42.
An Erwin Rohde

[1025] [Basel, 19. Juli 1870]


Endlich, liebster Freund, komme ich auch wieder zu Wort. Denke Dir, daß ich inzwischen einige Wochen zu Bett gelegen habe, einer Fußverrenkung wegen, offenbar weil ich dem Asklepios keinen Hahn geopfert habe, sondern die »Hahnen« (denke an Köbi!) immer selbst auffresse (denke an Goethe).

Nach diesen gelehrten Zitaten fühle ich mich bewogen, eine Stelle aus einem der letzten Bülow-Briefe wörtlich zu zitieren. »Uns sind diese Tage in sehr guter Erinnerung geblieben; der Meister hat an Ihrem Freund großes Wohlgefallen, sein männlicher Ernst, seine bedeutende Teilnahme, und die wirkliche Freundlichkeit, die seine strengen Züge bisweilen durchleuchtete, war ihm durchaus sympathisch. Wird er nach Freiburg befördert, so kommen Sie immer zu zweien auf Tribschen, denn ›zwei-einig geht der Mensch zu best‹ sagt unsere Autorität.«

Hier ein furchtbarer Donnerschlag: der französisch-deutsche Krieg ist erklärt, und unsre ganze fadenscheinige Kultur stürzt dem entsetzlichsten Dämon an die Brust. Was werden wir erleben! Freund, liebster Freund, wir sahen uns noch einmal in der Abendröte des Friedens. Wie danke ich Dir! Wird Dir das Dasein jetzt unerträglich, so komme wieder zu mir zurück. Was sind alle unsre Ziele!

Wir können bereits am Anfang vom Ende sein! Welche Wüstenei! Wir werden wieder Klöster brauchen. Und wir werden die ersten fratres sein.

Der treue Schweizer

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1025.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Briefe
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.2, Bd.2, Briefe an Nietzsche, April 1869 - Mai 1872
Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
Sämtliche Briefe, 8 Bde.
Sämtliche Briefe: Kritische Studienausgabe in 8 Bänden