Zehntes Kapitel.

Ueber die vermischten Classen und über schwere, betrübte Zeiten.

[372] 1. Die drey wiedergebornen1 Classen müssen standhaft ihre verschiedenen Pflichten erfüllen und sorgfältig den Veda lesen; aber ein Brahmin muß ihnen denselben auslegen, keiner aus den zwey andern Classen: dieß ist eine feste Vorschrift.


2. Der Brahmin muß die Mittel des Unterhalts kennen welche das Gesetz für alle Classen verordnet hat, und sie den übrigen erklären: auch er selbst muß sich so betragen wie es das Gesetz befiehlt.


3. Weil er eher gebohren wurde, weil er von erhabnerem Ursprunge ist, weil er eine genauere Kennniß der Schrift besitzt, und weil er sich am Opfergurte auszeichnet, so ist der Brahmin der Herr aller Classen.


4. Die drey wiedergebornen Classen sind die der Priester, der Krieger und der Kaufleute, aber die vierte oder die dienende Classe ist einmal geboren, das heißt hat[372] keine zweyte Geburt durch die Gayatri und trägt keinen Gurt: es giebt auch keine fünfte reine Classe.


5. In allen Classen dürfen die, und nur die allein, welche in gerader Linie von Frauen aus der nämlichen Classe, von Frauen die zur Zeit der Heirath Jungfrauen waren, geboren sind, für Mitglieder der nämlichen Classen gehalten werden, aus welcher ihre Väter sind.


6. Söhne welche von wiedergebornen Männern mit Weibern aus der Classe die zunächst unter ihnen ist, gezeugt worden sind, werden von weisen Gesetzgebern eine ähnliche, aber nicht dieselbe Classe genannt, in welcher ihre Aeltern sind, weil sie durch die Niedrigkeit ihrer Mütter zu einem mittleren Range zwischen beyden herabgesetzt worden sind: sie heißen nach der Reihe Murdabhishicta, Mahishya und Carana oder Cayast'ha, und ihre verschiednen Beschäftigungen sind Unterricht in kriegerischen Uebungen, Tonknust, Sternkunde, Viehzucht und Bedienung der Fürsten2.


7. Dies ist das uralte Gesetze für die Söhne von Weibern, welche einen Grad niedriger als ihre Gatten sind: den Söhnen von Frauen, die zwey oder drey Grade niedriger sind, sey folgende Vorschrift des Gesetzes kund gemacht.


8. Der Sohn, den ein Brahmin mit einer Frau aus der Vaisya-Classe zeugt, heißt Ambasht'ha oder [373] Vaidya, und der Sohn, welchen er mit einer Sudra-Frau zeugt, heißt Nishada und auch Parasava.


9. Aus der Vermischung eines Cshatriya mit einer Frau aus der Sudra-Classe entsteht ein Geschöpf, Ugra genannt, mit einer halb kriegerischen, halb sclavischen Natur, wild in seinem Betragen, grausam in seinen Handlungen.


10. Die Söhne eines Brahminen von Weibern aus drey niedern Classen, die Söhne eines Cshatriya von Frauen aus zwey, und die eines Vaisya von Frauen ans einer niedern Classe, heißen Apasadah, oder erniedrigt unter ihre Väter.


11. Von einem Cshatriya und einer Brahmini-Frau entspringt ein Suta seiner Geburt nach; von einem Vaisya und einer Frau aus der Classe der Krieger oder der Priester stammen ein Magadha und ein Vaideha.


12. Von einem Sudra mit Frauen aus den Classen der Kaufleute, Krieger und Priester werden Söhne vermischten Geschlechts, Ayogava, Cshattri, und Chandala, die niedrigsten unter den Sterblichen geboren.


13. Eben so wie man im Gesetze einen Ambasht'ha und Ugra betrachtet, welche in gerader Folge mit einer Classe zwischen denen ihrer Aeltern geboren sind, eben so betrachtet man den Cshattri und den Vaideha, welche in umgekehrter Folge mit einer Zwischenclasse geboren sind, und man kann alle viere ohne unrein zu werden, berühren.
[374]

14. Diejenigen Söhne der Wiedergebornen welche von Frauen ohne eine Uebergehung (Antara) zwischen den nach der Reihe erwähnten Classen geboren sind, werden Anantaras von den Weisen genannt, wodurch sie ihnen einen Nahmen geben, welcher von dem niedrigern Grade ihrer Mütter verschieden ist.


15. Mit einem Mädchen aus dem Ugra-Geschlechte zeugt ein Brahmin einen Avrita; mit einer Jungfrau aus dem Ambast'ha-Geschlechte einen Abhira; von einer aus dem Ayogava-Geschlechte einen Dhigvana.


16. Der Ayogava, der Cshattri und der Chandala, die Niedrigsten unter den Menschen, stammen von einem Sudra in umgekehrter Folge der Classen und sind deßwegen alle drey von der Feyerung der Todtenopfer für ihre Vorfahren ausgeschlossen.


17. Von einem Vaisya werden bloß der Magadha und Vaideha, von einem Cshatriya bloß der Suta in umgekehrter Folge geboren, und sie sind drey andere Söhne welche von den Leichen-Ceremonien für ihre Väter ausgeschlossen sind.


18. Der Sohn eines Nishada von einer Frau aus der Sudra-Classe ist von Geschlecht ein Puccasa; aber der Sohn eines Sudra von einer Nishadi-Frau heißt Cuccataca.


19. Einer der von einem Cshattri mit einer Ugra geboren ist, heißt Swapaca und einer, welchen ein Caideha von einer Ambashthi Frau gezeugt hat, heißt Vena.


20. Diejenigen welche von den Wiedergebornen mit Frauen aus den nämlichen Classen gezeugt werden,[375] aber welche nicht die gehörigen Ceremonien der Anlegung des Gurts und dergleichen, verrichten, heißen im gemeinen Leben Vratyas, oder von der Gayatri ausgeschlossen.


21. Von einem solchen ausgestoßenen Brahminen kommt ein Sohn von sündlicher Natur, welcher nach der Verschiedenheit der Länder, Bhurjacantaca, Avantya, Vatadhana, Pushpadha oder Saic'ha genannt wird.


22. Der Sohn, welcher von einem solchen ausgestoßenen Cshatriya kömmt, heißt ein I'halla, ein Malla, ein Nich'hivi, ein Nata, ein Carana, ein C'hasa und ein Dravira.


23. Und der Sohn eines solchen verworfenen Vaisya heißt Sudhanwan, Charya, Carusha, Vijanman, Maitra und Satwata.


24. Aus den Vermischungen der Classen, aus ihren Vermählungen mit Frauen, mit denen sie sich nicht hätten verehelichen sollen, und aus ihrer Uebertretung vorgeschriebener Pflichten sind unreine Classen entstanden.


25. Ich will nun kürzlich von den Leuten vermischten Ursprungs sprechen, welche in umgekehrter Folge der Classen geboren sind, und sich unter einander durch Heirathen verbinden.


26. Der Suta, der Vaideha, und der Chandala, diese drey niedrigsten unter den Sterblichen, der Magadha, der Cshattri von Geburt und der Ayogava;


27. Diese sechs zeugen3 ähnliche Söhne mit Weibern aus ihren eigenen Classen, oder mit Weibern die mit ihren Müttern aus einer Classe sind; auch mit[376] Weibern der zwey höchsten und der niedrigsten Classen zeugen sie dergleichen.


28. So wie ein wiedergeborner Sohn von einem Brahminen mit Frauen aus zwo der drey übrigen Classen, ferner ein ähnlicher Sohn, im Fall kein Zwischenraum statt findet, und ein gleicher Sohn mit einer Frau aus seiner eigenen Classe gezeugt werden kann, so verhält es sich auch in der Folge der niedrigen Geschlechter.


29. Diese sechs, jeder mit Weibern aus seinem Geschlechte vermischt, geben sehr vielen verächtlichen und verwerflichen Stämmen Daseyn, die noch viel verruchter sind als ihr Stammvater.


30. So wie ein Sudra von einer Brahmani Frau einen weit verworfenern Sohn zeugt, als er selbst ist, so wird jedem niedrigen Manne von Weibern aus den vier Classen ein noch gemeinerer Sohn geboren.


31. Wenn die sechs niedern Classen von unten auf heirathen, so bringen sie funfzehn noch verwerflichere Stämme hervor, weil böse Eltern noch bösere Kinder zeugen; von ihnen stammen auch ferner funfzehn andre in gerader Reihe ab.


32. Ein Dasyu oder Auswurf einer reinen Classe, zeugt mit einer Ayogavi-Frau einen Sacrindhra, welcher seinem Herrn aufzuwarten, und ihn anzuziehen verstehen sollte; ob er gleich kein Sklave ist, so muß er doch von Sklavenarbeit leben und kann sich auch durch Fangen wilder Thiere in Netzen und Fallen seinen Unterhalt erwerben.


33. Ein Vaideha zeugt mit ihr einen süßtönenden Maitreyaca, welcher durch das Läuten einer Glocke bey Tagesanbruche unabläßig große Leute preist.
[377]

34. Ein Nishada zeugt mit ihr einen Margava oder Dasa, welcher von seiner Arbeit in Kähnen lebt, und Caiverta von denen genannt wird, die in Aryaverta oder dem Lande der Verehrungswürdigen wohnen.


35. Diese drey verruchten Stämme, welche Kleider verstorbener Leute tragen, und verbotene Speisen essen, werden mit Ayogavi Frauen erzeugt.


36. Von einem Nishada wird mit einer Frau aus dem Vaideha Stamme ein Caravasa, welcher Leder schneidet, gezeugt, und von einem Vaideha und Weibern der Kasten Caravasa und Nishada entspringen ein Andhra und ein Meda, die außer der Stadt leben müssen4.


37. Eine Vaidehi Frau gebiert von einem Chandala einen Pandusopaca, welcher in Bambu und Rohr arbeitet, und von einem Nishada gebiert sie einen Ahindica, der das Amt eines Kerkermeisters verwaltet.


38. Der Sohn eines Chandala und einer Puccasi-Frau heißt Sopaca, lebt von der Bestrafung der vom Könige verurtheilten Verbrecher, und ist ein verruchter Ausbund, den die Tugendhaften beständig verachten.


39. Von einer Nishadi-Frau und einem Chandala hat ein Sohn, Antyavasayin genannt, seinen Ursprung; er wird an Verbrennplätzen der Todten gebraucht, und wird selbst von den Verworfenen verachtet.
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40. Jeder von diesen in verschiedenen vermischten Classen befindlichen Leuten ist nach seinen Eltern hier beschrieben worden, und man kann sie jederzeit an ihren heimlichen oder öffentlichen Beschäftigungen kennen.


41. Sechs Söhne, drey Weiber aus der nämlichen Classe geboren, und drey von Weibern aus den nie deren Classen, müssen die Pflichten der wiedergebornen Männer ausüben; aber die, welche in umgekehrter Reihe geboren sind, und niedriggeboren genannt werden, sind, in Rücksicht auf ihre Pflicht, bloßen Sudras gleich.


42. Durch den Einfluß ausnehmender Andacht und erhabener Väter können sie alle mit der Zeit hohe Geburt erreichen, so wie sie durch das Gegentheil mit jedem Alter unter den Sterblichen in dieser Unterwelt in einen niedrigern Zustand sinken können.


43. Die folgenden Stämme der Cshatriyas sind durch ihre Vernachläßigung heiliger Gebräuche und dadurch, daß sie keine Brahminen sahen, unter den Menschen zu den niedrigsten der vier Classen herabgesunken:


44. Zu Paundracas, Odras und Draviras; Cambojas, Yavanas und Sacas; Paradas, Pahlavas, Chinas5, Ciratas, Deradas, und Chasas.


45. Alle diese Stämme von Männern, welche aus dem Munde, Arme, Schenkel und Fuße Brahma's[379] entsprangen, aber wegen Vernachläßigung ihrer Pflichten ausgestoßen wurden, heißen Dasyus oder Plünderer, sie mögen die Sprache der Mlechch'has reden, oder die der Aryas.


46. Diejenigen Söhne der Wiedergebornen, von denen man sagt, daß sie erniedrigt sind, und die für niedriggeboren gehalten werden, sollen sich bloß durch solche Beschäftigungen ernähren, als die Wiedergebornen verachten.


47. Sutas müssen von Pferdezucht und Karrenführen leben; Ambasht'has von Heilung der Krankheiten; Vaidehas von Bedienung der Weiber; Magadhas vom Herumziehen mit Waaren;


48. Nishadas vom Fischfange; ein Ayogava von Zimmermannsarbeit; ein Meda, ein Andhara, und (wie man jeden der Söhne eines Brahminen von Frauen der Vaideha und Ugra Classe besonders nennt) ein Chunchu und ein Madgu von der Jagd der Waldthiere;


49. Ein Cshattri, ein Ugra und ein Puccasa durch Umbringen oder Einsperren der Thiere die in Löchern leben; Dhigvanas durch Lederverkaufen; Venas durch das Schlagen musikalischer Instrumente.


50. Diese allgemein bekannten Stämme, welche ihre verschiedenen Beschäftigungen treiben, sollen bey großen öffentlichen Bäumen, auf Plätzen, wo man die Todten verbrennt, und in Hainen wohnen6.


51. Die Wohnung eines Chandala und eines Swapaca muß außer der Stadt seyn; sie dürfen nicht[380] den Gebrauch ganzer Gefäße haben; ihr einziger Reichthum müssen Hunde und Esel seyn.


52. Ihre Kleider sollen die Mäntel der Verstorbenen seyn; ihre Eßteller zerbrochene Töpfe, ihre Zierrathen rostiges Eisen, und sie sollen immer von Ort zu Ort wandern.


53. Niemand, der seine religiöse und bürgerliche Pflicht in Acht nimmt, muß mit ihnen Gemeinschaft haben; ihre Geschäfte müssen sie bloß unter sich selbst abthun, und ihre Heirathen bloß unter ihres gleichen seyn.


54. Wer ihnen Lebensmittel darreicht, lege es in Scherben, gebe es aber nicht mit den Händen; auch sollen sie nicht zur Nachtzeit in großen oder kleinen Städten herumgehen.


55. Durch des Königs Merkmale ausgezeichnet mögen sie am Tage der Arbeit wegen, umhergehen; und jeden der ohne Verwandten stirbt, heraustragen: dies ist eine festgesetzte Regel.


56. Sie sollen allezeit die, welche nach dem Gesetze, oder auf Befehl des Königs ihr Leben verlieren müssen, hinrichten; und mögen die Kleider, Betten, und den Schmuck der Hingerichteten nehmen.


57. Wenn jemand von einer sündhaften Mutter geboren, folglich in einer niedrigen Classe, aber nicht öffentlich bekannt ist, und obgleich im Grunde ein Nichtswürdiger, doch dem Anscheine nach ein würdiger Mann ist, den muß man an seinen Handlungen zu erkennen suchen.


58. Mangel an tugendhaftem Ernste, Rauheit im Reden, Grausamkeit, und zur Gewohnheit gewordene Vernachläßigung vorgeschriebener Pflichten verrathen in dieser Welt den Sohn einer sträflichen Mutter.
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59. Ein Mann von verworfener Geburt, mag den Charakter seines Vaters oder seiner Mutter annehmen, er ist doch nie im Stande seinen Ursprung zu verbergen.


60. Derjenige, dessen Familie erhoben worden war, aber dessen Eltern sich durch ihre Heirath strafbar gemacht haben, ist von verderbter Natur, je nachdem das Vergehen seiner Mutter groß oder klein gewesen ist.


62. Das Land wo dergleichen Leute geboren werden, welche die Reinheit der vier Classen zerstören, geht bald sammt seinen Eingebornen zu Grunde.


61. Hingebung des Lebens ohne Belohnung, um einen Priester, oder eine Kuh7, eine Frau oder ein Kind zu erhalten, kann diesen verderbtgebornen Stämmen die Seeligkeit zuwege bringen.


63. Bemühung keinem belebten Wesen zu schaden, Wahrhaftigkeit, Vermeidung des Diebstahls und ungerechter Wegnahme der Güter des Andern, Reinlichkeit und Bezähmung der Glieder des Leibes dies ist kürzlich der Inbegrif der Pflichten, welche Menu den vier Classen vorgeschrieben hat.


64. Wenn ein Stamm, der von einem Brahminen und einer Sudra-Frau seinen Ursprung herschreibt, eine regelmäßige Folge von Kindern aus den Verbindungen seiner Frauen mit andern Brahminen aufweisen kann, so soll der niedrige Stamm im siebenten Menschenalter zum höchsten erhoben seyn.


65. So wie auf diese Art der Sohn eines Sudra die Würde eines Brahminen erlangen, und so[382] wie der Sohn eines Brahminen bis zu dem verächtlichen Stande der Sudras herabsinken kann, so verhält sich's auch mit dem, welcher von einem Cshatriya herstammt, und mit dem der von einem Vaisya gezeugt ist.


66. Wenn eine Bedenklichkeit entstehen sollte in Ansehung des Vorzuges zwischen dem, welchen ein Brahmin zu seinem Vergnügen außerehelich mit einer Sudra zeugte, und dem, dessen Eltern ein Sudra und eine Brahmeni waren;


67. So ist sie folgendermaßen zu lösen: der, welcher von einem erhabenen Manne und einer verworfenen Frau gezeugt wurde, kann sich durch seine guten Handlungen Achtung erwerben; aber der welchem eine vorzüglichere Frau und ein verworfener Mann das Leben gaben, muß selbst immer verworfen bleiben.


68. Keiner von diesen beyden soll, wie das Gesetz bestimmt sagt, mit einem Opferbande umgürtet werden; der erste nicht, weil seine Mutter niedrig war, noch der zweyte, weil die Folge der Classen umgekehrt wurde.


69. So wie gutes Getreide, welches auf gutem Boden wächst, in jeder Rücksicht vortreflich ist, so kann ein Mann, welcher von einem achtungswürdigen Vater mit einer verehrungswürdigen Mutter gezeugt ist, auf die ganze Verfassung der Wiedergebornen Anspruch machen.


70. Einige Weisen geben dem Getreide den Vorzug; andere dem Felde, und andere nehmen sowohl auf das Feld als auf das Getreide Rücksicht, über diesen Punkt folgt hier die Entscheidung.
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71. Getreide auf schlechten Grund geworfen, geht ganz zu Grunde, und ein gutes Feld das nicht mit Getreide besäet wird, ist nichts weiter als ein Haufen von Erdenklösern.


72. Aber da durch die Tugend vorzüglicher Väter selbst die Söhne wilder Thiere, zum Beyspiel Rishyasringa, und andere in heilige Männer, welche verehrt und gepriesen wurden, verwandelt worden sind, so hat diesem zufolge die väterliche Seite einen größern Einfluß.


73. Bey der Vergleichung eines Sudra, welcher die Pflichten der Wiedergebornen ausübt, mit einem wiedergebornen Manne, welcher wie ein Sudra handelt, sagte Brahma selbst: »diese beyde sind sich weder gleich noch ungleich«, das ist sie sind sich weder gleich am Range noch ungleich an schlechtem Betragen.


74. Brahminen deren Aufmerksamkeit auf die Mittel zur höchsten Gottheit zu gelangen, gerichtet ist, und die bey ihren eignen Pflichten unerschütterlich sind, verrichten die sechs folgenden Handlungen vollständig nach der Reihe.


75. Die Vedas lesen und andere sie zu lesen lehren, opfern und andern beym Opfern beystehen, den Armen geben wenn sie selbst genug haben, und Geschenke von den Tugendhaften annehmen, wenn sie selbst arm sind, sind die sechs Handlungen, welche der erstgebornen Classe vorgeschrieben sind.


76. Aber unter diesen sechs Handlungen eines Brahminen sind drey seine Unterhaltungs-Mittel: beym Opfern helfen, die Vedas lehren und Geschenke, von reinen Händen gegeben, annehmen.
[384]

77. Drey Pflichthandlungen schränken sich blos auf den Brahminen ein, und stehen dem Cshatriya nicht zu: die Vedas lehren, opfern helfen und drittens annehmen.


78. Diese drey sind auch (durch die bestimmte Vorschrift des Gesetzes) dem Vaisya verboten: denn Menu, der Herr aller Menschen, schrieb diese beyden Handlungen den beyden Classen der Krieger und der Kaufleute nicht vor.


79. Die besondere Art des Unterhalts für den Csatriya besteht darin daß er Waffen führt, mit welchen er entweder haut oder wirft; die des Vaisiya besteht im Handel, Viehzucht und Feldbau, aber in Rücksicht auf das künftige Leben sind die Pflichten beyder: Allmosen geben, lesen, opfern.


80. Unter den verschiedenen Beschäftigungen, durch welche man sich Lebensunterhalt erwirbt, sind die allerempfehlungswürdigsten für die Classe der Priester, Krieger und Kaufleute, den Veda lehnen, das Volk zu vertheidigen und Handel oder Viehzucht.


81. Aber ein Brahmin der sich durch die eben erwähnten Pflichten zu erhalten nicht im Stande ist, kann die Pflicht eines Soldaten erwählen; denn diese ist die nächste im Range.


82. Fragt man wie er leben solle, wenn ihn beyde Beschäftigungen nicht hinlänglichen Unterhalt gewähren, so ist die Antwort, er kann sich als Handelsmann nähren, persönlich den Ackerbau treiben und die Viehzucht besorgen.


83. Aber ein Brahmin und ein Cshatriya, wenn sie durch die Beschäftigungen eines Vaisiya sich[385] zu nähren genöthigt sind, müssen falls sie von der Viehzucht leben können, sorgfältig den Ackerbau vermeiden, welcher vielen belebten Geschöpfen großen Schmerz verursacht, und von der Arbeit anderer, zum Beyspiel von Stieren und dergleichen, abhängt.


84. Einige sind der Meinung, daß Ackerbau vortreflich ist, aber die Wohlwollenden tadeln diese Lebensart außerordentlich; denn nicht nur die Erde, sondern auch die Geschöpfe welche in derselben wohnen, werden durch das mit Eisen beschlagene Holz verwundet.


85. Wenn sie aus Mangel eines tugendhaften Unterhalts keine löbliche Beschäftigungen treiben können, so können sie sich ein hinlängliches Vermögen mit Verkaufung der gewöhnlich von Handelsleuten feil gebotenen Waaren erwerben, wobey sie aber doch die nöthigen Ausnahmen machen müssen.


86. Folgende Sachen müssen sie nicht verkaufen: Flüssigkeiten aller Art, zubereitetes Getreide, Tila-Saamen, Steine, Salz, Vieh und menschliche Geschöpfe;


87. Alles gewebte Zeug welches roth gefärbt ist, Zeug aus Sana, von Cshuma-Rinde und von Wolle gemacht, auch wenn es nicht roth ist; Obst, Wurzeln und Arzneypflanzen;


88. Wasser, Eisen, Gift, Fleisch, die Mondpflanze und Salben aller Art; Milch, Honig, Buttermilch, gereinigte Butter, Tila-Oehl, Wachszucker und Cusa-Gras;


89. Alle Waldthiere, zum Beyspiel Tann-Hirsche und dergleichen; räuberische Thiere, Vögel und Fische, erhitzende Getränke, Nili oder Indigo, und Lacsha oder Lack, und alle Thiere mit ungespaltenen Klauen.
[386]

90. Aber der Brahmin-Ackersmann kann wie er will reine Tila-Körper zu heiligen Gebräuchen verkaufen, wenn er sie nicht lange aufbewahrt, in der Hofnung mehr zu gewinnen, und wenn er sie mit eigner Mühe erbaut hat.


91. Wenn er die Tila-Körner zu etwas anderem als Nahrungs-Salbe und heiligen Spenden braucht, so soll er in Gestalt eines Wurmes zugleich mit seinen Aeltern in den Unrath der Hunde gestürzt werden.


92. Durch den Verkauf des Fleisches und des Lacsha oder des Salzes sinkt der Brahmin unverzüglich herab; und wenn er drey Tage lang Milch verkauft, so setzt er sich mit dem Sudra in eine Reihe.


93. Und wenn er aus eigenem freyen Willen die andern verbotenen Waaren verkauft, so nimmt er in dieser Welt nach sieben Nächten die Natur eines bloßen Vaisya an.


94. Jedoch können flüssige Dinge für andere flüssige eingetauscht werden, aber kein Salz für etwas Flüssiges, eben so kann gedroschenes Getreide für ungedroschenes, und Tila- drner für Reiß in der Schaale eingetauscht werden, vorausgesetzt, daß man sich gleicher Gewichte und Maaße auf beyden Seiten bedient.


95. Wenn ein Kriegsmann in Noth ist, kann er sich durch alle diese Mittel Lebensunterhalt verschaffen, aber nie muß er zur höchsten oder Priesterlichen Beschäftigung seine Zuflucht nehmen.


96. Ein Mann aus der niedrigsten Classe welcher sich aus Geitz durch die Beschäftigungen der höchsten erhält, soll vom Könige alles seines Reichthums beraubt und augenblicklich verbannt werden.
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97. Ob er gleich seine eigenen Berufsgeschäfte nur mangelhaft abwartet, so sind sie doch denen eines andern vorzuziehen, sollte er ihnen auch vollkommen vorstehen können: denn wer ohne Nothwendigkeit die Pflichten einer andern Classe ausübt, wird augenblicklich der seinigen verlustig.


98. Wenn ein Handelsmann von dem Ertrage seiner eigenen Geschäfte nicht leben kann, so steht es ihm frey sich sogar mit den Sclavischen Verrichtungen eines Sudra abzugeben, vorausgesetzt daß er keine unerlaubte Dinge thue; aber wenn er sich einen hinlänglichen Lebensunterhalt erworben hat, muß er den Dienststand verlassen.


99. Wenn ein Mann aus der vierten Classe sich durch Bedienung der Wiedergebornen nicht ernähren kann, und sein Weib und Sohn vom Hunger geplagt werden, so kann er Handwerke treiben.


100. Vornehmlich lege er sich auf gemeinnützige Beschäftigungen, zum Beyspiel die eines Tischlers und eines Steinmetzen, oder auf die verschiedenartigen so anwendbaren Künste, zum Beyspiel, mahlen und schreiben; wenn er diese treibt, so kann er den Wiedergebornen Dienste leisten.


101. Wenn ein Brahmin darbet und von Nahrungsmangel gequält wird, aber lieber in dem Pfade seiner eignen Pflicht gerade fortzugehen, als die Lebensart der Vaisyas anzunehmen wünscht, so handle er auf folgende Weise:


102. Wenn ein Brahmin in Drangsale gerathen ist, so darf er von jedermann Geschenke annehmen, denn man kann durch keine heilige Verordnung beweisen, daß vollkommene Reinigkeit befleckt werden könne.
[388]

103. Wenn Priester den Veda erklären, Opferdienst verrichten, oder Geschenke annehmen, geschehe es auch auf eine Art die man insgemein mißbilliget, so kann man ihnen dafern sie in Noth sind, keine Schuld beymessen, denn sie sind eben so rein als Feuer und Wasser.


104. Nahrungsmittel anzunehmen, wenn man sein Leben nicht anders fristen kann, es sey von wem es wolle, kann den Empfänger eben so wenig mit Sünde beflecken als Koth den feinen Aether.


105. Als Ajigarta Gefahr lief Hungers zu sterben, so war er im Begrif seinen eignen Sohn (Sunah-Sep'ha genannt) dadurch zu vernichten, daß er ihn für einige Stücke Vieh verkaufen wollte; doch machte er sich keines Verbrechens schuldig, da er blos ein Mittel ausfindig machen wollte sich vom Verhungern zu retten.


106. Vamadeva, welcher Recht und Unrecht wohl kannte, wurde keinesweges verunreiniget, ob er gleich, vom Hunger gepeiniget, zur Erhaltung seines Lebens Hundefleisch zu essen wünschte.


107. Als Bharadwaja von vorzüglicher Andächtigkeit und sein Sohn in einem öden Walde beynahe verhungert waren, nahmen sie verschiedene Kühe von dem Zimmermanne Vridhu an.


108. Viswa'mitra ebenfalls, welchen in dem Unterschiede zwischen Tugend und Laster niemand übertraf, entschloß sich als er beynahe vor Hunger umkam, die Hüfte eines Hundes die er von einem Chandala erhalten hatte, zu essen.


109. Unter den Handlungen die allgemein gemißbilligt werden, nämlich Geschenke von niedrigen[389] Leuten annehmen, ihnen opfern helsen, und ihnen die Schrift erklären, ist die Annahme von Geschenken in dieser Welt das verworfenste und wird an einem Brahminen nach seinem gegenwärtigen Leben am meisten getadelt;


110. Deswegen weil Opfern und die Schrift erklären zwey Handlungen sind die allezeit zum besten derer vollzogen werden, welche durch heilige Einweihung ihre Herzen gebessert haben; aber auch ein Sclave der niedrigsten Classe nimmt Geschenke an.


111. Die Strafbarkeit welche man dadurch auf sich zieht, daß man niedrigen Männern opfern hilft, und sie die Schrift lehrt, kann man mit Wiederholungen der Gayatri und durch Spenden ins Feuer vertilgen, aber wenn man die Schuld von ihnen Geschenke anzunehmen, auf sich ladet, so kann man es nicht anders abbüßen als durch strenge Andacht und dadurch, daß man die Geschenke zurückgiebt.


112. Ein Brahmin der sich nicht selbst erhalten kann, würde besser thun Aehren und (Reiß) Körner von den Feldern anderer aufzulesen: ganze Aehren einzusammeln würde besser seyn, als ein Geschenk anzunehmen, und einzelne Körner aufzulesen würde noch löblicher seyn.


113. Brahminen welche Häuser haben, und Metalle (Gold und Silber ausgenommen) oder andere Sachen zu guten Absichten brauchen, können den König, wenn er aus der Classe der Krieger ist, darum bitten; aber ein König von dem man weiß daß er geizig ist und nicht gerne giebt, muß man nicht bitten.


114. Man macht sich weniger schuldig, wenn man das erste unter den folgenden Dingen als die nächsten in[390] der Reihe annimmt: ein bebauetes Feld, ein unbebauetes Feld, Kühe, Ziegen, Schaafe, kostbare Metalle oder Edelgesteine, ungedroschenes Getreide, gedroschenes Getreide.


115. Es giebt sieben tugendhafte Mittel sich Vermögen zu erwerben: Erbschaft, Besitznehmung oder Schenkung und Kauf oder Tausch, welche allen Classen erlaubt sind; Eroberung, welches der Kriegerclasse eigenthümlich ist; auf Zinsen leihen, Ackerbau oder Handel welche der Kaufmannsclasse zugehören, und angenommene Schenkungen an die Priesterclasse von achtungswürdigen Leuten.


116. Gelehrsamkeit welche von der in der Schrift verschieden ist, Künste, zum Beyspiel Salben zu mischen und dergleichen, Arbeit für Lohn, niedrige Verrichtungen, Vieh hüten, Verkauf, Ackerbau, Begnügung mit wenigem, Allmosen und große Zinsen von Geld nehmen, sind die zehn Arten sich zur Zeit der Noth zu unterhalten.


117. Weder ein Priester noch ein Krieger, ob sie gleich in Noth sind, müssen sich für gelehrte Sachen Zins bezahlen lassen; aber beyde, wenn sie wollen, können den kleinen vom Gesetze erlaubten Zins einem sündigen Manne, der ihn verlangt, für die Entlehnung von etwas zu einem heiligen Gebrauche bezahlen.


118. Wenn ein König aus der Kriegerclasse bey dringenden Gelegenheiten, zum Beyspiel im Kriege oder bey feindlichen Einfällen, auch den vierten Theil von den Aernten in seinem Reiche nimmt, und sein Volk nach allen Kräften beschützt, so begeht er keine Sünde.
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119. Seine besondere Pflicht ist Eroberung, und er muß nie aus der Schlacht weichen; daher kann er während daß seine Waffen den Handelsmann und Feldbebauer vertheidigen, die gesetzmäßige Taxe, als Lohn für seine Beschützung eintreiben.


120. Die Abgaben der Kaufmannsclasse, welche in guten Zeiten blos ein Zwölftheil ihrer Aernten, und der funfzigste Theil ihres persönlichen Erwerbs seyn dürfen, können in schweren Zeiten ein Achtel ihrer Aernten, oder ein Sechstel, welches das Mittel ist, oder bey großen öffentlichen Drangsalen sogar ein Viertel ausmachen; aber von ihrem Gewinne auf Geld und andere bewegliche Sachen ist der zwanzigste Theil die höchste Auflage: Dienstboten, Handwerker und Handarbeiter müssen durch ihre Arbeit zu nützen suchen, bezahlen aber niemals Auflagen.


121. Wenn ein Sudra wegen seines Lebensunterhalts bekümmert ist, und keinen Priester bedienen kann, so mag er bey einem Cshatriya Dienste nehmen, kann er aber keinem gebornen Soldaten aufwarten, so steht es ihm frey sich sein Brod im Dienste eines reichen Vaisya zu erwerben.


122. Wer Brahminen in der Absicht dient, um himmlische Belohnung zu erhalten, oder dabey sowohl auf dieses als auf das künftige Leben Rücksicht nimmt, der kann versichert seyn, daß die Verbindung des Worts Brahmin, mit seinem Dienst-Nahmen von glücklichen Folgen seyn wird.


123. Brahminen aufzuwarten wird für die beste Arbeit eines Sudra gehalten: alles, was er außerdem[392] vornimmt, wird ihm verhältnißmäßig keinen Nutzen gewähren.


124. Brahminen müssen ihm so wie es ihre Umstände zulassen, nach Erwägung seiner Tüchtigkeit, seiner Bemühungen und der Anzahl der übrigen Leute, welche der Sudra mit Nahrung zu versorgen hat, einen hinlänglichen Unterhalt geben.


125. Was von ihren Reißgerichten übrig bleibt muß ihm zukommen, desgleichen ihre abgelegten Kleider, ihr schlechtestes Getreide, und ihre alten Hausgeräthe.


126. Ein Mann aus der dienenden Classe sündigt nicht, wenn er Lauch und andere verbotene Gartengewächse ißt: er darf die heilige Einkleidung nicht haben: die Pflicht Spenden ins Feuer und andre solche Dinge zu thun, ist ihm untersagt; doch wird ihm nicht verboten, um seine eigne Pflicht zu erfüllen, gedroschenes Getreide als eine Spende ins Feuer darzubringen.


127. Sogar Sudras, welche ihre Pflicht ganz zu erfüllen wünschen, und, mit ihren Verrichtungen wohl bekannt, die Gewohnheit guter Menschen in den Haushaltungs-Sacramenten, aber ohne heilige Sprüche, ausgenommen Grüße und Lobsprüche, nachahmen, begehen nicht nur keine Sünde, sondern verdienen auch noch Lob.


128. So wie ein Sudra, ohne andern nachtheilig zu werden, die gesetzmäßigen Handlungen der Wiedergebornen verrichtet, eben so wird er, ohne Tadel auf sich zu ziehen, in dieser und in der nächsten Welt erhöhet werden.


129. Ein Sudra muß keinen überflüssigen Reichthum aufhäufen, sollte er gleich Gelegenheit dazu haben,[393] denn wenn sich ein Mann aus der dienenden Classe ein großes Vermögen erworben hat, so wird er hochmuthig, und verursacht durch seine Nachlässigkeit oder seinen Uebermuth, selbst Brahminen Unzufriedenheit.


130. Die hier vollständig vorgetragenen Pflichten sind es nun, welche die vier Classen, wenn sie von Nahrungssorgen gedrückt werden, zu beobachten haben, und dafern sie dieselben genau ausüben, so sollen sie die höchste Wonne erreichen.


131. Solchergestalt ist der Inbegrif der religiösen und bürgerlichen Pflichten, welche jeder Classe vorgeschrieben sind, verkündigt worden; ich will nun das reine Gesetz der Aussöhnung für die Sünden mittheilen.


Fußnoten

1 Nämlich die der Brahminen, der Cshatriyas und Vaisyas.


2 Da Menu authentisch ist, so wird man sich über die sonderbaren Nachrichten von den Hinducasten in den Reisebeschreibungen wundern, wenn man sie mit diesen hier zusammenhält. Indessen fällt keine Schuld auf die Reisenden, weil Hindostan nur erst seit kurzem durch die Kenntniß des Sanscrit uns geöffnet worden ist.


3 Vergl. 10. 6.


4 In dieser einzigen Stelle, ich weiß nicht ob absichtlich, bedient sich Jones des portugiesischen Worts Casts, in allen übrigen sagt er »Classen«.


5 Dies ist die berühmte Stelle, aus welcher Jones. As. res. II. p. 368. folgert, daß die Chinesen, die zahlreichste Nation der jetzt bekannten Erde, ursprünglich verworfene Sudras waren. Seine Ursachen haben, wie mirs scheint, viel Beweiskraft. Ob sie aber Kleuker und Paw wichtig genug finden werden, muß man sehr gegierig seyn zu erfahren.


6 Vergl. Glossar. unter Chandalah.


7 s. IV. 142.

Quelle:
Hindu Gesetzbuch oder Menu's Verordnungen nach Cullucas Erläuterung. Weimar 1797, S. 372-394.
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Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

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