Achtes Kapitel.

[18] 1. So lässt er sie sieben Schritte nach Norden vorschreiten (und spricht dazu): »Einen zum Saft; zwei zur Kraft; drei zur Reichthumsmehrung; vier zum Wohlsein; fünf zum Viehe; sechs zu den Jahreszeiten; sei, Freundinn, siebenschrittig nun und sei beständig mir getreu.«[18]

2. Die Worte: »führe dich Vishnu!« fügt er jedesmal hinzu.

3. Von dem Augenblicke an, wo sie heraustreten (1,4,15), steht ein Mann, der einen Wasserkrug auf die Schulter genommen, stillschweigend südlich vom Feuer.

4. Nach einigen nördlich.

5. Aus dem Kruge besprengt der Bräutigam sie auf dem Haupte, mit den Worten: »Die Wasser sind glückliche, glücklichste, sanfte, sanfteste; die mögen dir Heilmittel bereiten.«

6. Und mit den drei Versen: »Ihr Wasser seid ja« u.s.w.93

7. Dann heisst er sie zur Sonne aufsehen, indem er spricht: »Das Auge« u.s.w.94

8. Dann berührt er über die rechte Schulter ihr Herz und spricht: »In meinen Willen lege ich dein Herz, meinem Denken gemäss sei dein Denken. Meine Rede nimm aufmerksamen Geistes an; Prajâpati verbinde dich mir.«

9. Dann bespricht er sie mit dem Verse: »Festlich geschmückt ist diese Frau; tretet zu ihr heran und seht. Segen verleihet ihr und dann geht, ein jeder nach seinem Haus.«95

10. Ein starker Mann hebt sie auf und lässt sie im Osten oder Norden, in einem umhüllten Schuppen auf ein rothes Stierfell niedersitzen, indem er spricht: »Hier sollen die Kühe niedersitzen, hier die Pferde, hier die Männer; hier auch mit tausendfachem Lohn das Opfer, hier setze Pûshan sich.«96[19]

11. Und was das Dorf97 sagt, das sollen sie thun.

12. Weil es heisst: »Bei der Hochzeit und auf der Leichenstätte richte er sich nach dem Dorfe.«

13. Und weil die Çruti sagt: »Deshalb ist in beiden das Dorf massgebend.«

14. Dem Lehrer gibt er ein Geschenk.

15. Eine Kuh ist das Geschenk eines Brâhmaṇa (Bräutigams).

16. Ein Dorf eines Königlichen.

17. Ein Pferd eines Vaiçya.

18. Hundert (Kühe) und ein Wagen für einen (Brautvater) der nur Töchter hat.98

19. Wenn die Sonne untergegangen, zeigt er ihr den festen (Polar-) Stern und spricht: »Du (o Stern) bist fest, dich den festen sehe ich. Sei fest bei mir, du mein Pflegling![20] Mir gab dich Bṛĭhaspati. Mit mir dem Gatten kinderreich lebe du hundert Jahre lang.«

20. Wenn sie den Stern nicht sieht, spreche sie doch: »ich sehe ihn.«

21. Drei Nächte sollen sie nichts gesalzenes essen und auf der Erde schlafen. Ein Jahr lang sollen sie keine Beiwohnung begehen, oder zwölf Nächte, oder sechs Nächte, oder wenigstens drei Nächte.

93

VS. 11, 50–52. RS. 10, 9, 1–3.

94

VS. 36, 24. Vgl. RS. 7, 66, 16.

95

RS. 10, 85, 33.

96

Vgl. AS. 20, 127, 12. »Tausendfach« d.h. von tausend Kühen.

97

Unter dem Dorfe sind nach den Commentaren die alten Frauen der Familie zu verstehen, welche sich alter Gebräuche erinnern, die nicht im Sûtra angeführt sind. Rk. erwähnt mehrere Gebräuche der Art, z.B. dass der Bräutigam und die Braut eine Schnur und einen Kranz um den Hals tragen; dass in den Zipfeln ihrer Gewänder ein Knoten geschlungen werde; dass sie bei der Handergreifung eine Tüte (puṭikâ) von einem Blatte des nyagrodha (Ficus indica) tragen u.a.

98

Jr. sagt, diese Gabe sei ein Loskauf von dem Verbote ein bruderloses Mädchen zu heiraten: pratishiddhâ hyasau nâbhrâtṛĭkârn upayacchediti (Nir. 3, 3); tatparikrayâyâdhirathaṃ dânam. Nach Vâsudeva's paddhati zu dieser Stelle wird der Schwiegersohn durch diese Gabe von der Verpflichtung befreiet, seinen Sohn dem Schwiegervater als Vollzieher der Todtenopfer und Erben zu überlassen (etena putrikâdâyân mucyate). Râmacandra in seiner paddhati zu Çânkh. gṛĭ. 1, 14 sagt geradezu, ein bruderloses Mädchen müsse er kaufen, damit sein Sohn nicht von dem Schwiegervater als der seinige betrachtet werden könne (dhanakrîtî pariṇeyâ yathâ tajjaḥ putrikâputro na syât). Die Collision dieser Vorschrift mit dem Verbote des Menschenkaufs hat zu mancherlei Ausflüchten und Controversen Veranlassung gegeben. Man vergleiche, ausser den verschiedenen Gesetzbüchern, auch die ausführliche Erörterung dieser Frage in MBh. 13, 2404 u.f.

Quelle:
Indische Hausregeln. In: Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 6. Leipzig 1878, S. 18-21.
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