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[1239] Am Erntefeste des Geistes. – Das häuft sich von Tag zu Tage und quillt auf, Erfahrungen, Erlebnisse, Gedanken über sie und Träume über diese Gedanken – ein unermeßlicher, entzückender Reichtum! Sein Anblick macht schwindeln; ich begreife nicht mehr, wie man die Geistig-Armen selig preisen kann! – Aber ich beneide sie mitunter dann, wenn ich müde bin: denn die Verwaltung eines solchen Reichtums ist eine schwere Sache, und ihre Schwere erdrückt nicht selten alles Glück. – Ja, wenn es genügte, ihn nur anzublicken! Wenn man nur der Geizhals seiner Erkenntnisse wäre!

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1239.
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Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile.
TITLE: Werke in drei Bänden (mit Index), Bd.1: Menschliches, Allzumenschliches / Morgenröte
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