[935] Beethoven und Mozart. – Beethovens Musik erscheint häufig wie eine tiefbewegte Betrachtung beim unerwarteten Wiederhören eines längst verloren geglaubten Stückes »Unschuld in Tönen«: es ist Musik über Musik. Im Liede der Bettler und Kinder auf der Gasse, bei den eintönigen Weisen wandernder Italiener, beim Tanze in der Dorfschenke oder in den Nächten des Karnevals, – da entdeckt er seine »Melodien«: er trägt sie wie eine Biene zusammen, indem er bald hier bald dort einen Laut, eine kurze Folge erhascht. Es sind ihm verklärte Erinnerungen aus der »besseren Welt«: ähnlich wie Plato es sich von den Ideen dachte. – Mozart steht ganz anders zu seinen Melodien: er findet seine Inspirationen nicht beim Hören von Musik, sondern im schauen des Lebens, des bewegtesten südländischen Lebens: er träumte immer von Italien, wenn er nicht dort war.
Ausgewählte Ausgaben von
Menschliches, Allzumenschliches
|