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Die siebente Defension, daß ich auch nicht alles weiß, kann und zu tun vermag, was jeglichem zu tun not sei und wäre

[527] Das muß ich bekennen, daß ich nit einem jeglichen seinen Willen, wie er es von mir gewiß und ungezweifelt haben will, was ich nit vermag noch in meinem Vermögen ist, erstatten und erfüllen kann. Nun hat doch Gott die Arznei nit dermaßen nach ihrem Willen erschaffen, daß sie tue, gleich wie ein jeglicher will und daherläuft. Wenn nun Gott solchen Menschen nichts gönnen noch geben will, das soll ich dazu tun, so ich doch Gott nit meistern noch zwingen kann, sondern er mich und alle anderen. Habt also eine allgemeine Verantwortung. Wären sie Gott angenehm oder ihm zur Heilung gefällig, er hätte ihnen die Natur nit entzogen. Es ist so ein Ding wie einer, der da ein hübscher feiner Gesell sein und vor allen andern hervortreten will, will daß ihm alle Frauen und Jungfrauen hold sein sollen, aber er ist krumm geboren, hat einen Buckel auf dem Rücken wie eine Laute, und hat auch sonst keine Person am Leib, – wie können die Frauen einem hold sein, dem seine eigene Natur nit hold ist, und hat ihn im Mutterleib verderbt und nichts Gutes aus ihm gemacht?![527] Damit ich euch aber baß unterrichte, so wisset: dem Gott nit Gutes gönnt, was soll ihm dann die Natur Gutes gönnen? Wo die zween Gunste nit sind, was ist der Arzt?! Oder wer kann ihn schelten? Sie sagen: wenn ich zu einem Kranken käme, so wüßte ich nicht von stundan, was ihm gebreche, sondern ich bedürfte einer Zeit dazu, daß ichs erführe. Es ist wahr. Daß sie es von stundan urteilen, daran ist ihre Torheit schuld, denn wenn es zum Auskehren, das ist Ende, kommt, ist das erste Urteil falsch, und von Tag zu Tag wissen sie je länger je minder, was es ist, und machen sich selber zu Lügnern, – da ich begehr, von Tag zu Tag, je länger je mehr, zur Wahrheit zu kommen. Denn mit den verborgenen Krankheiten ist es nit wie mit dem Erkennen der Farben. Bei den Farben sieht einer wohl, was schwarz, grün, blau usw. ist. Wäre aber ein Umhang davor, wüßtest dus auch nit. Durch einen Umhang sehen braucht Schnaufen, wobei sie noch nie gewesen sind. Was die Augen geben, das ist wohl in der Eil zu urteilen; was aber den Augen verborgen ist, das ist umsonst so vorzubringen, als ob es sichtig wäre. Nehmt euch ein Exempel an einem Bergmann. Er sei so gut, so recht, so kunstreich, so geschickt wie er wolle, wenn er ein Erz das erste Mal sieht, weiß er nit, was es hält, was es vermag, wie mit ihm zu handeln sei, wie es zu rösten, zu schmelzen, abzutreiben, zu brennen sei. Er muß es zuerst durchlaufen lassen, etliche Probierungen und Versuche kosten, und sehen, wo hinaus. Alsdann, wenn ers wohl durch die Reuter gefegt hat, so kann er sich einen bestimmten Weg vornehmen: dahinaus also muß es sein. So ist es auch in den verborgenen langwierigen Krankheiten, daß ein Urteil so schnell nit fallen kann, (es tätens denn die Humoristen). Denn es ist nit möglich, daß ein Hund so bald gefunden wird, oder in einer Küche eine Katze, wieviel minder dergleichen in einem gefährlichen geheimen Handel. Drum, die Dinge zu erwägen, zu ermessen, zu versuchen, so viel dem Versuchen zusteht, ist nit zu verargen, – und alsdann mit der rechten Kunst dran! Da liegt der Butz, da liegt der Schatz, so soll man mit solchen Krankheiten[528] handeln. Aber die Humoristen versuchen nit mit der Versuchung, sondern mit den lectorischen Versuchungen und probationibus. Drum entrinnen viel in den Kirchhof, ehe sies, das Urteil, erfahren, und noch, so erfahren sies nit. So also ist ihre Kunst, und eine solche Kunst soll mich beurteilen? Ich kanns nit alles. Was denn können sie, die da meinen, nichts gelte, denn was von der Summen gesund wird. Das ist ihr Avicenna, ihr Rabbi Moises: schnell hindurch, es gehe, wie es gehe. Das sind ihre aphorismi, die sehr schnell im Kirchhof zerbrechen.

Daß ich unmögliche Dinge nit heilen kann, – warum werft ihr mirs in den Bart, wenn ihr das Mögliche nicht heilen könnt?! Und aber verderbts, das ich wieder aufrichten muß? Wie kann ich ein abgehauenes Herz heilen, eine abgehauene Haut ansetzen? Wem im Licht der Natur ist es je möglich gewesen, den Tod und das Leben zusammenzufügen und zu vereinigen, so daß der Tod das Leben empfangen kann? Das ist nit natürlich, aber wohl göttlich. Wie soll ich solches tun, da ihr Wunden, in denen der Tod nicht ist, wenn ihr ihn nicht herzulockt, nicht heilen könnt. Ihr seid weitsichtig, seht in der Weite und euch in der Nähe nit. Ich wills mit eurer Conscienz, das ist Gewissen, beweisen, daß sie euch lehrt und anzeigt, das ihr wider sie tut und handelt, und wollt euch beschönen mit dem, das euch in Schande führt. Denn ihr habt von Gott die Arznei, alle möglichen Dinge mit ihr zu vertreiben, könnts und könnts nicht. Was zeiht ihr dann mich, daß ich in den unmöglichen Krankheiten nichts ausruhten könne, und mir ist zu denselben keine Arznei gegeben noch geschaffen.

Dazu wisset auch den Beschluß dieser Defension! Wie kann ich mögliche Ding heilen, wenn mir der Hagel in die Apotheke schlägt? Wenn der Schauer in die Küche schlägt, wer kann wohl davon essen? Wie kann ein Pelz vor dem Schuß schützen oder ein Harnisch vor der Kälte? Wie kann ich mit Quidproquo, mit dem ihr all eure Kranken verderbt, heilen, und ihr bedürft des Glückes, daß ihr mit dem Quidproquo wohl anfangt und vollendet. Wer kann mit betrügerischer Specerei das ausrichten, das allein der[529] rechten zusteht? Wer kann das vollenden, das er sich vornimmt, wenn es mit grünen Kräutern geschehen soll und man gibt ihm schimmlige. Wer kann leiden, daß man für diagridium, das ist Purgiersaft, succum tithymalli, das ist Wolfsmilchsaft, gebe? Wer kann leiden oder dulden, daß man picem calceatorinam distillatam, das ist destilliertes calceatorinisches Pech, pro oleo benedicto, das ist für Benediktenöl, gebe? Und Kirschenmus mit Thyriac vermischt als ein mithridatum? Und wenn ich eure simplicia und composita, wie es die Notdurft erfordert, aufzählen sollte, wie es um sie steht, wo käme ich damit zu einem Ende?

Damit will ich mich zum letzten defendiert und beschirmt haben, bis auf weitere Reizung, – da wird es alsdann seine Streiche, ob Gott will, auch finden. Will auch hiermit allein gebeten haben: die Frommen und Gerechten mit der rechten Conscienz wollen sich meines Schreibens nit bekümmern. Denn die Notdurft hats gefordert, sich zu verantworten. Denn Christus hat sich selbst auch verantwortet und nit geschwiegen. Es soll ein jeglicher wissen, daß Verantworten billig sei und sich gebühre, damit diejenigen, die mit Geschwätz sich erhalten und freuen, in ihrem Geschwätz nit gar erstocken und erblinden. Wo ihnen nicht geantwortet würde, da gewönnen sie recht und hielten sich für recht, und es würde noch mehr Irrsal hernach kommen, Unrat, Unfall und Verführung. Drum so ist Antworten so viel, daß je der gegenwärtigen und zukünftigen Verführung zuvorgekommen werde, und offenbar mache, was die Schreier sind. So, auf solchen Grund, hat es mich gefreut zu antworten, und mich vor den allen, deren Herz voll Unlust steckt, zu beschirmen, damit wir auf beiden Seiten offenbar würden. Denn Not ist, daß Laster kommen; wehe aber dem, durch den sie kommen. Das ist so viel gesagt: not ists, daß die Lügner wider die Wahrheit reden; wehe aber ihnen, denn die Wahrheit bringt die Lügen an den Tag. Wenn sie ihres Lasters schwiegen, so schwiege die Wahrheit auch. Aber darum, weil es not ist, soll und kann die Lüge und das Laster nit schweigen, es muß herfür.[530]

Weh aber ihnen. Du Leser aber sollst alle Dinge gleichmäßig erwägen und ermessen, damit dein Lesen Frucht bringe. Nutz und Gutes.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 527-531.
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