143.
An Franz Overbeck

[1169] [Poststempel: Sils Engd., 23. Juni 81]


Es freut mich sehr, mein lieber Freund, daß auch in dieser Angelegenheit unsre Freundschaft standhält, ja sich neu besiegelt hat – ich denke mitunter mit Bangnis an alle die Feuer- und Kälteproben, denen die mir liebsten Menschen durch meine »Unumwundenheit« ausgesetzt werden. Was das Christentum betrifft, so wirst Du mir wohl das eine glauben: ich bin in meinem Herzen nie gegen dasselbe gemein gewesen und habe mir von Kindesbeinen an manche innerliche Mühe um seine Ideale gegeben, zuletzt freilich immer mit dem Ergebnis der puren Unmöglichkeit. – Auch hier habe ich viel zu leiden, der Sommer ist diesmal heißer und elektrizitätsreicher als gewöhnlich, zu meinem Nachteil. Trotzdem weiß ich mir nichts meiner Natur Angemesseneres als dies Stück Ober-Erde. – Frau Baumgartner hat mir sehr gut und herzlich geschrieben. – Ich selber bin noch nicht im Besitz meines Buches. – Hellwald mit Dank empfangen; es ist ein Kompendium einer Gattung von Meinungen.

Dir und Deiner lieben Frau von Herzen zugetan

F. N.


Ich weiß absolut nicht mehr, mit welchen Ansichten ich noch wohltue, mit welchen ich wehtue.[1169]

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1169-1170.
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Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
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Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
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