149.
An Peter Gast

[1176] Genua, 5. Dezember 1881


Lieber guter Freund, von Zeit zu Zeit (wie kommt das?) ist es mir wie ein Bedürfnis, so etwas Allgemeineres und Unbedingteres über Wagner zu hören, und am liebsten von Ihnen! Auch über Chamfort gleich zu fühlen, soll eine Ehrensache für uns beide sein; er war ein Mann vom Schlage Mirabeaus, nach Charakter, Herz und großem Sinne – Mirabeau selber urteilte so über seinen Freund.

Daß Bizet tot ist, gab mir einen tiefen Stich. Ich hörte Carmen zum zweiten Male – und wieder hatte ich den Eindruck einer Novelle ersten Ranges, wie etwa von Mérimée. Eine so leidenschaftliche und so anmutige Seele! Für mich ist dieses Werk eine Reise nach Spanien wert – ein höchst südländisches Werk! – Lachen Sie nicht, alter Freund, ich vergreife mich mit meinem »Geschmacke« nicht leicht so ganz und gar. – In herzlicher Dankbarkeit

N.

Recht krank inzwischen, doch wohl durch Carmen – – –

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1176.
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Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
Sämtliche Briefe, 8 Bde.
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