II. Folgen für das Eine bei absoluter Nichtsetzung (Kap. 25).

[272] Nimmt man die Begriffe nun wieder in absoluter Isolierung, so bedeutet Nichtsein Abwesenheit des Seins (ousias apousian), nicht also, daß etwas gewissermaßen (pôs) nichtsei, gewissermaßen aber sei; sondern die Aussage »Es ist nicht«, so schlicht hingesagt, bedeutet, daß es auf keine Weise, in keinem Sinne ist oder irgend des Seins teilhaft ist. Das Werden und Vergehen, welches ja nur besagt: des Seins teilhaftig oder verlustig Werden, fällt damit ebenfalls weg. Was in keinem Sinne ist, kann auch nicht ein Sein haben oder verlieren oder seiner teilhaft werden. Es kann überhaupt an nichts teilhaben, denn hätte es teil an irgend etwas, das ist, so hätte es ja damit am Sein teil. Es ist also ganz und gar keiner Bestimmung fähig, mithin auch nicht der Erkenntnis, Vorstellung, Wahrnehmung, Erklärung, Benennung. Mit einem Wort, es verhält sich in keinem Sinne irgendwie.

Es bedarf kaum der Erinnerung, daß damit aber auch jede mögliche Geltung der Hypothesis selbst aufgehoben wäre, denn daß sie gelte, würde ja (nach 161 E) bedeuten, es verhalte sich so, wie ausgesagt worden, und das wäre schon ein Sein. Also ist nur zum dritten Mal bewiesen, daß die absolute Setzung sei es des Seins oder des Nichtseins oder irgend welcher Denkbestimmung überhaupt das Denken und die Bestimmung selbst aufhebt, daß also in letzter Betrachtung überhaupt nur bezügliche Setzung statthaben kann. Setzen heißt Beziehen.

Quelle:
Paul Natorp: Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus. Leipzig 21921, S. 272.
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