Erstes Buch.
Ueber die Gattungen des Seienden (I)

1. Ueber die Zahl und Beschaffenheit des Seienden haben schon die ganz alten Philosophen Untersuchungen angestellt, indem sie es theils als Eins, theils als eine begrenzte oder unbegrenzte Mehrzahl bezeichneten, wobei denn die einen von ihnen dieses, die andern jenes unter dem Einen, dem Begrenzten und Unbegrenzten selbst verstanden. Da diese Meinungen von den späteren Philosophen schon hinlänglich geprüft sind, können wir sie übergehen. Dagegen ist zu betrachten, wie viele bestimmte Gattungen diese selbst nach kritischer Untersuchung der Ansichten jener aufgestellt haben, diejenigen nämlich, welche weder eine Gattung annahmen, da sie vieles auch im Intelligiblen sahen, noch unbegrenzt viele, da das weder an sich thunlich noch dabei Wissenschaft möglich ist, wohl aber der Zahl nach begrenzte, da die Substrate sich füglich nicht als Elemente betrachten lassen. Gewisse Gattungen also haben diese angenommen, die einen zehn, die andern weniger; einige vielleicht auch mehr. Es besteht aber ein Unterschied in den Gattungen: die einen nämlich sehen die Gattungen als Principien an, die andern meinen, dass die Zahl des Seienden eben der Gattung nach so gross sei. Zuerst nun ist die Ansicht, welche das Seiende in zehn Gattungen theilt, vorzunehmen und zu untersuchen, ob darunter zehn Gattungen, welche den gemeinsamen Namen des Seienden erhalten haben, oder zehn Kategorieen zu verstehen sind. Denn dass das Seiende nicht synonym sei in allen Dingen, sagen sie selbst und mit Recht; vielmehr indessen ist zuerst die Frage aufzuwerfen, ob jene zehn in gleicher Weise im Intelligiblen wie im Sinnlichen sind oder ob sie im Sinnlichen zwar alle insgesammt, im Intelligiblen aber nur zum Theil sind, zum Theil nicht; denn das Umgekehrte hat doch wohl nicht statt. Dabei ist denn zu untersuchen, welche von den zehn auch dort sind und ob die[227] dort vorhandenen ein und derselben Gattung unterzuordnen sind wie die hier, oder ob die Substanz dort und die Substanz hier nur homonym sind. Ist dies der Fall, so giebt es mehrere Gattungen; sind sie homonym, so ist es ungereimt, dass dasselbe Wort die Substanz in dem ursprünglich Seienden und in dem Abgeleiteten bezeichnet, da es eine gemeinsame Gattung dessen, worin das Frühere und Spätere liegt, nicht giebt. Allein über das Intelligible sprechen sie ihrer Eintheilung gemäss nicht; sie wollten also nicht alles Seiende eintheilen [klassificiren], sondern haben das vorzugsweise Seiende übergangen.

2. Wiederum also frage ich: sind Gattungen zu statuiren? Und wie ist die Substanz eine Gattung? Denn von dieser ist schlechterdings auszugehen. Dass also die eine als Substanz bezeichnete Gattung der intelligiblen und der sinnlichen Substanz nicht gemeinsam sein kann, ist gesagt worden. Es würde dann vor der intelligiblen und sinnlichen Substanz etwas anderes geben, das als ein anderes von beiden ausgesagt wird, was doch weder etwas Körperliches noch Unkörperliches sein kann; es würde sich nämlich ergeben, entweder dass der Körper unkörperlich oder dass das Unkörperliche Körper ist. Aber davon abgesehen, bei den sinnlichen Substanzen selbst ist zu untersuchen, was das Gemeinsame in der Materie, in der Form und dem Resultat aus beiden ist. Denn alles dies, sagen sie, seien Substanzen und halten sie doch nicht in gleichem Maasse für Substanz, wenn die Form in höherem Grade als die Materie Substanz genannt wird, und zwar mit Recht; andere könnten die Materie in höherem Grade als Substanz bezeichnen. Was haben ferner die sogenannten ersten und zweiten Substanzen gemeinsames? da ja die zweiten von den ersten den Namen erhalten haben. Ueberhaupt ist es so unmöglich, das Wesen der Substanz anzugeben; denn wenn jemand das Eigenthümliche derselben zugesteht, so hat er damit noch nicht das Wesen, und vielleicht passt die Bestimmung, dass das der Zahl nach Identische Entgegengesetztes in sich aufzunehmen fähig sei, nicht auf alle Substanzen.

3. Aber wir dürfen doch nicht die intelligible Substanz, die Materie, die Form und das aus beiden Bestehende unter dem Namen einer gemeinsamen Kategorie zusammenfassen. Wenn z.B. jemand sagt, das Geschlecht der Herakliden ist eins, so meint er nicht, dass das Eine etwas gemeinsames in allen sei, sondern dass alle von einem abstammen; und auch jene Substanz ist in erster Linie Substanz, das andere in zweiter Linie und in geringerem Grade. Aber was hindert, dass alles eine Kategorie sei? Denn alles andere sogenannte Sein stammt[228] von der Substanz. Doch jene Wesen, sagt man, sind Affectionen [Modificationen], die Substanzen in ihrer Reihenfolge hat man anders anzusehen. Aber auch so können wir auf die Substanz noch nichts bauen, auch gewinnen wir die wichtigste Bestimmung nicht, um davon auch die andern Substanzen herzuleiten. Verwandt allerdings mögen auf diese Weise alle sogenannte Substanzen sein, indem sie etwas besonderes neben den andern Gattungen haben. Was bedeuten denn jene Bestimmungen: Wesen, concrete Erscheinung, Subject und nicht Prädikat, auch nicht in einem andern wie in einem Substrat, auch nicht seinem Wesen nach einem andern angehörig, wie das Wissen eine Qualität des Körpers ist, das Quantum der Substanz zukommt, die Zeit etwas an der Bewegung ist und die Bewegung an dem Bewegten haftet? Aber die zweite Substanz wird doch von etwas anderm ausgesagt. Indessen ist das ›von etwas anderm‹ hier anders zu verstehen: sie ist wie die Gattung darin und das Wesen jenes; das Weisse dagegen wird von etwas anderem ausgesagt, weil es in einem andern ist. Allein dies könnte jemand Eigenthümlichkeiten nennen im Unterschiede von andern Dingen und deshalb sie so zu einer Einheit zusammenfassen und Substanzen nennen, als eine Gattung aber dürfte er sie kaum bezeichnen und den Begriff und das Wesen der Substanz damit noch nicht klar machen. Und dies möge hiermit sein Bewenden haben. Gehen wir über zur Natur des Quantum.

4. Die Zahl nun bezeichnen sie an erster Stelle als ein Quantum, sodann jede continuirliche Grösse und Raum und Zeit; hierauf führen sie alles das, was sie quantitativ nennen, zurück, auch die Bewegung bezeichnen sie um der Zeit willen als eine Quantität, obwohl umgekehrt vielleicht die Zeit ihre Continuität von der Bewegung erhalten hat. Wenn sie nun das Continuirliche als Continuirliches ein Quantum nennen werden, so wird das Discrete nicht ein Quantum sein; ist aber das Continuirliche nur per Accidens ein Quantum, was haben dann beide als Quantitäten gemeinsam? Den Zahlen mag es freilich eignen, Quantitäten zu sein, obwohl ihnen nur dieser Name eignet, das Wesen aber, infolge dessen er ihnen beigelegt wird, noch nicht klar ist; eine Linie hingegen und eine Fläche und ein Körper haben nicht einmal diesen Namen, sondern sie werden Grössen aber nicht Quantitäten genannt, wenn anders ein Ding den Namen Quantität nur dann erhält, wenn es numerisch geschätzt wird, z.B. zwei oder drei Ellen lang. Wird doch auch ein Naturkörper erst wenn er gemessen ist ein Quantum, und der Raum ist es nur accidentiell,[229] nicht als Raum. Man muss aber das Quantum nicht als ein accidentielles sondern als ein substantielles auffassen d.h. die Quantität an sich. So sind ja doch die drei Rinder nicht ein Quantum, sondern die Zahl an ihnen; denn ›drei Rinder‹ sind bereits zwei Aussagen. Ebenso sind auch ›eine so grosse Linie‹ zwei Aussagen, desgleichen ›eine so grosse Oberfläche‹; die Quantität derselben ist ein Quantum, warum aber die Oberfläche selbst ein Quantum? Begrenzt also etwa von drei oder vier Linien heisst sie ein Quantum. Wie also? Werden wir bloss die Zahlen als ein Quantum gelten lassen? Versteht man darunter die Zahlen an sich, so werden diese Substanzen genannt und vorzüglich eben deshalb, weil sie an und für sich sind; versteht man darunter die in den an ihnen participiren den Dingen vorhandenen, nach denen wir zählen, nicht die Monaden, sondern zehn Pferde und zehn Ochsen, so wird es zuerst ungereimt erscheinen, dass, wenn jene Substanzen sind, es diese nicht sind; ferner auch, wenn sie die Substrate messend in ihnen vorhanden sind, aber nicht ausserhalb befindlich wie die Maassstäbe und Gefässe messen. Allein wenn sie an sich und nicht in den Substraten existirend zum Messen herangezogen werden, so sind einerseits jene Substrate, da sie an der Quantität nicht Theil haben, nicht Quanta, andererseits warum sind sie selbst Quantum? Weil sie Maasse sind. Aber warum sind Maasse Quanta oder Quantität? Weil sie als in dem Seienden befindlich, wenn sie auf keinen andern Naturgegenstand Anwendung finden, doch das wohl sein werden was sie heissen und so ihren Platz in der besprochenen Quantität haben werden. Denn die Einheit derselben bestimmt das Eine, dann geht sie auch an ein anderes heran und die Zahl zeigt an, wie viel es ist, und die Seele misst die Vielheit mit Hülfe der Zahl. Messend nun misst sie nicht das Wesen; denn sie sagt nur, dass es eins oder zwei sei, mag es beschaffen sein wie es will und wären es Gegensätze; auch die besondere Beschaffenheit wie z.B. das Warme oder Kalte misst sie nicht, sondern die Quantitäten. Demnach gehört dem Quantum, mag es an sich oder in den an ihm participirenden Objecten betrachtet werden, die Zahl selbst an, nicht die participirenden Objecte. Nicht also das ›drei Ellen lang‹ [gehört zum Quantum], sondern die drei. Warum nun auch die Grössen? Weil sie dem Quantum nahe stehen und wir die Dinge, in welche sie eingegangen, selbst als Quanta bezeichnen, darum sagen wir doch nicht im eigentlichen Sinne das Quantum von ihnen aus, sondern gross nennen wir etwas, weil es numerisch an Vielem, und klein, weil es an Wenigem[230] Theil hat, nicht wahr? Allein von dem Grossen und Kleinen an sich wird das Quantum nicht behauptet, sondern die Relation; aber gleichwohl sprechen sie von Relation, in soweit das Quantum vorhanden zu sein scheint. Das verdient eine genauere Untersuchung. Es wird demnach nicht eine gemeinsame Gattung, sondern die Zahl allein vorhanden sein, die Grössen aber in zweiter Linie stehen. Nicht im eigentlichen Sinne also giebt es eine Gattung, sondern eine Aussage, welche das dem Ersten nahe Stehende wie das zweite unter sich zusammenfasst. Uns aber bleibt zu untersuchen, wie die Zahlen an sich Substanzen oder zugleich auch etwas quantitatives sind; wie es sich aber damit verhalten möge, keinenfalls haben die letzteren mit den ersteren etwas gemein ausser dem Namen.

5. Wie stehts mit dem Wort und der Zeit und der Bewegung? Zuerst das Wort, wenns beliebt. Es wird freilich gemessen, aber nur als ein gesprochenes Wort ist es quantitativ, als Wort an sich ist es kein Quantum; denn seiner Natur nach bezeichnet es etwas, wie das Nomen und das Verbum. Seine Materie ist die Luft, wie sie die Materie dieser ist, denn aus ihnen besteht das Wort; aber der Stoss in die Luft ist vielmehr das Wort und zwar nicht einfach der Stoss, sondern der entstellende Eindruck, der die Luft gleichsam formt und bildet; folglich ist es vielmehr eine Thätigkeit und zwar eine bezeichnende Thätigkeit. Diese Bewegung aber und den Stoss mag man mit erhöhtem Fug und Recht als Thätigkeit betrachten, während die entgegengesetzte als ein Leiden angesehen wird, oder: eine jede ist von der einen Seite Thätigkeit, von der andern Leiden, oder: die Thätigkeit geht auf das Substrat, die Affection geschieht an dem Substrat. Entsteht das gesprochene Wort nicht gemäss dem Eindruck sondern gemäss der Luft, so ergeben sich zwei und nicht eine Kategorie aus dem bezeichnenden Eindruck, um jene Kategorie mit zu bezeichnen. – Wird die Zeit begriffen nach dem Messenden, so muss man begreifen, was denn das Messende ist; es ist nämlich entweder die Seele oder der gegenwärtige Moment. Wird sie nach dem Gemessenen aufgefasst, so mag sie nach einem bestimmten Zeitabschnitt, z.B. ein Jahr lang, gemessen ein Quantum sein, nach ihrem Wesen als Zeit ist sie eine andere Natur; denn was Quantität hat, obwohl es ein anderes ist, ist etwas quantitatives. Eine Quantität also ist die Zeit nicht; die Quantität aber losgelöst aus der Verbindung mit einem andern ist eben das Quantum im eigentlichen, vollen Sinne. Wollte man alles am Quantum Theilnehmende als Quantum betrachten, so wird[231] auch die Substanz dasselbe und ein Quantum sein. Die Bestimmung, das Gleiche und Ungleiche sei dem Quantum eigenthümlich, ist an ihm selbst, nicht an den theilnehmenden Objecten aufzusuchen, ausser wenn dies accidentiell geschieht, insofern man jene Objecte nicht an sich betrachtet, wie etwa das ›drei Ellen lang‹ ein Quantum bezeichnet, aber gleichfalls zusammengefasst nicht in eine Gattung, sondern unter eine Einheit und eine Kategorie.

6. Die Relation ist darauf hin zu untersuchen, ob in ihr eine generelle Gemeinschaft oder ein anderweitiger Vereinigungspunkt vorhanden ist, und besonders kommt hierbei in Frage, ob dies Verhalten eine Art Realität [Existenz] ist, wie der Rechte und der Linke, das Doppelte und die Hälfte, oder ob es eine solche ist in gewissen Dingen wie z.B. dem zuletzt Angeführten, in dem zuerst Angeführten aber nicht, oder ob es nirgend statthat. Was also ist es im Doppelten und Halben, überhaupt in dem was übertrifft und übertroffen wird, dann wieder im Zustand und Befinden, Liegen, Sitzen, Stehen, ferner wieder im Vater, Sohn, Sklaven, Herrn, und aber im Aehnlichen, Unähnlichen, Gleichen, Ungleichen, desgleichen wieder im Thuenden und Leidenden, im Messenden und Gemessenen? Auch Wissenschaft und sinnliche Wahrnehmung [gehören in diese Kategorie], die eine bezieht sich auf das Wissbare, die andere auf das sinnlich Wahrnehmbare. Die Wissenschaft nämlich hat bei der Beziehung auf das gewusste Object eine Art Realität in dem Act, der sich auf die Art des gewussten Objects richtet, ebenso die Wahrnehmung bei der Beziehung auf das wahrgenommene Object, desgleichen das Active bei der Beziehung auf das Passive, und wenn es auf ein Werk abzielt, auch das Maass bei der Beziehung auf das Gemessene. Was aber hat das Aehnliche in der Beziehung auf das Aehnliche für ein Erzeugniss? Es hat kein Erzeugniss sondern ein Vorhandenes, nämlich die Identität in der Qualität. Ausser der Qualität in jedem von beiden ist nichts da. Auch das Gleiche hat ein solches nicht; denn das Identische in dem Quantum ist vorhanden vor dem Verhalten. Was ist aber das Verhalten anders als unser Urtheil, die wir das an sich Seiende was es ist auf einander beziehen und sagen: dies und dies hat dieselbe Grösse und dieselbe Beschaffenheit, und: dieser hat diesen hervorgebracht und dieser übertrifft diesen? Sitzen und Stehen ferner, was ist es abstrahirt von dem Sitzenden und Stehenden? Der Habitus bezeichnet, activ genommen, mehr ein Haben, passiv genommen ist er eine Qualität; ebenso das Verhalten. Was[232] ist also abgesehen von diesen Dingen ihre gegenseitige Beziehung anders als unser Urtheil, die wir in Gedanken die Vergleichung vollziehen? Was das Ueberragende betrifft, so hat das eine diese, das andere diese Grösse; ein anderes ist dieses, ein anderes jenes; die Relation aber rührt von uns her, liegt nicht in ihnen. Das Verhältniss von rechts und links, vorn und hinten beruht vielleicht mehr in der Lage: der eine ist hier, der andere dort; wir aber sind es, die das Rechts und Links in Gedanken wahrgenommen haben, in ihnen liegt nichts davon. Das Früher und Später sind zwei Zeiten; wir aber erzeugen desgleichen das Früher und Später in unserm Urtheil.

7. Ob wir also nichts sagen, sondern mit den Aussagen uns täuschen, das hängt durchaus nicht von den Dingen ab, sondern ihr Verhalten ist leer. Ob wir aber die Wahrheit treffen wenn wir, zwei Zeiten neben einander stellend, sagen: ›dieser ist früher als der und später‹, indem wir das Früher als ein anderes neben den Substraten derselben aussagen, desgleichen bei dem Rechts und Links ebenso, und bei den Grössen das Verhalten neben dem Quantum derselben, wonach das eine überragt, das andere überragt wird?! Wenn es sich aber ganz unabhängig von unsern Aussagen und Gedanken so verhält, dass dies doppelt so gross ist als jenes, wenn dies hat und jenes gehabt wird, auch bevor wir es bemerken, wenn die gegenseitige Gleichheit vor uns bei dem Vorhandensein der Qualität in der gegenseitigen Identität besteht und wenn bei allen Dingen, von denen wir entsprechend den Substraten eine Relation aussagen, ein gegenseitiges Verhalten statthat, wir aber nur wahrnehmen, dass es statthat, und die Erkenntniss zu dem erkannten Object in Beziehung tritt – wobei denn die aus dem Verhalten resultirende Art von Realität deutlicher hervorleuchtet: so hat die Frage, ob es ein Verhalten giebt, keine Berechtigung mehr; haben wir uns aber gemerkt, dass von dergleichen Dingen bei den einen das Verhalten vorhanden ist, solange die Substrate bleiben wie sie sind, auch wenn sie getrennt werden, bei den andern, wenn sie vereinigt werden, entsteht, bei andern, auch wenn sie bleiben, aufhört oder überhaupt alterirt oder ein anderes wird, z.B. bei dem Rechts oder Nahe, aus denen hauptsächlich die Vermuthung geschöpft ist, dass in ihnen selbst nichts Reales liege – wenn wir dies also uns gemerkt haben, so müssen wir untersuchen, was das Identische in allen ist und ob es darin wie eine Gattung aber nicht accidentiell vorhanden; sodann fragt es sich nach Auffindung des Identischen, welche Realität es hat. Relativ ist also etwas zu nennen, nicht[233] wenn es schlechthin von einem andern ausgesagt wird, wie z.B. auch ein Zustand von der Seele oder vom Körper nicht aus gesagt wird, weil sie die Seele dieses bestimmten Körpers oder in einem andern ist, sondern nur dasjenige ist Relation zu nennen, was seine Realität nirgend anderswoher hat als aus dem Verhalten. Unter Realität wird nicht die der Substrate verstanden, sondern die welche man Relation nennt; das Doppelte z.B. verleiht correlater Weise der Hälfte die Existenz weder dadurch, dass es zwei Ellen lang oder überhaupt zwei ist, noch dadurch, dass es eine Elle lang oder überhaupt eins ist, sondern indem diese sind entsprechend ihrem Verhalten, abgesehen davon dass das eine zwei, das andere eins ist, hat das eine Namen und Sein des Doppelten erhalten, das andere die Hälfte selbst erlangt. Beide gemeinschaftlich haben also aus sich selbst das Dasein des Doppelten und der Hälfte erzeugt, welche eben correlater Weise erzeugt wurden, und ihr Sein ist nichts anderes als das aufeinander Bezogensein: das Doppelte ist, weil es die Hälfte überragt, die Hälfte weil sie überragt wird. Daher kann das eine nicht früher, das andere später sein, sondern entsteht zugleich. Ob es aber auch zugleich bleibt? Nun, wenn es sich um Vater und Sohn und Verwandte handelt, ist der Sohn und der Bruder nach dem Verschwinden des Vaters und Bruders; sagen wir doch auch: dieser ist dem Verstorbenen ähnlich.

8. Doch dies nur beiläufig. Indessen ergiebt sich von hier aus die Frage: warum hat bei diesen Dingen ein gleiches Verhältniss nicht statt? Aber man muss sagen, welche Art von Realität diese Correlata gemeinsam haben. Ein Körper nun kann dies Gemeinsame wohl nicht sein. Bleibt also, wenn es wirklich vorhanden ist, übrig etwas Unkörperliches und zwar entweder in ihnen oder ausser ihnen. Und wenn das Verhalten identisch ist mit den Substraten, so haben wir ein Synonymum, wenn nicht, sondern verschieden von ihnen, ein Homonymum; denn deshalb, weil es ein Verhalten heisst, hat es doch wohl nicht ebendieselbe Substanz. Hat man nun etwa die Arten des Verhaltens nach diesem Princip einzutheilen und zu sagen: gewisse Dinge haben ein träges Verhalten, gleichsam als liegendes zu betrachten, und zugleich damit auf allen Punkten die Existenz [Realität, Hypostase], andere bringen Kraft und Thätigkeit mit sich und haben in gewisser Weise stets das Verhalten und vordem die Fähigkeit dazu, erhalten aber in der Relation erst die wirkliche Existenz, oder überhaupt: die einen wirken, die andern existiren nur, und das Existirende hat dem andern[234] [dem Correlat] nur den Namen gegeben, jenes hingegen ihm auch die Existenz? Denn ein derartiges Verhältniss zeigen Vater und Sohn; auch hat das Active wie das Passive ein gewisses Leben und Wirken. Hat man also auf diese Weise das Verhalten einzutheilen, einzutheilen, sage ich, nicht als ob es etwas Identisches und Gemeinsames in den Unterschieden sei, sondern überhaupt als eine andere Natur in jedem von beiden [Gliedern des Verhältnisses], und hat man homonymer Weise die schaffende als Thun und Leiden, beides als eins, zu bezeichnen, von der andern aber zu sagen, sie schalte nicht, sondern bei beiden sei das Schaffende ein anderes? Z.B. die Gleichheit, die das Gleiche hervorbringt; denn durch die Gleichheit ist das Gleiche und überhaupt durch Identität das Identische; was aber das Grosse und Kleine betrifft, so ist das eine durch Anwesenheit der Grösse, das andere durch Anwesenheit der Kleinheit. Wenn aber das eine grösser, das andere kleiner heisst, so ist von den Theilhabern der grössere dies, indem die in ihm vorhandene Grösse in Wirklichkeit erscheint, der kleinere desgleichen wenn die Kleinheit so erscheint.

9. Man muss also bei den früher erwähnten Dingen wie dem Activen, der Wissenschaft, ein wirksames Verhalten und einen Act und im Act einen Begriff annehmen, bei den andern dagegen eine Theilnahme an Form und Begriff statuiren. Denn wenn das Seiende Körper sein müsste, so müssten wir sagen, dass diese Arten des sogenannten Verhaltens der Relation nichts wären; wenn wir aber dem Unkörperlichen sogar den ersten und einflussreichsten Platz anweisen und den Begriffen, so müssen wir sie, indem wir die verschiedenen Arten des Verhaltens und der Theilnahme an Formen Begriffe nennen, als Ursachen bezeichnen: denn das Doppelte ist selbst der Grund des Doppelten, und hierdurch entsteht die Hälfte; ferner, das eine wird durch dieselbe Form, das andere durch die entgegengesetzten Formen als was es bezeichnet wird; zugleich also tritt an dieses das Doppelte, an ein anderes die Hälfte heran, oder beides ist in einem jeden, ich meine Gleichheit und Ungleichheit wie überhaupt das Identische und das Differente; deshalb ist auch ebendasselbe sowohl gleich als ungleich, identisch und different. Wie nun, ist etwa der eine hässlich, der andere hässlicher durch Theilnahme an derselben Form? Nun, wenn sie in allen Stücken hässlich sind, dann sind sie gleich durch Abwesenheit der Form; hat in dem einen ein Mehr, in dem andern ein Minder statt, so ist es der minder hässliche durch Theilnahme an der Form, die nicht die Oberhand behalten,[235] der hässlichere durch Theilnahme an einer Form, die noch in höherem Grade nicht die Oberhand behalten hat; oder sie sind es durch Beraubung, falls man sie vergleichen will unter dem Gesichtspunkte der in ihnen vorhandenen Form. Sinnliche Wahrnehmung ferner ist eine Form aus beiden, desgleichen Erkenntniss eine Form aus beiden; der Habitus ist im Verhältniss zu dem angenommenen Zustand eine gleichsam zusammenhaltende Thätigkeit, gewissermassen ein Hervorbringen [Activität]; das Messen als eine auf das Gemessene bezogene Thätigkeit des Messenden eine Art Begriff. Wenn nun jemand das Verhalten der Relation als eine Form generisch betrachtet als Eins setzt, so giebt es nur eine Gattung und die Substanz ist überall wie eine Art Begriff; giebt es aber entgegengesetzte und mit den erwähnten Differenzen behaftete Begriffe, so giebt es doch wohl nicht eine Gattung, sondern alles wird auf eine gewisse Gleichheit und eine Kategorie zurückgeführt. Aber wenn auch das Gesagte auf eine Einheit zurückgeführt werden könnte, so ist es doch unmöglich, das von ihnen unter dieselbe Kategorie Befasste auf eine Gattung zurückzuführen. Denn sie führen auch ihre Verneinungen auf eine Einheit zurück, desgleichen die Ableitungen in der Weise wie z.B. von dem Doppelten an sich der Doppelte abgeleitet wird. Wie fällt nun unter eine Gattung der Gegenstand selbst und seine Verneinung, das Doppelte und das nicht Doppelte, das Relative und das nicht Relative? Das wäre gerade so als wenn jemand nach Aufstellung der Gattung ›lebendes Wesen‹ auch das nichtlebende Wesen dahin rechnete.

10. Was die Qualität betrifft, von der die Bezeichnung eines Dinges als eines Quale hergeleitet wird, so muss man zuerst feststellen, was sie ihrem Wesen nach ist, um die als ein Quale bezeichneten Dinge darzuthun, und ob sie als eine und als dieselbe nach einem Gemeinsamen die Arten durch die Differenzen zu Stande bringt; oder aber, wenn die Qualitäten vielfach sind, so ergiebt sich nicht eine Gattung. Was ist also das Gemeinsame bei dem Habitus und der Disposition, der leidentlichen Qualität, der Figur und Gestalt? Wie stehts mit dem Dünnen, Dicken, Magern? Denn wenn wir das Gemeinsame als Kraft bezeichnen werden, welche verbunden ist mit den Habitus, Dispositionen und natürlichen [immanenten] Kräften, von welcher her das, was sie besitzt, vermag was es vermag, so werden sich die Unkräfte nicht mehr dazu schicken. Wie ist ferner die Figur und die Gestalt an jedem Dinge eine Kraft? Sodann wird auch das Seiende als Seiendes keine Kraft haben, sondern wenn das Quale zu demselben hinzugekommen ist; vielmehr[236] gehören die Wirksamkeiten der Substanzen, soviel ihrer im besondern Maasse Wirksamkeiten sind, zum Quale, indem sie ihrer selbst gemäss wirken und den eigenen Kräften verdanken was sie sind. Sind die Qualitäten es aber nicht entsprechend den Kräften nach den Substanzen? So z.B. eignet die Kraft zum Faustkampf dem Menschen nicht als Menschen, sondern die Denkkraft; folglich ist eine solche Denkkraft nicht eine Qualität, sondern vielmehr das was einer etwa durch die Tugend erwirbt; folglich ist die Denkkraft nur ein Homonymum; folglich ist die Qualität eine den Substanzen hinzugefügte Kraft nach ihrem eigenen qualitativen Wesen. Die Differenzen ferner, welche die Substanzen gegen einander auseinander halten, heissen nur durch Homonymie Qualitäten, sie sind vielmehr Wirksamkeiten und Begriffe oder Theile von Begriffen und offenbaren ihre Substanzialität nichtsdestoweniger, auch wenn sie von einer so und so beschaffenen Substanz sprechen zu können glauben. Die eigentlichen Qualitäten aber, wonach das Quale bestimmt wird, die wir in Wahrheit als Kräfte bezeichnen, sind nach dem Gemeinsamen betrachtet gewisse Begriffe und gleichsam Gestaltungen: auf dem Gebiete der Seele Schönheiten, Hässlichkeiten, und auf körperlichem Gebiete gleicher Weise. Allein wie sind sie alle Kräfte? Schönheit und Gesundheit mögen es in beider Beziehung sein, wie aber Hässlichkeit und Krankheit und Schwäche und Kraftlosigkeit überhaupt? Vielleicht weil man auch hiernach das Quale, die Eigenschaft aussagt. Allein was hindert, dass man das Quale homonymer Weise und nicht nach einem Begriff und nicht bloss vierfach aussagt, sondern sogar nach einem jeden der vier mindestens zweifach? Zunächst indessen ist die Qualität nicht nach dem Thun oder Leiden zu bestimmen, so dass es in anderer Weise gälte von dem was thun kann, in anderer von dem Leidenden; sondern man nennt auch die Gesundheit, die Disposition und den Habitus eine Qualität, desgleichen die Krankheit, die Stärke und Schwäche. Aber wenn dem so ist, dann ist die Kraft nicht mehr das Gemeinsame, sondern man muss ein anderes Gemeinsames suchen; auch brauchen andererseits nicht alle Qualitäten Begriffe zu sein, denn wie ist die habituelle Krankheit Begriff? Es bestehen also vielmehr die Qualitäten einerseits in Formen und Kräften, andererseits sind sie Beraubungen. Daher ergiebt sich nicht eine Gattung, sondern sie gehören unter eine Einheit wie unter eine Kategorie, z.B. ist die Wissenschaft Form und Kraft, die Unwissenheit Beraubung und Unkraft. Eine Art Form indessen ist auch die Unkraft und die[237] Krankheit, denn sie vermag und thut auch vieles, aber schlecht. Allein da sie ein Verfehlen des Ziels ist, wie eine Kraft? Nun, jede thut ihr Geschäft ohne dabei auf das Rechte zu blicken; denn was unvermögend ist, hätte doch wohl nicht etwas gethan. Auch die Schönheit hat eine Kraft zu etwas. Also etwa auch das Dreieck? Allein man darf überhaupt nicht auf die Kraft sehen, sondern vielmehr auf die Zuständlichkeit; daher ist die Qualität nach den Gestaltungen und Kennzeichen zu bemessen, und das Gemeinsame ist die Gestalt und Form an der Substanz nach der Substanz. Abermals indessen, wie stehts mit den Kräften? Nun, auch der Faustkämpfer hat diese Kraft durch seine Zuständlichkeit ebenso wie der Unfähige, und überhaupt ist die Qualität ein Charakter, der das Wesen nicht ausmacht. Was aber in gleicher Weise mit der Substanz wie mit der Nichtsubstanz zusammenzuhängen scheint, wie z.B. Wärme, weisse Farbe und überhaupt Farbe, so ist das zur Substanz Gehörige etwas anderes, gleichsam ihre Energie, dies aber steht auf zweiter Stufe und ist von jenem her und ein anderes in einem andern, sein Bild und Gleichniss. Aber wenn die Qualität nach der Gestaltung und dem Kennzeichen und Begriff zu bemessen ist, wie stehts mit den kraftlosen und hässlichen Dingen? Man hat sie unvollendete Begriffe zu nennen, wie oben bei dem Hässlichen. Und wie besteht bei der Krankheit der Begriff? Nun, auch hier betrachte man den Begriff als die bewegende Ursache der Gesundheit. Doch braucht nicht alles im Begriff zu bestehen, sondern es genügt, dass das Gemeinsame als Zuständlichkeit ausser der Substanz sei, und was nach der Substanz hinzutritt, ist die Qualität des Substrats. Das Dreieck ist eine Qualität dessen woran es ist, nicht das Dreieck an sich, sondern dies bestimmte Dreieck hier und soweit es eine Gestalt gebildet hat.

11. Aber wenn dies sich so verhält, warum soll es mehrere Arten von Qualität geben, Habitus und Disposition z.B. verschieden sein? Denn die längere oder kürzere Dauer ist kein Unterschied der Qualität, sondern es genügt ein irgendwie beschaffenes Befinden, um sich als eine Quale darzustellen; die Dauer ist ein äusserer Zusatz; es müsste denn jemand sagen, die Dispositionen seien nur gleichsam unvollendete Gestaltungen, die Habitus vollendete. Allein sind sie unvollendet, so sind sie noch nicht Qualitäten; sind sie bereits Qualitäten, so ist die Dauer ein Zusatz. – Wie sind ferner die physischen [immanenten] Kräfte eine andere Art von Qualität? Denn wenn die Qualitäten nach den Kräften so genannt werden, so passt[238] das Wort Kraft nicht auf alle, wie gesagt; nennen wir aber einen von Natur tüchtigen Faustkämpfer als einen so beschaffenen wegen der Zuständlichkeit, so macht die hinzugefügte Kraft nichts aus, da auch in den Zuständen eine Kraft ist. Sodann, warum soll ein Unterschied sein zwischen der natürlichen und der angelernten Fertigkeit? Hat jemand eine Qualität, so sind es doch nicht Unterschiede der Qualität, wenn der eine seine Qualität hat infolge der Hebung, der andere von Natur, sondern der Unterschied ist ein äusserlicher: wie sollte er in der Art des Faustkampfes selbst liegen! – Ebenso verhält sich's, wenn einige Qualitäten aus der Affection kommen, andere nicht; denn der Ursprung der Qualität macht keinen Unterschied, ich meine den durch die Veränderungen und Differenzen der Qualität bewirkten Unterschied. Es verdient auch eine Untersuchung, wie sie zu derselben Art gehören, wenn diese Qualitäten aus der Affection stammen, die einen so, die andern nicht ein Erzeugniss derselben Wirkungen; und wenn die einen in dem Gewordensein, die andern im Thun bestehen, so sind sie es nur homonymer Weise. – Wie steht es ferner mit der Figur eines jeden Dinges? Denn wenn sie an ihm haftet sofern ein jedes [specifische] Form ist, ist, sie kein Quale; wenn aber sofern ein jedes schön oder hässlich ist nach der Form des Substrats, hat es einen vernünftigen Sinn. Das Rauhe aber und Glatte und Trockene und Dichte können nicht recht Qualitäten genannt werden, denn nicht durch die Abstände der Theile von einander und die nahe Verbindung entsteht das Dünne und das Dichte und die Rauheit, auch nicht überall aus der Ungleichheit oder Gleichheit der Lage; wenn aber auch aus diesen, so hindert nichts, sie auch als Qualitäten anzusehen. Auch von dem Leichten und Schweren wird eine genaue Erkenntniss zeigen, welchen Platz wir ihnen anzuweisen haben. Es dürfte aber auch hinsichtlich des Leichten eine Homonymie statthaben, man müsste denn sagen, dass es nach dem Maassstab des Mehr oder Minder gemessen werde; hierher gehört auch das Magere und das Dünne, welches einer andern Klasse ausser den vieren beizuzählen ist.

12. Aber wenn man diese Eintheilung der Qualität nicht für die rechte hält, nach welchem Princip soll man eintheilen? Es ist nun zu untersuchen, ob man bei der Annahme von einerseits körperlichen, andererseits seelischen Qualitäten die des Körpers theilen darf nach den sinnlichen Wahrnehmungen, indem man die einen dem Gesicht, die andern dem Gehör oder Geschmack, andere dem Geruch oder Tastsinn zuschreibt. Und wie sind[239] die der Seele zu betrachten? Sie gehören dem Begehrungs-, Zorn- und Denkvermögen. Oder man theilt sie nach den Unterschieden der wirksamen Bethätigungen, welche ihnen gemäss entstehen, weil sie diese erzeugen. Oder nach dem Nützlichen und Schädlichen; dann sind die nützlichen und schädlichen Wirkungen wieder einzutheilen. Das Nämliche ergiebt sich auch auf körperlichem Gebiete durch die Eintheilung der Unterschiede nach dem Nützlichen und Schädlichen. Denn entweder scheint der Nutzen oder Schaden von der Qualität und dem Quale herzurühren oder man muss einen andern Modus suchen. Es ist ferner zu untersuchen, wie auch ein nach der Qualität qualificirter Mensch in ebenderselben sein wird; denn wirklich fallen beide nicht unter eine Gattung; und wenn der Faustkämpfer in der Qualität ist, wie dann nicht auch der, welcher sie bewirkt? Und wenn das, dann auch das Bewirkende [Active]; folglich braucht das Bewirkende durchaus nicht zur Relation gestellt zu werden, ebensowenig auch das Afficirbare [Passive], wenn der Afficirbare eine Qualität hat. Besser vielleicht lässt sich der Bewirkende hierher [zur Qualität] rechnen, wenn er gemäss der Kraft so genannt wird; die Kraft aber ist eine Qualität; wenn aber die Kraft ihrem ganzen Umfange nach essentiell [der Substanz gemäss] ist, dann ist sie auch so keine Relation oder Qualität mehr. Denn das Active ist auch nicht wie das Grössere anzusehen; denn das Grössere hat, sofern es das Grössere ist, seine Hypostase im Verhältniss zum Kleinern, das Active aber dadurch bereits, dass es ein solches ist. Aber vielleicht ist es als ein solches ein Quale, inwiefern es aber eine Wirkung auf ein anderes ausübt als sogenanntes Actives eine Relation. Warum ist nun nicht auch der Faustkämpfer zur Relation gehörig und die Kunst des Faustkampfes selbst? Denn die Kunst des Faustkampfes bezieht sich überhaupt auf etwas anderes, denn es giebt von ihr keine Betrachtung, welche sie nicht auf ein anderes bezieht. Auch von den andern Künsten oder den meisten lässt sich das vielleicht beobachten und aussagen: insofern sie der Seele eine Disposition geben, sind sie Qualitäten, insofern sie wirken, sind sie wirksam und demgemäss auf etwas anderes bezüglich und relativ; ja auch in anderer Weise sind sie relativ, insofern sie nämlich Zustände genannt werden. Ist nun die dem Activen gemässe Hypostase, indem sich das Active nur insoweit auf ein anderes bezieht als es qualitativ ist, verschieden [von der Qualität]? Denn vielleicht giebt jemand bei den beseelten Dingen und noch mehr bei den[240] mit Wahlfreiheit ausgestatteten zu, dass infolge der Geneigtheit zum Wirken eine Hypostase auch gemäss dem Activen vorhanden sei; aber was ist bei den unbeseelten Kräften, die wir Qualitäten genannt haben, das Active? Nun, wenn mit ihm ein anderes zusammentrifft, so profitirt es davon und empfängt von ihm woran es sich [in seiner Thätigkeit] hält. Wenn aber ebendasselbe sowohl auf ein anderes einwirkt als leidet, wie besteht dabei noch das eigentlich Active? Besteht ja auch das Grössere, das an sich etwa drei Ellen lang ist, und das Grössere und Kleinere in dem Zusammentreffen mit einem andern. Aber, wird man sagen, das Grössere und Kleinere besteht durch Theilnahme an Grösse und Kleinheit; so vielleicht auch dieses durch Theilnahme an Activität und Passivität. – Es fragt sich aber ferner auch hier, ob die Qualitäten in der sinnlichen und die in der intelligiblen Welt unter eine Einheit gebracht werden können; und zwar gilt das für die, welche ideale Qualitäten annehmen. Indessen auch wenn jemand von Ideen nichts wissen will, wohl aber den Intellect annimmt, so fragt sich doch, wenn er diesem einen Zustand beilegt, ob es etwas Gemeinsames zwischen jenem und diesem Zustande [Habitus] giebt. Wird er nur homonymer Weise auf diesen hier bezogen, so zählt er natürlich nicht zu des hiesigen Qualitäten; wenn aber synonym, so wird das Bewirkende hier und dort gemeinsam sein, wenn nicht etwa jemand alles dortige Substanzen nennt, also auch das Denken. Allein diese Frage erhebt sich gleicher Weise auch bei den andern Kategorien, ob hier und dort ein Zweifaches gilt oder ob beides unter eine Einheit zu bringen ist.

13. Ueber das Wann gilt es folgende Untersuchung: Wenn das ›gestern und morgen und im vorigen Jahre‹ und ähnliche Ausdrücke Theile der Zeit sind, warum sollen dann diese nicht zu derselben Gattung gehören wie auch die Zeit? Denn auch das ›war und ist und wird sein‹, die Arten der Zeit, ist billiger Weise doch wohl in dieselbe Gattung wie die Zeit gesetzt. Nun wird die Zeit zur Quantität gerechnet, wozu also bedarf es einer andern Kategorie? Sollten sie etwa sagen, dass das ›war und das gestern und im vorigen Jahre‹, die Aussagen der Vergangenheit, – denn diese müssen unter die Bezeichnung der Vergangenheit gebracht werden – nicht einfach Zeit, sondern durch das Wann bestimmte Zeit seien: so wird sie zuerst, wenn eine durch das Wann bestimmte Zeit, Zeit sein; sodann wird, wenn das gestern eine vergangene Zeit ist, sich etwas Zusammengesetztes ergeben, wenn das Vergangene[241] und die Zeit von einander verschieden sind; wir erhalten also zwei Kategorien und nichts einfaches. Wenn sie aber sagen sollten, das Wann sei ›in der Zeit sein‹ aber nicht Zeit, so dürfte, falls sie dieses ›in der Zeit‹ von einem Dinge aussagen, wie man etwa vom Sokrates sagt, er war im vorigen Jahre, Sokrates ausserhalb sich befinden und sie sagen nicht etwas Einheitliches aus. Aber jenes ›Sokrates oder die Handlung in dieser Zeit‹: was bedeutet das anders als ›in einem Theil der Zeit‹? Wenn sie aber sagen, dass es ein Theil der Zeit ist und meinen, etwas insofern es ein Theil ist nicht einfach als Zeit zu bezeichnen, sondern als einen vergangenen Theil der Zeit, so sagen sie mehreres aus und nehmen den Theil, insofern er Theil ist, als in Beziehung zu etwas stehend hinzu und das Vergangene wird für sie ein Zusatz sein oder dasselbe wie das ›war‹, was eine Art der Zeit war. Soll der Unterschied darin liegen, dass das ›war‹ unbestimmt, das ›gestern und im vorigen Jahre‹ bestimmt ist, so werden sie dem ›war‹ irgendwo einen Platz anweisen; sodann wird das ›gestern‹ ein ›bestimmtes war‹ sein, folglich das ›gestern‹ eine bestimmte Zeit. Dies ist aber eine quantitative Zeit; folglich wird, wenn die Zeit ein Quantum ist, ein jedes von diesen ein bestimmtes Quantum sein. Wenn sie aber mit dem Ausdruck ›gestern‹ das sagen, dass in einer bestimmten vergangenen Zeit dies geschehen ist, so haben sie erst recht mehrere Aussagen; ferner, wenn man deshalb andere Kategorien einführen darf, weil das eine in dem andern wirkt, wie hier das in der Zeit, so werden wir viele andere auffinden daher, dass eins im andern wirkt. Doch wird darüber deutlicher gesprochen werden in den unmittelbar folgenden Untersuchungen über das Wo.

14. Das Wo bestimmt man als ›im Lyceum, in der Akademie‹. Die Akademie nun und das Lyceum sind schlechterdings Oerter und Theile des Ortes, sowie das ›oben und unten und hier‹ Arten sind oder Theile; sie unterscheiden sich nur durch die bestimmtere Bezeichnung. Wenn nun das ›oben und unten und mitten‹ Oerter sind, z.B. Delphi ist der Mittelpunkt und nicht weit vom Mittelpunkt liegt Athen und das Lyceum u.s.w.: was brauchen wir da noch ausser dem Orte zu suchen, zumal wir sagen, dass diese Ausdrücke in jedem einzelnen Fall einen Ort bezeichnen? Sagen wir aber damit, ein anderes sei in einem andern, so sagen wir nicht Eins noch auch etwas Einfaches aus. Ferner, wenn wir sagen: dieser ist hier, so erzeugen wir damit eine Situation dieses in diesem und des Empfangenden zu dem, was er empfangen;[242] warum also soll es nicht eine Relation sein, wenn etwas aus der Situation des einen im Verhältniss zum andern erzeugt ist? Sodann unterscheidet sich das ›hier‹ in nichts von dem ›zu Athen‹. Aber das demonstrative ›hier‹, werden sie sagen, bezeichne einen Ort; also auch das ›zu Athen‹; also gehöre das ›zu Athen‹ in die Kategorie des Ortes. Ist ferner das ›zu Athen‹ soviel als ›zu Athen sein‹, so wird ausser dem Ort auch noch die Kategorie des Seins, hinzugefügt; das ist aber nicht nöthig, wie man ja auch nicht von ›Qualität sein‹, sondern nur von ›Qualität‹ spricht. Ausserdem, wenn das ›in der Zeit‹ und ›an dem Ort‹ ein anderes ist als Zeit und Ort, warum soll dann auch das ›in einem Gefäss‹ nicht eine andere Kategorie bilden? warum nicht das ›in der Materie‹ ein anderes und das ›im Substrat‹ ein anderes und das ›ein Theil im Ganzen‹ und das ›ein Ganzes in den Theilen‹ und ›Gattung in den Arten‹ und ›Art in der Gattung‹? Und so werden sich uns die Kategorien in grösserer Anzahl ergeben.

15. Bei der als Thun bezeichneten Kategorie kann man vielleicht folgende Betrachtungen anstellen. Denn wie das Quantum eine andere Gattung war, weil nach der Substanz das auf die Substanz Bezügliche Quantität und Zahl war, und wie das Quale eine andere Gattung war, weil die Qualität sich auf die Substanz bezieht, so wird auch, da die Thätigkeit sich auf die Substanz bezieht, das Thun eine andere Gattung genannt. Ist nun das Thun gemeint oder die Thätigkeit, von der sich das Thun herleitet, sowie auch von der Qualität das Quale stammt? Indessen können hier Thätigkeit, Thun, Thuend in eins zusammengefasst werden. Das Thun lässt aber einerseits mehr den Thuenden erkennen, die Thätigkeit hingegen nicht; andererseits heisst Thun in einer Thätigkeit sein, d.h. in einer wirksamen Bethätigung [Energeia]; folglich ist Energeia vielmehr die Kategorie, welche an der Substanz wahrnehmbar genannt wird, wie daselbst die Qualität, und sie selbst ist an der Substanz wie Bewegung und eine Gattung des Seienden ist die Bewegung. Denn warum soll die Quantität etwas besonderes sein an der Substanz und die Quantität etwas besonderes und die Relation wegen des Verhältnisses des einen zum andern, die Bewegung aber, da sie an der Substanz ist, nicht etwas besonderes und nicht eine Gattung sein?

16. Sagt man aber, die Bewegung sei eine unvollendete Energeia, so hinderte nichts die Energeia voranzustellen [überzuordnen], die Bewegung aber als unvollendete Energie als Art ihr unterzuordnen, indem man ja die Energeia von ihr[243] aussagt, aber das ›unvollendet‹ hinzusetzt. Denn das ›unvollendet‹ wird von ihr ausgesagt, nicht weil sie überhaupt nicht Energeia ist, sondern sie ist allerdings Energeia, erfordert aber die Wiederholung; und die Wiederholung, nicht damit sie zur Energie gelange, denn sie ist es schon, sondern damit sie etwas wirke, was ein zweites nach ihr ist; und nicht sie selbst wird dann vollendet, sondern das Ding, auf das sie abzielte. Z.B. Gehen war von Anfang an Gehen. Wenn es aber galt ein Stadium zu durchschreiten und dies Durchschreiten noch nicht vollendet war, so war das Fehlende nicht ein Theil des Gehens oder der Bewegung, sondern der bestimmt gemessenen Bewegung; es war Gehen, mochte es sein wie gross es wollte, und Bewegung also; demnach hat sich der Bewegte bereits in Bewegung gesetzt und der Schneidende schnitt bereits. Und wie die Kategorie der Energeia nicht der Zeit bedarf, so auch die Bewegung nicht, sondern die Bewegung bis zu einem bestimmten Punkte; und wenn die Energeia zeitlos ist, so auch die Bewegung d.h. die Bewegung schlechthin. Soll sie deshalb, weil sie das Continuirliche hinzugewonnen hat, schlechterdings in der Zeit sein, so würde sich ergeben, dass auch die unablässige Intuition das Schauen in der Continuität und in der Zeit ist. Hierfür spricht auch die Analogie, wonach ein Theil der Bewegung immer den andern aufnimmt und es weder einen Anfang der Zeit, wo und von wo sie begann, noch einen Anfang der Bewegung selbst giebt, sondern dass man sie theilen kann bis zum letzten Punkt hinauf; es ergiebt sich also, dass die eben begonnene Bewegung von Ewigkeit her bewegt ist und dass sie ewig ist in Bezug auf den Anfang. Dies nämlich ergiebt sich deshalb, weil sie die Energeia von der Bewegung trennen und behaupten, die eine sei ausser der Zeit, die andere bedürfe der Zeit, nicht allein die bestimmt gemessene, sondern weil sie überhaupt gezwungen werden, die Natur derselben als etwas quantitatives zu bezeichnen, obwohl auch sie zugeben, dass ihr die Quantität nur accidentiell zukommt, im Fall sie nämlich Dauer hat und einer irgendwie bestimmten Zeit angehört. Wie also die Energeia ausser der Zeit ist, so hindert nichts, dass auch die Bewegung zeitlos angefangen habe, die Zeit aber erst hinzutrat dadurch, dass sie eine bestimmt gemessene wurde; giebt man doch auch zu, dass sich die Veränderungen ausser der Zeit vollziehen, indem man sagt: ›wie sich die Veränderung nicht auch auf einmal vollzieht‹. Wenn nun die Veränderung zeitlos ist, warum nicht auch die Bewegung? Dabei ist die[244] Veränderung aufgefasst nicht als Resultat; denn beim Resultat bedurfte es derselben nicht.

17. Sagt aber jemand, weder die Energie noch die Bewegung erforderten eine Gattung an sich, sondern sie wiesen bin auf die Relation, da die Wirksamkeit an einem der Möglichkeit nach Wirkenden, die Bewegung an einem der Möglichkeit nach Bewegenden hafte, so ist zu sagen: das Relative erzeugte die Lage selbst, aber nicht so, dass es nur relativ genannt wird; wenn aber eine gewisse Realität vorhanden ist, mag sie nun einem andern angehören oder auf ein anderes bezogen sein, so hat sie sicherlich ihre Natur vor der Relation erlangt. Diese Energeia also, diese Bewegung, dieser Habitus als einem andern angehörig hat die Eigenthümlichkeit, vor der Relation zu sein und an sich selbst gedacht zu werden, nicht verloren; sonst würde ja alles relativ sein; denn schlechterdings hat ein jedes eine Lage zu einem jeden, wie auch in der Seele; und warum soll die Thätigkeit selbst und das Thun nicht auf die Relation zurückgeführt werden? Denn Bewegung oder Energeia werden sie jedenfalls sein. Wenn sie aber die Thätigkeit auf die Relation zurückführen und das Thun als eine Gattung setzen wollen, warum wollen sie nicht auch die Bewegung auf die Relation zurückführen und das Bewegtwerden als eine Gattung setzen und das Bewegtwerden als Eins zwiefach in die Arien des Thuns und des Leidens theilen, anstatt dass sie jetzt die eine Gattung Thun, die andere Leiden nennen?

18. Es ist aber zu untersuchen, ob sie behaupten werden, dass im Thun einerseits Wirksamkeiten, anderseits Bewegungen sind, indem sie die Wirksamkeiten alle auf einmal, die Bewegungen aber verstehen wie z.B. das Schneiden; denn das Schneiden findet in der Zeitstau; oder alle als Bewegungen oder mit Bewegung ansehen, ferner ob sie alle Thätigkeiten auf das Leiden beziehen oder nur einige und vollendete, wie z.B. das Gehen und das Sprechen, ferner ob sie die auf das Leiden bezogenen alle Bewegungen, die vollendeten aber Wirksamkeiten nennen oder in beiden beides finden. Das Gehen können sie nun freilich, wenn es vollendet ist, Bewegung nennen; das Denken aber, welches das Leidende nicht an sich hat, werden sie, meine ich, an sich als Energeia bezeichnen; oder man darf auch das Denken und das Gehen kein Thun nennen. Aber wenn diese nicht im Thun sind, so hat man zu sagen, wo. Vielleicht aber beziehen sie das Denken auf das Gedachte, gleich wie die Denkthätigkeit; denn auch die sinnliche Wahrnehmung beziehen sie auf das Wahrnehmbare.[245]

Aber wenn sie dort die sinnliche Wahrnehmung auf das Wahrgenommene beziehen, warum das Wahrnehmen selbst nicht mehr auf das Wahrnehmbare? Und die Wahrnehmung, die auf ein anderes geht, hat eine Lage im Verhältniss zu jenem, sie hat aber auch etwas ausser der Lage, nämlich entweder Energeia oder Leiden zu sein. Wenn nun das Leiden etwas ist ausser der Zugehörigkeit zu etwas und der Abhängigkeit von etwas, ist auch die Energeia etwas anderes. Das Gehen, welches gleichfalls einem andern angehört und von einem andern abhängt, hat sicherlich die Eigenthümlichkeit, Bewegung zu sein. Demnach hat auch das Denken ausser der Relation die Eigenthümlichkeit, entweder Bewegung oder Energeia zu sein.

19. Es ist ferner zu untersuchen, ob auch gewisse Wirksamkeiten unvollendet zu sein scheinen werden, wenn sie nicht die Zeit hinzugenommen haben, so dass sie mit den Bewegungen zusammenfallen würden, z.B. das Leben als Thätigkeit und als Zustand. Denn in der Vollendung der Zeit besieht das Leben eines jeden und die Glückseligkeit ist nicht Wirksamkeit in einem Untheilbaren, sondern sie behaupten, dass es sich damit verhalte wie mit der Bewegung; folglich hat man beide als Bewegungen und die Bewegung als Eins und eine Gattung zu bezeichnen, indem man beachtet, dass neben der Quantität und der Qualität an der Substanz auch die Bewegung an ihr ist; und wenn man will, sind die einen körperliche oder die andern seelische, die einen spontane, die andern mitgetheilte, oder die einen ursprüngliche, die andern abgeleitete, und die spontanen sind Thätigkeiten, mögen sie auf andere Dinge übergehen oder absolut sein, die abgeleiteten sind Leiden. Gleichwohl sind die auf anderes übergehenden Bewegungen identisch mit den abgeleiteten; denn das Schneiden, sowohl das von dem Schneidenden herrührende als das in dem Geschnittenen, ist Eins, aber das Schneiden und das Geschnittenwerden ist verschieden. Vielleicht ist auch das Schneiden, das von dem Schneidenden herrührende und das in dem Geschnittenen, nicht einmal Eins, sondern darin besteht das Schneiden, dass aus dieser bestimmten Wirksamkeit und Bewegung in dem Geschnittenen eine diese aufnehmende Bewegung entsteht. Indessen ist der Unterschied vielleicht nicht nach dem Geschnittenwerden selbst zu bestimmen, sondern nach einer andern hinzukommenden Erregung, z.B. dem Schmerzempfinden; denn auch das Leiden besteht in dieser. Was hat nun statt, wenn etwas nicht Schmerz empfindet? Was anders als die Wirksamkeit des in und an diesem Thätigen? Denn so verhält es[246] sich einerseits mit diesem sogenannten Thun, andererseits ist so das Thun ein zwiefaches, das was nicht in einem andern und das was in einem andern zu Stande kommt; und so haben wir nicht mehr Thun und Leiden, sondern das Thun in einem andern hat die Meinung, als seien es zwei, erweckt, nämlich einerseits Thun, anderseits Leiden. Nehmen wir z.B. das Schreiben: obwohl es in einem andern geschieht, sucht es nicht noch obendrein das Leiden, weil es an der Schreibtafel nichts anderes thut als die Wirksamkeit des Schreibenden zeigt; und wenn jemand sagt: es ist geschrieben worden, so sagt er damit das Leiden nicht aus. Auch beim Gehen, obwohl es auf der Erde geschieht, sieht niemand es so an, als habe die Erde gelitten. Sodann wenn jemand auf einem lebendigen Körper einhergeht, so bemerkt er in seiner Reflexion den hinzutretenden Schmerz als das Leiden, nicht das Gehen; sonst hätte er es schon früher als ein solches bemerkt. So ist auch überall gemäss dem Thun die eine Gattung zu bezeichnen in Verbindung mit dem sogenannten Leiden. Was aber Leiden genannt wird, ist das später Geschehende, nicht der Gegensatz, wie etwa dem Brennen das Gebranntwerden gegenübergestellt wird; sondern das aus dem Brennen und Gebranntwerden, welches Eins ist, Resultirende ist der an ihm geschehende Schmerz oder eine andere Wirkung, wie etwa das Verdorren. Wie also, wenn jemand eben darauf hinarbeitet Schmerz zu erregen; thut da nicht der eine und leidet der andere? und kommt nicht beides aus einer Wirksamkeit? Indessen in der Wirksamkeit liegt gar nicht die Absicht Schmerz zu erregen, sondern ein anderes bewirkt den Schmerz, was an dem, der Schmerz empfinden soll, geschehen ist und weil es ein und dasselbe ist, etwas anderes bewirkt hat, das Schmerzempfinden. Wie also? Ist eben dies Eine durch sein Geschehen, noch ehe es Schmerz bewirkt hat oder überhaupt ohne Schmerz zu erregen, nicht ein Leiden dessen, auf das er sich erstreckt, z.B. das Hören? Allein das Hören noch auch das Empfinden überhaupt ist ein Leiden, sondern Schmerzempfinden heisst in einen leidenden Zustand versetzt werden, was keinen Gegensatz bildet zum Thun.

20. Aber zugegeben, dass es keinen Gegensatz bildet, so fällt es gleichwohl, als verschieden von dem Thun, nicht unter dieselbe Gattung mit der Thätigkeit. Doch, wenn beide Bewegung sind, so fallen sie zusammen, ähnlich wie die Alteration eine Bewegung ist in Bezug auf die Qualität. Ist nun die Alteration, wenn sie von der Qualität ausgeht, Thätigkeit und Thun, falls die Qualität keine Einwirkung empfängt? Nun,[247] wenn sie keine Einwirkung erfährt, so wird sie im Thun sein, wenn sie aber einwirkend auf etwas anderes, z.B. schlagend, auch leidet, so thut sie nichts mehr. Allein es hindert nichts, dass der Handelnde auch leide. Wenn nun das Leiden an und für sich besteht, wie z.B. das Reiben, warum soll es mehr ein Thun sein als ein Leiden? Weil Gegenreibung stattfindet, hat auch Leiden statt. Sollen wir nun, weil Gegenbewegung stattfindet, zwei Bewegungen von dem Betreffenden aussagen? Und wie zwei? oder eine? und wie ist dieselbe sowohl Thätigkeit als Leiden? Nun, dadurch dass sie von einem andern ausgeht, ist sie Thätigkeit, dadurch dass sie auf einen andern übergeht, Leiden, obwohl sie dieselbe ist. Aber sollen wir sie eine andere nennen? Und wie macht sie durch ihre Alteration den Leidenden zu etwas anderm? Der Handelnde erfährt jene Einwirkung nicht. Denn wie sollte leiden, was in einem andern wirkt? Bewirkt nun etwa der Umstand, dass die Bewegung in etwas anderm ist, das Leiden, was in Bezug auf den Handelnden nicht Leiden war? Aber wenn einerseits der Begriff des Schwanes weiss macht, anderseits der werdende Schwan weiss wird: werden wir, da er zu seinem Wesen gelangt, sagen, er leide? Wenn er auch noch später weiss wird, und wenn das eine vermehrt, das andere vermehrt wird: leidet das was vermehrt wird [das Wachsende]? Oder findet nur an dem Quale das Leiden statt? Oder wenn das eine schön macht, das andere schön wird: leidet das was schön wird? Wenn das Verschönernde geringer wird oder auch verschwindet, z.B. das Zinn, das andere aber besser wird, das Erz: werden wir sagen, das Erz leide, das Zinn sei thätig? Wie soll der Lernende leiden, wenn die Wirksamkeit des Handelnden auf ihn übergeht? Oder wie soll das ein Leiden sein, da die Wirksamkeit nur eine ist? Allein sie selbst ist zwar kein Leiden, aber der sie hat wird leidend sein, da das Leiden als an einem haftend aufgefasst wird; denn nicht darum wird er leidend sein, weil er nicht wirksam gewesen ist; denn Lernen heisst nicht Geschlagenwerden, als welches in der Auffassung und deutlichen Unterscheidung besteht.

21. Wodurch werden wir nun das Leiden deutlich machen? Sicherlich doch nicht durch die von einem andern ausgehende Wirksamkeit, wenn der, welcher die Wirksamkeit erfahren hat, sie zu seiner eigenen gemacht hat nach der Aufnahme. Aber vielleicht durch einen Begriff, bei dem keine Wirksamkeit sondern nur Leiden statthat? Wie nun, wenn die Wirkung eine schönere wird, die Wirksamkeit aber das Schlechtere hat? Oder wenn[248] jemand seiner Schlechtigkeit gemäss wirksam ist und seine Herrschaft über einen andern in zügelloser Weise ausübt? In der That hindert nichts, dass die Wirksamkeit eine schlechte und die erlittene Wirkung eine schöne sei. Wodurch also werden wir den Begriff bestimmen? Etwa das Handeln als eine spontane Wirksamkeit auf einen andern, das Leiden als eine von einem andern herrührende Wirkung in einem andern? Wie nun, wenn die Wirksamkeit zwar spontan ist, aber nicht auf einen andern übergeht, wie z.B. das Denken, das Vorstellen? Ebenso ist das Warmwerden spontan, wenn jemand eifrig nachdenkt oder in Zorn geräth in Folge einer Vorstellung, ohne dass etwas von aussen her herangekommen ist. Doch das Thun ist wohl, es mag nun etwas in sich bleibendes oder auf ein anderes übergehendes sein, das Resultat einer spontanen Bewegung. Was ist nun die Begierde und jedes Begehren? Nun, das Begehren wird erregt von dem Gegenstande des Begehrens, es müsste denn jemand nicht in Betracht ziehen den Gegenstand von dem es erregt wird, sondern nur den Umstand dass es nach ihm erweckt worden. Wie unterscheidet sich das nun von dem Geschlagenwerden oder durch einen Stoss Dahingetragenwerden? Allein man muss doch wohl die Begierden sondern, indem man die einen Thätigkeiten, alle die welche dem Denken folgen, nennt, die aber, welche durch einen sie hinreissenden Zwang entstehen, Leiden; indem man ferner sagt: das Leiden entsteht nicht durch eine fremde oder spontane Einwirkung – denn etwas Inhärirendes dürfte nicht dasein – sondern wenn etwas, ohne selbst etwas beizutragen, einer Veränderung unterworfen wird, die, ohne das Wesen zu tangiren, es schlechter oder nicht besser macht, so schliesst eine solche Veränderung eine Affection und das Leiden in sich. Aber wenn das Warmwerden heisst Wärme erhalten, und diese einerseits bis zum Wesen sich erstreckt, andererseits nicht, so wird dasselbe Leiden sein und nicht Leiden. Und wie wäre das Warmwerden nicht ein zwiefaches? Allein das Warmwerden, wenn es sich bis zum Wesen erstreckt, wird auch dann, wenn ein anderes leidet, sich bis zum Wesen erstrecken, z.B. wenn das Erz erwärmt wird und leidet, das Wesen aber ist die Bildsäule, welche nicht erwärmt wurde oder nur accidentiell. Wenn nun das Erz schöner wird durch das Warmwerden oder gemäss dem Warmwerden, so hindert nichts das ein Leiden zu nennen; denn das Leiden, sagten wir, sei ein zwiefaches, einerseits ein Schlechterwerden, andererseits ein Besserwerden oder keins von beiden.[249]

22. Es geschieht also das Leiden dadurch, dass etwas in sich selbst Bewegung hat und zwar Bewegung gemäss irgend einer Veränderung; ebenso das Thun entweder dadurch, dass etwas in sich die spontane, absolute Bewegung hat, oder dadurch dass es eine in einem andern endende Bewegung hat, die von ihm von dem sogenannten Thun ausgegangen ist. Und Bewegung ist in beiden, die specifische Differenz aber zwischen Thun und Leiden besteht darin, dass sie das Thun, insofern es Thun ist, affectionslos erhält, während das Leiden in der Versetzung in einen andern Zustand als den früheren besteht, wobei die Substanz des Leidenden nichts zur Substanz hinzuempfängt, wenn eine Substanz entsteht. Demnach wird ebendasselbe in einer gewissen Lage Thun, in einer andern Leiden. Denn bei diesem betrachtet wird es Thun sein, indem es dieselbe Bewegung ist, bei jenem Leiden, weil dieses in diese Lage versetzt wird, so dass vielleicht beide unter die Kategorie der Relation fallen mögen, alles nämlich was am Thun in Beziehung steht zum Leiden; und betrachtet wird jedes von beiden nicht an sich, sondern in Verbindung mit dem Thuenden und Leidenden heisst es: ›dieser bewegt und dieser wird bewegt‹ und ein jedes von beiden macht zwei Kategorien; ferner: ›dieser giebt jenem Bewegung, dieser aber empfängt sie‹ so dass Nehmen und Geben, also Relation statthat. Oder falls der Empfangende hat, wie man von ihm sagt, dass er Farbe habe, warum hat er nicht auch Bewegung? Und die absolute Bewegung, z.B. die des Gehens, hat das Gehen und hat auch das Denken. Es ist aber zu untersuchen, ob, wenn das Vorherbedenken Thun ist, auch der Vorsehung theilhaftig zu werden Leiden ist; denn auf ein anderes erstreckt sich und um ein anderes bewegt sich die Vorsehung. Indessen das Vorherbedenken ist nicht Thun, auch wenn das Denken sich um ein anderes bewegt, noch jenes Leiden. Ja auch das Denken ist nicht Thun; denn es geht nicht über auf das Gedachte selbst, sondern bewegt sich um sich selbst; auch überhaupt nicht Thätigkeit, noch darf man alle Wirksamkeiten als Thätigkeiten bezeichnen oder sagen, sie thun etwas; die Thätigkeit ist aber etwas accidentielles. Wie also? Wenn jemand im Gehen Spuren gemacht hat, werden wir nicht sagen, er habe etwas gethan? Allein aus seinem Dasein, werden wir sagen, ergab sich etwas anderes. Er that etwas accidentiell und die Wirksamkeit war accidentiell, weil er hierauf sein Augenmerk nicht richtete; sprechen wir doch auch bei leblosen Dingen von einem Thun, z.B. das Feuer wärmt und das Heilmittel wirkte. Doch genug hiervon und übergenug.[250]

23. Was aber das Haben anbetrifft, warum sollen, wenn das Haben eine vielfache Bedeutung hat, nicht alle Modi des Habens auf diese Kategorie zurückgeführt werden? Also auch das Quantum, weil es Grösse hat, und das Quale, weil es Farbe hat, und der Vater und was dem ähnlich ist, weil er einen Sohn hat, und der Sohn, weil er einen Vater hat, überhaupt die Besitzthümer. Fällt aber das übrige in jene Kategorien, Waffen dagegen und Schuhe und Kleider [in diese des Habens], so möchte man zuerst fragen, warum, und warum das Haben derselben eine andere Kategorie für sich mache, Brennen dagegen oder Schneiden oder Vergraben oder Wegwerfen nicht eine andere oder mehrere andere? Wenn aber [die Kategorie des Habens statthat], weil die Kleider am Körper anliegen, so wird es auch eine andere Kategorie sein, wenn ein Gewand auf einem Bette liegt und wenn jemand darin eingehüllt ist. Wenn aber [die Kategorie gebildet wird] nach dem Anhaben und Haben, so [gehört dahin] offenbar auch alles andere, das seinen Namen hat vom Haben und es ist auf das Haben, wo immer auch das Haben sei, zurückzuführen; denn der Gegenstand des Besitzes wird keinen Unterschied machen. Wenn man dem Haben jedoch Qualität nicht zusprechen darf, weil die Qualität schon abgethan ist, noch Quantität, weil die Quantität abgethan, noch Theile, weil die Substanz abgethan ist: warum soll das ›Waffen haben‹ [zu dieser Kategorie gehören], da die Substanz abgethan ist, wozu sie gehören? Denn eine Substanz ist der Schuh und die Waffen. Wie ist es überhaupt einfach und zu einer Kategorie gehörig, jenes ›dieser hat Waffen‹? Denn dies bezeichnet das ›gerüstet sein‹. Sodann, gilt das nur bei lebenden Wesen oder auch wenn es eine Bildsäule ist, der dies zukommt? Denn beides scheint auf verschiedene Weise zu haben und vielleicht homonymer Weise; ist doch auch das Stehen bei beiden nicht dasselbe. Wie ist es ferner vernünftig, dass das, was nur in wenigen Fällen statthat, eine andere generische Kategorie [Gattungsbegriff] ausmache?

24. Zu dem Liegen, das gleichfalls nur in wenigen Fällen statthat, gehört das Hochliegen, Niedersitzen; wobei gleichwohl das Liegen nicht schlechthin gemeint wird. Es heisst vielmehr: ›sie liegen in bestimmter Weise‹ und ›er liegt in dieser Stellung‹. Und die Stellung ist etwas anderes; da aber das Liegen nichts anderes bezeichnet als ›er ist an einem Ort‹, wobei die Stellung und der Ort ausgedrückt werden: wozu braucht man die zwei Kategorien zu einer Einheit zusammenschliessen?[251] Sodann, wenn das Niedersitzen eine Thätigkeit bezeichnet, so ist es unter die Thätigkeiten zu stellen, wenn ein Leiden, unter das Gelittenhaben oder Leiden. Was ist aber das Hochliegen anders als ein nach oben hinauf Liegen, wie auch das nach unten Liegen oder das dazwischen Liegen. Warum aber ist, wenn das Anlehnen [nach oben hin] zur Relation gehört, auch der Anliegende [Hochliegende] nicht dahin zu rechnen? Denn wenn es dort ein Rechts giebt, so ist auch der Rechte dort und der Linke. Das also hierüber.

25. Gegen diejenigen, welche vier Kategorien aufstellen und vierfach eintheilen, nämlich: in Substrat, Eigenschaft, Beschaffenheit, beziehungsweise Beschaffenheit, und etwas Gemeinsames in ihnen annehmen und alles durch eine Gattung zusammenfassen – gegen die liesse sich, weil sie ein Gemeinsames und in allen eine Gattung annehmen, vieles sagen. Denn, liesse sich sagen, dieses ihr Etwas [dies Gemeinsame] ist unklar und unvernünftig und passt nicht auf Unkörperliches und Körperliches; auch bleiben ihnen keine specifischen Differenzen, wodurch sie dies Etwas von andern unterscheiden können; ferner ist dies Etwas entweder ein Seiendes oder ein Nichtseiendes. Ist es ein Seiendes, so ist es eine von den Ideen; ist es ein Nichtseiendes, so ist das Seiende nichtseiend – und so giebts unzählige andere Bedenken. Diese wollen wir indessen jetzt auf sich beruhen lassen, wohl aber die Eintheilung selbst näher betrachten.

Indem sie die Substrate in die erste Ordnung stellen und hier die Materie allen andern Dingen überordnen, so coordiniren sie das, was ihnen als das erste Princip erscheint, den Dingen, die nach ihrem Princip sind. Und zuerst bringen sie das Frühere und das Spätere in Eins zusammen, da es doch unmöglich ist, dass das Frühere und das Spätere in derselben Gattung sich befinde. Denn in den Dingen, in denen das Frühere und das Spätere statthat, empfängt das Spätere von dem Früheren das Sein, in den unter dieselbe Gattung fallenden hat ein jedes das Gleiche zum Sein von der Gattung, wenn anders das die Gattung sein muss, was in dem bestimmten Etwas der Ideen ausgesagt wird. Doch sie selbst werden, glaube ich, zugeben, dass die Existenz den andern Dingen von der Materie herzukommt. Wenn sie sodann das Substrat als eins zählen, so zählen sie nicht das Seiende auf, sondern sie suchen die Principien des Seienden; es ist aber ein Unterschied, die Principien zu bezeichnen und die Dinge selbst. Wenn sie die Materie allein als das Seiende, das übrige als Affectionen der Materie hinstellen wollen, so mussten sie dem[252] Seienden und dem Uebrigen nicht eine Gattung überordnen; vielmehr war es besser, wenn sie das eine Substanz, das übrige Affectionen nannten und dies trennten. Was aber die Bezeichnung ›Substrate und das Uebrige‹ betrifft, da das Substrat eins ist und keine Differenz hat, ausser insofern es getheilt ist, ähnlich wie eine Masse in Theile – so war es besser auch das Getheiltsein nicht einmal von dem Substrat auszusagen, da sie die Substanz continuirlich nennen.

26. Ueberhaupt aber ist es im höchsten Grade verkehrt, dasjenige, was der Möglichkeit nach ist, allem überzuordnen, nicht aber die Actualität vor die Potentialität zu stellen. Denn das Potentielle kann unmöglich je zur Actualität übergehen, wenn das Potentielle den ersten Rang im Reiche des Seienden einnimmt. Denn es wird sich nicht selbst in Bewegung setzen, sondern das Actuelle muss vor ihm sein und dies darf nicht mehr Princip sein, oder falls sie beide zugleich annehmen, so werden sie die Principien dem Zufall anheimgeben. Ferner, wenn zugleich, warum weisen sie jenem nicht die erste Stelle an? Und warum soll dies vielmehr seiend, aber nicht jenes es sein? Wenn aber jenes später ist, wie darin? Denn sicherlich erzeugt die Materie nicht die Form, sie die qualitätslose das Quale! noch geht aus Potentialität Actualität hervor. Denn es wäre ja in dem Potentiellen das Actuelle und so dasselbe nicht etwas einfaches. Selbst Gott ist nach ihrer Ansicht später als die Materie, denn er ist ein Körper, der aus Materie und Form besteht. Und woher kommt ihm die Form? Wenn er aber auch ohne Materie sein kann, so wird Gott als principartig und als Vernunft [Begriff] unkörperlich sein und die schöpferische Ursache eine unkörperliche. Wenn er aber auch ohne Materie dem Wesen nach zusammengesetzt ist, denn er ist Körper, so führen sie die Materie Gottes als eine andere ein. Wie kann ferner die Materie Princip sein, da sie Körper ist? Denn das Körperliche muss nothwendig vieles sein, und jeder Körper besteht aus Materie und Qualität. Verstehen sie unter diesem Körper etwas anderes, so nennen sie die Materie nur homonymer Weise Körper. Bezeichnen sie als das Gemeinsame am Körper die dreifache Dimension, so bezeichnen sie den mathematischen; verbinden sie mit der dreifachen Dimension die Widerstandskraft, so sagen sie nichts Einheitliches aus. Sodann ist die Widerstandskraft eine Qualität oder von der Qualität her. Und woher die Widerstandskraft? Woher die dreifache Dimension und wer hat sie veranlasst? Denn weder liegt in dem Begriff der dreifachen Dimension die Materie,[253] noch in dem Begriff der Materie die dreifache Dimension. Nimmt die Materie nun an der Grösse Theil, so wird sie nichts Einfaches mehr sein. Woher sodann die Vereinigung? Denn das Substrat ist nicht selbst die Vereinigung, sondern ist durch Theilnahme an der Einheit. Man müsste also erwägen, dass es nicht möglich ist eine Masse der Gesammtheit der Dinge überzuordnen, sondern das Immaterielle und das Eine, und dass man mit dem Einen beginnend zuletzt zum Vielen und von dem Grösselosen zu den Grössen fortschreiten muss, da es schlechterdings unmöglich ist, dass Vieles sei ohne das Eine und Grösse ohne Grösseloses, vorausgesetzt nämlich, dass wirklich das Eine als eine Grösse nicht identisch ist mit dem Einen an sich, sondern es ist durch Theilnahme an dem Einen und per Accidens. Es muss also das Ursprüngliche und Beherrschende vor dem Accidentiellen sein; wie wäre sonst die Accidenz? Und es war zu untersuchen, welches die Art und Weise der Accidenz sei; denn vielleicht hätten sie dann das nicht accidentielle Eins gefunden. Ich nenne aber accidentiell das, dem nicht das Eine an sich, sondern das von einem andern stammende Eine zukommt.

27. Sie durften auch in anderem Betracht, indem sie das Princip als das eigentlich Werthvolle festhalten, nicht das Formlose noch das Afficirbare noch Leblose und Unvernünftige und Dunkle und das Unbestimmte als Princip setzen und diesem sogar das Wesen zusprechen. Gott nämlich wird von ihnen nur des Anstands wegen eingeführt, er der von der Materie das Sein hat und zusammengesetzt und später ist, vielmehr Materie in einer bestimmten Verfassung. Sodann, wenn die Materie Substrat ist, so muss es nothwendig etwas anderes geben, was ausserhalb derselben auf sie einwirkend sie zum Substrat für alles das macht, was in sie hineingeschickt wird. Wenn er selbst [Gott oder der erste Beweger] etwa in der Materie und selbst Substrat ist und selbst mit ihr geworden, so wird er die Materie nicht mehr zum Substrat machen, noch auch mit der Materie selbst Substrat sein; denn wofür sollen sie Substrate sein, da nichts mehr da ist, das sie zu Substraten macht, weil alles absorbirt und verschwunden ist in dem sogenannten Substrat? Denn das Substrat bezieht sich auf etwas, nicht auf das in ihm selbst, sondern auf das, was auf das daliegende Substrat wirkt. Und das Substrat ist Substrat für das, was nicht Substrat ist; wenn das, so bezieht es sich auf etwas ausserhalb; folglich dürfte dies ausgelassen sein. Wenn sie aber etwas anderes ausserhalb nicht nöthig haben und wenn[254] das Substrat durch Ausgestaltung alles werden kann, ähnlich wie der Tänzer im Reigen alles aus sich macht, so wird es nicht mehr Substrat sein, sondern selbst alles. Denn wie der Tänzer nicht das Substrat ist für seine Stellungen – denn das andere [ausser ihm] ist seine Wirksamkeit – so wird auch die Materie, von der sie sprechen, nicht Substrat sein für alles andere, wenn das andere von ihr herkommt; vielmehr wird auch das andere überhaupt nicht sein, wenn wirklich die Materie in einer bestimmten Verfassung das andere ist, wie der Tänzer in bestimmter Verfassung die Stellungen ausmacht in seiner Person. Wenn aber das andere nicht sein wird, so ist auch diese überhaupt nicht, noch ist sie die Materie des Seienden, sondern da sie allein Materie ist, so ist sie eben dadurch nicht einmal Materie; denn die Materie bezieht sich auf etwas, denn das Relative bezieht sich auf etwas anderes und zwar aus derselben Gattung, wie z.B. das Doppelte auf die Hälfte, nicht die Substanz auf das Doppelte: wie bezieht sich aber ein Seiendes auf ein Nichtseiendes, ausser etwa zufälliger Weise? Das Seiende an sich und die Materie beziehen sich als Seiendes auf ein Seiendes. Denn wenn Möglichkeit das ist, was werden will, dieses aber nicht Substanz sein kann, so ist auch sie selbst [die Materie] nicht Substanz. Es ergiebt sich also, dass sie, die diejenigen, welche aus Nichtsubstanzen Substanzen machen, angreifen, selbst aus der Nicht-Substanz Substanz machen; denn die sichtbare Welt als solche ist nicht Substanz. Ungereimt aber ist es, die Materie als das Substrat Substanz, und nicht vielmehr die Körper Substanzen zu nennen, und vor diesen allen nicht die Welt als Substanz zu bezeichnen, sondern nur insofern sie ein Theil von sich ist; zusagen ferner, das lebende Wesen habe die Substanz nicht von der Seele, sondern nur von der Materie, und die Seele sei eine Affection der Materie und später. Von wem hat denn nun die Materie das Beseeltsein erhalten und woher überhaupt die Hypostase [Realität] der Seele? Wie aber wird die Seele theils Körper, während ein anderer Theil von ihr Seele ist? Denn gesetzt, es käme die Form von anderswoher hinzu, so würde Seele niemals entstehen durch Hinzutreten von Qualität zur Materie, sondern unbeseelte Körper. Wenn sie aber etwas bildet und zu Seele macht, so wird die bildende Seele vor der gewordenen Seele sein.

28. Allein da gegen diese Hypothese vieles spricht, so wollen wir hier abbrechen, damit es nicht gar absurd erscheine, gegen eine so offenbare Absurdität mit Gründen zu streiten,[255] gegen Leute, welche das Nichtseiende als das vorzugsweise Seiende voranstellen und das Letzte zum Ersten machen. Schuld daran ist bei ihnen der Augenschein, der ihr Führer und Gewährsmann wurde zu Aufstellung der Principien und der übrigen Dinge; denn da sie die Körper für das Seiende hielten, dann ihren gegenseitigen Wechsel mit Besorgniss ansahen, so kamen sie zu der Meinung, das ihnen zu Grunde liegende Bleibende sei das Seiende, wie wenn jemand den Raum in höherem Grade als die Körper für das Seiende halten wollte in der Erwägung, dass der Raum nicht vernichtet wird. Allerdings bleibt auch dieser nach ihrer Ansicht, allein man durfte nicht das irgendwie Bleibende für das Seiende halten, sondern musste zuerst zusehen, welche Eigenschaften dem wahrhaft Seienden zukommen müssen, durch deren Vorhandensein auch das stets Bleiben gegeben ist. Denn auch der Schatten, wenngleich er stets bleibt im Gefolge eines andern sich Verändernden, ist nicht in höherem Grade als jenes, und das sinnlich Wahrnehmbare im Verein mit jenem und vielem andern dürfte vielmehr durch die Menge das ganze Seiende sein als eins von dem in jenem Befindlichen. Aber wenn es auch das Ganze wirklich ist, wie könnte jener nichtseiende Untergrund jenes sein? Das allerwunderbarste aber ist, dass sie, die alles durch sinnliche Wahrnehmung auf seinen wahren Bestand hin prüfen, die Behauptung aufstellen, das Seiende sei nicht durch sinnliche Wahrnehmung zu fassen; auch legen sie der Materie nicht mit Recht die Widerstandskraft bei; denn das ist eine Qualität. Wenn sie aber sagen, es durch die Vernunft zu begreifen, so ist das eine wunderliche Vernunft, welche die Materie sich selber voranstellt und ihr das Seiende beilegt statt sich selber. Da nach ihrer Ansicht die Vernunft also seiend nicht ist, wie sollte sie Glauben verdienen, wenn sie über Angelegenheiten spricht, die weit wichtiger sind als sie selbst, zumal sie ihnen keineswegs gleichartig ist? Aber über diese Natur und die Substrate ist auch anderswo hinlänglich gehandelt.

29. Die Qualitäten müssen nach ihnen etwas anderes sein als die Substrate, das geben sie selbst auch zu; denn sonst würden sie sie nicht als zweites zählen. Wenn sie also verschieden sind, so müssen sie auch einfach sein; wenn das, nicht zusammengesetzt; wenn das, dürfen sie keine Materie haben, als Qualitäten; wenn das, müssen sie unkörperlich und wirksam sein; denn die Materie liegt ihnen behufs der Einwirkungen zu Grunde. Sind sie aber zusammengesetzt, so[256] ist zunächst die Eintheilung ungereimt, welche Einfaches und Zusammengesetztes einander gegenüberstellt und zwar als unter eine Gattung gehörig, sodann die eine der Gattungen in der andern Platz greifen lässt, wie wenn jemand die Wissenschaft eintheilend sagte: die eine ist Grammatik, die andere Grammatik und etwas anderes. Verstehen sie unter Qualitäten eine qualificirte Materie, so werden erstlich nach ihnen die [formenden] Begriffe zwar in der Materie liegen, aber sie werden nicht als in die Materie hineingekommene etwas Zusammengesetztes schaffen, sondern vor dem Zusammengesetzten werden sie sein was sie aus Materie und Form schaffen; also sind sie weder Formen noch auch Begriffe. Wenn sie aber sagen, die Begriffe seien nichts als Materie mit einer bestimmten Beschaffenheit, so werden sie die Qualitäten offenbar Beschaffenheiten nennen und dann sind sie in die vierte Klasse zu setzen. Wenn aber dieser Habitus ein anderer ist, welches ist dann der Unterschied? Offenbar ist die Beschaffenheit [der Materie] hier mehr eine Hypostase; jedoch wenn sie nicht auch dort eine Hypostase [Realität] ist, warum zählen sie sie als eine Gattung oder Art? Denn sicherlich kann das Seiende und das Nichtseiende nicht unter dieselbe Gattung fallen. Aber was ist diese Beschaffenheit an der Materie? Entweder doch seiend oder nichtseiend. Und wenn seiend, so körperlos; wenn nichtseiend, so ist die Bestimmung nichtig und es bleibt bloss Materie, die Qualität aber ist nichts. Aber auch mit der Beschaffenheit ist es nichts; denn diese ist noch mehr nichtseiend. Was aber an vierter Stelle genannt wird, ist es sogar in noch viel höherem Grade. Allein seiend ist also die Materie. Wer lehrt uns dies nun kennen? Die Materie, selbst doch wohl nicht; vielleicht doch die Materie, denn als eine bestimmt beschaffene ist sie die Vernunft – obwohl dies ›bestimmt beschaffen‹ ein leerer Zusatz ist – die Materie also sagt dies aus und begreift es. Und wenn sie Vernünftiges aussagte, so wäre es ein Wunder, wie sie denkt und die Geschäfte der Seele verrichtet, da sie weder Vernunft noch Seele hat; wenn sie unvernünftig in ihren Aussagen ist, indem sie sich selbst als etwas hinstellt was sie weder ist noch kann, wem soll man diese Unvernunft zuschreiben? Nun ihr selbst, wenn sie selbst es aussagte; nun aber sagt jene einerseits nichts aus, andererseits hat derjenige, der aussagt, bei seiner Aussage viel von ihr in Besitz, ganz und gar ihr zugehörig, falls er auch nur Seele hat, aber in Unkenntnis seiner selbst und der Kraft, die über solche Dinge die Wahrheit aussagen kann.[257]

30. Auf dem Gebiete der Beschaffenheiten [Modi] ist es vielleicht ungereimt, das Beschaffene an die dritte Stelle zu setzen oder welchen Rang es sonst einnimmt, da sich die Modi alle an der Materie finden. Aber sie werden sagen, es sei ein Unterschied zwischen Modi und Modi, und etwas anderes sei die Beschaffenheit an der so und so beschaffenen Materie, etwas anderes in den Modi selbst; ferner seien die Qualitäten die Modi an der Materie, die eigentlichen Modi aber an den Qualitäten. Allein da die Qualitäten derselben nichts anderes sind als eine bestimmt beschaffene Materie, so laufen ihnen die Modi wieder auf die Materie hinaus und werden an der Materie sein. Wie aber ist die Beschaffenheit eine, da sich ein vielfacher Unterschied darin findet? Denn wie gehen das ›drei Ellen lang‹ und das Weisse in eins zusammen, da das eine ein Quantum, das andere ein Quale ist? Wie das Wann und das Wo? Wie sind überhaupt Beschaffenheiten das ›gestern, im vorigen Jahre, im Lyceum, in der Akademie‹? und wie die Zeit überhaupt eine Beschaffenheit? Denn weder ist sie es seihst noch das in der Zeit selbst Befindliche, weder das an dem Ort Befindliche noch der Ort. Wie ist das Thun eine Beschaffenheit? Ist doch der Thuende nicht irgendwie beschaffen, sondern vielmehr irgendwie thuend oder überhaupt nicht irgendwie seiend, sondern bloss thuend; und der Leidende ist nicht irgendwie beschaffen, sondern vielmehr irgendwie leidend oder überhaupt so leidend. Vielleicht passt diese Beschaffenheit auf das Liegen und das Haben; beim Haben jedoch heisst's nicht sich irgendwie habend, sondern schlechtweg habend.

Wenn sie die Relation [beziehungsweise Beschaffenheit] nicht unter dieselbe Gattung mit dem übrigen brächten, so würde eine andere Untersuchung die Frage sein, ob sie den derartig disponirten Dingen eine gewisse Realität [Hypostase] zuerkennen, da sie es vielfach nicht thun. Ferner ist es ungereimt, ein Ding, das in derselben Gattung zu den bereits vorhandenen hinzugekommen, in dieselbe Gattung mit den früher vorhandenen zu bringen; denn es muss zuvor Eins und Zwei sein, damit auch die Hälfte und das Doppelte sei. Was aber alle diejenigen betrifft, welche in verschiedener Weise das Seiende oder die Principien des Seienden setzen, seien dieselben Unbegrenztes oder Begrenztes, Körperliches oder Unkörperliches oder auch beides zugleich, so müssen darüber gesondert Einzeluntersuchungen angestellt werden mit Hinzunahme dessen, was von den Alten gegen diese Ansichten gesagt worden ist.[258]

Quelle:
Plotin: Die Enneaden. Band 2, Berlin 1880, S. 225,259.
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