154.
An Franz Overbeck

[1181] [Naumburg, Sommer 1882]


Mein lieber Freund, seit mehreren Tagen krank, es gab einen äußerst schmerzhaften Anfall. Ich erhole mich langsam. – Nun Dein Brief! – Einen solchen Brief bekommt man nur einmal, ich danke Dir von ganzem Herzen und werde es Dir nie vergessen. Ich bin glücklich, für mein Vorhaben, das für uneingeweihte Augen sehr phantastisch schillern dürfte, den ganzen guten Menschen- und Freundes-Verstand von Dir und Deiner lieben Frau gewonnen zu sehen. Die Wahrheit ist; in der Art, wie ich hier handeln will und werde, bin ich einmal ganz und gar der Mensch meiner Gedanken, ja meines innersten Denkens: diese Übereinstimmung tut mir so wohl, wie mir das Bild meiner Genueser Existenz wohltut, in der ich auch nicht hinter meinen Gedanken zurückgeblieben bin. Es sind eine Menge meiner Lebensgeheimnisse in diese neue Zukunft eingewickelt, und es bleiben mir hier Aufgaben zu lösen, die man nur durch die Tat lösen kann. – Übrigens bin ich von einer fatalistischen »Gottergebenheit« – ich nenne es amor fati –, daß ich einem Löwen in den Rachen laufen würde, geschweige denn – –

In betreff des Sommers ist alles noch im Unsichersten.

Ich schweige hier fort und fort. In betreff meiner Schwester bin ich ganz entschlossen, sie außerhalb zu lassen; sie könnte nur verwirren (und sich selber vorerst).

Romundt war hier; brav und etwas mehr auf den Wegen der Vernunft.

Dir und Deiner lieben Frau von Herzen zugetan

F. N.[1181]

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1181-1182.
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Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.2, Bd.2, Briefe an Nietzsche, April 1869 - Mai 1872
Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
Sämtliche Briefe, 8 Bde.
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