XII.
Heidelberg. Daub's Einwirkung auf mich. Mein Verkehr mit Wippermann, Wunderlich, Franz Kugler und Theodor Parow. Geistlich Nachspiel zur Tragödie Faust. Rheinreise.

[305] Nach Heidelberg konnte man damals nicht so rasch, wie heutiges Tags, gelangen. Ich fuhr mit der Schnellpost zunächst bis Cassel. Als ich einstieg, war ich von dem Abschiedsfrühstück sehr ermüdet, welches ich mit Volk, Simon und Genthe unter Oberleitung meiner guten Schwester genossen hatte. Ich schlief bald ein und erwachte erst in Nordhausen. Ein freundlicher Herr, mir gegenüber, begrüßte mich mit einem Scherze. Es war Herr von Olfers, der nach Brasilien ging. Wir kamen bald in's Gespräch und logirten in Cassel in demselben Hôtel. Ich saß Mittags an der Wirthstafel neben ihm. Er unterhielt sich zuweilen querüber mit einem ganz stattlich aussehenden Mann, der einen stark wattirten großen grünen Oberrock, nach Art der Engländer, trug. Ich entnahm daraus so viel, daß derselbe nach Cassel gekommen, im numismatischen Cabinet Münzen nachzusehen, die ihm für die Römische Geschichte von Wichtigkeit waren. Ich vermuthete also einen Alterthumsforscher. Ich erfuhr nach Tisch durch Herrn von Olfers, daß es August Wilhelm von Schlegel gewesen war. Ich erwähne dies, weil es natürlich für mich ein Ereigniß war, auch diesen Koryphäen der Romantik persönlich geschaut zu haben. Olfers ging auf Cöln weiter, ich über Marburg, Hanau nach Frankfurt, wo ich, für meine Verhältnisse viel zu elegant und viel zu theuer, in dem neu eröffneten Hôtel zum Russischen Kaiser auf der Zeile logirte. Von hier miethete ich mit einem Gießner Studenten, einem Juristen, einen[306] kleinen Wagen, auf welchem wir an einem entzückenden Frühlingsmorgen die reizende Bergstraße über Darmstadt nach Heidelberg fuhren, wo ich Abends im Gasthof zum Prinzen Karl an der Ecke der Hauptstraße und des Kornmarktes abstieg.

Ich unterlasse es, den Eindruck zu schildern, den das Thal von Heidelberg mit der schönen Ruine des Schlosses auf mich machte. Es ist dies tausendfältig von Andern geschehen. Ich war überselig, mich in diesem Mittelpunkt der Romantik zu befinden, und konnte mich an den Bergen, welche die Stadt überragten, an den blühenden Mandel- und Kastanienbäumen, an dem Neckarstrom, der durch die schöne Brücke rauschte, nicht ersättigen. Ich miethete an der Ecke des Marktes und der Mittelbadgasse bei dem Kupferschmied Breßler im dritten Stock eine Wohnung, von deren Fenstern aus ich eine unvergleichliche Aussicht genoß. Vor mir hatte ich den großen Markt mit der Hauptkirche und den Röhrbrunnen. Gegenüber winkten die Häupter der grünen Weinberge. Nach links blickte ich die Hauptstraße hinab bis zum Mittelthorthurm, der noch stand, aber, während meiner Anwesenheit in Heidelberg, abgerissen wurde. Nach rechts schweifte der Blick über das Karlsthor auf die röthlich schimmernde Terrasse des Schlosses. An sonnigen Tagen war die Wohnung zum zerschmelzen heiß, und bei Nachtgewittern, die nicht zu selten waren, erglühete sie vom infernalischen Schein der Blitze wie eine Hölle. Die blendende Helligkeit des elektrischen Lichtes deckte dann die entferntesten Gegenstände mit zauberischer Deutlichkeit auf.

Glückliche Jugend! Mit welcher Kraft und Raschheit bildet sie den Menschen um! In Wochen, in Monaten, vollzieht sie die erstaunlichsten Prozesse, während im Alter die Zeit als solche zwar immer schneller zu fliehen scheint, aber die Seele sich nicht mehr verwandelt. Einer nach dem andern von den Menschen, mit denen wir eigentlich gelebt haben, stirbt uns ab. Wir werden die großen Umwälzungen der Natur und Geschichte gewohnt. Wir suchen die kleinen Eigenschaften, zu denen wir es gebracht haben, zu erhalten und erwarten als nächstes und wichtigstes Ereigniß nur noch den Tod. Um uns herum verändert sich Alles. Wälder verschwinden, die Straßen der Städte schmücken sich mit neuen Häusern, die Kleidung und Sitte der[307] Menschen nimmt ungeahnte Gestalten an, neue Namen erklingen in Wissenschaft und Kunst, neue Helden werden vergöttert, aber wir selber erleiden keine neue Metamorphose. Diese elegische Betrachtung drängt sich mir beim Eintritt in meine Heidelberger Epoche zu unwillkürlich auf, wenn ich die Erschütterungen meines Bewußtseins überdenke, welche ich dort in wenigen Monaten durchlebte. Ich feierte dort ganz allein meinen zwei und zwanzigsten Geburtstag. Ich glaubte noch immer, mich für ein Predigtamt vorzubereiten und beschäftigte mich doch, wie man schon weiß, mit ganz andern Dingen, wenn dieselben auch nicht ganz ohne Zusammenhang mit der Theologie waren. Hinrichs hatte mir ein Exemplar seines neuesten Buchs: über das Wesen der antiken Tragödie, dargestellt an der Sophokleischen Oedipodie, mit einem Empfehlungsschreiben an Daub, F. Schlosser und Creuzer mitgegeben. Ich machte daher diesen Herren meinen ehrfurchtsvollen Besuch. Sie nahmen mich freundlich auf, aber, außer zu Daub, gewann ich kein Verhältniß zu ihnen, was auch ganz natürlich war, da ich als Theologe immatrikulirt war und keine Collegia bei ihnen hörte, sondern nur zuweilen bei ihnen hospitirte, eine nähere Vorstellung von ihrer Persönlichkeit und Methode zu erlangen.

Da ich noch einige Wochen vor dem Anfang der Collegia gekommen war, so benutzte ich die Zeit, mich topographisch zu orientiren. Ich lief nach allen schönen Punkten der Umgegend. Der Blick vom Kaiserstuhl ließ mich die ganze Scenerie umfassen, auf welcher von Straßburg bis Frankfurt sich ein großer und wichtiger Theil der Deutschen Geschichte abgespielt hatte. Welche Erinnerungen umschwebten nicht die Städte Speier und Worms! War doch hier, am Rhein, auch der Schauplatz der Nibelungen, die so tief in mein jugendliches Gemüth eingesenkt waren! Wie wunderbar gemahnte es mich, den Weg, den man zum Kaiserstuhl aufsteigt, noch den Römerweg genannt zu hören, denn zuletzt stößt man in diesen Gegenden doch überall auf die Spuren der einstigen Römerherrschaft. Diese einsamen Gänge, worin ich die ersten Eindrücke einer mir neuen Stadt und Gegend, unbeirrt durch fremde Reflexion, mit Begierde in mich aufzunehmen geliebt habe, worin ich, nach Art der Romantiker, die Wirklichkeit als Märchen genoß, worin ich die successiv auftauchenden Gegenstände nach[308] der ungefähren Kenntniß, die ich von ihnen mitbrachte, zu enträthseln suchte, gehörten stets zu meinen höchsten Genüssen. So wanderte ich auch eines Morgens früh nach Schwetzingen, den dortigen Schloßgarten zu sehen. Es war ein unvergleichlich schöner Frühlingstag. Beim Hingang hatte ich die blauen Linien der Vogesen, beim Rückgang am Abend die dunkeln des Odenwaldes vor Augen. Ich schwelgte in Wonne. Natur und Geschichte drängten sich in üppigster Fülle an mich heran und mein Herz erzitterte von tausend hohen Ahnungen, wie auf jenem Gang von Quedlinburg nach dem Stubenberge oder von Halle nach Merseburg.

Diese Zeit vor Anfang der Collegia benutzte ich auch, um zwei Bücher durchzumachen, die ich mir sogleich am dritten Tag nach meiner Ankunft gekauft hatte.

Das eine war die Ausgabe des Lohengrin von Görres, das andere der Judas Ischariot von Daub. Der Lohengrin war mir jetzt des Grals halber wichtig. Das Gedicht selber entsprach nicht meinen hochgespannten romantischen Erwartungen. Es ließ mich über die mysteriöse Seite des Grals ohne weiteren Aufschluß, da es sich in die Sagengeschichte von Cleve und sogar in die historische Zeit von Heinrich dem Finkler und seinen Kämpfen gegen die Avaren verliert. Desto mächtiger und nachhaltiger war der Eindruck, welchen die köstliche Einleitung von Görres bei mir hinterließ. Welch ein Riese mannichfaltigster Kenntnisse, welch ein Genie fruchtbarster Combination, welch ein sprachgewaltiger Darsteller ist doch dieser Görres gewesen! Er gehörte damals zu den Schriftstellern, die ich vergötterte. Hier in Heidelberg hatte er sein herrliches Buch über die Deutschen Volksbücher, hier hatte er seine Asiatische Mythengeschichte, hier sein Heldenbuch von Iran verfaßt! Daub hat mir erzählt, wie Görres in einer äußerlich fast dürftig zu nennenden Lage stets mit heiterm Humor hier unverdrossen seinen kolossalen Arbeiten oblag. Als er alt wurde, artete die Romantik bei ihm aus, und ich selber bin es gewesen, der seine Geschichte der christlichen Mystik hart angriff. Aber was er in seiner Heidelberger Periode schuf, war zwar enthusiastisch, wie Alles, was er schrieb, aber es war noch ohne die Verbitterung, die sich später bei ihm festsetzte, und ohne jene falsche Ueberschwänglichkeit, die ihn in den Aberglauben[309] hineingerathen ließ. Ich kann dies nicht deutlicher machen, als wenn ich zwei Arbeiten von ihm vergleiche, welche denselben Gegenstand haben. In den Studien von Daub und Creuzer findet sich von Görres eine Einleitung in die Weltgeschichte, deren tief geschöpfter Inhalt sich in hinreißend schöner Diction entfaltet. Die heutigen Historiker und Geschichtsphilosophen wissen nichts mehr davon und würden auch, wenn man sie darauf hinwiese, es gar nicht der Mühe werth halten, sich darum zu kümmern. Aber es soll ihm deshalb sein Ruhm unverkümmert bleiben. Es gab für mich damals nur noch eine Abhandlung, die ich eben so hoch stellte. Es ist das Vorwort, mit welchem Arnim die Volksliedersammlung eröffnete, die er mit Brentano unter dem Titel: »Des Knaben Wunderhorn« herausgab. Görres' Abhandlung ist eine von Poesie durchhauchte concentrirte Anschauung der Weltgeschichte, die von Arnim eine eben solche von dem Wesen der Deutschen Geschichte. Es herrscht darin die innigste Empfänglichkeit für die Eigenart und Sitte unseres Volkes, wie sie nur aus der größten Liebe zu ihm und aus der sorgsamsten Beobachtung hervorgehen konnte. Es ist jetzt Mode geworden, auf jene Männer mitleidig herunterzublicken, weil sie Romantiker waren. Ich habe die Krankheiten der Romantik schwer genug durchmachen müssen, aber nie werde ich vergessen, wie ohne jene Romantik wir Deutsche uns niemals unter der Französischen Gewaltherrschaft so tief auf unsere wahre Individualität zurückbesonnen, Achtung vor unserer Vergangenheit, Vertrauen zu unserer Kraft gewonnen hätten. Als Görres später in München Weltgeschichte vortrug, ließ er die Einleitung dazu drucken. Wie geistreich auch hier noch einzelne Züge sind, so ist doch das Ganze in der Grundauffassung verfehlt. Die Scheidung der Völker in Semiten, Hamiten, Japhetiten, nach Anleitung der Mosaischen Sage, soll ihm hier mit einer abenteuerlichen Zahlenmystik den Schlüssel zur Weltgeschichte geben. Ich habe Görres in München auf dem Katheder gesehen. In einem großen Auditorium saßen ein Dutzend katholischer Theologen in ihren schwarzen Röcken, außerdem eine kleine Anzahl Belgischer Studenten. Görres, ein schlanker, magerer Mann, schritt festen Fußes auf das Katheder. Er hatte nicht einmal ein Blättchen vor sich, sondern sprach ganz frei. Seine Stimme hatte einen wunderbar vibrirenden Ton von großer[310] Kraft, jedoch ohne Modulation. Sie strömte in immer gleichem Wogenschlag weiter. Er stand und stemmte die Arme trotzig auf die Ecken des Pultes. Sein Blick war nach dem Fenster gerichtet. Die Zuhörer beachtete er nicht. Er schien in eine Vision verloren. Er entwarf eine prachtvolle, wie man nicht anders von ihm erwarten konnte, sehr günstige Schilderung vom heiligen Bernhard von Clärvaux und von den Wundern seiner Beredtsamkeit, durch welche er das Feuer der Kreuzzüge entzünden half. Er hätte selber sofort Aehnliches zu leisten vermocht. Während er so in unnachahmlichen Worten die Vergangenheit, als hätte er sie selbst erlebt, hervorzauberte, spuckte er unaufhörlich, wie ein Matrose, sobald er einen Satz beendigte, quer über die ganze Hälfte des Zimmers rechts nach dem Fenster hin, was mich zuerst sehr störte, woran die Zuhörer jedoch sich offenbar so gewöhnt hatten, daß sie es gar nicht mehr bemerkten, wie es mir selber in Berlin mit Neander ergangen war, der auch unausgesetzt, obwohl leise, vor sich hinspuckte.

Der Hauptaffect zur Einleitung von Görres zum Lohengrin bei mir war, daß ich auf die Bedeutung von Byzanz für die Cultur des Mittelalters mit ganz an dern Augen, als bis dahin, aufmerksam wurde. Jetzt ist dies auf den verschiedensten Gebieten anerkannt, aber in meiner Jugend war diese Erkenntniß mit Ausnahme der Geschichte der Philologie, noch außerordentlich zurück.

Daub's Judas Ischariot, oder das Böse im Verhältniß zum Guten, hatte ich gleich den dritten Tag nach meiner Ankunft in Heidelberg in Angriff genommen. Das Buch wurde mir leicht und schwer. Leicht, sofern ich die einzelnen Abschnitte: Judas und Christus, die Widersacher Christi, das Evangelium als Wunder, Kaiphas und Christus oder das Evangelium, endlich die Wunder des Teufels gar wohl zu verstehen glaubte; schwer aber, sofern ich mich sträubte, die eigentliche Tendenz des Buches anzuerkennen. Diese ging, wie ich mir schließlich nicht verhehlen konnte, auf die Construction eines Beweises dafür hinaus, daß das Böse sein Princip in einem intelligenten Urbösen habe. Daub stellte zuerst den Begriff des Gesetzes auf. Ihm entgegen sollte dann das Gesetzwidrige als das Widernatürliche, Unvernünftige, ein seinem Prinzip nach Uebernatürliches sein. Daub wollte also die supranaturalistische Auffassung des Bösen rechtfertigen. Tiefe Blicke in den Abgrund[311] des Bösen, vortreffliche Ausführungen einzelner Seiten desselben, z.B. der Lüge, glänzende Ausschweifungen, z.B. über Kant's Kriticismus, über Lessing's Nathan, sowie die geistvolle, markige Sprache, fesselten mich ungemein, allein das Ganze war für mich unfaßlich. Daub selber hatte das Werk handschriftlich zu Ende geführt, aber er hat nur zwei Hefte drucken lassen; das dritte, worin die Rettung des Teufels als Person, um es kurz auszudrücken, zum unzweideutigen Vorschein kam, hatte er zurückgenommen, was er nicht hätte thun sollen, da er damit den Werth der vorgängigen Untersuchung schmälerte. Daß er es aber that, war durch Hegel's Anwesenheit in Heidelberg veranlaßt worden. Gerade während derselben – 1816 bis 1818 – wurde das Buch in Heidelberg gedruckt. Daub wurde durch Hegel zu einer erneuten Aufnahme des Studiums seiner Philosophie bewogen, und mit dieser konnte jener Supranaturalismus nicht mehr bestehen. Um den Ursprung des Bösen aus der Freiheit des Menschen zu begreifen, bedarf es keines fictiven Lucifers außer ihm, in welchem der Proceß der Genesis des Bösen doch zuletzt gerade nur eben so, wie in der Seele des Menschen, sich zu vollziehen vermag. Die Vorstellung eines Teufels außer dem Menschen, als eines grundbösen, der ihn zum Bösen versuche, ist nur die mythische Projektion des Vorganges der Selbstsucht im eignen Gefühl, Bewußtsein und Willen. Daub's Judas ist das extremste Product der romantischen Theologie. Daher wurde auch Lessing's Nathan, das poetische Evangelium der religiösen Toleranz, darin scharf censurirt und des Indifferentismus gegen das Christenthum beschuldigt. Daher werden auch Verbildungen der Natur, wunderliche Gestalten derselben in der antediluvianischen Zeit u.s.w. dem Wirken des Teufels zugeschrieben. Alle Monstrosität wird ihm als Ursacher aufgebürdet. Was hat der Teufel mit den unschuldigen Dickhäutern zu thun, die vor tausenden von Jahren in der damals üppig wuchernden Flora der Erde hausten?

Zu meiner großen Verwunderung entdeckte ich auch, daß eine lange Diatribe über Raum und Zeit offenbar gegen den Anfang der Hegelschen Phänomenologie gerichtet war. Hier war Daub dicht daran gewesen, das Endliche in der Bedingung seiner Existenz zu fassen, aber sein theologischer Dogmatismus hatte ihm damals noch die richtige[312] Auffassung unmöglich gemacht. Ich selber habe mit Daub nie über seinen Judas zu sprechen gewagt, da er die Hypothese, auf welcher derselbe beruhte, zur Zeit, als ich mit ihm verkehrte, aufgegeben hatte. Ich wußte aber von seiner Frau, daß er einen Kampf auf Leben und Tod durchgemacht hatte, als er, in Folge eines Studiums der Hegel'schen Logik, sich von der wissenschaftlichen Unhaltbarkeit seiner Hypothese überzeugte. Was ich jetzt hier mit vollkommener Einsicht in Daub's Verirrung sage, war mir damals natürlich noch nicht so klar, sondern konnte es erst allmälig werden. Zu erst mußte mir das gewaltige, wundersame Buch imponiren und mich namentlich auch durch sein hohes sittliches Pathos heilsam erschüttern.

Ich glaube, daß es hier der Ort sein wird, über mein Verhältniß zu Daub eine allgemeine Vorbemerkung zu machen. Ich habe, als Krüger in Hamburg mit Bewilligung Daub's die Entwickelung, welche derselbe von den Hypothesen über die Willensfreiheit zum Druck befördert hatte, in den Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, 1835, im Anfang des Jahrgangs, bei einer Anzeige dieses Buches eine Charakteristik von Daub als Schriftsteller gegeben. Ich habe dann im Frühjahr 1837, als Daub im Jahre zuvor gestorben war, Erinnerungen an Carl Daub zu Berlin drucken lassen und Daub darin als Menschen wie als Lehrer geschildert, so weit ich selbst Gelegenheit hatte, ihn kennen zu lernen. Die Einwirkung seiner großartigen Persönlichkeit auf mich war, wie man auch hier sehen wird, außerordentlich gewesen. Ich stellte ihn hoch über alle gleichzeitig lebenden Theologen, auch über Schleiermacher, und habe dies auch öffentlich wiederholt ausgesprochen. Ich gestehe jedoch jetzt, nachdem Schleiermacher's gesammte wissenschaftliche und homiletische Thätigkeit uns vorliegt, daß ich ihn doch als den genialeren, produktiveren und vielseitigeren Theologen und Philosophen anerkennen muß. Es ist Alles wahr, was ich über die speculative Tiefe, über die gelehrte Bildung und über die wissenschaftliche Kunst Daub's gesagt habe, allein Schleiermacher ist eigenthümlicher, fruchtbarer, und, um es so zu nennen, dogmatisch liberaler gewesen. Daub's Einwirkung auf unsere Theologie ist längst vorüber; auf die Umgestaltung unserer Kirche hat sie sich gar nicht erstreckt; Schleiermacher's Einfluß dauert noch immer fort und ist auf allen[313] Gebieten der theoretischen wie praktischen Theologie, sowie in der Philosophie, Geschichte derselben und in der Pädagogik noch überall sichtbar. Der Gegensatz beider Männer kam schon äußerlich zur Erscheinung. Der eine lebte in Berlin in einer nach allen Richtungen hin unbeschreiblich anregenden Thätigkeit, die nur einem so genialen Menschen in solcher Ausgiebigkeit und Mannichfaltigkeit möglich war. – Diese beispiellose Expansion, welche die verschiedensten Formen des Wirkens und Darstellens mit Virtuosität, wie es schien, spielend auseinander hielt und die ich als unmittelbarer Zeuge derselben nicht genug anzustaunen vermochte, wurde von Zeit zu Zeit durch Reisen unterbrochen, welche die Fülle der persönlichen Verbindungen in das Grenzenlose zu erweitern drohte. Daub lebte einsam im Heidelberger Thal, ein Jahr wie das andere. Creuzer und Thibaut waren fast sein einziger Umgang. Daub concentrirte sich ganz in die Intensität seines contemplativen Denkens. Reisen machte er nicht, brauchte es auch insofern nicht, als die Reisenden, die das schöne Heidelberg lockte, zu ihm kamen. – Ohne seine große Gelehrsamkeit und philosophische Bildung hätte er, nach seinem Judas zu urtheilen, ein Theosoph, wie Jacob Böhme, werden können.

Daub hatte in Paulus den schärfsten Contrast neben sich. Paulus war in Heidelberg, was Wegscheider in Halle, das gefeierte, unbestrittene Haupt der rationalistischen Theologie. Alle Badenser, Schwaben und Schweizer hörten bei ihm, während Daub's theologische Collegia nur von sehr wenigen Zuhörern, meist Norddeutschen, besucht wurden. – Paulus war, in Verbindung mit Voß, der erklärte Gegner von Daub. Sie hatten ihn des Cryptokatholicismus verdächtigt und es war deshalb in Karlsruhe zur Untersuchung gekommen, die 1826 zu Gunsten Daub's geendet hatte. Voß, der in diesem Jahre starb, hatte noch auf dem Todtenbett das Urtheil erfahren. In diesem Jahre hatte auch Paulus die traurige Geschichte der Mißheirath seiner einzigen, schönen, gelehrten Tochter mit August Wilhelm von Schlegel erleben müssen. Heine hat sie unter dem Mythus von Osiris und Isis erzählt. War es nicht schon an sich eine Monstrosität, daß der nüchterne, kahlverständige Paulus Schwiegervater eines Romantikers, wie Schlegel, werden sollte. Paulus rächte sich für den Schimpf, welchen der impotente Romantiker seiner[314] Tochter angethan, durch eine energische Verfolgung der romantischen Schule, die er in der mannichfachsten Form betrieb. An einem literarischen Lexikon, das er »Geisterrevue« betitelte, soll seine Tochter selber starken Antheil gehabt haben. Göthe, gegen welchen die Schlegel, nachdem sie ihn zuerst vergöttert, sich polemisch gewendet hatten, wurde darin besonders gefeiert. – Für Gutzkow, als er der Gotteslästerung halber angeklagt wurde, trat Paulus öffentlich in die Schranken, ohne seine Verurtheilung hindern zu können. Schelling und Hegel verfolgte er in Brochüren unter dem Namen: »Magis Amica Veritas« gegen Schelling riß ihn die Leidenschaft bis zu dem unwürdigen Schritt fort, daß er sich ein Heft der Vorlesungen desselben in Berlin kaufte und diese Nachschrift mit einer boshaften Einleitung und vielen hämischen gelehrten Anmerkungen drucken ließ. Schelling verklagte ihn, verlor aber den Proceß und Paulus erreichte, was er wollte. Er legte Schelling in Berlin lahm. Der geheimnisvolle Reiz, der bis dahin seine Offenbarungsphilosophie umschwebt hatte, war durch jene Veröffentlichung vernichtet. Schelling hörte auf zu dociren.

Ich habe Paulus, der noch sehr rüstig war, oft genug gesehen, aber ich habe nichts bei ihm gehört, da ich in Halle den Rationalismus genugsam kennen gelernt hatte. Ich hospitirte nur einige Male in seinen Vorlesungen, mich zu überzeugen, wie er in schwäbischem Dialekt von den Pfiffen der Pfaffen und von dem Abendmahl als einer Zusammenkunft sprach, bei der man eben auch gegessen und getrunken habe. Auch zu Umbreit und Ullmann, mit welch letzterem ich später in Halle befreundet wurde, hatte ich kein Verhältniß. Eben so wenig zu Schwarz, dessen berühmte Pädagogik ich versuchte, aber entsetzlich langweilig fand. Der Professor der Philosophie, Erhardt, ließ mich ganz kalt. Niemals wurde unter uns Studenten von ihm gesprochen. Die bedeutende medizinische Fakultät lag mir damals zu fern. Ich habe bei ihren Koryphäen nicht einmal hospitirt, wie ich es doch gerne that, große wissenschaftliche Auctoritäten auch persönlich kennen zu lernen. Die Juristen Mittermaier, Zachariä, Thibaut dagegen habe ich wiederholt besucht. Ihre Hörsäle waren überfüllt. Daub empfahl mich an Thibaut, so daß ich diesem auch in seinem Hause meine Aufwartung machte und von ihm, ein für alle Male, zu den Concerten eingeladen[315] wurde, die er an bestimmten Tagen in einem Saal seiner Wohnung aufführte. Ich machte auch Gebrauch von seiner Güte, zumal auch Daub diese Concerte besuchte, in denen Volksmelodieen und ausgewählte Stücke der altitalienischen Kirchenmusik vorgetragen wurden. In den Pausen des Gesangs bewirthete Thibaut seine zahlreichen Gäste mit Wein. Er war für mich eine höchst anziehende Persönlichkeit. Für zwei sehr verschiedene Gegenstände war er begeistert, für die Reinheit der Tonkunst, wie der Titel seines berühmten Buches lautete, und für die Herstellung eines einheitlichen nationalen Rechtes. Da ich bald ein paar Juristen zu meinen näheren Bekannten zählte, so mußte ich oft auf eine Besprechung der Juristen eingehen.

Genthe hatte mir beim Abgang aus Halle Hegel's Rechtsphilosophie zum Andenken geschenkt, und es war mir ganz angenehm, meine frisch aus ihr erlernte Weisheit an den Einsichten meiner geschulten Freunde prüfen zu können. Ich habe auch nicht verfehlt, meinen ältesten Sohn, der Jurist war, nach Heidelberg zu schicken, Mittermaier und Vangerow zu hören. Von der philosophischen Fakultät war es nur ein Mann, mit dem ich in nähere Berührung trat. Dies war Mone. Er war für mich wegen des Studiums der Handschriften wichtig, derentwegen ich nach Heidelberg gekommen war, weil er das Amt des Oberbibliothekars bekleidete. Mone hatte ein Collegium angekündigt, das allen meinen Wünschen entgegenzukommen schien. Es war betitelt: »Geschichte der Cultur und Literatur des Mittelalters.« Die Anlage war in ihren Grundzügen wirklich großartig, allein die Ausführung entsprach nicht den durch sie erregten Erwartungen. Sie verlief sich in eine sehr summarische Uebersicht der Literatur, bei welcher die gelehrte Bildung zwar erwähnt, allein gegen die Volkspoesie ganz vernachlässigt wurde. Für mich war nun zwar die Bevorzugung der nationalen Dichtung ganz willkommen, allein auch sie kann ohne genauere Berücksichtigung der Lateinischen Geschichtschreibung und Dichtung nicht gründlich verstanden werden.

Mone hat einige Decennien später in seiner Geschichte der Hymnen der Römischen Kirche sehr schöne Kenntnisse auch in der Lateinischen Literatur des Mittelalters bekundet und namentlich auch den großen Einfluß nachgewiesen, welche die Hymnen der Byzantinischen Kirche[316] auf die der Römischen geäußert haben. In jenem Collegium kam jedoch nichts davon vor. Es wurden wohl auch Namen, wie Saxo Grammaticus, genannt, aber es wurde nicht darauf eingegangen. Recht lebendig wurde Mone nur bei den Liedern der alten Edda, bei den Triaden der Celtischen Barden, bei den Liedern des Finnischen Stammes. Von der Deutschen Dichtung erhielten wir zu unserer Verwunderung nur eine magere Nomenclatur in sehr allgemeinen Kategorien. Mone war Katholik, behandelte aber die Religion der nichtchristlichen Völker mit wahrhafter Ehrfurcht, und war weit davon entfernt, in ihr etwa nur verwerflichen Aberglauben zu erblicken. Er war ein Schüler und Anhänger Creuzer's und hatte zur Vervollständigung der Symbolik desselben die Geschichte des Nordischen Heidenthums in zwei Bänden geschrieben. Diesem Buche bin ich viel Anregung schuldig geworden. Ich wurde dadurch von dem Irrthum befreit, die Zauberei der Naturvölker nur als Verirrung der Unwissenheit aufzufassen. Sie ist in den primitiven Entwickelungen der Religion die erste rohe Aeußerung des Idealismus des Geistes, die von ihm selber zunächst noch unbegriffene Reaction seiner Freiheit gegen die Nothwendigkeit der Natur.

Ich habe früher erzählt, wie die Bekanntschaft mit Mone's Otnit auf mich wirkte, die Auseinandersetzung jedoch mit seiner Theorie bis hierher verspart, wie ich sie aus seinem eigenen Munde vernahm. Sie bestand in der Behauptung, daß die Heldensage eines Volks die Wiederholung seiner Göttersage sei. Ich konnte mich von der Wahrheit dieses Satzes nicht überzeugen. Daß zwischen der Göttersage und Heldensage eines Volkes verwandte Züge vorkommen können, ist durch ihre gemeinschaftliche Abstammung aus dem Geiste des Volkes begreiflich. In der Germanischen Sage ist zwischen Baldur's Schicksal und dem von Sigurd oder Siegfried eine unverkennbare Aehnlichkeit darin, daß Beide das Opfer eines tückischen Verrathes werden. Das ist aber auch Alles; denn sobald man die Analogie weiter verfolgen will, verfällt man in's Gezwungene, wo nicht Abgeschmackte. Mone betrachtete die Sonne als den großen Wanderer, der den Tag, das Jahr, den Thierkreis durchläuft. Dieser große Wanderer stirbt täglich am Abend, um am Morgen wieder aufzustehen. Er stirbt auch mit dem Winter, um im Frühjahr[317] sich wieder zu verjüngen. Die Germanen sind daher, wie die Sonne, Wandervölker und verachten den Tod, weil sie der Wiedergeburt zu neuem Leben gewiß sind. Baldur's Tod geht dem Weltuntergange voran, aber Baldur überdauert ihn und wird der Gott der neuen Erde und des neuen Himmels. Wo ist denn aber bei Sigurd, nachdem er gestorben, von einer Rückkehr desselben die Rede? In der Indischen Heldensage wird Karna durch eine List, in der Persischen Rusthm durch einen meuchlerischen Mord, in der Griechischen Achilleus durch einen Pfeilschuß getödtet. Sind deswegen Karna, Rusthm, Achilleus mit Sigurd dasselbe? Sind sie, wie man jetzt oft hört, aus einer gemeinsamen Arischen Ursage entsprungen? Sind sie, in der Religion jener Nationen, die heroischen Repräsentanten der Sonne? Keineswegs. Die Religionen fassen alles Physische zugleich ethisch auf. Hierdurch wird eben die Mythologie möglich. Je reiner und mannichfaltiger ihre ethische Individualisirung ausfällt, um so reicher und schöner wird die Poesie der Mythenschöpfung der Völker, deren ganzes Gemüth sich darin legt. Wenn man vermeint, mit der Reduction der Mythen auf einen Naturproceß die Religion begriffen zu haben, so irrt man sich. Wind, Wolke, Blitz, Regen sind nur äußerliche Grundlagen, nicht die Sache selber. Mone trug uns vor, daß ein Held, wie die Sonne, nicht ohne Kampf untergehen könnne. Geht dann aber der schöne Baldur, die Freude aller Asen, durch Kampf unter? Wird er nicht in übermüthigem Spiel der Götter von dem blinden Hödur durch Loki's Verrath getödtet? Stirbt Siegfried im Kampf? Wirft Hagen ihm nicht den Speer meuchlings in die Schulter, als er sich bückt, um zu trinken? Mone hatte noch eine besondere Theorie vom Heldenliede, daß es nämlich Brautfahrt, Hochzeit und den ihr folgenden Untergang des Geschlechts, die Noth, darstelle. Diese Theorie war lediglich von den Nibelungen abstrahirt, denn bei Gudrun sehen wir sogleich, daß die Hochzeit der Noth erst nachfolgt. In Baldur's Geschichte hat seine Gattin gar keinen Antheil an seinem Tode. Mone hatte einige tiefe Blicke in die Bedeutung des Weibes für die Mythenbildung gethan. Man findet sie in der Einleitung, die er zu Groote's Ausgabe des Tristan verfaßt hat, aber er hat diese Psychologie und Ethik des weiblichen Naturells mit seiner sonstigen Theorie nicht ausgeglichen. In der Tristansage[318] kommt auch Brautfahrt, Hochzeit und Untergang vor, aber in einer Weise, welche Mone wohl sehr starke Bedenken gegen seine Hypothese hätte einflößen können. Ist nicht Liebe das eigentliche Thema aller wahren Dichtung? Warum sie in solche Kategorien, wie Brautfahrt, Hochzeit, Noth zerlegen? Der Kampf kommt natürlich auch ganz unabhängig von der Liebe zum Weibe vor, wie der Kampf des alten Hildebrand mit seinem Sohn, oder wie der Kampf der Helden in Chrimhildens großem Rosengarten, oder wie Alphart's Fahrt auf die Warte u.s.w.

Für die Gralsage konnte mir Mone keine Hülfe leisten, da er mit ihr sich nicht speciell beschäftigt hatte. Er ließ mir aber durch den Bibliothekdiener Bachmann die beiden Handschriften des Titurel, nach dem mein Verlangen stand, zur Benutzung im Arbeitszimmer der Bibliothek überweisen. Ich bekam dadurch für die ersten fünf Tage der Woche eine feste Einrichtung. Von 9 bis 10 Uhr hörte ich Moral bei Daub, von 10 bis 11 Uhr Literaturgeschichte des Mittelalters bei Mone, von 11 bis 1 Uhr arbeitete ich auf der Bibliothek, von 1 bis 2 Uhr ging ich zu Tisch, von 2 bis 5 Uhr brachte ich auf meinem Zimmer zu, von 5 bis 6 Uhr hörte ich Anthropologie bei Daub, von 6 bis 7 Uhr ging ich häufig auf das akademische Lesekabinet, dessen Mitglied ich geworden war. Dann ging es mit Bekannten in's Freie oder, wenn Regenwetter war, in das Kaffeehaus neben der Brücke, das damals nach seinem Besitzer de Dupréz genannt wurde. Hier las man Zeitungen, hier rauchte und plauderte man oder schaute träumerisch auf den Strom und die Berge. – Als ich nach einigen Monaten mit dem Durchlesen und Excerpiren der kolossalen Handschriften fertig war, blieb ich doch meiner Tagesordnung getreu, weil die Bibliothek zu viel Schätze enthielt, die mir damals von höchster Wichtigkeit waren.

Da ich so regelmäßig erschien, so hatte ich bald an dem langen Arbeitstische einen bestimmten Platz. Und mir gegenüber saß nun der herrliche Mensch, den ich hier kennen lernte und den ich so unbeschreiblich geliebt habe, Franz Kugler. Wir hatten uns im Collegium bei Mone getroffen. Da derselbe nur sechs bis sieben Zuhörer hatte, so waren wir schon aufmerksam auf einander geworden. Als wir uns aber auch in der Bibliothek zusammenfanden, entstand rasch ein Austausch zwischen[319] uns, der unsern Umgang und unsere das ganze Leben hindurch bewahrte treue Freundschaft zur Folge hatte. Kugler excerpirte weniger, als daß er die Zeichnungen der Handschriften durchzeichnete. Wir theilten von hier ab die Resultate unserer Lectionen und Arbeiten einander mit. Das Rolandslied, Veldeck's Eneidt und der Wälsche Gast waren hervorstechende Punkte in Kugler's Arbeiten. Kugler war ein Stettiner von Geburt und hatte auch schon, wie ich, in Berlin studirt. Er war Philologe, befand sich aber nicht weniger als ich in der größten Gährung, die jedoch bei ihm völlig anders bedingt war. Er war eine durch und durch künstlerische Natur. Er dichtete, zeichnete, spielte mehrere Instrumente, componirte. Er hatte sich auch ein Fortepiano gemiethet. Unter zwei gekreuzten Hiebern nebst den Fechthandschuhen hing ein Waldhorn an der Wand. Sein Stock war zugleich eine Flöte, und wenn wir manchmal spät Abends von dem Schloß herunterkamen, ging er scherzhaft vor uns her, einen Marsch blasend. Er wußte noch nicht recht, was er mit der Ueberfülle seiner Anlagen und Neigungen machen sollte. Zuweilen wanderte er, die Zeichenmappe unter dem Arm, Freitag Nachmittag weg und trieb sich bis Sonntag Abend in der ganzen Gegend umher, Skizzen für sein Album zu sammeln. Einmal war er verschwunden, ohne daß ich wußte, wohin. Nach einigen Tagen kam er zurück und vertraute mir, daß er in Mannheim gewesen war, wo er zuvor eingeleitet hatte, unter fremdem Namen auf dem Theater – ich habe vergessen, in welcher Rolle – aufzutreten. Der Versuch war aber mißglückt und er war nun sehr zufrieden, diese Erfahrung gemacht zu haben, die ihn von einer falschen Richtung befreite, zu welcher er auch Talent zu haben glaubte. Kugler besaß viel mehr poetische Gestaltungskraft, als ich, und wurde nicht, wie ich, durch theologische und philosophische Skepsis gemartert. Kunst und Literatur waren die Gebiete, auf denen wir uns mit gleich leidenschaftlicher Liebe zu ihnen begegneten. Wir waren am liebsten allein und kletterten gern in unerschöpflichem Gespräch in der Einsamkeit der Berge und Wälder umher. Auch in den Trümmern des Schlosses verweilten wir gern und machten es zum Mittelpunkt unserer Ahnungen über die Geschichte der Baukunst, welche Kugler in seinem Mannesalter mit so großem Erfolg cultiviren sollte. Kugler war ein anscheinend stiller, innerlich[320] aber stets vom höchsten Ringen nach Schönheit und Güte bewegter Mensch. Seine Sanftmuth, seine Sinnigkeit, seine künstlerische Plastik contrastirte scharf gegen meine Heftigkeit, Unruhe und Reflexionssiechheit, die Alles der Herrschaft des Hegel'schen Begriffs unterwerfen wollte. Eben unserer großen Verschiedenheit halber ergänzten wir uns in gegenseitig vollkommener Weise.

Daß ich Kugler fand, war für mich ein außerordentliches Glück, weil ich durch ihn die eine Seite meines Wesens, die schlechthin auf den Genuß und die Erforschung des Schönen gerichtet ist, lebendig auswirken konnte. Es sollte aber noch die andere Seite, die rein spekulative und politische, für mich ihre Repräsentanten finden. Ich hatte, auf Anrathen meines Hauswirthes, meinen Mittagstisch in der Pension, wie er es nannte, eines Schneidermeisters Gallmann in der Fischergasse genommen. Seine Frau und eine recht hübsche Tochter besorgten die Küche. In einem großen, hellen Zimmer nach der Straßenseite stand eine lange Tafel, an der einige zwanzig Studenten Platz fanden. Es waren lauter Norddeutsche, Westphalen zumeist und Hanseaten, deren Dialekt und Sitten mir von Berlin und Halle her schon geläufig waren. Meister Gallmann besorgte die Aufwartung bei Tisch. Das Essen war ganz vorzüglich. Es wurde nicht, wie in Göttingen, Berlin und Halle zu geschehen pflegte, nach der Karte, sondern gemeinschaftlich gegessen, und zwar von jedem Gericht so viel man wollte. Zwischen Suppe und Braten gab es stets ein saftiges, kerniges Rindfleisch mit Salat, wie ich es schöner weder vorher noch nachher wieder zu genießen bekommen habe; nach dem Braten gab es einen Nachtisch von köstlichen Kuchensorten, in deren Abwechselung Frau Gallmann sehr erfinderisch war. Wein wurde bei Tisch nicht getrunken, auch nicht Bier, sondern nur Wasser, da wir Abends in Wein oder Bier uns genug zu thun pflegten. – Wenn man die Treppe des Hauses heraufkam und in den Flur trat, so hatte man einen eigenthümlichen Anblick. Es war damals unter den Studenten, die etwas renommiren wollten, Ton, sich große Hunde zu halten. Eine Anzahl solcher Köter kam nun auch hier zusammen, weil ihre Herren sie von den Küchenabgängen füttern ließen. Damit sie nicht in die Stube dringen sollten, wurden sie von einem starken, aber verwachsenen Sohne Gallmann's[321] in Empfang genommen, der ihnen ein Seil um den Hals schlang und dies durch einen Ring an der Mauer zog. Von da ab habe ich mir den Zwerg Alberich in den Nibelungen immer unter der Figur dieses Gnomens vorstellen müssen, wie er die Koppel der gewaltigen Bestien mit nerviger Faust und Herrscherblick zusammenhielt. An diesem Tisch erfuhr ich nun zur Genüge, was gerade unter den Studenten, wie man zu sagen pflegt, los war. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich an diesen Angelegenheiten zu betheiligen. Die Borussen bildeten damals in Heidelberg ein sehr angesehenes Corps, welches auch den Geburtstag Friedrich Wilhelms III. am 3. August durch einen großen Commers in Neckargemünd zu feiern pflegte, wohin das Corps unter Musik auf einem ausgeflaggten Schiffe fuhr und ebenso am Abend von dort zurückkehrte. Allein ich war nur noch auf Kunst und Wissenschaft gerichtet und widerstand den Anforderungen, als bemoostes Haupt in das Corps zu treten.

An unserem Mittagstisch präsidirte ein Westphale, Wippermann aus Lemgo, ein Jurist, der schon hoch in den dreißiger Jahren war. Er genoß ein reichliches Familienstipendium, bei dessen Vermächtniß der Stifter keine Frist des Genusses festgesetzt hatte, weil er das Triennium wohl als selbstverständlich dafür angenommen hatte. Wippermann aber fußte darauf, es unbeschränkt zu beanspruchen. Er hatte schon in Göttingen und Jena studirt und lebte nun seit einigen Jahren in Heidelberg. Er hatte das Recht ganz tüchtig studirt, war aber ein Lebemann geworden, der gern dem Wein huldigte. Zunächst neben Wippermann saß ein anderer Jurist, Wunderlich, der Sohn eines reichen Senators und Weinhändlers von Lübeck. Er war auch fast dreißig Jahre alt, hatte ebenfalls in Jena studirt, dort Wippermann's Bekanntschaft gemacht und war mit ihm nach Heidelberg gezogen. Er war ein höchst liebenswürdiger, durchaus ideal angelegter Mensch, der mit dem realistischen Wippermann des Abends zu kneipen sich gewöhnt hatte. Wippermann saß allein an der Querseite des Tisches obenan, neben ihm an der einen Ecke saß Wunderlich, ihnen gegenüber an der andern Ecke kam ich zu sitzen. So machte es sich von selbst, daß wir drei, als die Aeltesten am Tisch, uns auch vorzugsweise unterhielten, und hiervon war wieder die Folge, daß wir auch oft für den Abend[322] uns verabredeten oder auch wohl Sonnabends gleich nach Tisch einen kleinen Wagen mietheten, nach Ladenburg oder sonst wohin zu fahren. Bald fanden Wunderlich und ich ein so großes Gefallen aneinander, daß wir häufig am Abend auch ohne Wippermann kneipten, weil er auf vielerlei Themata nicht eingehen mochte, da es ihm vorzüglich nur um angenehme Unterhaltung zu thun war. Auch verleitete er uns wohl, mehr zu trinken, als wir eigentlich mochten. Ich erinnere mich, daß, als Melisse, schwarze Johannisbeeren und Waldmeister im schönsten Wuchse standen, von ihm kleine Trinkgelage mit Maitrank in der sogenannten Steppei am Neckar arrangirt wurden. Der Invalide im Schloßgarten mußte uns die Kräuter pflücken, Wippermann kaufte Orangenschale und Zucker, übergoß in einer Bowle dies Material mit Rheinwein und bereitete, wenn der Wein die Kräuter ausgelaugt hatte, den Maitrank. Er präfidirte beim Trinken mit vieler Laune und komischer Grandezza. Da noch einige andere Studenten von unserem Tisch an diesen Improvisationen Theil nahmen, so arteten sie nach einigen Stunden, wenn das erste Feuer verraucht war, in sehr große Gewöhnlichkeit aus, die mir mehr als langweilig war. Ich habe das seltene Glück gehabt, niemals, bis in mein jetziges hohes Alter hin, an Kopfschmerz zu leiden, aber von dem Waldmeister, der, wie Wippermann scherzte, bald Meister wird, bekam ich Kopfschmerz und Zittern in den Händen. Ich erklärte daher, nach einigen im Maitrank vergeblich gemachten Versuchen, mich zu gewöhnen, daß ich mich an solchen Gelagen nicht weiter betheiligen werde. Ich hatte zu meiner Tagesarbeit einen freien Kopf, klare Augen und eine feste Hand nöthig. Von hier ab geschah es, daß ich meine Abende zwischen Kugler und Wunderlich zu wechseln pflegte, ohne das Zusammensein mit Wippermann zu vermeiden. Waren wir drei zusammen, so wurde gewöhnlich über die Philosophie von Fries und Hegel gestritten, denn Wippermann sowohl als Wunderlich waren von Jena her für Fries eingenommen. Der Begriff der Causalität spielte in diesen Gesprächen die Hauptrolle. Wippermann war aber von dem Standpunkte der Fries'schen Philosophie längst zum Materialismus und Atheismus übergegangen, wenn er auch für die Erkenntnißtheorie sich noch der Fries'schen Kategorien bediente. Wunderlich hingegen war geneigt, sich auf Schelling's Seite[323] zu schlagen und wurde darin durch dessen Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, die ich ihm zu lesen gab, außerordentlich bestärkt. Die Einheit von Sein und Denken, von Realismus und Idealismus, von Natur und Geist, von einem parallelen Stufengange der Entwickelung beider wurde ihm in einem ganz anderen Lichte dargestellt, als er sie bisher durch die Polemik von Fries, Salat u.s.w. aufgefaßt hatte. Wippermann ging nicht darauf ein, sondern blieb dabei stehen, daß er den Spinozismus und Pantheismus in der Identität des Realen und Idealen festhielt. Die wahre Identität erblickte er in der Materie. Wenn wir über die Causalität hin und her gestritten hatten, so pflegte er mich zuletzt einer komischen Katechesation zu unterziehen. Er nahm sein Taschentuch, faßte es an einem Zipfel, ließ es frei schweben und fragte mich, ob es sich von selbst bewege? Ich antwortete: Nein. Bewegt es die Luft? Ja. Bewegt die Luft sich selbst? Nein. Was bewegt die Luft? Die Wärme. Bewegt die Wärme sich selbst? Nein. Was bewegt sie? Entweder die Friction oder das Licht. Ist Friction oder Licht ohne Materie möglich? Nein. Also, war nun der Schluß, geht die Bewegung von der Materie aus. Wodurch aber bewegt sich die Materie? Durch die Schwere. Ist die Schwere eine Kraft außerhalb der Materie? Nein. Sie ist also in der Materie unmittelbar enthalten? Ja, sofern die Materie in die Vielheit verschiedener Quanta zerfällt. Also, war nun der letzte Schluß, bewegt die Materie sich selbst und ist das Alles bewegende Princip. Dies suchte er auch durch die Wirkung des Weins nachzuweisen. Ist der Wein etwas Materielles? Ja. Ist das Gehirn etwas Materielles? Ja. Wirkt der Wein auf das Gehirn? Ja. Kann diese Wirkung, da sie die von Materie auf Materie ist, eine andere als materielle sein? Nein. Ist jeder Wein dem andern gleich? Nein. Wird also nicht die Wirkung einer Sorte eine andere sein, als die einer andern? Gewiß. Wird folglich der Rüdesheimer eine andere Wirkung haben, als der Geisenheimer? Ja. Kann der Wein aber die Vorstellung einer Zahl, einer Figur, eines Verhältnisses, wie Gleichheit und Ungleichheit, Centrum und Peripherie, Größer oder Kleiner u.dgl.m. verändern? Nein, die einzelnen Vorstellungen als solche scheinen unveränderlich. Wenn der Wein sie nicht in sich selber zu verändern vermag, so kann er[324] vielleicht ihre Richtung im Gehirn ändern, indem er das Blut, und durch dasselbe die Nerven in eine ander Bewegung versetzt?

Nun behauptete Wippermann, an sich selbst die verschiedene Wirkung des Weins zu beobachten. Nach gewissen Sorten finde er sich z.B. zu den höchsten Ideencombinationen aufgeregt, die ihm das Einschlafen erschwerten, so daß er, weil sie ihm auch zu bedeutungsvoll erschienen, sie gern aufgezeichnet hätte. Er fing dann an, auf großen Bogen mit großer Schrift zuerst ganz leidliche Sätze zu schreiben. Da ihm dies jedoch im Zustande der Halbtrunkenheit, worin er sich befand, zu langsam ging, auch zu mühsam war, so folgten zunächst nur einzelne Wörter und, da auch diese zu schreiben ihm lästig wurden, so malte er zuletzt in Umrissen einzelne Figuren hin, die ihn an seine sublimen Einfälle erinnern sollten. Da war ein Baum, ein Haus, ein Kopf, eine Leiter, ein Hundeschwanz u.s.w. Aber was bedeuteten sie? – Wir sollten ihm zuweilen helfen, nach der Richtung, die er in den noch ganz ausgeschriebenen Sätzen genommen, diese Hieroglyphen zu deuten, was natürlich für uns nur willkommener Stoff zu schlechten Witzen war, uns und ihn, da er Spaß verstand, zu amüsiren. Wenn man einen solchen Bogen von Wippermann vor sich hatte, so konnte man deutlich den Uebergang der Seele vom wachen Bewußtsein zum Träumen beobachten.

Da wir unserem sokratisirenden Silen nicht bestreiten konnten, daß wir, wenn wir die Absicht haben, uns in eine recht heitere Stimmung zu versetzen, nicht schweren Portwein, sondern perlenden Champagner trinken, so gestanden wir die Veränderung in der Richtung unserer Vorstellungen durch den Wein zu. Aber weiterhin geriethen wir in Widersprüche, die uns zu immer neuen Streitigkeiten ohne Resultat führten. Es war besonders die Teleologie als eine Form der Causalität. Wippermann leugnete die Erscheinung nicht, welche wir Zweck nennen, aber er behauptete, daß auch sie ein Produkt der Nothwendigkeit der materiellen Causalität sei und wollte den Schluß von ihr auf die Existenz der Freiheit nicht gelten lassen. Wunderlich war nicht abgeneigt, die Freiheit anzuerkennen, aber durch ein ausschweifendes Vorurtheil für die Germanische Race, als für diejenige, welcher allein weltgeschichtlich die Idee der Freiheit zukomme, gab er Wippermann[325] Veranlassung, ihn zu widerlegen. Wunderlich behauptete, daß nur den Germanen der wahre Begriff der Freiheit, allen andern Racen aber der der Knechtschaft angeboren sei. Die Geschichte des Deutschen Kaiserthums war ihm nichts, als die Geschichte der Vernichtung der ursprünglichen Freiheit des Deutschen Mannes durch die absichtliche Einschleppung des Römischen Rechts und der Imperatorenwürde. Da er einer Republik, Lübeck, angehörte, so konnte man ihm nicht verargen, daß er für diese Staatsform eingenommen war. Und zwar war er es hauptsächlich aus einem ethischen Grunde, weil sie allein die Verantwortlichkeit für alle Glieder des Staates möglich mache, während der Monarch, auch in der Englischen Verfassung, unverantwortlich sein soll. Den Griechen und Römern sprach er den Besitz der wahren Freiheit ab, weil sie Sclaven gehabt haben und daher auch aus dem Republikanismus, dem sie nur vorübergehend sich ergaben, in den Despotismus fielen. Er war manchmal mit Russen längere Zeit nur deshalb umgegangen, um an ihnen die Aeußerungen des ihnen angeborenen sclavischen Sinnes zu studiren. War aber die Unfreiheit den Nichtgermanen, die Freiheit den Germanen angeboren, so war ja die Freiheit etwas Physisches, Materielles, und man konnte dem Nichtgermanen keinen Vorwurf machen, wenn er von Hause aus die Knechtschaft liebte. – Wunderlich bemühte sich sehr um die Statistik der Mischung der Racen, um aus den Procenten derselben Schlüsse auf ihre Tauglichkeit für freie Staatsformen zu machen. Da nun die Franzosen durch die Beimischung starker Elemente Germanischer Stämme wie der Westgothen, Burgunder, der Franken und Normannen noch mehr Deutsches Blut in sich aufgenommen hatten, als die Romanisirten Bretonischen Celten durch die Angelsachsen und Normannen, so hielt er sie für vorzüglich befähigt, den politischen Fortschritt zu leiten. Er war auch Mitarbeiter an einer Neuen Pariser Zeitung, die zu Paris in Deutscher Sprache erschien. Das enthusiastische Interesse Wunderlich's für das Deutschthum war zwischen ihm und mir ein starkes Band. Meine speciellen Kenntnisse aus dem Gebiet des Deutschen Mittelalters dienten dazu, uns Baustoff für unsere Reflexionen zu schaffen. Er folgte in der Politik im Allgemeinen Luden, dessen Buch er mir auch zu lesen gab. Luden's Deutsche Geschichte kannte ich schon vom Gymnasium[326] her. Von Hegel's Rechtsphilosophie wollte Wunderlich als eingefleischter Jenenser nichts wissen. Er hielt sie, weil sie die vollkommenste Form der Souverainetät des Staates in die fürstliche Erbmonarchie setzt, für servil.

Unvermeidlich kamen wir in unsern Gesprächen von der Betrachtung einzelner juridischer oder politischer Begriffe auf ihre Entwickelung in der Geschichte und dann auf die Frage, ob in ihr ein Zweck vorhanden sei, zurück. Hier war es, wo die religiöse Fassung dieses Begriffs als göttliche Vorsehung zu den lebhaftesten und spitzfindigsten Erörterungen führte. Wippermann leugnete consequent den Begriff der Zweckmäßigkeit. Für ihn gab es nur mechanische Nothwendigkeit, weil die Materie für ihn das Absolute war. Wunderlich wollte die Freiheit des Menschen erhalten wissen. Er konnte sein Dogma von der Prädestination der Völker durch ihre natürliche Individualität sehr wohl mit der Annahme der Freiheit des Willens dadurch vereinigen, daß er zugab, in ihr nur eine Schranke, keine Grenze zu sehen. Sie blieb dann das psychische Princip der nationalen Originalität. Hiermit war ich im Grunde auch ganz einverstanden. Jede Race, jedes Volk, jeder Stamm, ja jede Familie hat eine seelische Besonderheit, aus welcher ihr eigenthümliches Schicksal entspringt. Die Natur ist innerhalb ihrer selbst eine Totalität, welche gegen die Geschichte des Menschen sich von ihrer Seite her ganz gleichgültig verhält, während das Handeln des Menschen von der Gesetzmäßigkeit der Natur abhängig bleibt, obwohl es von seiner Seite als eine spontane Thätigkeit den Ursprung seiner Causalität aus sich selber entnimmt. Jede Handlung des einzelnen Menschen, ein Product seiner Freiheit, steht aber im Verhältniß zum Handeln aller übrigen. Jede wird ein Moment der Geschichte, d.h. alle Menschen haben eine solidarische Verantwortlichkeit für den gemeinsamen Zweck der ganzen Menschheit. Der Einzelne handelt innerhalb seines beschränkten Standpunkts, aber die That, die er vollbringt, gewinnt ihre wahre Bedeutung nur im Zusammenhang der Totalität. Was bleibt nun einem Gott zu thun übrig? Die Causalität der Natur scheint ihn eben so auszuschließen, als die der Geschichte. Die Religion läßt ihn daher auf zweierlei Weise thätig sein. Einmal soll er den Plan der ganzen Entwickelung entwerfen, so wird er zur Vorsehung.[327] Sodann soll er durch seine Macht zuweilen plötzlich in den Verlauf des Naturprocesses im Interesse eines menschlichen Geschehens eingreifen. So entsteht die Vorstellung des Wunders. Das Wunder in diesem supranaturalistischen Sinne leugneten wir alle drei. – Ich war durch meine Erziehung ganz und gar von den Grundsätzen der Aufklärung durchdrungen. Das Studium der Theologie, namentlich der exegetischen, hatte mir viele heftige Anwandlungen gebracht, das Wunder glauben zu wollen; aber das Studium der dogmatischen Theologie, welche den Beweis seiner Möglichkeit liefern sollte, hatte diese Anläufe immer wieder zerstört. Man glaube jedoch nicht, daß ich schon damals zu einer völlig abgeschlossenen Theorie in dieser Hinsicht gelangte. Nur die Fundamente zu später befestigten Ueberzeugungen wurden gelegt. Es war ein Widerstreben gegen den Eudämonismus, der mich damals vorzüglich gegen den Wunderglauben in Opposition warf. Jedem Menschen, der in bittere Noth geräth, würde es angenehm sein, durch die außerordentliche Veranstaltung der Allmacht eines mitleidigen Gottes daraus erlöst zu werden. Daß die Menschen in solcher Erwartung beten, d.h. daß sie von dem Gott ein Wunder, das für ihn ja eine Kleinigkeit, zu ihrem Nutzen erbitten, ist Thatsache. Diesen egoistischen Glauben verwarf ich. Hingegen nahm ich an, daß Gott in dem realen Zusammenhang sowohl der Natur mit der Geschichte, als der Handlungen der Menschen untereinander, innerhalb der Geschichte theils durch seine Gerechtigkeit, theils durch seine Gnade auf eine unserem Verstande unbegreifliche Weise die Wahrheit der Geschichte vermittele. Ich verehrte in der Entwickelung der Geschichte selber den in ihren Schicksalen sich offenbarenden Gott. In diesem Sinne war die Geschichte für mich voll von den wunderbarsten Ereignissen, obwohl sie nicht Wunder im Verstande eines transscendenten Mirakels, sondern auf immanente Weise durch Natur und Freiheit hervorgebracht, und insofern für uns vollkommen begreifliche Thatsachen sind.

Wippermann machte sich ein besonderes Vergnügen aus der Kritik der Vorsehung, wie sie vom Eudämonismus genommen zu werden pflegt. Hierin konnte ich ihm nur beistimmen. Die Zeitungen lieferten ihm zu seinem spöttischen Gebahren fast täglich ausreichenden Stoff.[328] Es war z.B. gesagt worden, daß bei dem Scheitern eines Schiffes durch die Gnade der Vorsehung die Menschen größtentheils gerettet seien. Warum aber, fragte er, hat die Vorsehung nicht lieber das Schiff überhaupt, oder von den Menschen alle gerettet? Oder wenn ein Verbrechen mit vielem Scharfsinn, unter Combination zahlloser Nebenumstände, glücklich vollbracht war, so fragte er, ob auch hier die Vorsehung Alles im Voraus gewußt und angeordnet habe, oder ob man etwa zwei Vorsehungen, eine göttliche und eine teuflische, annehmen solle?

Ich sollte mit diesem höchsten Problem später noch in ganz anderer Härte zu ringen bekommen. Damals war die Beschäftigung mit ihm noch überwiegend theoretischer Art. Da ich mich noch mit Theologie beschäftigte, lebte ich auch in der Einbildung, Theologe werden zu wollen. Ich arbeitete aber fast gar nichts. Die Zerstreuung, die sich mir täglich aufdrang, war zu groß. Da war es der Abbruch des Mittelthorthurms, der uns reizte, vor Beginn seiner Ausführung ihn noch einmal zu besteigen und die herrliche Aussicht von ihm auf Stadt und Thal noch einmal zu genießen. Wir ließen uns aus dem nahe gelegenen Hôtel, »zum König von Portugal« Wein heraufbringen und schwärmten nun in jenem poetischen Uebermuth, wie er nur bei der sorglosen Jugend möglich ist. Der alte Wippermann war, trotz seines Materialismus, trotz seiner Verständigkeit, bei solchen Gelegenheiten köstlich. Er hielt eine Rede aus dem Stegreif, worin er dem Mittelalter der Stadt, das mit dem Mittelthorthurm seinen gänzlichen Abschied nahm, ein Pereat, und der neuen Zeit, die sich nun frei und ohne Anstoß zwischen Stadt und Vorstadt bewegen werde, ein Vivat ausbrachte. Da war es die Feier des Frohnleichnamstages, die, bei günstigem Wetter, von der ganzen Stadt begangen wurde und der ich von früh bis spät in allen Wendungen, welche sie nahm, beiwohnte. Die Parität der Confessionen vereinigte hier die Menschen zur glücklichsten Heiterkeit.

Vor der von den Jesuiten erbauten Kirche, worin der Hauptgottesdienst stattfand, war die Bürgerwehr aufgestellt, unter ihr auch Meister Gallmann in blanker Uniform. Er war Protestant, aber so oft vom Altar in der Kirche aus das Signal durch einen Glockenzug gegeben wurde, schoß er mit Vergnügen zu Ehren des Tages, zu Ehren[329] seiner katholischen Mitbürger, sein Gewehr ab. Bei der Procession auf der Straße gingen die schaulustigen Protestanten unbedeckten Hauptes auf den Bürgersteigen fast eben so andächtig, als die Katholiken in der Mitte der Straße, von Altar zu Altar. Alle Fenster waren mit Damen besetzt, und Nachmittags ging es zu Fuß, zu Wagen, zu Schiff nach Ziegelhausen, wo großer Tanz war.

Da kam ein andermal eine Schaar von Wallfahrern durch die Stadt. Sie übernachteten in ihr und den Aermsten wurde die katholische Capelle in der Marktkirche zum Nachtlager eingeräumt. Um Unzucht zu verhüten, brannte, wie ich vom Fenster meiner Stube sehen konnte, die ganze Nacht Licht darin. Wippermann vertheidigte die Wallfahrten, welche Wunderlich aus sittlichen und aus volkswirthschaftlichen Gründen angriff. Er behauptete, die Wallfahrten seien für das Volk dasselbe, was die Badereisen für die sogenannten Gebildeten. – Da kam auch der acht Tage lang dauernde Jahrmarkt, der auf dem Markt und in der Hauptstraße meine Wohnung mit seinem Geschrei und mit seinen Sängern und Leierkasten, die außerdem von der Stadt verbannt waren, umtobte. Zu studiren war bei dem Lärm unmöglich. Ich reagirte gegen ihn durch eine poetische Arbeit. Ich fiel darauf, die Parteien der Theologie, Mystiker, Rationalisten, Supranaturalisten mit Faust als speculativem Philosophen durch Mephistopheles zusammen zu hetzen. Faust, der Repräsentant des wahren Christenthums, triumphirte über die Parteien, weil Glaube und Wissen in ihm versöhnt sind. Ich stand jeden Morgen früher als gewöhnlich auf. Es war dann noch ziemlich still. Bis ich gegen 9 Uhr in's Collegium ging, hatte ich immer eine Anzahl Verse fertig gebracht. Bis zum Sonnabend hatte ich die Arbeit, die mir das größte Vergnügen gewährte, beendet. Ich machte nun eine saubere Abschrift und lud am folgenden Sonnabend meine nächsten Bekannten zu einem Fäßchen Bier ein, das ich auf meiner Stube auflegen ließ, um ihnen meine Satire vorzulesen. Da ich hier mit diesem geistlichen Nachspiel zu Faust, wie ich das kleine Drama später nannte, einigen Effect erzielte, so war ich keck genug, es auch Daub mitzutheilen, der jedoch mit Faust nicht zufrieden war. Er fand ihn noch zu sentimental, zu schwächlich. Darin hatte er auch ganz Recht, denn dieser Faust war doch am Ende mein Conterfei.[330]

Wenn die große Stoffzufuhr der mannichfaltigsten Anregungen mich in Heidelberg zu keiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit kommen ließ, so war die kurze, jedoch intensive Concentration meiner ganzen Stimmung in dieser poetischen Composition, dem romantischen Boden, auf dem ich mich befand, durchaus entsprechend. Sie förderte mich entschieden in der Befestigung des Standpunkts, zu dem ich bis dahin gelangt war. Die erste rohe Assimilation so vieler neuer Vorstellungen und Gedanken, die mich außerhalb des theologischen Gebiets bewegten, mußte ich dem Gespräch mit Kugler und Wunderlich überlassen.

Uebrigens muß ich bemerken, daß wir Studenten im Allgemeinen, obwohl wir jeden Abend außer dem Hause zubrachten, doch auf einen fleißigen und regelmäßigen Besuch der Collegia hielten. Ich erinnere mich z.B., daß, als der berühmte Schauspieler Eßlair in Mannheim Gastrollen gab, wir uns so einzurichten wußten, daß der Collegienbesuch nicht darunter litt. Als er an einem Sonntag in Wallenstein's Tod auftrat, ging ich am frühen Morgen mit einer ganzen Schaar Commilitonen zu Fuß nach Mannheim. Am Tage trieben wir uns in der Stadt und Umgegend umher, alles Merkwürdige zu besehen. Das Andenken an Sand's Hinrichtung gab unserer Unterhaltung vorzügliche Nahrung. Der Scharfrichter Braun, der ihn hingerichtet hatte, wohnte auf einem Berge, links von der Landstraße, wenn man von Heidelberg nach Rohrbach geht. Wenn wir unten auf dem Wege dahin vorbeikamen, gab der Anblick seines Hauses öfter Veranlassung, von ihm zu sprechen. Er war schwermüthig geworden, weil er es sich zu Gemüth zog, einen so frommen, edlen Menschen, der aus patriotischer Schwärmerei ein Verbrechen begangen hatte, hingerichtet zu haben. – Die Bilder von Sand's Ermordung Kotzebue's, von seiner Kerkerhaft, von seiner Hinrichtung waren überall verbreitet. Die Geschichte Sand's war bei den Heidelbergern das conträre Seitenstück zu der Geschichte des Räuberhauptmanns Schinderhannes geworden, der mit seiner Bande die Stadt einmal förmlich belagert hatte, so daß die Bürger aus Angst zwei Nächte illuminirten. – Unser Meister Gallmann war voll von Anekdoten aus dem Leben des Schinderhannes. Er war als Bürgerwehrmann selber auf dem Schaffot bei seiner Execution gegenwärtig gewesen, und wenn er hiervon erzählte, schien das der interessanteste[331] Moment seines ganzen Lebens gewesen zu sein. Den Kopf des Räubers kann man noch jetzt in Spiritus auf der Heidelberger Anatomie sehen. Gallmann war aber auch nach Mannheim gegangen, die Hinrichtung Sand's mit eigenen Augen zu schauen und konnte uns daher das ganze rührende Detail erzählen. Mannheim ist eine schöne Stadt mit breiten Straßen und stattlichen Häusern. Um so greller stach gegen diese heitere und glänzende Localität die Erinnerung jener traurigen Geschichte ab, deren Vorgang wir uns an Ort und Stelle vergegenwärtigten. Zur Tragödie von Wallenstein's Tod war es immerhin eine passende Vorbereitung.

Nach dem Theater begab ich mich mit einem Theil der Studenten in den »Hof von Zweibrücken«, wo wir übernachteten, aber früh am Montag Morgen mit einem sogenannten Bagagewagen nach Heidelberg zurückfuhren, so daß ich Schlag 9 Uhr auf meinem Platz im Collegium saß.

So war Mai, Juni und Juli verflossen, als eine Katastrophe nach der andern eintrat, die gesammte Gesellschaft in meinem nächsten Verkehr gewaltsam zu ändern. Wunderlich hatte seinem Vater von Zeit zu Zeit einen Bericht über die Resultate seiner Studien gegeben. Er hatte ihm nun auch geschrieben, daß er geneigt sei, die Schelling'sche Philosophie anzunehmen, weil sie den Gegensatz des Realismus und Idealismus durch die Indifferenz des Absoluten zur Identität auflöse, indem die Natur durch den Menschen zur Geschichte übergehe, die Geschichte aber durch die Kunst in die Natur zurückgehe. – Auf diesen Brief, auf den er großes Gewicht legte, hatte er, gegen seine hochgespannte Erwartung von seinem Eindruck, keine Antwort erhalten. Eines Mittags nun, zu Ende Juli, fehlte Wunderlich bei Tisch. Gallmann sagte uns auf unsere Erkundigung, daß er für die ganze nächste Zeit habe absagen lassen, weil sein Vater gekommen sei. Wir erfuhren durch ihn selber am andern Tage den genaueren Zusammenhang. Sein Brief hatte seinen Vater erschreckt. Der Sohn, der nun schon so lange studirte, sollte praktischer Jurist in Lübeck werden und beschäftigte sich leidenschaftlich mit der verrufenen Schelling'schen Philosophie? Das ging nicht. Der Alte ordnete seine Angelegenheiten, setzte sich auf, kam zum Sohn und erklärte ihm, nicht eher zu weichen, als bis er promovirt[332] habe. Es blieb dem Sohn nur der Gehorsam übrig. Er aß nun mit dem Vater im »König von Portugal« und begleitete ihn Abends am Neckarufer in der Richtung auf Handschuchsheim. Sein Vater war ein dicker, wohlbeleibter Herr, dem der Gang auf den Schloßberg zu sauer wurde. Wunderlich nickte uns stillschweigend zu, wenn wir ihm mit seinem Vater begegneten. Er überredete ihn, einen Ausflug nach Baden, Basel und Straßburg zu machen, um ungestört arbeiten zu können. Während dieser paar Wochen vollendete er seine Vorbereitung zum Examen, das er glänzend bestand, denn er hatte seine Wissenschaft nie vernachlässigt. Die Hanseaten erwarben mit der Promotion zum Doctor der Rechte sofort die Befugniß, in ihrer Heimath als Rechtsanwälte die Praxis üben zu dürfen. Ich gratulirte ihm noch in der Eile. Wir umarmten uns, da wir uns aufrichtig liebgewonnen hatten, zum ersten und zum letzten Male, schieden von einander und haben später nie die geringste Beziehung zu einander gewonnen.

Wie mir Wunderlich verschwand, so sollte es auch mit Wippermann gehen. Dieser amüsirte sich nach der Ankunft von Wunderlich's Vater über die Halbgefangenschaft, worin er den Sohn halte, über den Belagerungszustand, in welchen er ihn versetzt habe, über die schlaue Speculation des republikanischen Weinhändlers, und wie er sonst sich ausließ, ohne zu ahnen, daß das Schwert des Damokles bereits auch über seinem Haupte hing, seinem Genußleben ein Ende zu machen. Auch er war eines Tages im Anfang August verschwunden, ohne wieder zum Vorschein zu kommen. Er hatte ganz plötzlich nach Lemgo abreisen müssen, weil sich dort, wie er Gallmann in aller Eile noch mitgetheilt hatte, ein Familienrath versammelte, durch einen gemeinschaftlichen Beschluß eine Bestimmung der Frist für die Vergebung des Stipendiums herbeizuführen, da Wippermann's in's Endlose fortgesetzte Studium die nachwachsenden Aspiranten der Familie von dem Genuß des Stipendiums aus schloß. Er wollte nun schleunigst und mit Nachdruck interveniren, allein es wird ihm nichts geholfen haben, denn er kehrte nicht zurück und ich habe von ihm nie wieder etwas gehört.

Seltsam genug sollte ich aber auch meinen herrlichen, geliebten Romantiker Kugler verlieren. Es war zwischen dem Senat und zwischen[333] den Schwaben und Schweizern ein Streit ausgebrochen. Die Studenten drohten mit Arbeitseinstellung, wenn man ihren Forderungen nicht nachgäbe. Ein Theil von ihnen wanderte sogar nach Mannheim aus. Der Senat suchte die Unruhe dadurch zu entkräften, daß er plötzlich am schwarzen Brett Badeferien ausschrieb. Kugler hörte zwar, soviel ich mich entsinne, weiter kein Collegium, als das bei Mone, weil er vorzüglich der schönen Natur und der Handschriften halber gekommen war. Da er sich jedoch an beiden schon ersättigt hatte, so fiel er darauf, ganz fortzugehen, um noch in der schönen Jahreszeit eine große Fußreise durch Schwaben und Baiern zu machen. Ich begleitete ihn bis Neckargemünd, von wo er weiter auf Heilbronn marschirte. Da stand er vor mir in der Tracht, wie er sich selber gezeichnet und in Kupfer auf den Umschlag seiner ersten Gedichtsammlung gestochen hat, auf der Vorderseite im Revers, auf der Rückseite im Avers. In diesem gelbbraunen Rock, den Tornister auf dem Rücken, den Stock in der Hand, prägte er sich mir für's Leben ein. Wir schieden auf das Zärtlichste, mit Thränen in den Augen, haben aber das Glück gehabt, uns später oft in Berlin, wo Kugler erst Professor, dann Ministerialrath wurde, wieder gesehen zu haben.

Als ich auf dem Rückwege zur Burg von Neckarsteinach aufblickte, fielen mir unwillkürlich Kugler's schöne Verse ein, mit denen er die Burgen bei Jena, Saaleck und Rudelsburg besungen hat:


An der Saale hellem Strande

Stehen Burgen stolz und kühn,

Ihre Dächer sind gefallen

Und der Wind streicht durch die Hallen, –

Wolken ziehn darüber hin.


Während ich nach Neckarsteinach emporblickte, ahnte ich gar nicht, daß man sich dort oben mit mir beschäftigte. Und doch hatte ich dazu, recht in der Weise der damaligen Romantik, Veranlassung gegeben. Als die Badeferien die Collegia eine Zeit lang unterbrachen, war ich eines Tages früh Morgens nach Neckarsteinach gewandert, denn ich liebte es, ab und zu ganz allein umherzustreifen, theils um meinen Gedanken nachzuhängen, theils um die schöne Gegend unzerstreuter zu genießen. Ich kam in glühender Hitze auf der Burg an, wo sich eine[334] kleine Gastwirthschaft befand. Das Bellen eines kleinen Hundes meldete mich. Ich trat in das große, dunkle, kühle Hauptzimmer der zwischen den Ruinen hergerichteten Wohnung, und fand Mutter und Tochter mit Plätten beschäftigt. Der Dialekt verrieth mir sogleich, daß sie aus Sachsen stammten, und ich führte mich, da ich der Provinz Sachsen entsprossen, als halben Landsmann ein. Die Mutter erzählte mir in kurzen Umrissen, wie es gekommen, daß sie vom Königreich Sachsen bis hierher in den Odenwald, in eine ganz märchenhafte Umgebung verschlagen seien. Ich bestellte mir einen Eierkuchen und eine Flasche Wein und ging in die Weinlaube, welche mir die Tochter in dem kleinen Garten zeigte. Man hatte von hier eine ganz entzückende Aussicht auf das gegenüberliegende Ufer und auf eine kleine Würtembergische Grenzveste, den Dillsberg. Das Mädchen kam und deckte den kleinen Tisch, um welchen drei Bänke umherliefen. Es war eine hübsche Blondine mit blauen Augen, ganz wie das Bild der Kirchengängerin von Blanc, das in Norddeutschland so viel Verbreitung fand. Ich erfuhr, daß sie Karoline Schneegast hieße. Nachdem ich gegessen und getrunken, streckte ich mich im Schatten des Weinlaubes auf die Bank und schlief. Als ich nach einer Stunde erwachte, ging ich, mir Kaffee zu bestellen. Während ich diesen erwartete, fiel ich darauf, den poetischen Moment auch durch ein Gedicht zu verherrlichen. Ich brachte heraus, daß ich, wenn ich Sch als Einen Buchstaben nähme und ebenso von Schnee nur ein e setzte, die Buchstaben in Karoline Schneegast gerade das Material zu einem anagrammatischen Sonnet hergeben. Ich besang die reizende Gegend und die freundliche Aufnahme, die ich in der alten Ritterburg genossen. Ich versicherte zum Schluß, wie ich stets mit Freude und Wehmuth daran zurückdenken würde. Von dem Mädchen sagte ich kein Wort, aber ich schrieb die Buchstaben ihres Namens als Akrostichon in horizontaler Lage, so daß mein Kunststück nicht übersehen werden konnte. Sie erschien mithin als die vorzugsweise Gefeierte. Rasch schrieb ich das Sonnet mit Bleistift auf ein Stück Briefpapier. Als ich nun fortging und das gute Mädchen mich noch etwas begleitete, mir einen bequemeren Weg nach dem Orte zu zeigen, wo ich mit einem Boot auf das jenseitige Ufer übersetzen wollte, drückte ich ihr die Hand, dankte noch einmal für die gütige Bewirthung, versprach, da es mir[335] so sehr gefallen, meinen Besuch zu wiederholen und übergab ihr zum Andenken an mich das leidige Gedicht, unter welchem mein Name nicht vergessen war.

Das war so ganz im Geschmack von Sternbald's Wanderungen, ächt romantisch, aber höchst leichtsinnig; denn es war von meiner Seite nur poetisches Spiel ohne tieferen Hintergrund. Auch hatte ich der anmuthigen Karoline kein Wörtchen von Liebe geäußert. Als ich 1838 bei einem Besuch in Halle eines Mittags bei meinem Freunde Hinrichs aß, fragte mich seine Frau, die aus Heidelberg gebürtig und dort vor einiger Zeit zum Besuch gewesen war, ob ich eine Karoline Schneegast kenne? Ich bejahte die Frage, da ich den Namen, weil er von mir anagrammatisch verarbeitet war, nicht vergessen hatte. Nun erfuhr ich zu meinem Schrecken, daß das arme Mädchen immer auf meinen Wiederbesuch gewartet und, als ich nicht gekommen war, wieder und wieder das Blatt vorgenommen hatte, wo ihr Name so deutlich zu lesen war. Sie hatte dann ab und zu Norddeutsche Studenten nach mir gefragt und von ihnen gehört, daß ich in Halle lebe. Genug, sie hatte die Hoffnung lange nicht aufgeben können, daß ich eines Tages wieder auf der Burg erscheinen würde. Als Frau Professor Hinrichs jene Frage an mich richtete und mir nun der Moment auf Neckarsteinach lebhaft zurückkam, wurde mir ganz so zu Muthe, wie Tieck in seinem blonden Eckbert die Scene schildert, in welcher dieser ganz unerwartet nach der kleinen Hütte mit dem Papagei und dem Hunde Stromian gefragt wird. Ich verwünschte alle Romantik, alle Anagrammenkunst und Sonnettenschmiederei.

Solche einsamen Gänge in Wald und Berg, die mich unwiderstehlich anzogen, waren zuweilen nicht ohne Gefahr der Verirrung, wie sie mir namentlich auf dem Rückwege von der sogenannten Glashütte in der Nacht, trotz des hellen Mondscheins, begegnete. Wenn man so ganz allein im Dickicht des Waldes geht, keinen menschlichen Laut, kein Hundegebell mehr hört, kein Licht oder Feuer blinken sieht, das Rascheln des dürren Laubes vernimmt, das aufgehäuft zwischen den Stämmen modert, durch aufsteigende weiße Nebel in Thalspalten geneckt wird, so erfährt man, wie die Sagen von Wald- und Berggeistern haben entstehen können. Ich verirrte einmal sogar in der Gesellschaft eines[336] aus Heidelberg gebürtigen Studenten, Namens Nagel, der zu mir eine absonderliche Zuneigung gefaßt hatte und mir, wo er nur konnte, wie mein Schatten anhing, obwohl ich umgekehrt für den guten Menschen kein tieferes Interesse gewinnen konnte. Wir waren nach der Hirschgasse gegangen und kamen von ihr, weil wir nicht am Neckar, sondern durch die Berge zurück wollten, statt auf Heidelberg ganz entgegengesetzt auf Schriesheim heraus. Wir hatten zuletzt schlechterdings nicht mehr gewußt, welche Richtung wir einhalten sollten. Wir trafen endlich einen Wegweiser, der aber, trotz des Mondscheins, uns nichts half, weil er im Schatten stand. Zum Glück waren aber im Odenwalde die Namen auf den Armen der Wegweiser eingeschnitten. Nagel machte einen krummen Buckel, ich stellte mich darauf und tastete nun mit den Fingern den Namen glücklich heraus, so daß wir uns wieder orientiren konnten.

Während ich mit Kugler, Wunderlich und Wippermann in einer gewissen Regelmäßigkeit gelebt hatte, war auch zwischen mir und Daub allmälig ein engeres Verhältniß zu Stande gekommen. Da er am Sonnabend Nachmittag nicht las, so wurde derselbe ein für allemal mir von 4 bis 6 Uhr zum Besuch freigestellt. Daub bewohnte ein eigenes Haus in der Hauptstraße, dessen Hinterfront nach der Neckarseite zu gerichtet war. Wir waren zuweilen im Garten, gewöhnlich aber auf seiner Studirstube. Er bewohnte zwei freundliche Mansardzimmer, von denen das eine nach der Straße, das andere nach dem Garten lief. In dem letzteren hauste er. Vor seinem langen Sopha hatte er ein Tischchen stehen, auf welchem sich der Kalender, ein Neues Testament im Urtexte und Hegel's Phänomenologie des Geistes befanden, die er für das bedeutendste aller philosophischen Bücher hielt. Er rauchte sehr stark. Niemals hat eine menschliche Persönlichkeit so energisch auf mich eingewirkt, als Daub. Ehrfurcht, Bewunderung und Liebe verschmolzen sich in meinen Gefühlen. Ich kam mir, seiner hohen Gesinnung, seiner gediegenen Bildung, seinem tiefen Ernste gegenüber, oft ganz kleinlich und erbärmlich vor. Seine große Güte und aufmunternde Freundlichkeit ließen mich allmälig meine anfängliche Beklommenheit überwinden. Waren wir erst im Zuge, so verlor sich bei mir oft der Professor und Kirchenrath, der mir beim Eintritt in die Stube zunächst[337] vorschwebte. Es war endlich kein Gegenstand, den wir nicht besprochen hätten. Was zwischen uns als ein gleichsam äußerliches Band wurde, war die Correctur der zweiten Ausgabe der Hegel'schen Encyklopädie, die in Heidelberg bei Mohr herauskam. Alle Veränderungen und Zusätze wurden durchgesprochen. Ich konnte Daub viel von Berlin und Halle, von dem dortigen Zustande der Philosophie und Theologie erzählen, wogegen er mir wieder von Hegel, von Jacobi, von Jean Paul, von Görres u.A. Mittheilungen machte.

Was mir zuerst befremdlich vorkam, das war die ungeheure Gleichgültigkeit, welche Daub gegen die Tagesliteratur besaß. Die Zeitungen las er Abends im Museum, aber auf das Lesecabinet, Journale zu lesen, was doch fast alle seine Collegen thaten, kam er nicht. Literarische Neuigkeiten ließ er sich vom Buchhändler nicht zusenden. Ich steckte desto tiefer in der Gegenwart und hatte überhaupt einen polyhistorischen Hang zur Gelehrsamkeit, wovon Daub ganz frei war. Selber im schönen Heidelberg, konnte ich nicht widerstehen, mit dem Antiquar Wolf in der Nähe der Universität anzubinden. Ich kaufte zuerst ein schönes Exemplar der Studien von Daub und Creuzer, dann die Lateinische Quartausgabe der Werke des Cartesius bei ihm. Nach diesem Anfang war ich verloren, denn nun sprach ich bei Wolf von Zeit zu Zeit ein. Ich habe diese Neigung zum Antiquariat, die ich mir in Berlin angewöhnt hatte, nie wieder los werden können, und, von der Gelegenheit verführt, viel Geld unnütz darin verthan. – Meine Beschäftigung mit dem Titurel auf der Bibliothek war für Daub so gut wie gar nicht da. Diese ganze Literatur des Mittelalters, die mir so schwer am Herzen lag, war ihm völlig gleichgültig. Aber auch, was, nach meiner Meinung, ihn aus der Gegenwart hätte interessiren sollen, ließ er ungelesen. Görres hatte z.B. eine Flugschrift über Voß nach dessen Tode herausgegeben. Ich hatte sie mir sogleich gekauft, gelesen, ihm davon erzählt und sie ihm angeboten. Obschon ihn dies so nahe persönlich anging, so lehnte er doch mein Anerbieten ab, weil er, da er Voß sowohl als Görres genugsam gekannt, sich schon vorstellen könne, wie dieser die Sache angegriffen habe. Noch mehr erstaunte ich, als er gar kein Verlangen zeigte, das Werk von Carové über die alleinseligmachende Kirche kennen zu lernern. Auch dies hatte ich mir angeschafft[338] und mit Begierde verschlungen. Carové, selber ein Katholik, war doch zugleich principiell ein Hegelianer, und setzte ich voraus, daß eine solche Erscheinung ihn höchlich interessiren müßte. Den Gipfel erreichte meine Verwunderung eines Tages, als ich entdeckte, daß er Novalis' Schriften noch nicht gelesen habe, die für mich eine so unendliche Wichtigkeit gehabt hatten. Was las er denn aber? Es waren nur große Werke. In jenem Sommer z.B. war David Hume's Englische Geschichte, die er im Original las, seine Hauptlectüre.

Doch hatte sich Daub, wie ich jetzt glaube, zu sehr in sich verloren, um auf seine Zeitgenossen nachdrücklicher zu wirken. Es kam dies in einer Arbeit zu Tage, welche er in jenem Jahre verfaßte. – Hegel hatte 1827 die Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik begründet, während gleichzeitig Hengstenberg die Evangelische Kirchenzeitung stiftete. Die philosophische Tendenz und die pietistisch-orthodoxe Partei hatten durch diese Zeitschriften sehr wichtige Organe gefunden. Daub wurde als das Haupt der speculativen Theologie zur Theilnahme an den Jahrbüchern aufgefordert, nahm sie an und sollte über die zweite Ausgabe von Marheineke's Grundlehren der christlichen Dogmatik gleichsam eine Normalkritik liefern. Marheineke hatte sich alle Mühe gegeben, die Trichotomie des Hegel'schen Begriffs in seiner neuen Bearbeitung durchzuführen, und diesem Streben, nach meinem Bedünken, sogar zu viel von wahrhaft priesterlicher Salbung der ersten Auflage geopfert. Daub hätte nun zeigen sollen, wie die dogmatische Theologie von der Stufe, auf welche sie durch die Schelling'sche Philosophie erhoben war, durch die Hegel'sche Philosophie zu einer neuen fortgetrieben werden mußte. Er mußte die Veränderung entwickeln, welche hierdurch in der Fassung der Dogmen unvermeidlich wurde. Er wollte dies auch unstreitig, allein er vergrübelte sich in eine breite, für das größere Publikum ganz ungenießbare Arbeit über die Selbstsucht in der dogmatischen Theologie der jetzigen Zeit. Er ahmte den Styl Hegel's in der Phänomenologie nach. Von Marheineke und von seiner Arbeit, deren Titel über seinem Artikel stand, sagte er kein Wort. In Berlin war man aber damals voll von Bewunderung für Daub's Tiefsinn und druckte die endlose Recension wenigstens zum Theil ab, denn man überzeugte sich bald, daß es unmöglich war, sie ganz aufzunehmen.[339] Daub hat sie ein paar Jahre später als ein eigenes Buch erscheinen lassen. Ich staunte natürlich damals diese mysteriöse Abhandlung, welche bald dem Rationalismus, bald dem Supranaturalismus in ihren geheimsten Wendungen nachspürt, als ein Meisterwerk an, allein ich erkenne jetzt vollkommen das Unfruchtbare dieser Manier. Daub hat später noch zwei Abhandlungen drucken lassen, eine in den Studien von Ullmann und Umbreit, über den Begriff des Logos, eine andere in Bruno Bauer's Zeitschrift für speculative Theologie und Philosophie, über den Begriff der Tradition. Beide waren mit gleicher Unzugänglichkeit behaftet. Die letztere war wohl gegen Strauß' Leben Jesu gerichtet, aber so abstrus, daß nur Wenige sie gelesen und noch Wenigere diese Absicht gemerkt haben. Die Tiefe des Gedankengehalts und die stellenweise Trefflichkeit des Ausdrucks waren von einer undurchdringlich scholastischen Kruste überdeckt.

Als mündlicher Lehrer war Daub viel faßlicher. Ich habe in meinem oben erwähnten Schriftchen: »Erinnerungen an Karl Daub« eine Schilderung seiner Vortragsweise versucht, die ich hier nicht wiederholen will. In der Anthropologie am Nachmittage hatte er viele Zuhörer aus allen Fakultäten. In der theologischen Moral am Vormittag kaum ein Dutzend. Dies Collegium war vorzüglich durchgearbeitet. Die Begriffe der Sittlichkeit, der Persönlichkeit des Willens, des Gesetzes, der Freiheit, der Nothwendigkeit und der Einheit, dieser beiden letzteren wurden ohne alle supranaturale Geheimnißthuerei, wie sie Judas Ischarioth erwarten lassen konnte, Schritt vor Schritt mit einer Klarheit und Würde entwickelt, in der sich eine eben so große didaktische Meisterschaft, als hohe und reine Gesinnung kund gab. Als es zum Bösewerden des Willens kam, erinnere ich mich, daß wir vor der Stunde bebten, worin es nun, wie wir nach der Entwickelung wußten, zur wirklichen Begehung der bösen That und der durch sie bewirkten absoluten Vereinsamung des bösen Subjekts kommen mußte. Mir war so zu Muthe, wie ich mir ungefähr die Stimmung in einem göttlichen Weltgericht vorstellte.


Judex ergo cum se debit

Nil inultum remanebit

Quidquid latet, apparebit.[340]

Quid sum misertunc dicturus

Cum nec justus sit securus?


Die Geburt des Bösen in der menschlichen Seele ist mir seitdem vollkommen begreiflich geworden und diesem Verständniß verdanke ich, daß ich seitdem die Gewißheit der Freiheit des Willens nie wieder verloren habe. Das Collegium war im Grunde ein rein philosophisches. Das theologische Element in ihm beschränkte sich auf den Nachweis, daß die Lehre Daub's mit den Aussprüchen der Neutestamentischen Schriften übereinstimme.

Durch Daub sollte ich nun mit einem Studenten bekannt werden, der schon ein Jahr lang sein Zuhörer gewesen war. Daub lud mich zuweilen am Sonntag zum Mittagessen ein. Nach Tische gingen wir mit der Familie in den Garten, wo ich bis gegen 6 Uhr mit der höchst liebenswürdigen Kirchenräthin und ihrer Tochter Julie zu plaudern pflegte.

Es mochte im Anfang August sein, als ich an einem solchen Mittag Gans und Brandis bei Daub traf. Sie kamen aus Nord und Süd, Gans von Berlin, Brandis aus Rom. Ich blieb von hier ab mit beiden trefflichen Männern in guten Beziehungen und habe Brandis noch 1846 zu Bonn in seinem schön gelegenen Hause besucht. An dieser Mittagstafel fand ich auch einen Studenten, welchen Daub mir als den Sohn des Professors der Theologie Parow aus Greifswald vorstellte, indem er zugleich den Wunsch aussprach, daß wir mit einander bekannter werden möchten. Ich brachte auch sogleich den Abend mit diesem Theodor Parow zu und er trat gleichsam in die Lücke ein, welche mir der Weggang von Wunderlich und Kugler gerissen hatte. Parow war ein hochbegabter, vielseitig gebildeter Jüngling, der mir namentlich in der Mathematik und im Griechischen überlegen war. Er war groß, schlank, an sich starkgliedrig, aber er war krank. Schon seine fahle Gesichtsfarbe sprach mit ihren Falten und Runzeln ein ungeheures Leiden aus. Oft litt er an unerträglichem Kopfschmerz, den ich gar nicht kannte, außer nach schlechtem Punsch oder Wein. Er neigte auch zur Klage und ich hatte ihn oft zu trösten. Parow war eine jener unglücklichen nordischen Naturen, die einen Drang zum Höchsten besitzen, in diesem Streben jedoch sich überspannen und daher[341] zuletzt nichts Rechtes vor sich bringen. Ihr productives Vermögen steht in einem Mißverhältniß zu den Forderungen, welche sie an sich machen. Sind sie nun obenein, wie Parow, ungesund, so erzeugt sich bald ein trauriger Zustand, der zwischen Exaltation eines riesigen Kraftgefühls, eines alle Grenzen überströmenden Selbstgefühls, und zwischen Niedergeschlagenheit, Zweifel, Kleinmuth, ja Verzweiflung hin-und herschwankt. Der Wechsel dieser zerrütteten Contraste spiegelte sich bei Parow auch in seiner Lebensweise. Manchmal durchwachte er halbe Nächte und schlief dann in den Sonnenschein hinein, was mir stets unmöglich gewesen ist. Manchmal genoß er weniger Speise und Trank, als ein Anachoret, und dann konnte er wieder, wie ein Ausgehungerter, massenhaft essen und trinken. Mir waren die geistigen Kämpfe Parow's keineswegs fremd. Ich krankte ja auch an herben Widersprüchen, aber ich war gesund, konnte angestrengt ohne Erschöpfung arbeiten und reagirte gegen die Qualen romantischer Entzweiung durch Arbeiten, die theils einen realistischen Charakter hatten, theils, wenn auch unvollkommen, zu einem gewissen Abschluß gebracht wurden, während bei Parow Alles Fragment blieb. Als er, nach vielen Leiden und nach vielen vergeblichen Experimenten, eine Stellung im Leben zu gewinnen, 1837 starb, gab 1838 sein Schwager Mätzner, der spätere Director einer höheren Töchterschule in Berlin, ein ausgezeichneter Pädagoge und gründlicher Kenner der Altfranzösischen Sprache und Literatur, eine Gedächtnißschrift für den so früh Heimgegangenen heraus, worin er den Lebensgang Parow's beschrieb und Fragmente aus seinem Nachlaß mittheilte, die uns ein Bild seines ringenden, in die letzten Tiefen sich versenkenden Geistes dar stellen. Daub hielt mit Recht viel auf Parow. Er hoffte, daß aus seiner Trübsinnigkeit allmälig größere Leistungen hervorgehen würden. Ich selber fand an seinem Umgang zwar kein so unbedingtes Behagen, wie im Verkehr mit Wunderlich und Kugler, aber er fesselte mich doch als eine sehr bedeutende und interessante Erscheinung, zumal ihm auch das Lachen humoristischer Selbstverspottung nicht fremd war.

Um uns recht auszutauschen, schlug ich ihm vor, am nächsten Sonntag, bei gutem Wetter, mit einem Einspänner nach Speier zu fahren, dessen Dom, den ich so oft von fern sah, mir schon lange im[342] Sinn lag. Dies geschah auch. Wir kutschirten unser Miethsfuhrwerk selber und hatten Zeit genug, uns gegenseitig Alles, was uns von unserem Leben und Streben wichtig schien, mitzutheilen. So ein Reisetag, wo die persönlichen Ergüsse immer wieder durch Anschauung sehenswürdiger Gegenstände, von den kleinen Aufmerksamkeiten auf Pferd, Weg, Unterkunft im Gasthof u.s.w. unterbrochen werden, bringt zwei junge Seelen rasch aneinander, bis zur rückhaltlosen Vertraulichkeit nahe. Alle Fremdheit war von uns gewichen, als wir bei funkelndem Sternenlicht wieder in Heidelberg einfuhren.

Parow war durch Daub zwar auch zum Studium der Hegel'schen Philosophie herangezogen, trug aber viele Elemente in sich, welche derselben widerstrebten. Sie führten sich besonders auf den Einfluß eines Philosophen Muhrbeck in Greifswald zurück, der als Schriftsteller zwar wenig bekannt geworden ist, durch seine persönliche Lehre dagegen begeisternd auf einen kleinen Kreis empfänglicher Jünglinge einwirkte. Um so vorurtheilsfreier konnten unsere Unterhaltungen sich mit Hegel beschäftigen.

Es folgte aber eine trübe Zeit. Wochenlang strömten starke Regengüsse herab. Ich konnte nur selten auf die Berge hinaus. Das Nervenfieber verbreitete sich epidemisch in der Stadt und auch die älteste Tochter meines Wirthes erkrankte schwer daran, kam jedoch zuletzt, als man sie schon aufgegeben hatte, glücklich durch. Parow wurde durch ein Duell verstimmt, das er schon vor einigen Monaten contrahirt, allein nicht ausgeführt hatte. Er hing, wie man studentisch sagt, mit einem Andern. Endlich aber mußte er doch losgehen. Er war in allen gymnastischen Künsten wohl geschult, mußte aber, da er das Fechten seit einem Jahre liegen gelassen, sich noch ein paar Wochen wieder einschlagen, denn das Duell war auf Hieber abgeschlossen. Das Duell wurde in dem Lokal der Hirschgasse ganz regelrecht abgemacht. Parow hatte das Unglück, einen Hieb quer über den Mund zu erhalten, der ihm die Oberlippe ganz, die Unterlippe zum Theil spaltete. Die Wunden wurden sofort vernäht und Parow in seine Wohnung zurückgeschafft. Er fieberte stark. Ich übernahm es, die Nacht über bei ihm zu wachen. Parow sollte sich vor allen Dingen ruhig verhalten, allein er konnte es nicht lassen, schlechte Witze zu machen und selber[343] über sie zu lachen, wodurch die Heilung der Wunde verzögert und nach dem Verlauf des Heilungsprocesses eine recht augenfällige Narbe zurückgelassen wurde.

Parow war jetzt anderthalb Jahre in Heidelberg und wollte es verlassen. Ich bekam eine Aufforderung, mich zum October in Magdeburg zur Cantonrevision zu stellen, die für mich entscheidend war, wenn ich mir, da ich schon im dreiundzwanzigsten Lebensjahre stand, das Vorrecht des Freiwilligendienstes erhalten wollte. Auch erschien mir ein Aufenthalt während des Winters in Heidelberg nicht gerade reizend. Genug, ich beschloß, mit Parow abzugehen. Nur von Daub zu scheiden, wurde mir sehr schwer, aber das Vorhaben einer Rheinreise half mit ihrer Spannung auch darüber hinweg. Mitte September verließen wir Heidelberg auf einem Einspänner, der uns bei herrlichem Wetter nach Frankfurt am Main brachte, von wo wir zu Schiff nach Mainz fuhren. Von hier ab begann die abenteuerlichste Reise, die man sich vorstellen kann. Wir hatten uns gar keinen Plan gemacht, sondern hielten es für sehr weise, je nach den Umständen, je nach den Lockungen des Augenblicks, je nach dem Vortheile der Gelegenheit zum Fortkommen uns einzurichten. Wir setzten uns zunächst im »weißen Roß« zu Mainz fest und schweiften nun von hier zu Fuß bald auf das linke, bald auf das rechte Rheinufer über. Dampfschiffe gab es auf dem Rhein nur erst sehr wenige; sogenannte Jachten beförderten den Verkehr der Reisenden. Mit einer solchen Jacht fuhren wir endlich nach Coblenz, wo alle Gasthöfe so überfüllt waren, daß wir mit Mühe im »schwarzen Bären«, hoch oben, eine Unterkunft fanden. Von Coblenz marschirten wir auf dem linken Rheinufer bis Andernach, wo wir wieder bei einem sehr freundlichen Wirth, dicht am Ufer des Flusses, einen so schönen und wohlfeilen Wein fanden, daß wir uns etwas fest tranken und auch einen Abstecher auf das Gegenufer machten. Der Wirth schien an unserer Gesellschaft Gefallen zu finden und trank Abends in einer Laube mit uns um die Wette. Es waren himmlische Abende, denn Alles, was ein romantischer Sinn begehren konnte: der alte Rheinstrom, Berge, Wälder, Ruinen, fröhliche Herzen, köstlicher Wein, Blumenduft – was konnte ich mir Romantischeres wünschen? Doch mußten wir endlich den Tornister wieder auf den Rücken nehmen und[344] weiter ziehen. Wir gingen, als die Gegend flacher wurde, wieder auf eine Jacht, mit welcher wir, an Bonn vorüber, eines Abends sehr spät in Cöln anlangten und im Gasthof »zum heiligen Geist« logirten, wo wir ein großes, schönes Zimmer nach dem Rhein hinaus erhielten. – Cöln war damals noch weit von dem entfernt, was es jetzt geworden ist. Der Dom namentlich war noch ganz von andern Gebäuden umschränkt und von seinem Bau nur erst der hohe Chor vollendet. Die Schädel der heiligen drei Könige, die höchste Reliquie Cölns, schien uns Ungläubigen eine große Merkwürdigkeit, daß wir einen Preußischen Thaler daran setzten, sie zu sehen. Es amüsirte uns sehr, daß der Küster, als er mit einem seidenen Tuche uns einen der stark gebräunten Schädel vorhielt, zu uns sagte: »Meine Herren, Sie sehen hier die Schädel, von denen unsere frommen Vorfahren geglaubt haben, daß sie den Königen aus dem Morgenlande angehört haben.« – Also die frommen Vorfahren hatten daran geglaubt. Er, unstreitig ein aufgeklärter Mann, dispensirte sich von diesem Glauben. Obwohl wir Romantiker nun gerade eben so ungläubig waren, so galt uns doch die Legende wieder als vortreffliche Poesie, und ich kaufte auf dem Heumarkt von einem Tische, auf welchem deutsche Volksbücher feil geboten wurden, ein Exemplar der vier Heimonskinder, deren Sage mit der Geschichte der Stadt Cöln so eng verflochten ist. Ich kaufte auch das Volksbuch vom ewigen Juden, denn ein Volksbuch mit seinem schlechten Papier, mit seinem nachlässigen Druck und mit seinen rohen Holzschnitten war für meinen damals romantischen Geschmack etwas Unschätzbares, das ich in meinem Tornister, wie ein Handwerksbursche, gern bis nach Hause schleppte. Parow theilte diese Neigung nicht. Das Mittelalter lag ihm fern und er konnte, obwohl er auch Verse machte, Kirchen und Burgen, die wir zu sehen bekamen, nur vom malerischen Standpunkt auffassen. Ihre historische Bedeutung blieb ihm fremd.

Wir hatten zu unserer Rheinreise das schönste Wetter gehabt; in Westphalen aber verfolgte uns der Regen. Wir wurden oft bis auf das Hemd durchnäßt und fuhren einmal eine Strecke, um in dem Schmutz der Chaussee nur fortzukommen, sogar mit Extrapost, weil das Lungern im Gasthof zu Hagen, wo wir nicht aus dem Zimmer[345] heraus konnten, uns endlich eben so viel Geld kostete. Wir kamen doch vorwärts. In der Nähe von Elberfeld wurden wir so heftig von einem Regen und Sturm durchpeitscht, daß wir uns schon am Nachmittag in den Gasthof »zum Deutschen Hause« flüchteten, wo wir eine sehr behagliche Stube und äußerst freundliche, wohlwollende Bedienung fanden. Wir legten uns sofort zu Bett, um uns zu durchwärmen. Gegen Abend fühlten wir uns wieder menschlich. Parow stand auf und schnupperte im Hause herum, wo ihm ein köstlicher Duft aus der Küche in die Nase prickelte. Er brachte mir die Nachricht, daß man Rebhühner brate. Sofort stand auch ich auf und wir begaben uns nach Unten in die Gaststube, wo wir bei gutem Rheinwein einen sehr heiteren Abend verlebten. Am andern Morgen wanderten wir bei schönem Sonnenschein weiter, der aber nicht lange anhielt. Parow wurde sehr unwohl und fing an, sich lebhaft nach Hause zu wünschen, so daß die Gegenstände ihm wenig Interesse mehr ablockten. Von Cassel und Göttingen ab waren mir die Gegenden schon bekannt, weshalb ich auf ein längeres Verweilen und genaueres Eingehen nicht drang. Wir gingen über den Harz, welchen Parow noch nicht kannte, aber, außer dem Ilsenstein bei Stolberg-Wernigerode, ließ ihn die Scenerie ziemlich gleichgültig, weil er, von Kopfschmerz und Verdauungsbeschwerden geplagt, ganz in sich versank. Um ihn zu zerstreuen, war ich, während wir zu Hagen im Gasthof vergeblich auf besseres Wetter gewartet hatten, auf den Einfall gerathen, uns dadurch zu unterhalten, daß wir Versuche mit der Hegel'schen Methode anstellten. Wir fingen also an, alles Mögliche, wie es uns gerade in den Sinn kam, oder wie die Umgebung und die Umstände es uns aufdrängten, in die Dreitheilung des Begriffes als das Abstracte, Negative und Concrete, oder als das Allgemeine, Besondere und Einzelne, oder als Sein, Wesen und Begriff u.s.w. zu classificiren. Ich will nur ein Beispiel dieser Unterhaltung geben, mit welcher wir uns den Weg verkürzten. Wir nahmen also eines Tages die Kleidung vor. Nun wurde vom nackten, unbekleideten Menschen angefangen, dann zum halb, endlich zum ganz bekleideten fortgegangen. Es waren drei unverkennbare Stadien. Nun wurde die Kleidung ihrem Stoff nach durchgenommen. Es wurden die rohen Thierfelle, die schon bearbeiteten, schon geformten Felle und[346] die von Menschen durch Weben hervorgebrachten Stoffe aufgefunden. Hierauf ging es an die Form. Das Hemd erschien uns als die Urform. Schneidet man dasselbe vorn in der Mitte von oben nach unten durch, so erhält man den Oberrock; schneidet man es quer in der Mitte durch, so erhält man die Jacke. Die Jacke ist folglich der Gegensatz des Vollhemdes, das negative Moment, das bald verlängert, bald verkürzt werden kann. Wird ihr hinten ein Schooß angefügt, das Gesäß zu decken, so entsteht der Leibrock. Wir erkannten daher philosophisch die Berechtigung dieses sonderbar erscheinenden modernen Kleidungsstücks. Nun hatten wir aber eigentlich erst die Oberkleidung gefunden, eigentlich erst den Mann bekleidet. Wir machten uns weiter an die Unterkleidung und an die Modification, welche der weibliche Körper erheischt. Hier geriethen wir jedoch bei den Hosen in's Enge und verfielen in Streitigkeiten, die oft so possirlich ausarteten, daß selbst mein melancholischer Theodor herzlich mit mir lachen mußte. Bei der Fußbekleidung waren durch Sandalen, Schuhe und Stiefel die drei Momente gleich gefunden worden, allein mit den Hosen kamen wir nicht überein, obwohl im Orient auch die Frauen welche tragen.

Wie zuletzt über die Hosen, hatten wir anfänglich viel über den Mantel gestritten, ob er schon als eigentliche Kleidung anzusehen sei. Schließlich waren wir überein gekommen, ihn als das charakteristische Moment der Halbbekleidung anzusehen, die wirkliche Bekleidung aber erst damit anzufangen, daß der Mantel durch Einschneiden von Löchern zum Durchstecken des Kopfes und der Arme zum Hemde umgeformt wäre. Schlechtes Wetter kann Fußreisende in der That zu den sonderbarsten Experimenten bringen. Zuweilen spielten wir Schach. Was mir aber jetzt, indem ich mich dieser langweiligen Stunden erinnere, sehr auffällt, ist, daß wir uns die ganze Zeit über gar nicht um die Lectüre der Zeitungen kümmerten, was heut zu Tage gewiß unmöglich wäre.

Wir kamen endlich über Quedlinburg und Halberstadt, von wo wir wieder mit der Post fuhren, nach Magdeburg, wo Parow mich verließ. Wir unterhielten noch mehrere Jahre einen Briefwechsel, dem jedoch eine recht zusammenhaltende Seele fehlte, da unsere Lebensläufe sehr verschiedene Wendungen nahmen. Parow machte mehrfache Ansätze,[347] eine öffentliche Thätigkeit zu gewinnen, wurde aber durch Krankheit beständig wieder unterbrochen. Sein edler Geist kämpfte sich heroisch mit seinen Leiden ab, bis er denselben 1837 unterlag. Ich habe ihn in der Zwischenzeit noch einmal bei einem Aufenthalt in Berlin wiedergesehen, als er dort Hauslehrer bei dem Banquier Eberty war. Ach! wie schmerzlich bewegte mich sein Anblick. Seine Gesichtszüge waren noch ruinenhafter, als vormals. Kopf- und Zahnschmerzen marterten ihn. Je idealer sein Streben war, um so tiefer fühlte er die Hemmung, welche die Natur ihm auferlegte. Er hatte auch noch Vorlesungen bei Hegel gehört, allein nicht den gehofften Erfolg von ihnen gehabt. Hegel schien ihm zu sehr darauf bedacht gewesen, sich verständlich zu machen. Ueber solche elementare Belehrung war Parow aber schon fort, und die blitzenden Schlaglichter, die Hegel zu werfen im Stande war, kamen ihm zu selten, um ihm größere Anregung zu schaffen. –

Quelle:
Rosenkranz, Karl: Von Magdeburg bis Königsberg. Leipzig 1878, S. 305-348.
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