§ 42. Subjekt des Wollens.

[160] Das Subjekt des Erkennens kann, laut Obigem, nie erkannt, nie Objekt, Vorstellung, werden. Da wir dennoch nicht nur eine äußere (in der Sinnesanschauung), sondern auch eine innere Selbsterkenntniß haben, jede Erkenntniß aber, ihrem Wesen zufolge, ein Erkanntes und ein Erkennendes voraussetzt; so ist das Erkannte in uns, als solches, nicht das Erkennende, sondern das Wollende, das Subjekt des Wollens, der Wille. Von der Erkenntniß ausgehend kann man sagen »Ich erkenne« sei ein analytischer Satz, dagegen »Ich will« ein synthetischer und zwar a posteriori, nämlich durch Erfahrung, hier durch innere (d.h. allein in der Zeit) gegeben. Insofern wäre also das Subjekt des Wollens für uns ein Objekt. Wenn wir in unser Inneres blicken, finden wir uns immer als wollend. Jedoch hat das Wollen viele Grade, vom leisesten Wunsche bis zur Leidenschaft, und daß nicht nur alle Affekte, sondern auch alle die Bewegungen unsers Innern, welche man dem weiten Begriffe Gefühl subsumirt. Zustände des Willens sind, habe ich öfter auseinandergesetzt, z.B. in den »Grundproblemen der Ethik«, S. 11, und auch sonst.

Die Identität nun aber des Subjekts des Wollens mit dem erkennenden Subjekt, vermöge welcher (und zwar nothwendig) das Wort »Ich« beide einschließt und bezeichnet, ist der Weltknoten und daher unerklärlich. Denn nur die Verhältnisse der Objekte sind uns begreiflich: unter diesen aber können zwei nur insofern Eins seyn, als sie Theile eines Ganzen sind. Hier hingegen, wo vom Subjekt die Rede ist, gelten die Regeln für das Erkennen der Objekte nicht mehr, und eine wirkliche Identität des Erkennenden mit dem als wollend Erkannten, also des Subjekts mit dem Objekte, ist unmittelbar gegeben. Wer aber das Unerklärliche dieser Identität sich recht vergegenwärtigt, wird sie mit mir das Wunder kat' exochên nennen.

Wie nun das subjektive Korrelat der ersten Klasse der Vorstellungen der Verstand ist, das der zweiten die Vernunft, das der dritten die reine Sinnlichkeit; so finden wir als das dieser vierten den innern Sinn, oder überhaupt das Selbstbewußtseyn.[160]

Quelle:
Arthur Schopenhauer. Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden. Band 5, Zürich 1977, S. 160-161.
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