantwortet wurde, wieder erstattet, so ist nichts in seinen Händen weswegen andere ihn mit Recht belangen könnten.


184. Wenn er aber das Gold oder die Kostbarkeiten diesen Auflaurern nicht, seiner Pflicht gemäß, wiedergiebt, so soll er in Verhaft genommen und gezwungen werden, den Betrag beider Niederlegungen zu bezahlen: dies ist ein ausgemachtes Gesetz.


185. Wenn jemand etwas versiegelt oder nicht versiegelt in Verwahrung giebt, so darf es so lange er, der Niederleger, noch lebt, an seine würklichen oder vorgeblichen Erben nicht abgeliefert werden: denn beyde Niederlegungen sind verfallen, wenn der Urheber derselben[276] stirbt, oder können von dem Erben in diesem Falle nicht gefodert werden; aber vor des ersteren Tode verfallen sie nicht, und wenn sie etwa der würkliche Erbe in seinen Besitz bekommen sollte, so kann der Niederleger selbst den gerichtlich belangen, dem er sie anvertrauet hatte.


186. Aber wenn der Aufbewahrer aus freyem Willen geneigt ist, etwas ihm Anvertrauetes dem Erben eines verstorbenen Niederlegers abzuliefern, so muß ihn jedoch weder der König noch dieser Erbe durch andre dergleichen Forderungen in Zukunft beschwerlich fallen.


187. Und wenn dergleichen Forderungen gemacht werden, so muß der König nach einer freundlichen Ermahnung, ohne Hinterlist zu brauchen, die Streitigkeiten entscheiden, denn wenn einmal der ehrliche gute Wille des Mannes bewiesen ist, so muß der Richter mit Gelindigkeit verfahren.


188. Auf solche Weise kann man bey allen diesen Rechtsstreiten, die Niederlegung betreffen, den Weg zur gerechten Entscheidung finden: im Fall die niedergelegte Sache versiegelt ist so soll der Aufbewahrer bey der Zurückgabe keinen Tadel zu befürchten haben, ausgenommen wenn er das Siegel verändert, oder etwas herausgenommen hat.


189. Wenn etwas Niedergelegte von Dieben entwendet, durch Ungeziefer verdorben, vom Wasser weggeschwemmt, oder vom Feuer verzehrt wird, so soll der Uebernehmer nicht verbunden seyn es zu ersetzen, er müßte denn einen Theil davon für sich genommen haben.
[277]

190. Wenn Beklagter die Niederlegung einer Sache abläugnet und Kläger sie behauptet, so nehme der König zu allerley Mitteln und zu den Ordalien, die im Veda vor geschrieben sind, seine Zuflucht.


191. Wenn jemand etwas, das würklich niedergelegt worden ist, nicht zurück giebt, desgleichen wenn jemand etwas wiederfodert, das er nie in Verwahrung gegeben hatte, so sollen beyde bey der zweyten Vergehung als Diebe bestraft werden, dafern Gold, Perlen und dergleichen gefodert worden sind, oder wenn die Foderung eine Kleinigkeit betrift, so soll jeder von ihnen eben so viel an Gelde bezahlen als die verlangte Sache werth ist.


192. Einen betrügerischen Aufbewahrer sollte der König, gleich beym ersten Vergehen ohne darauf zu sehen, ob die niedergelegte Sache versiegelt oder offen war, um eben so viel an Gelde strafen, als die Sache werth ist.


193. Wer sich unter falschem Vorwande die Güter eines anderen zu verschaffen weiß, soll sammt seinen Mitschuldigen mit den verschiedenen Arten der Stäupung, oder Verstimmelung, oder nach Befinden mit dem Tode bestraft werden.


194. Ueberhaupt alles was zur Verwahrung gegeben ist, sollte in der nämlichen Beschaffenheit und Anzahl in welcher es anvertrauet wurde, von der nämlichen an die nämliche Person, von welcher und in deren Verwahrung es gegeben wurde, und endlich in Gegenwart der nämlichen Leute, welche bey der Uebergabe Zeugen waren, wieder erstattet werden: werden wer[278] es auf andere Art wieder erstattet, sollte eine Geldstrafe bezahlen.


195. Was aber ohne Zuziehung anderer niedergelegt wurde, sollte eben so von niemand als dem Empfänger und niemanden als dem Niederleger zurück gegeben werden: just wie die Anvertrauung geschah, so sollte auch, zufolge einer Vorschrift im Veda die Zurückerstattung geschehen.


196. Solcher gestalt entscheide der König Rechtssachen, die eine Niederlegung oder eine freundschaftliche Entlehnung zum Gebrauche betreffen, ohne gegen den Aufbewahrer strenge zu verfahren.


197. Wer das was einem andern zugehört ohne des Eigenthümers Einwilligung verkauft, dessen Zeugniß soll der Richter nicht für hinlänglich halten, sondern ihn als einen Dieb behandeln, der keinen Diebstahl begangen zu haben vorgiebt.


198. Wenn er indessen ein naher Verwandter des Eigenthümers ist, so soll er sechs hundert Panas bezahlen; wenn er aber weder ein Verwandter von ihm noch jemand unter ihm ist, der Foderungen zu machen hat, so begeht er ein eben so großes Verbrechen als Diebstahl ist.


199. Daher kann eine geschenkte oder verkaufte Sache, die ein anderer als der wahre Eigenthümer gegeben oder veräußert hat, nach einem angenommenen Gesetze in Rechtssachen weder für geschenkt noch verkauft gehalten werden.


200. Im Falle es bewiesen wird, daß jemand auf eine Zeitlang etwas besessen hat, ohne irgend ein Recht darauf darthun zu können, so kann dadurch der Verkauf desselben nicht gut geheißen[279] werden: blos ein Recht, aber nicht der Besitz ist wesentlich hierbey; und auch dies ist ein ausgemachtes Gesetz.


201. Wer ein Stück Hausrath auf ofnem Markte vor vielen Leuten käuflich an sich gebracht hat, erlangt dadurch von Rechtswegen das ausschließliche Eigenthum, weil er den Kaufpreis dafür bezahlt hat, doch muß den Verkäufer stellen können.


202. Wenn man aber den Verkäufer nicht austreiben, aber der Käufer beweisen kann, daß es öffentlich verkauft worden ist, so muß der König letzteren ohne Strafe entlassen, und der vorige Eigenthümer, welcher das Geräthe verloren hat, kann es wieder zurück neh men, wenn er dem Käufer den halben Preis dafür bezahlt.


203. Eine Waare die mit einer andern vermischt wird, muß nie für eine unvermischte verkauft werden, eben so wenig als schlechte Waaren für gute, oder weniger als wozu man sich anheischig gemacht hat, oder etwas das man entfernet oder verborgen hält, damit nicht etwa ein Fehler darinnen entdeckt werde.


204. Wenn einem Bräutigamme, welcher schon eine Jungfrau gesehen, und von ihren nächsten Verwandten die Erlaubniß g ekauft hatte, sie zu heyrathen, noch eine andere angeboten wird, so steht ihm frey, für den nämlichen Preis der Ehemann von beyden zu werden; dieses Gesetz hat Menu verordnet.7
[280]

205. Wenn der Verwandte einer Jungfrau sie verheirathet, nachdem er zuvor unverholen ihre Fehler entdeckt hat, nämlich ob sie nicht bey Sinnen, mit Elephantiasis behaftet, oder durch Verbindung mit einem Manne befleckt ist, so soll er nicht bestraft werden.


206. Wenn ein Opferpriester zu der Zeit, wenn er würcklich im Opfern begriffen ist, sein Geschäft verläßt, so sollen ihn sein Mitgenossen die an der Verrichtung Theil nehmen, aus ihrer gemeinschaftlichen Bezahlung nur etwas gewisses zukomme lassen.


207. Wenn er aber seine Arbeit ohne Betrug, nachdem das Opfergeld schon ausgetheilt worden ist, niederlegt, so kann er den ganzen ihm zugehörigen Theil nehmen, und das, was noch zu thun übrig ist, von einem andern Priester verrichten lassen.


208. Wenn bey der Vergleichung feyerlicher Gebräuche für jede Ceremonie eine besondere Bezahlung verordnet ist, soll der welcher eine Ceremonie allein verrichtet, die Bezahlung blos für sich behalten, oder sollen sich die Priester gemeinschaftlich in die Sporteln theilen?


209. Bey gewissen heiligen Gebräuchen nehme der, welcher den Yajurveda lieset, den Karren, und der Brahma oder Aufsicht habende Priester das Pferd; oder bey einer andern Gelegenheit, nehme der Leser des Rigveda das Pferd und der, welcher den Samaveda singt,8 empfange den Wagen, in welchem die zum Opfer angekauften Sachen gebracht worden waren.
[281]

210. Wenn hundert Kühe unter sechzehn Priester getheilt werden sollen, so gehört den vier obersten, oder der ersten Gruppe, beynahe die Hälfte, oder acht und vierzig, den folgenden vieren halb so viel; der dritten Gruppe ein Drittel davon, und den übrigen ein Viertel.


211. Nach dieser Vorschrift, oder nach Maaßgabe der Arbeit müssen Leute den ihnen zukommenden Theil hienieden bekommen, welche obgleich gemeinschaftlich verbunden, ihre besondere Arbeit beym Geschäfte verrichten.


212. Wenn jemand für die Verrichtung einer religiösen Handlung sich von einem andern Geld oder Geldes Werth geben, oder als ein Geschenk versprechen läßt, und nachher die Handlung nicht vollzieht, so soll die Schenkung nicht gültig seyn.


213. Wenn das Geld schon bezahlt ist, und der welcher es erhalten hat, aus Stolz oder Geiz, sich in diesem Falle weigert es zurück zu geben, so soll er dem Könige als eine Strafe für seinen Diebstahl eine Suverna erlegen müssen.


214. Dies ist die Vorschrift, nach welcher es erlaubt ist in den erwähnten Umständen eine Gabe wieder zurückzunehmen: ich will nun die Fälle nennen, in welchen das Gesetz die Nichtbezahlung des Lohns billigt.


215. Ein gemietheter Diener oder Handwerksmann, welcher nicht wegen Krankheit, sondern aus Uebermuth die schuldige Arbeit seinem Versprechen zu folge vernachläßigt, soll um acht Racticas gestraft, und sein Lohn ihm nicht bezahlt werden.


216. Wenn er aber würklich krank ist, und nach seiner Wiederherstellung wieder eben so arbeitet als er[282] zu thun sich anheischig gemacht hatte, so soll er seinen Lohn bekommen, ob es gleich noch so lange währen sollte.


217. Er sey nun aber krank oder gesund, und die bedungene Arbeit wird nicht von einem andern für ihn oder von ihm selbst verrichtet, so soll er seines ganzen Lohnes verlustig seyn, obgleich noch so wenig zu thun übrig geblieben ist.


218. Dies ist die allgemeine Verordnung in Ansehung der Arbeit, wozu sich jemand für Lohn verbindlich gemacht hat: nun will ich ausführlich erörtern, was bey Leuten die ihr Versprechen nicht halten, Rechtens ist.


219. Wenn ein Kaufmann, oder anderer Bewohner einer Stadt oder eines Bezirks, aus Geiz sein Versprechen nicht hält, ohngeachtet er sich durch einen Eyd verbindlich gemacht hatte es zu erfüllen, so soll ihn der König ans seinem Reiche verbannen;


220. Oder der Richter kann nach Befinden der Umstände den, welcher sein Versprechen nicht gehalten hat, in Verhaft nehmen lassen, und ihm die Bezahlung von sechs Nishcas, oder von vier Suvernas, oder von einer silbernen Satamana, oder von allen dreyen, wenn er eine solche Strafe verdient haben sollte, zuerkennen.


221. Ein gerechter König muß bey der Auflegung von Geldstrafen diese Verordnung unter allen Bürgern und in allen Classen anwenden, welche das nicht erfüllen wozu sie sich verpflichtet haben.


222. Wer in dieser Welt etwas gekauft oder verkauft hat, das nicht zerstörbar und dessen Preis festgesetzt ist, zum Beyspiel Land oder Metalle, und den Handel wieder umzustoßen wünscht,[283] mag es innerhalb zehn Tagen wieder zurück geben oder nehmen.


223. Aber nach zehn Tagen darf er es weder zurück geben noch nehmen: widrigenfalls soll der Geber oder der Nehmer dem Könige eine Geldstrafe von sechs hundert Panas bezahlen, ausgenommen wenn es mit beyder Einwilligung geschehen ist.


224. Wer eine befleckte Jungfrau für eine Belohnung zur Ehe giebt, ohne ihren Flecken zu gestehen, von dem soll sich der König selbst eine Geldstrafe von sechs und neunzig Panas erlegen lassen.


225. Wenn aber jemand aus Bosheit von einem Mädchen sagt, daß sie keine Jungfrau sey, und ihre Unächtheit nicht beweisen kann, so soll er um hundert Panas gestraft werden.


226. Die heiligen Hochzeitsprüche werden allein bey Jungfrauen, und nirgends auf der Erde bey Dirnen gebraucht, die ihre Jungfrauschaft verloren haben, weil diese insgemein von gesetzmäßigen Ceremonien geschlossen sind.


227. Die Hochzeitsprüche sind in Ansehung der Ehe eine zuverläßige Vorschrift, und die Gelehrten wissen, daß der Ehevertrag vollzogen, und unwiederruflich ist, sobald das verheiratete Paar Hand in Hand, nach dem Hersagen dieser Sprüche, den siebenten Schritt gethan hat.9


228. In allen möglichen Geschäften hienieden muß ein Richter jedweden auf den Pfad der Redlichkeit einschränken,[284] welcher als Käufer oder Verkäufer einen Handel wieder aufheben will.


229. Nun will ich genau nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit über die Streitigkeiten entscheiden, welche gemeiniglich aus den Vergehungen derer entstehen, welche Viehheerden besitzen, und derer welche gemiethet werden um sie zu hüten.


230. Bey Tage ist der Hirt in der Schuld; bey Nacht der Eigenthümer, wenn das Vieh in seinem eigenen Hause bleibt und gefüttert wird; übernachtet es aber und bekommt sein Futter anderswo, so fällt die Schuld auf den, der die Aufsicht über dasselbe hat.


231. Wenn es der Herr zufrieden ist, so kann ein verdungener Dienstbote, dessen Lohn in Milch besteht, aus zehn Kühen die beste für sich zum Melken aussuchen; bezahlt man die Hirten nicht etwa auf andere Art, so pflegt ihr Lohn von dieser Gattung zu seyn.


232. Wenn sich ein Stück Vieh durch die Unachtsamkeit des Hirten verlaufen hat, wenn es von Schlangen aufgefressen, von Hunden erwürgt worden, oder in eine Grube gefallen und umgekommen ist, so soll er selbst den Verlust ersetzen;


233. Wenn es aber von Räubern entwendet worden ist, und der Hirte es nicht nur sogleich öffentlich bekannt gemacht und ihnen nachgeschickt, sondern auch seinem Herrn zu gehöriger Zeit und am rechten Orte davon Nachricht ertheilt hat, so soll er nicht schuldig seyn den Schaden zu tragen.


234. Wenn ihm Vieh stirbt, so bringe er seinem Herrn die Ohren, Häute, Zähln, die Haut unter den Nabeln, die Sehnen und die Feuchtigkeit, welche aus der Stirne dringt; desgleichen zeige er ihm die Beine davon.
[285]

235. Wenn eine Heerde Ziegen oder Schaafe von Wölfen angefallen wird, und der Hirte sucht sie nicht abzuwehren, so soll er jedes Stück Vieh ersetzen, welches der Wolf erwürgt hat.


236. Wenn aber die Heerden unter des Hirten gehöriger Aufsicht, an einem Walde zusammen grasen, und der Wolf springt unvermuthet auf ein Schaaf und würgt es, so soll der Hirte in diesem Falle keine Verantwortung haben.


237. Bey Dörfern und kleinen Städten muß auf allen Seiten ein Platz für die Weide bleiben, welcher in der Breite 400 Ellen, oder drey Würfe eines dicken Stabes, oder bey einer beträchtlichen Stadt dreymal so viel Raum in sich fassen mag.


238. Wenn das Vieh innerhalb dieser Weide das Getreide auf einem unumzäunten Felde beschädiget, so darf der König die Hirten nicht dafür bestrafen.


239. Jeder Eigenthümer muß seine Felder mit dornigen Gesträuchen umzäunen, über welche kein Cameel sehen kann, und auch jede Oefnung verstopfen, durch welche ein Hund oder ein Eber seinen Kopf stecken könnte.


240. Wenn Vieh, bey welchem ein Hirte ist, nicht weit von einer Heerstraße, in einem umzäunten Felde oder in der Nähe von einem Dorfe, Schaden anrichtet, so soll dieser eine Geldstrafe von hindert Panas erlegen müssen; aber vor Vieh, das keinen Aufseher hat, muß der Eigenthümer seinen Acker zu verwahren suchen.


241. Bey andern Feldern muß der Besitzer des Viehes, das Schaden angerichtet hat, um einen und ein Viertel Pana gestraft werden; aber wo es auch immer seyn mag, muß der Betrag des Schadens[286] an Getreide bezahlt werden: dies ist ein unabänderliches Gesetz für Feldbebauer.


242. Für den Schaden, welchen eine Kuh vor dem Verlaufe der zehn Tage nach ihrem Kalben, oder Stiere die zum Belegen gehalten werden, oder auch der Gottheit gewidmetes Vieh, unter oder ohne Aufsicht, gethan haben, hat Menu keine Strafe verordnet.


243. Wenn Felder durch die eigene Schuld des Anbauers fruchtlos bleiben, zum Beyspiel wenn er sie nicht zu gehöriger Zeit besäet, so soll er eine zehnmal so große Geldstrafe erlegen, als des Königs Antheil an der Erndte beträgt, die der Eigenthümer außerdem hätte erhalten können, aber nur eine fünfmal so große, wenn die Bedienten, ohne sein Mitwissen, diesen Fehler begangen haben.


244. Diese Vorschriften muß ein gerechter Fürst bey allen Fällen beobachten, in welchen man sich über Vieh, über dessen Hirten oder Eigenthümer beklagt.


245. Wenn sich ein Gränzstreit zwischen zwei Dörfern, oder Landbesitzern erhebt, so untersuche der König oder sein Richter die Gränzen im Monat Iyaisht'ha, wo die Gränzzeichen am deutlichsten zu sehen sind.


246. Wenn man sich damit beschäftigt Gränzen zu bestimmen, so pflanze man dickwachsende Bäume auf dieselben, Vatas, Pippalas, Palasas, Salmalis, Salas oder Talas; oder Bäume die milchigt sind, wie der Udumbara oder Vajradru;


247. Oder Gestrippe die in Klumpen wachsen, oder Venus von verschieden Arten, Sami Bäume und[287] auflaufende Gewächse oder Saras und Gruppen von Cubjacas: auch sollte man Erdhügel auf ihnen aufwerfen, so daß das Gränzzeichen nicht leicht unkennbar werden möge.


248. Man sollte ferner Seen, und Brunnen, Teiche und Ströme bey gemeinschaftlichen Glänzen anbringen, und den Göttern Tempel weihen.


249. Jedoch sollten Leute die mit dergleichen Sachen zu thun haben, die beständigen Fehler in Erwägung ziehen, welche aus Unkunde der Gränzen hienieden von den Menschen begangen werden, und deswegen andere Gränzzeichen unter der Erde verbergen lassen:


250. Große Stücken Stein, Knochen, Kuhschwänze, Kleyen, Asche, Scherben, getrockneten Kuhmist, Mauersteine und Dachziegel, Kohlen, Kieselsteine und Sand,


251. Und allerley Sachen welche auch auf lange Zeit in der Erde nicht modern, sollten in Krügen die man über der Erde nicht sehen kann, an der gemeinschaftlichen Glänze versenkt werden.


252. Aus solchen Merkmalen oder aus dem Laufe eines Flusses und aus lang ununterbrochenem Besitze kann der Richter mit Wahrscheinlichkeit die Gränze von Ländereyen, wegen welcher zwischen zwey Partheyen ein Streit entstanden ist, bestimmen.


253. Sollte aber selbst bey der Untersuchung solcher Merkmale ein Zweifel übrig bleiben, so muß man um einen solchen Streit zu entscheiden, seine Zuflucht zu den Aussagen von Zeugen nehmen.


254. Diese Zeugen müssen wegen der Gränzmerkmahle in Gegenwart aller Bürger oder Bauern, oder in Gegenwart beyder streitenden Partheyen verhört werden.
[288]

255. Das was die Zeugen, die man in einer solchen Versammlung verhört, in Ansehung der Gränzen mit Gewißheit behaupten, muß sammt allen ihren Nahmen schriftlich aufbewahrt werden.


256. Man muß sie Erde auf ihre Häupter streuen, sich mit rothen Blumenkränzen schmücken, mit rothen Mänteln bekleiden und sie bey der Belohnung aller ihrer guten Handlungen schwören lassen, daß sie über den Zustand der Gränzen wahres Zeugniß ablegen wollen.


257. Wahrhaftige Zeugen welche ein solches Zeugniß ablegen, als das Gesetz verlangt, sind von ihren Sünden losgesprochen; von denen aber die falsch zeugen, soll jeder um zweyhundert Panas gestraft werden.


258. Wenn keine Zeugen da sind, so sollen vier Leute welche auf allen vier Seiten der beyden Dörfer wohnen, den Gränzstreit in Gegenwart des Königs, nachdem sie sich eben so wie die Zeugen gehörig vorbereitet haben, entscheiden.


259. Wenn keine solche Nachbarn auf allen vier Seiten sind, und auch nicht Leute, deren Vorfahren seit Erbauung der beyden Dörfer dort gewohnt hatten, oder andere Stadtbewohner die etwas über die Gränzen bestimmen könnten, so muß der Richter die folgenden Waldbewohner verhören:


260. Jäger, Vogelfänger, Hirten, Fischer, Wurzelgräber, Schlangenfänger, Aehrensammler und andere Waldleute.10
[289]

261. Dem zufolge, was sie im ordentlichen Verhöre ausgesagt haben, muß der König genau die Markzeichen auf der Gränzlinie zwischen den zwey Dörfern aufstellen lassen.


262. Anlangend die Gränzen von Aeckern, Brunnen oder Teichen, Gärten und Häusern, so muß die Aussage der nächsten Nachbarn auf jeder Seite, für das sicherste Entdeckungsmittel gehalten werden.


263. Wenn bey einem Gränzstreite zwischen zwey Leuten die Nachbarn etwas falsches behaupten, so soll der König jedem dieser Zeugen die mittlere der drey gewöhnlichen Geldstrafen zuerkennen.


264. Wer sich durch Furchteinjagung den Besitz eines Hauses, eines Teiches, eines Ackers oder eines Gartens erworben hat, soll um fünf hundert Panas gestraft werden, aber wenn er aus Unwissenheit dessen was rechtens ist, gefehlt hat, nur um zwey hundert.


265. Kann man die wahre Gränze aus nichts anderem bestimmen, so soll der König nach seinem Kenntniß der Gerechtigkeit, das heißt ohne Partheylichkeit und mit Rücksicht auf den künftigen Nutzen beyder Theile zwischen ihren Ländereyen eine Gränzenlinie ziehen: dies ist ein ausgemachtes Gesetz.


266. So ist euch nun die Vorschrift zu Entscheidungen bey Markzeichen gegeben worden: ich will zunächst das Gesetz über Afterreden mittheilen.


267. Ein Soldat welcher einen Priester verläumdet, soll eine Geldstrafe von ein hundert Panas erlegen;[290] ein Kaufmann der diesen Fehler begeht, ein hundert und funfzig oder zwey hundert: aber ein Handwerker der Dienstbote der sich auf diese Weise vergeht, soll gestäupt werden.


268. Ein Priester soll um fünf hundert gestraft werden, wenn er einen Soldaten verläumdet; um funf und zwanzig, wenn es einen Kaufmann betrift; und um zwölfe, wenn er einen Mann aus der Dienstklasse verkleinert.


269. Für üble Nachrede betreffend jemanden aus der nämlichen Classe, soll ein Wiedergeborner nur zwölfe bezahlen, aber für unzüchtige Reden, die man nicht von sich hören lassen darf, soll sogar diese und jede andere Strafe verdoppelt werden.


270. Einem einmal gebornen11 Manne, welcher einen Wiedergebornen mit großen Schimpfreden anfällt, sollte die Zunge gespaltet werden, weil er aus dem niedrigsten Theile des Brahma entsproß.


271. Wenn er sich bey der Erwähnung ihrer Nahmen und Classen lästerhafter Ausdrücke bedient, zum Beyspiel wenn er sagt, »o! Devadatta, du Auswurf der Brahminen« so soll ein eiserner zehn Fingerlanger Griffel ihm glühend in den Mund gesteckt werden.


272. Wenn er aus Stolz Priester über ihre Pflicht zurechte weisen will, so soll der König ihm kochendes Oehl in den Mund und in das Ohr tropfen lassen.


273. Wenn er aus Unverschämtheit die heilige Kenntniß, das Land, die Classe oder die körperliche Einkleidung eines Mannes von gleichem Range[291] fälschlich läugnet, so soll er eine Geldstrafe von zwey hundert Panas erlegen müssen.


274. Wer einen Einäugigen blind heißt, oder einem seine Lähmung oder Krüppelhaftigkeit auf ähnliche Weise vorwirft, so soll er die geringe Strafe von einem Pana bezahlen, wenn er auch die Wahrheit redet.


275. Wer von seiner Mutter, seinem Vater, seinem Weibe, seinem Bruder, seinem Sohne, oder seinem Lehrer übel redet, und wer seinem Lehrer nicht aus dem Wege geht, soll um hundert gestraft werden.


276. Wenn ein Priester und ein Soldat einander üble Sachen nachreden, so muß ein gelehrter König ihnen folgende Strafe auflegen, die niedrigste Geldstrafe dem Priester und die mittelste dem Soldaten.


277. Ein Kaufmann und ein Handwerker müssen in Rücksicht auf ihrer beyderseitigen Classen just so bestraft werden wie oben erwähnt worden ist, ausgenommen das Spalten der Zunge: dies ist eine festgesetzte Regel der Bestrafung.


278. Hiermit ist das Gesetz für die Bestrafung des Afterredens weitläuftig auseinander gesetzt worden: ich will nun das eingeführte Gesetz welches bey Ueberfällen und Schlägen gilt, bekannt machen.


279. Wenn ein gemeiner Mann einen Vornehmen anfällt oder beschädigt, so soll dem Schuldigen das nämliche Glied gespaltet, oder nach Maasgabe des Schadens mehr oder weniger von demselben abgeschnitten werden: an welchem er jenen verwundete, dies ist eine Verordnung Menus.


280. Wer seine Hand oder seinen Stab wider einen andern aufhebt, dem soll dieselbe abgeschnitten werden, und wer einen andern im Zorne mit dem Fuße stößt,[292] dem soll ein Einschnitt in seinen Fuß gemacht werden.


281. Wenn sich ein Mann aus der niedrigsten Classe unverschämter Weise mit einem aus der höchsten auf den nämlichen Ort setzt, so soll er entweder mit einem Merkmale auf seinen Hintertheilen verbannt werden, oder der König soll einen tiefen Einschnitt in seine Hinterbacken machen lassen.


282. Wenn er ihn aus Stolz anspeit, so soll der König seine beyden Lippen aufschlitzen lassen, wenn er sein Wasser auf ihn läßt, sein Zeugungsglied; und wenn er seinen Wind auf ihn gehen läßt, seinen Hintern.


283. Wenn er einen Brahmin bey den Haaren, bey den Füßen, beym Barte, bey der Kehle oder beym Gemächte nimmt, so soll der König unverzüglich Einschnitte in seine Hände machen lassen.


284. Wenn jemand die Haut Seines gleichen in der nämlichen Classe aufrizt oder ihn verwundet, so soll er um hundert Panas gestraft werden; wenn er einen Muskel verletzt sechs Nishcas: wenn er aber einen Knochen zerbricht, so soll er augenblicklich verbannt werden.


285. Auf die Verletzung aller großen Bäume muß nach Maasgabe ihrer Nutzung und ihres Werthes eine Strafe gesetzt werden, dies ist eine hergebrachte Sitte.


286. Wenn jemand Menschen oder Viehe einen sehr schmerzlichen Schlag versetzt hat, so soll ihm der König eine Strafe zuerkennen, welche eben so schwer als der verursachte Schmerz groß zu seyn scheint.


287. In allen Fällen wo ein Glied verletzt, verwundet oder so lange geschlagen wird, bis das Blut hervorspritzt, soll der Thäter die Kosten der völligen Heilung[293] bezahlen; oder wenn er dies unterläßt, nicht nur alle Unkosten, sondern auch eine eben so große Geldstrafe erlegen.


288. Wer der Habe eines andern Schaden zufügt, er mag mit dem Eigenthümer derselben bekannt oder nicht bekannt seyn, der soll dem Besitzer den Schaden ersetzen, und dem König eine eben so große Summe bezahlen, als der zugefügte Schaden ist.


289. Wenn jemand Leder, lederne Säcke, hölzerne oder thönerne Geräthe beschädigt hat, so sollte die Geldstrafe funfmal so groß als ihr Werth seyn.


290. In Ansehung eines Wagens, des Fuhrmanns davon und des Besitzers desselben, zählen die Weisen zehn Fälle, in welchen Strafe nachgelassen wird; in andern Fällen hat das Gesetz eine Strafe verordnet.


291. Wenn der Nasenstrang oder der Zaum zufälliger Weise nicht aus Vernachlässigung von einander reißt, wenn sich das Joch auseinander giebt, wenn man plötzlich umgeworfen wird, oder auf etwas ohne seinen Fehler losrennt, wenn eine Achse oder ein Rad bricht;12


292. Wenn die Strenge der Halfter oder die Zügel reissen, und wenn der Fuhrmann laut ausgerufen hat, daß man aus dem Wege gehen solle, in diesen Fällen sagte Menu dürfte man nicht strafen.


293. Wenn aber ein Wagen durch die Ungeschicklichkeit des Fuhrmannes umgeworfen worden ist, so soll der Herr, im Fall jemand Schaden dabey gelitten hat, um zwey hundert Panas gestraft werden.
[294]

294. Wenn der Fuhrmann geschickt, aber nachläßig ist, so soll dieser allein die Strafe tragen; und die Leute welche sich im Wagen befinden, sollen Mann vor Mann hundert erlegen, wenn es unbezweifelt ist, daß der Fuhrmann keine Geschicklichkeit besaß.


295. Wenn ein Fuhrmann auf der Straße einem andern Wagen oder Vieh begegnet, und nachläßiger Weise ein Thier tödtet, so soll er ohne Anstand, nach Folgen der Vorschrift, um Geld gestraft werden.


296. Wenn er einen Menschen ums Leben bringt, so soll ihm augenblicklich eine eben so große Strafe als für einen Diebstahl zuerkannt werden, halb so viel für große Thiere, z.B. für einen Stier oder eine Kuh, einen Elephanten, ein Cameel oder ein Pferd.


297. Für das Umbringen des ganz jungen Viehes sollte die Geldstrafe zwey hundert Panas betragen; und funfzig für artige vierfüßige Thiere oder für schöne Vögel, z.B. Antelopen, Papagayen und dergleichen.


298. Für einen Esel, eine Ziege oder ein Schaaf soll die Strafe fünf Alberne Mashas betragen, und einen Masha für das Umbringen eines Hundes oder Ebers.


299. Eine Frau, ein Sohn, ein Diener, ein Schüler, und ein jüngerer rechter Bruder können, wenn sie ein Versehen begehen, mit einem Stricke oder einem kleinen Sprößlinge von Rohr bestraft werden;


300. Aber bloß auf den Hintertheil ihres Körpers, und ja nicht auf einen edlen Theil: wer sie anders als nach dieser Einschränkung schlägt, ladet die Schuld oder die Bezahlung der Strafe eines Diebes auf sich.
[295]

301. Hiermit ist das Gesetz über Anfälle und Schläge vollständig dargelegt worden: ich fahre nun fort die Vorschrift mitzutheilen, in welcher die Strafe des Diebstahls festgesetzt ist.


302. Der König steure dem Stehlen und Rauben nach allen seinen Kräften; hierdurch wird sein Ruhm und sein Einkommen wachsen.


303. Ohne Zweifel muß man einen König, welcher von Furcht befreyt, ehren, weil er gleichsam ein ununterbrochenes Opfer dadurch verrichtet, daß er Furchtlosigkeit als ein regelmäßiges Opfergeschenk giebt.


304. Der sechste Theil der Belohnung für die tugendhaften Handlungen eines ganzen Volkes kommt demjenigen Könige zu, welcher es beschützt; aber auf den, welcher sein Volk nicht beschützt, fällt der sechste Theil der Vergehungen desselben.


305. Der König kann sich mit Recht für seinen Schutz den sechsten Theil der Belohnung für alles das zueignen, was jeder seiner Unterthanen im Veda ließt, opfert als Almosen austheilt, und an religiösen Cerimonien verrichtet.


306. Ein König welcher aus Gerechtigkeitsliebe seinen Schutz auf alle Geschöpfe ausdehnt und nur die ums Leben bringt, die es verlieren müssen, verrichtet gleichsam an jedem Tage ein Opfer mit hunderttausend Geschenken.


307. Aber ein König, der keinen solchen Schutz gewährt, und sich doch mit den Sachen selbst oder mit deren Werthe seine Auflagen bezahlen läßt, und welcher Marktgebühren und Zoll, die kleinen täglichen Geschenke für seine Haushaltung und Geldstrafen für Vergehungen[296] nimmt, fällt unmittelbar nach seinem Tode in eine Gegend des Schreckens.


308. Einen König, welcher nicht schützt, und gleichwohl den sechsten Theil des Getreides als sein Einkommen nimmt, haben weise Leute als einen Fürsten betrachtet, der alle Verdorbenheit seines Volks auf sich zieht.


309. Wisset, daß ein Monarch, der nicht auf die Schrift achtet, einen künftigen Zustand läugnet, raubsüchtig ist, sein Volk nicht beschützt und doch ihr Haab und Gut verschlingt, nach dem Tode sehr tief herabsinken wird.


310. Ungerechte Leute suche er mit größter Sorgfalt auf dreyerley Art im Zaume zu halten; er nehme sie in Verhaft werfe sie in Fesseln, und züchtige sie auf verschiedene Art an ihren Körpern.


311. Denn Könige reinigen sich unaufhörlich durch die Unterdrückung der Bösen und durch die Aufmunterung der Guten, eben so wie die Wiedergeboren durch Opfer rein werden.


312. Ein König, welchem das Wohl seiner eignen Seele am Herzen liegt, muß es allezeit Streitenden, Kindern, Greisen und Kranken verzeihen, wenn sie sich gegen ihn entrüsten.


313. Wer Personen, die unter körperlichen Leiden seufzen, verzeiht, wenn sie ihn lästern, wird deshalb im Himmel erhöhet werden; wer ihnen aber, aus Fürstendünkel nicht vergiebt, soll deswegen zur Hölle hinabsinken.


314. Wer einem Priester Geld entwendet, muß eilig, mit fliegenden Haaren, zum Könige laufen,[297] seinen Diebstahl verkündigen und sagen: »So habe ich gesündigt; bestrafe mich.«


315. Zu gleicher Zeit trage er auf seiner Schulter einen steinernen Stössel, oder eine Keule von Chadira Holz, oder einen von oben und unten zugespitzten Wurfspieß, oder einen eisernen Stab.


316. Der Dieb mag sodann vom Könige geschlagen oder unbeschädigt entlassen werden, so ist er auf jeden Fall von seinem Verbrechen freygesprochen; wenn ihn aber der König nicht bestraft, so wird er die Schuld eines Diebstahls auf sich laden.


317. Der Mörder eines Priesters, oder der Zerstörer einer Leibesfrucht wirft seine Schuld auf den freywilligen Esser seiner Lebensmittel; ein ehebrecherisches Weib, auf ihren nachlässigen Gatten; ein böser Schüler und ein Opferer, auf ihren unwissenden Lehrer; und ein Dieb auf den verzeihenden Fürsten.


318. Aber Leute welche sich vergangen haben und vom Könige gehörig dafür bestraft worden sind, gehen rein in den Himmel, und werden so fleckenlos als die welche tugendhaft gelebt haben.


319. Wer einen Strick oder einen Wassertopf aus einem Brunnen entwendet und wer einen Wasserbehälter beschädigt, soll um einen goldenen Masha gestraft werden; und was er genommen oder versehrt hat, muß er wieder in den vorigen Zustand setzen.


320. Wer über zehn Cumbhas Getreide stiehlt (ein Cumbha macht zwanzig Dronas und ein Drona zweyhundert Palas), soll an seinem Körper Strafe leiden: für weniger muß er eilf mal so viel am Gelde bezahlen[298] und dem Eigenthümer den Ertrag des Entwendeten wieder zustellen.


321. Desgleichen soll körperliche Strafe auf die Entwendung von Waaren stehen, die insgemein nach dem Gewichte verkauft werden, wie auch auf einen Diebstahl von mehr als hundert Stück Vieh, von Gold, Silber, oder kostbaren Kleidern.


322. Eine Entwendung von mehr als funfzig Palas befiehlt das Gesetz mit Abhackung der Hand zu bestrafen; für geringeren Diebstahl soll der König eine eilfmal so große Geldstrafe verordnen als der Werth beträgt.


323. Wenn Jemand Männer von hoher Geburt, vorzüglich aber Weiber, und die kostbarsten unter den Edelgesteinen, zum Beyspiel Diamanten und Rubinen stiehlt, so hat er das Leben verwirkt.13


324. Wenn Jemand große Thiere, Waffen oder Arzeneyen entwendet, so ziehe der König die Zeit und die Umstände des Vergehens in Betrachtung und lege dem Diebe eine angemessene Strafe auf.


325. Wer Priestern zugehörige Kühe stiehlt und ihnen die Nasenlöcher aufschlitzt, oder wer anders Vieh entwendet, dessen Besitzer sie sind, der soll augenblicklich für dieses Verbrechen einen halben Fuß verlieren.


326. Zwirn, rohe Baumwolle, Sachen aus denen hitzige Getränke zubereitet werden, Kuhmist, grober Zucker, geronnene frische und Buttermilch, Wasser oder Gras,
[299]

327. Dicker Bambu, daraus gemachte Körbe, Salz aller Art, Töpfe, Thon oder Asche,


328. Fische, Vögel, Oel, gereinigte Butter, Fleisch, Honig, und alles was von Thieren genommen wird, zum Beyspiel Leder, Horn oder Elfenbein,


329. Oder andere Dinge die nicht von Werthe sind, berauschende Getränke, Reiß mit gereinigter Butter zubereitet, oder andere aus gekochtem Reiß gemachte Gerichte – Für alle diese Dinge, wenn sie gestohlen werden, ist die Geldstrafe noch einmal so groß, als ihr Werth.


330. Wer von Blumen, grünem Getreide, Sträuchern, hinanklimmenden Gewächsen, Bäumchen, oder andern umzäunten Gartenfrüchten so viel stiehlt als ein Mann auf einmal fortbringen kann, soll um fünf goldne oder silberne Racticas gestraft werden.


331. Aber für Getreide, Küchenkräuter, und uneingezäuntes Obst, muß eine Strafe von hundert Panas erlegt werden, wenn zwischen dem Nehmer und dem Eigenthümer gar keine Verbindung Statt findet; oder ein halbes hundert, wenn sie in Verbindung stehen.


332. Wenn etwas mit Gewalt und unter den Augen des Besitzers weggenommen wird, so ist es Raub; geschieht es aber heimlich in seiner Abwesenheit, so ist es bloßer Diebstahl; und wenn jemand sich weigert etwas zurückzugeben, das er empfangen hat, so hält man es ebenfalls für Diebstahl.


333. Den, welcher die zuvor erwähnten Sachen, wenn sie zum Gebrauche zubereitet sind, entwendet, soll König die niedrigste der drey Geldstrafen bezahlen lassen; [300] desgleichen den welcher heiliges Feuer aus dem Tempel stiehlt.


334. Das nämliche Glied, mit welchem sich ein Dieb auf irgend eine Weise in dieser Welt vergeht, zum Beyspiel, wenn er eine Mauer mit seiner Hand oder mit seinem Fuße einstößt, das nämliche soll ihm der König, zu Vorbeugung eines ähnlichen Verbrechens, abhacken lassen.


335. Weder Vater, noch Lehrer, noch Freund, noch Mutter, noch Frau, noch Sohn, noch Hauspriester, muß der König von der Strafe ausnehmen, wenn sie ihre Pflicht nicht pünktlich erfüllen.


336. In solchen Fällen, wo ein Mann von niedriger Geburt nur um einen Pana gestraft werden würde, soll der König deren tausend erlegen, und entweder diese Geldstrafe den Priestern geben, oder dieselbe in den Fluß werfen; dies ist ein heiliges Gesetz.


337. Aber die Geldstrafe eines Sudra, wegen Diebstahls, soll achtfältig seyn; die eines Vaisya sechzehnfältig; die eines Cshatriya zwey und dreyßigfältig;


338. Die eines Brahminen 64zig fältig, oder gerade 100fältig, oder wohl gar zweymal 64zig fältig, weil jeder von ihnen den Umfang seines Vergehens kennt.


339. Wer Wurzeln oder Obst von einem großen Baume in einem nicht umzäunten Anger oder Walde, oder Holz zum Opferfeuer, oder Gras für Kühe nimmt, der begeht, nach Menu's Ausspruche, keinen Diebstahl.


340. Ein Priester, welcher für Opfer oder Unterricht, wissentlich etwas von der Hand eines Mannes annimmt,[301] der sich Sachen zugeeignet hat, die ihm der Eigenthümer nicht gegeben, soll eben so wie ein Dieb bestraft werden.


341. Wenn ein wiedergeborener Mann auf der Reise mit einem geringen Vorrathe von Lebensmitteln versehen ist, so hat er keine Strafe zu beachten, wenn er nicht mehr als zwey Zuckerröhre oder zwey eßbare Wurzeln von dem Felde eines andern nimmt.


342. Wer das unangebundene Vieh eines Andern bindet, oder es losmacht, wenn es gebunden ist, wer einen Sklaven, ein Pferd, oder einen Wagen ohne Erlaubniß nimmt, soll sich der Strafe eine Diebstahls schuldig machen.


343. Ein König, welcher durch Aufrechthaltung dieser Gesetze, Leute vom Stehlen abhält, erwirbt sich Ruhm in dieser Welt, und Seeligkeit in der Zukünftigen.


344. Ein König, welcher eifrig wünscht bey Indra zu sitzen, und nach unveränderlichem Ruhme strebt, muß auch keinen Augenblick einen Menschen dulden, der sich grausamer Gewaltthätigkeit, z.B. des Raubes, des Feueranlegens, oder des Mordes, schuldig gemacht hat.


345. Wer große Gewaltthätigkeit ausübt, muß für einen gröbern Verbrecher gehalten werden, als ein Verläumder, als ein Dieb, oder als Jemand, der mit einem Stabe schlägt.


346. Der König, welcher einen Mann duldet, der eines so abscheulichen Verbrechens überführt ist, eilt stracks ins Verderben, und macht sich öffentlich verhaßt.


347. Ein König muß sich weder durch Partheylichkeit, noch durch großen Gewinn verleiten lassen, gewaltthätigen[302] Verbrechern, welche Schrecken unter alle Geschöpfen verbreiten, die Freyheit zu geben.


348. Die Classen der Wiedergebornen haben in folgenden Fällen die Erlaubniß zu den Waffen zu greifen: erstlich wenn man sich der Ausübung ihrer Berufspflichten widersetzt, und dann wenn sie irgend ein großes Unglück in schweren Zeiten befällt;


349. Ferner zu ihrer eigenen Vertheidigung, in einem gerechten Kriege, und zum Schutze eines Frauenzimmers, oder eines Priesters: denn wer aus gerechten Ursachen tödtet, begeht keine Verbrechen.


350. Jedermann kann, wenn ihm kein anderes Rettungsmittel übrig bleibt, einen andern todt schlagen, der ihn mit mörderischer Absicht überfällt, er mag alt oder jung, er mag ein Lehrer oder ein Brahmin seyn welcher die Schrift aus dem Grund versteht.


351. Einen Mörder umzubringen, der mit Todtschlage umgeht, gleichviel, ob öffentlich oder heimlich, kann niemanden als ein Verbrechen angerechnet werden: Wuth prallt von Wuth ab.


352. Männer, welche ganz öffentlich ihren ehebrecherischen Hang zu den Gattinnen anderer befriedigen, bestrafe der König mit Merkmalen an ihren Körpern, die Abscheu erregen, und verbanne sie sodann aus seinem Reiche.


353. Denn Ehebruch bringt zum allgemeinen Verderben eine Mischung der Classen unter den Menschen hervor: hieraus entsteht Pflichtvergessenheit, von welcher die Glückseeligkeit bis auf die Wurzel zerstört wird.


354. Wenn ein Mann, welcher schon einmal vorher für ein solches Vergehen bestraft worden ist, mit der Frau[303] eines andern heimlichen Umgang pflegt, so soll er die erste der drey gewöhnlichen Geldstrafen bezahlen müssen.


355. Wenn aber ein Mann der sich eines solchen Vergehens nie zuvor schuldig gemacht hat, aus einem erlaubten Grunde dergleichen Umgang mit ihr hat, so soll er keine Strafen bezahlen dürfen, weil er keine Uebertretung begeht.


356. Wer mit der Frau eines andern an einem Orte sprich wohin Pilgrimme wahlfahrten14, in einem Walde oder Lusthaine, oder wo Ströme zusammen fließen, macht sich einer ehebrecherischen Neigung schuldig.


357. Ihr Blumen oder wohlriechende Sachen zu schicken, mit ihr tändeln und scherzen, ihre Kleider und ihren Putz berühren, mit ihr auf den nämlichen Ruhebette sitzen, alle diese Handlungen werden ihm für ehebrecherische angerechnet.


358. Eine verheirathete Frau an ihren Brüsten oder an einem andern Orte der nicht berührt werden sollte, zu betasten, oder es mit Wohlgefallen annehmen, wenn sie sich selbst unanständige Berührungen erlaubt, werden für ehebrecherische Handlungen mit gegenseitiger Einwilligung gehalten.


359. Ein Mann aus der dienenden Classe, welcher würklichen Ehebruch mit der Frau eines Priesters begeht, sollte mit dem Tode bestraft werden: aber überhaupt[304] müssen die Weiber aller vier Classen immer ganz besonders gehütet werden.


360. Bettlern, Lobrednern, Männern, die zu einem Opfer vorbereitet sind, Köchen und andern Handwerkern ist's nicht verboten mit verheiratheten Weibern zu sprechen.


361. Kein Mann dem es untersagt worden ist, muß mit den Gattinnen anderer Gemeinschaft haben: wer aber ihren Umgang sucht, ohngeachtet der Mann oder Vater es ihm verboten hat, soll zur Strafe einen Suverna bezahlen.


362. Diese Gesetze haben keine Beziehung auf die Weiber der öffentlichen Tänzer oder Sänger, oder der nichtswürdigen Männer, welche von den Buhlereyen ihrer Weiber leben, Männer die entweder Andern Dirnen zuführen, oder sich zu Hause verbergen, und ihnen erlauben, einen sträflichen Umgang zu pflegen.


363. Jedoch wer sich insgeheim mit solchen Frauenzimmern, oder mit Dienstmägden, die von einem Herrn unterhalten werden, oder mit Einsiedlerinnen von einer ketzerischen Religion einläßt, soll eine kleine Strafe bezahlen müssen15.


364. Wer eine Jungfrau ohne ihre Einwilligung schändet, soll unmittelbar an seinem Körper dafür bestraft werden; wem sich aber ein Mädchen freywillig überläßt, der soll nicht an seinem Körper bestraft werden, wenn sie und er aus der nämlichen Classe sind.


365. Wenn eine Jungfrau Männer aus einer höhern Classe etwas zu wagen aufmuntert, so soll sich der König nicht die geringste Strafe bezahlen lassen; Mädchen aber[305] die bey einem gemeinen Manne den ersten Schritt thun, soll er zwingen, in ihrem Hause wohl bewacht zu bleiben.


366. Wenn ein niedriger Mann Jungfrauen von vornehmer Geburth seine Liebe anträgt, so sollte er körperlich dafür bestraft werden; aber wer einem Mädchen von gleichem Stande huldigt, soll das Vermählungsgeschenk geben, und sie heirathen dürfen, dafern es ihrem Vater gefällt.


367. Wenn ein Mann unverschämterweise eine Jungfrau nothzüchtigt, so soll ihm der König sogleich zwey Finger abhacken lassen, und ihn verurtheilen, eine Strafe von sechshundert Panas zu bezahlen.


368. Wenn ein Mann von gleichem Stande eine Jungfrau mit ihrem Willen schändet, so sollen ihm seine Finger nicht abgeschnitten, aber ihm eine Strafe von zweyhundert Panas zuerkannt werden, um ihn von der Wiederholung seines Vergehens abzuhalten.


369. Eine Jungfrau, welche eine andere Jungfrau befleckt, soll zweyhundert Panas zur Strafe, und zweymahl so viel bezahlen, als ihr Vermählungsgeschenk beträgt, über dies auch noch zehn Streiche mit eine Peitsche bekommen16.


370. Wenn aber ein erwachsenes Frauenzimmer Jungfrauen befleckt, so soll ihr Haupt augenblicklich beschoren, und zwey ihrer Finger abgehauen werden; nachher[306] soll man sie auf einen Esel setzen, und sie durch die öffentlichen Straßen reiten lassen17.


371. Wenn eine Frau stolz auf ihre Familie und auf die großen Eigenschaften ihrer Vettern würklich die Pflicht verletzt, die sie ihrem Herrn schuldig ist, so soll sie der König verurtheilen, an einem Orte wo viele Leute hinkommen, von Hunden aufgefressen zu werden;


372. Und der Ehebrecher soll auf ein glühendes eisernes Bett gelegt werden, und die Henker beständig Holz darunter werfen, bis der sündhafte Bösewicht dort verbrannt ist.


373. Wenn ein Mann schon einmal überführt worden ist, und sich doch im nächsten Jahre des nämlichen Verbrechens schuldig macht, so soll er eine doppelte Strafe bezahlen; eben dieses gilt, wenn er sich mit der Tochter eines Ausgestoßenen, oder mit einer Chandali Frau eingelassen hat.


374. Wenn ein Handwerker oder Diener mit einer Frau aus einer wiedergeboren Classe, sie mag zu Hause bewacht oder nicht bewacht werden, in ehebrecherischer Verbindung steht, so soll er auf folgende Weise bestraft werden: stand sie unter keiner Aufsicht, so soll er den sündigenden Theil und sein ganzes Hab und Gut verlieren, war sie aber bewacht und eine Priesterinn, so soll er alles, auch sein Leben verlieren.


375. Für Ehebruch mit einer bewachten Priesterinn, soll ein Kaufmann ein Jahr gefangen[307] sitzen, und seines ganzen Reichthums verlustig seyn; ein Soldat soll um tausend Panas gestraft, und mit dem Urine eines Esels balbirt werden.


376. Wenn aber ein Kaufmann, oder ein Soldat mit einer Frau aus der Priesterclasse, welche ihr Gatte nicht zu Hause bewacht, Ehebruch begeht, so soll der König den Kaufmann nur um fünfhundert, und den Soldaten um tausend bestrafen.


377. Wenn aber einer, oder der andere, dieses Verbrechen mit einer Priesterinn begehet, die nicht nur bewacht, sondern auch wegen guter Eigenschaften ausgezeichnet war, so sollen sie wie Leute aus der dienenden Classe bestraft, oder in einem Feuer von trockenem Grase oder Reisbündeln verbrannt werden.


378. Wenn ein Brahmin ein bewachtes Frauenzimmer, ohne ihren freyen Willen, fleischlich erkennt, so soll er zur Strafe tausend Panas bezahlen; aber nur fünfhundert, wenn er sie mit ihrer freyen Einwilligung erkennt.


379. Bey einem Ehebrecher aus der Priesterclasse hat das Gesetz entehrende Abscheerung der Haare18, anstatt der Lebensstrafe, in Fällen verordnet, wo vielleicht andere Classen mit dem Leben büßen müssen.


380. Der König bringe niemals einen Brahmin ums Leben, wenn er auch gleich aller möglichen Verbrechen überführt worden wäre: es steht ihm frey den Verbrecher[308] aus seinem Reiche zu verbannen; aber ohne sein Vermögen einzuziehen, oder seinen Körper zu beschädigen.


381. Man kennt auf der Erde kein größeres Verbrechen, als einen Brahminen ums Leben zu bringen, daher muß sich's der König nicht einmal in den Sinn kommen lassen, einen Priester zu tödten19.


382. Wenn ein Kaufmann mit einer bewachten Frau ans der Classe der Krieger, oder ein Soldat mit einer aus der Kaufmannsclasse in sträflicher Verbindung steht, so ziehen sie sich beyde die nämliche Strafe zu, welche in dem Falle einer unbewachten Priesterinn20 statt findet.


383. Wenn aber ein Brahmin mit einer bewachten Frau ans diesen zwey Classen Ehebruch begeht, so soll er tausend Panas zur Strafe bezahlen; und wenn ein Soldat, oder ein Kaufmann das nämliche Verbrechen mit einer bewachten Frau der dienenden Classe begeht, so soll die Strafe ebenfalls ein tausend seyn.


384. Für Ehebruch mit einer Frau aus der Kriegerclasse, wenn sie nicht bewacht ist, muß ein Kaufmann fünfhundert bezahlen, umgekehrt aber, wenn sich der Soldat dieses Verbrechens in der Kaufmannsclasse schuldig macht, so soll er mit Urin balbirt werden, oder die eben erwähnte Strafe bezahlen.


385. Ein Priester soll fünfhundert Panas bezahlen, wenn er mit einer unbewachten Frau aus der Soldaten-[309] Kaufmanns- und dienenden Classe verbotenen Umgang pflegt; und tausend für eine solche Verbindung mit einer Frau aus der verworfenen vermischten Brut.


386. Ein König, in dessen Reiche kein Dieb, kein Ehebrecher, kein Verläumder, kein Mann, der sich himmelschreiender Gewaltthätigkeit schuldig gemacht hat, und niemand, welcher andere überfällt, gefunden werden, der erreicht die Wohnung des Sacra.


387. Wenn er diese fünfe in seinem Königreiche unterdrückt, so wird sein Rang überschwenglich über alle andere erhaben, die Königswürde besitzen, und er breitet seinen Ruhm durch die Welt aus.


388. Sowohl der Opferer, welcher den dienstverrichtenden Priester, als der dienstverrichtende Priester, welcher den Opferer verläßt, obgleich jeder von ihnen seiner Arbeit gewachsen ist, und sich keines groben Vergehens schuldig gemacht hat, sollen beyde besonders eine Strafe von hundert Panas bezahlen müssen.


389. Mutter, Vater, Frau und Sohn, darf niemand verlassen: wer aber eines derselben verläßt, wenn sie sich keiner Todtsünde schuldig gemacht haben, soll an den König eine Strafe von sechshundert Panas bezahlen.


390. Wenn sich ein Streit über irgend eine gesetzmäßigen Gebrauch, unter den wiedergebornen Männern in ihren verschiedenen Ständen erhebt, so entscheide kein Fürst, dem es um das Wohl seiner eigenen Seele zu thun ist, unüberlegt und allein, was Rechtens ist;
[310]

391. Sondern er behandele jeden derselben mit der ihrem Verdienste gebührenden Hochachtung, rede ihnen erstlich mit guten sanften Worten zu, und dann erinnere er sie mit Beyhülfe der Brahminen, an ihre Pflicht.


392. Wenn ein Priester zwanzig Leuten aus den drey ersten Classen ein Gastmahl geht, ohne seinen nächsten Nachbar und den, welcher gleich neben diesem wohnt, einzuladen, obwohl beyde eine Einladung verdienen, so soll er zur Strafe einen silbernen Masha erlegen müssen.


393. Wenn ein Brahmin der grundgelehrt im Veda ist, nicht einen andern gelehrten und tugendhaften Brahminen zu einem Gastmahle einladet, das er bey einer Gelegenheit gibt, wo er seinen Reichtum zeigten kann, z.B. bey der Verheirathung seines Kindes und dergleichen, so soll er gehalten seyn, ihm noch einmal so viel zu bezahlen, als das Mahl kostete, und ein n goldenen Masha zur Strafe erlegen.


394. Kein Blinder, kein Blödsinniger, kein Krüppel, kein Mann der wolle siebenzig Jahre alt ist, noch einer, der grundgelehrten Priestern große Wohlthaten erzeigt, soll von irgend einem Könige zur Bezahlung der Auflagen gezwungen werden.


395. Der König erzeige jederzeit seine Hochachtung einem gelehrten Theologen, einem Kranken oder einem der von Schmerzen gefoltert wird, einem alten oder bedürftigen Manne, einem von vornehmer Geburt und einem vorzüglich tugendhaften Manne.


396. Ein Wäscher soll die Wäsche seiner Kunden nach und nach oder Stück für Stück, und nicht über hin, auf einem glatten Brete von Salmali[311] Holz waschen; er muß nie die Wächse einer Person mit der eines andern vermengen, noch sie einem andern anzuziehen geben, als dem sie zugehört21.


397. Ein Weber welcher zehn Palas gezwirntes Baumwollenes Garn erhalten hat, soll es durch Reißwasser und durch andere vor dem Weben gewöhnliche Zurichtungen bis aus elfe verlängert zurück geben; wer dawider handelt, soll zwölf Panas zur Strafe bezahlen22.


398. So wie Männer die in Zollangelegenheiten erfahren und mit allen verkaufbaren Waaren bekannt sind, den Preis der feilgebotenen Sachen festsetzen, so soll der König seinen Abzug oder den zwanzigsten Theil berechnen welchen er von dem Vortheile nimmt, den der Verkauf nach diesen Preisen gewährt.


399. Wenn ein Handelsmann aus Geiz Waaren ausführt, wozu der König billiger weise das erste Kaufrecht zu haben behauptet, oder die er auszuführen verboten hat, so soll der Fürst sein ganzes Vermögen einziehen.


400. Ein Käufer oder Verkäufer, welcher bey Nacht oder zu einer andern ungewöhnlichen Zeit betrügerisch beym Zollhause vorüber geht, oder die eingekauften Sachen falsch angiebt, soll zur Strafe achtmal so viel bezahlen, als sie werth sind.
[312]

401. Der König muß über den Kauf und Verkauf aller Waaren festgesetzte Verordnungen ergehen lassen und folgende Punkte wohl in Erwägung ziehen, woher sie kommen, wenn sie ausländisch sind, wohin sie zu versenden, wenn man sie ausführt, wie lange sie gelegen haben, was man dabey gewinnen kann und was sie gekostet haben?


402. Der König setze aller fünf Nächte oder alle halbe Monate, nach der Beschaffenheit der Waaren, die Marktpreise in Gegenwart dieser erfahrnen Leute fest.


403. Auf alle Maas und Gewicht habe er wohl Acht, und lasse sie aller sechs Monate aufs neue untersuchen.


404. Der Fährenzoll für einen ledigen Karren ist ein Pana, für einen Lastträger die Hälfte, für ein Thier, das man beym Feldbaue braucht oder für eine Frau, ein Viertels Pana, und ein Achtel für einen unbeladenen Mann.


405. Wägen, die einballirte Güter geladen haben, sollen nach dem Werthe derselben Zoll bezahlen, aber für leere Geräthe und Säcke und von armen elendbekleideten Leuten muß man sehr wenig Zoll nehmen.


406. Für eine lange Reise soll man nach Beschaffenheit der Oerter und Jahreszeiten bezahlen; doch ist dies bloß von Reisen Stromauf und Stromab zu verstehen, denn zur See kann keine gewisse Bezahlung bestimmt werden.


407. Eine Frau, die im zweyten Monate ihrer Schwangerschaft ist, ein religiöser Bettler, ein Waldbewohner im dritten Stande, und Brahminen, welche[313] der Theologie beflissen sind, sollen keinen Zoll für ihre Reise bezahlen.


408. Alles was in einem Boote aus Versehen der Schiffer zerbrochen wird, soll von ihnen insgesammt wiedererstattet werden, und jeder derselben seinen Theil dazu geben.


409. Diese Verordnung, welche zum besten derer gegeben ist, die in Kähnen auf Flüssen reisen, ist durch die strafbare Nachläßigkeit der Schiffer zu Wasser verursacht worden: sollte sich aber ein unvermeidlicher Zufall eräugnen, so kann man keinen Ersatz für Verlust fodern.


410. Der König sollte jeden der zur Kaufmannsklasse gehört zum Handel, zum Geldausleihen, zum Ackerbau oder zur Viehzucht anhalten; und bey jedem aus der dienende Classe darauf sehen, daß er in den Häusern der Wiedergeboren Dienste nähme.


411. Wenn jemand aus der Soldaten- oder Handelsklasse in Nahrungssorgen ist, so unterstütze ihn ein reicher Brahmin, doch ohne ihn mit Härte zu seiner Pflicht anzutreiben.


412. Wenn ein Brahmin durch den Einfluß seiner Macht, oder aus Geiz, wiedergeborne mit dem Opferbande umgürtete Männer zu sklavenmäßigen Verrichtungen, zum Beyspiel zum Füßewaschen, wider ihre Einwilligung, braucht, so soll ihm der König eine Strafe von 600 Panas auflegen.23


413. Hingegen kann er jeden aus der dienenden Classe, gleichviel ob er gekauft oder nicht gekauft ist, zu sklavenmäßigen Verrichtungen zwingen, weil ein solcher Mann vom Selbstständigen zum Dienste der Brahminen erschaffen wurde.
[314]

414. Ob ein Sudra gleich von seinem Herrn frey gelassen wird, so ist er doch nicht aus dem Stande der Sclaverey gehoben, denn wie kann ihn jemand aus einem Stande losmachen der ihm natürlich ist?


415. Folgende sind die siebenerley Dienstboten die es giebt: einer, der unter der Fahne oder in der Schlacht zum Gefangenen ist gemacht worden; einer, den man seines Dienstes wegen ernährt; einer, der von einer Sklavinn im Hause geboren ist; einer, den man gekauft, zum Geschenke bekommen oder von den Vorfahren geerbt hat; und einer der zur Strafe in den Sklavenstand gekommen ist, weil er nicht im Stande war eine große Geldstrafe zu erlegen.24


416. Es giebt drey Personen, welchen das Gesetz insgemein nicht erlaubt eigenthümlich Vermögen für sich selbst zu besitzen, nämlich einer verheiratheten Frau, einem Sohne und einem Sclaven: der Reichthum welchen sie etwa erwerben, ist ein rechtmäßiges Eigenthum des Mannes, dem sie zugehören.


417. Wenn ein Brahmin in bedrängten Umständen ist, so kann er sich ohne Umstände der Habseligkeiten seines Sudra-Sclaven bemächtigen, denn da ein Sclave nichts eigenthümlich besitzen darf, so ist es seinem Herrn erlaubt, dessen Sachen sich zuzueignen.


418. Der König sollte mit größter Aufmerksamkeit dafür sorgen, daß Kaufleute und Handwerker ihre gehörigen Pflichten ausüben: denn wenn solche Leute pflichtvergessen werden, so bringen sie diese Welt in Unordnung.
[315]

419. Wenn gleich die Verwaltung der Gerechtigkeit dem Könige viel Zeit kostet, so muß er doch täglich die großen Gegenstände der öffentlichen Angelegenheiten in Erwägung ziehen, und untersuchen, wie seine Wagen, Elephanten, Pferde und Karren, seine ordentlichen Einkünfte und die nöthigen Ausgaben, die Bergwerke der kostbaren Metalle und der Edelgesteine und seine Schatzkammer beschaffen sind.


420. Wenn nun ein König solchergestalt alle diese wichtigen Geschäfte mit der nöthigen Aufmerksamkeit betrieben, und von sich und seinem Reiche jeden Sündenfleck weggenommen hat, so befindet er sich auf dem erhabensten Pfade zur Glückseligkeit.


Fußnoten

1 Mit diesem ganzen Kapitel ist das dritte in dem Gentoo-Gesetz von Raspe zu vergleichen.


2 Daß der Elephant zum Hinrichten gebraucht wird, ist bekannt, aber nicht seht gewöhnlich (wie man mich versichert hat). Tippoo Saib braucht diese Thiere häufiger dazu, als andre Fürsten, wie ich aus dem Munde eines Engländers von Stande weiß, den er einst selbst damit bedrohete. Die gewöhnlichern Todesstrafen findet man in Travels in C.A.A.I. p. 334.


3 Vergl. IV. 88. und Anm. es ist sonderbar genug, daß auch im Sanscrit Gehennum von der Hölle gebraucht wird, s. Gentoogesetze S. 292.


4 Seraswati oder Saraswati ist die Göttin der Einbildungskraft und Erfindung, der Harmonie und Beredsamkeit. Sie wird gemeiniglich mit einem musikalischen Instrumente in der Hand vorgestellt, und soll die Devanagari Buchstaben, d.i. die Sanscritschriftzeichen, so wie diese ganze Sprache erfunden haben, zu welcher die göttlichen Gesetze dem Menschengeschlecht bekannt gemacht wurden, s. Sketches. I. 173.


5 Ueber die Ordalien steht eine Abhandlung von Ali Ibrahim Khan, Oberrichter in Benares in den Asresearches, wo neun jetzt noch gewöhnliche Arten von Ordalien erwähnt werden, vergl. Gentoogesetze S. 256.


6 Pana wird in den Gentoogesetzen pun geschrieben.


7 Vergleiche das dritte Capitel, wo von den Arten der Ehe gehandelt wird.


8 Vergl. III. 185.


9 Es ist mir gelungen etwas über diesen Umstand zu finden. Sonnerat und Roger erklären die Ceremonien bey der Verheirathung weitläuftig.


10 Die Schlangenfänger sind eine bekannte Art Gaukler die umher ziehen, und allerley Künste mit Schlangen machen. Ob diese gleich gemeiniglich von der giftigsten Art sind, so wissen sie doch dieselben zahm zu machen, greifen sie mit bloßer Hand an und werfen sie auf die Erde, wo die Thiere sich nach der Musik ihrer Ernährer in allerley Krümmungen bewegen. Diese Kerle geben vor, dies durch gewisse Zauberformeln so weit zu bringen, s. Sketches.


11 S.X. 4.


12 Ein Strang der durch den Nasenknorpel gezogen wird, befördert die leichtere Lenkung der Ochsen, und ist in ganz Indien gewöhnlich.


13 Siehe Mission Danoise. p. 141. es soll viele Leute in Indien geben, die sich vom Kinderdiebstahle, besonders aber vom Mädchenraube nähren. Sie verkaufen gemeiniglich die Unglückliche in andere Gegenden.


14 Es giebt in Indien eine Menge Plätze, wohin man wallfahret. Die vorzüglichen sind Jaggemaur, Aleahabad, (genannt der »König der heiligen Oerter«) der Zusammenfluß des Ganges und Yumna, und der Ort wo der Ganges entspringt.


15 Vergl. Sacontala oder der Unglücksring S. 6.


16 Dieses Laster ist sehr gewöhnlich in Indien, wie man mich versichert. Ueberhaupt sind unnatürliche Lüste in Asien überall zu Hause, und der Leser würde sich entsetzen, wenn ich nur das anführen sollte, was davon in China, besonders in Canton und dann in Java zu meiner eignen Kenntniß gekommen ist.


17 Herr T.S. – ein Officier versichert mich, daß die Weiber noch bis jetzt wegen ehelicher Untreue auf die nehmliche Art bestraft werden. Man setzt sie verkehrt auf einen Esel und macht ihnen das Gesicht weiß, um auf ihrer fast schwarzer Farbe eben den lächerlichen Contrast hervorzubringen, den bey uns geschwärzte Gesichter machen.


18 Auch noch jetzt ist das Abscheeren der Haupthaare eine der entehrendsten Strafen. »Wenn sich eine Frau so sehr vergangen hat, daß der Mann ihr die Haare abschneidet, welches, der größte und unauslöschliche Schimpf ist, so ist ihr kein andrer Ausweg übrig, als eine Christin zu werden.« Kindersley's Letters. p. 168.


19 Verschiedene achtungswürdige Schriftsteller ziehen das in Zweifel, unter andern Dow pref. 34. – Brahminen-Mord ist auch eine der fünf Sünden welche Roger erwähnt, p. 110.


20 Man weiß aber allgemein, daß besonders die Brahminen die das Wahrsagen zu ihrem Handwerke machen, unter diesem Deckmantel die größten Ausschweifungen begehen, wie mir verschiedene Leute erzählt haben.


21 Wilkins sagt, daß Männer fast allein das Waschen über sich nehmen, und nur in gewissen Fällen sich von ihren Weibern helfen lassen. Heetop. 310. Jeder Engländer in Indien pflegt unter seiner Bedienung einen besondern Mann und oft mehrere zum Waschen zu halten.


22 Dies ist von der Zubereitung oder der sogenannten Schlichte zu verstehen.


23 Vergl. zu III. 238.


24 Die beste Erklärung hierüber giebt das achte Capitel der Gentoogesetze.

Quelle:
Hindu Gesetzbuch oder Menu's Verordnungen nach Cullucas Erläuterung. Weimar 1797, S. 245-316.
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