Vorrede zur zweiten Auflage

[448] Hatte der Verfasser am Ende der Vorrede zur ersten Auflage die Dürftigkeit der damals bekannten Erfahrungen in bezug auf das, was er in der Natur mit leiblichen Augen zu sehen wünschte, anerkennen müssen, so ziemt es hier nicht minder, die wundervolle, Hoffnungen, welche im Jahr 1798 der größte Teil der damaligen Gelehrtenwelt für Torheit gehalten hatte, nicht allein erfüllende, sondern übertreffende Ausbreitung des Erfahrungskreises, welche man vorzüglich der Verfolgung Eines großen Phänomens zu danken hat, dankbar anzuerkennen.

Bei der neuen Überarbeitung dieser Schrift ist mancher vergessene Keim wieder sichtlich geworden, der seitdem entfaltet wurde. Durch diese Bemerkung schien eine wiederholte Auflage dieser Schrift noch mehr gerechtfertigt zu werden, sowie der Verfasser wohl sagen darf, daß sie für ihn selbst durch die Erwähnung Winterls, des aufrichtigen und tiefschauenden Forschers, und die Meinung von ihrer Übereinstimmung mit seinen, auf ganz andern Wegen gefundenen Resultaten, welche er äußert, einen neuen Wert erlangt habe.

Möge ihr nun ein solcher auch für das Publikum zuwachsen durch die Zugabe der auf dem Titel er wähnten Abhandlung. Wir können sie als einen reinen Abdruck der allgemeinsten Grundsätze jener Lehre angeben, welche unter dem Namen der Naturphilosophie zwar eine sehr schnelle Ausbreitung erhalten hat, aber wahrlich noch sehr wenig in ihrem Wesen erkannt worden ist. Diese Abhandlung ist geschrieben, nicht bloß um gelesen,[448] sondern um studiert zu werden; das Abgebrochene und Kurze der Darstellung mag dienen, jene, welche das Letztere nicht vermögen, wenigstens von ihr abzuhalten. Sollten sie das Wort Band bemerken, dessen sich der Verfasser bedient, so ist zu wünschen, daß sie es nicht mit dem Winterlschen Ausdruck verwechseln und daraus wieder eine Gleichheit beider Ansichten auf ihre Weise inferieren; denn der interessante Parallelismus, der sich hier wirklich aufweisen ließe, ist für sie nicht vorhanden, und wäre ihnen schwer verständlich zu machen.[449]

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907, S. 448-450.
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