Die Kulturstufen

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Die c-Kultur [bringt] die Idee des Hauses. [In] a-b [leben die Menschen] irgendwo in Höhlen, unter Bäumen. Hier – seit c – wird gebaut. [Das] Haus [ist] ein Symbol des Lebensgefühls, [das] Gehäuse des Lebens.


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›Bauen‹ [ist] ein Unternehmen zu mehreren, organisiert, zweckbewußt, sprachliche Verständigung: Befehlen, Besprechen, Gehorchen.

Wie Pflanzenbau statt Sammeln, Tierzucht statt Jagd. [Die] Idee, etwas Künstliches zu schaffen gegen die ›Natur‹. (Klima, Tiere, Menschen.) Höhlen (b-Stufe), Vogelnester, Fuchsbauten sind Ergebnisse triebhafter Handlungen gattungsmäßig. Zu diesem Gattungstrieb des Schwarmes tritt das sprachgebundene Zweckdenken des Stammes.


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Jede d-Kultur verfällt von der aristokratischen formalen Frühzeit zur demokratischen Formlosigkeit der großen Städte. Heimat (c) [ist] die Landschaft, in der man jeden Menschen kennt, ein Tal, eine Feldmark. Rom, nicht Latium. Was heute Nation und Vaterland genannt wird, ist ein abstrakter Gedanke der Großstädter. Landkarte, Statistik.


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Nicht jeder Mensch eines Kulturvolkes ist Kulturmensch. Kultur haben bezeichnet einen Rang. Viele haben etwas davon, einige Züge, einen Hauch. Einzelne repräsentieren sie ganz – Goethe, Friedrich II., Lionardo. Es gibt unter den c-Stämmen b-Menschen. In einer d-Kultur – zu der die Bauern nicht gehören, als Schicht – [sind] die meisten [Menschen] c-Menschen.[52]


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Es gibt keine Ursprache, sondern nur einen Urtypus des denkenden Sprechens, der mit Aussprache und Wortschatz nichts zu tun hat.

Dieser Urtypus bildet sich in c unter weiten Bevölkerungen von selbst, in vielen Variationen aus.

Spätere ›Sprachen‹ sind nur neu geprägte Gruppen aus einer frühen Variation.


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c: Mit Sprechen-Denken (neue Art des ›Bewußtseins‹) beginnt Kultur-Geschichte gegenüber Naturmensch und Geschehen. Geschichte ist durchgeistigtes, wortbewußtes Wollen, Organisieren – die Tragödie liegt darin, daß das Schicksal, das Blut (das Unbewußte) stärker ist und lenkt.


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c: Stamm, Clan, Sippe. Der Stamm [ist] eine Vereinigung von Sippen. Blutrache. Hausherr als Richter im Hause. Übergang von Sippen von einem Stamm zu andern, d: Staat als feste Organisation. Stadt, Stand.

Die c-Organisation hält sich unter Adel und Bauern. Die Stadt zerstört die Sippen durch den Stand. Gesellschaft [ist] eine Summe von Familien mit ›Verwandten‹, die nichts mehr bedeuten.


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Was ist Kultur? Kultur ist wie ein reiches Haus. Kinder ›sehen‹ nichts von den kostbaren Möbeln, Gobelins, Vasen. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Erst langsam wächst man in die Kultur eines solchen Herrensitzes hinein. Lakaien, Mägde, der Ziegenhirt verstehen noch nichts davon, aber aus andern Gründen. Sie bleiben infolge ihrer Erziehung – Dorfbildung, Kirchenzucht – auf der c-Stufe, die darunter weiterlebt, als Fundament, auch seelisch. Blut und Seele der d-Schicht[53] ergänzt sich unaufhörlich aus c und wird verbraucht. Man kann die erreichte Kultur jederzeit als Gebäude betrachten, das der eine als zugehörig [bewohnt], der andre haßt, der dritte gar nicht sieht.


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c-Kultur: zuerst West, Süd, dann Nord. d-Kultur: zuerst Ägypten, Babylon, zuletzt Abendland. Die Sonne hat zuerst die heißen Seelen ausgebrütet. Langsam reiften auch die winterlich kalten Seelen des Nordens. Spät, geistig.


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c-d-Kulturen: Ägypten (Westen). Babylon (Süden). Indien, China [und] Antike [gründen sich] auf W[estkultur verbunden mit dem Wesen des] Südens. [Die] arabische [Kultur ist eine] allgemeine Mischung: West und Süd und Nord, [ein] Mittelpunkt, nach allen Seiten gewaltig strahlend: Religionen, [bis hin zum] Islam; Kunst, [bis in die] Kunst [der] römischen Kaiserzeit [hinein]: Kuppel, Bogen. [Das] Abendland [ist] spät, hochnordisch: Nord und West.


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Ich habe schon [in] ›Mensch und Technik‹ die Stufenfolge gezeigt, welche der Mensch innerlich einnimmt. Stein und Bronze sind keine seelischen Werte. Aber die Sprache trennt den Urmenschen b von c-d. Hochkulturen (d) ruhen auf der Grundlage von c. Wenn heute auch die primitivsten Stämme Sprachen besitzen, so ist das die Folge von c, wie sie auch Feuer, Werkzeuge etc. besitzen. Es kommt aber auf die Zeit der Sprachschöpfung an, etwa 5. Jahrtausend. Bis dahin mußte man sich durch Zeichen und Laute verständigen oder verstand sich instinktiv. Hier beginnt die geistige Vermittlung. ›Sprache in geistigen For men‹ gegenüber dem Wink, [dem] Zeichen. Sprache [ist die] geistige Form der Mitteilung, übersinnlich.[54]


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In b-c entstehen für das Auge die unterscheidenden Zeichen, [nämlich] unterscheidend die Menschen, die zum ›Wir‹ gehören, und [jene,] die Feinde sind. Diese Zeichen – Ornamente, Imitation, diese seltsamen seelisch erregenden geometrischen Figuren oder Tierbilder. Dann das Tier, das höhere, dem Menschen als gleichgestellt empfunden: Stier, Hengst, Löwe, Bär etc., die vernichtende Heuschrecke, die Biene, seltsame Wesen wie Schlange, Molch, Muschel. Langsam wie im Denken wird das Zeichen etwas andres: Was man auf den Leib, die Hütte, die Waffe ritzte, malte, ging in Sage über.

Man nannte sich [selbst] Wölfe, den Ahn Wolf; die Gefürchteten oder [den] verhöhnten Feind [nannte man] anders. So entstanden Totemvorstellungen, Stammsagen, Kulte.

In den späten, historisch gewordenen Totems ist der Ursprung gar nicht mehr festzustellen. Totenkopfhusaren, Wolfsbälge, Picenter.


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Rasse [nach den vier Stufen geordnet]:

a – Urrasse ist Naturrasse, somatisch, Urform des Typus Mensch. (Wir urteilen über die Rasse fast nur als Sehbilder.)

b – Mischungen, klimatisch-landschaftliche S[chläge] großer Gebiete. Bewegliche Rasse.

c – Landschaftsrasse, Berufsrasse: Bauern, Nomaden, Jäger, Wald, Wüste, polare und äquatoriale Spielarten. Menschenschlag.

d – Hochkulturtyp: Adel, Auslese. Geistige Rasse (Gesicht). Masse der Städte.


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Das Sprechen beginnt mit c: Die ›Sprache‹ [ist] zunächst noch nicht da. Nur Namen und Gesten. Erst langsam, in aufsteigenden Kulturgebieten, entwickeln sich zuweilen Elemente einer Grammatik. Im 4. Jahrtausend werden sich hier und da schon gewisse Formeneinheiten[55] ausgebildet haben. Die Systeme des Indogermanischen, Hamitischen, Semitischen etc. [bildeten sich] erst gegen Ende des 4. Jahrtausends, vielleicht später. (Nur in Ägypten, Babylon sind sie schon entwickelt.) Im 3. Jahrtausend gibt es schon Sprachfamilien.


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In den Stufen a-b [ist das] Geschehen ohne Bewußtsein, ohne Bild, [in den Stufen] c-d [beginnt die] Geschichte, [die] Welt als Geschichte, [das] Bild von eigenem und fremdem Leben. Das ist ›Kultur‹, die Form des seiner selbst bewußten Lebens, a-b [ist] instinktive, kulturlose Tätigkeit. Erst das Sprechen, das einen intellektuellen Abstand an die Stelle instinktiver Verbundenheit setzt, gibt das Darübernachdenken, löst also von dem sinnlich gegenwärtigen Augenblick, in dem Tiere leben, und gibt den Blick aus der Ferne über die strömende Wirklichkeit.


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Mit der Kultur legt sich ein eherner Panzer um das Leben. [Die] Sitte (seit b) [ist] von innen heraus verpflichtender Lebensstil unter dem Druck der Landschaft und ihren Bedingungen. [Die] Sitte des Blutes [ist] unbewußt, selbstverständlich. Moral (seit c, sprachlich) [ist] kein Zwang des Blutes, sondern der ›Gelehrten‹ und ihrer Autorität. Zum Teil [wirkt sie] gegen die Sitte. Zucht und Bildung (Sitte und Moral). Der Empörer sucht sich zu befreien, der Knecht haßt nur, was er als sich fremd empfindet.


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[In] a-b [ist die] Herstellung von Geräten noch halb instinktiv. Sie gehören der Gattung homo an (wie die Wabe den Bienen). Jeder [ist] für sich. [In] c-d: Jetzt [entstehen] Sonderkulturen. Reflexion. Längst beobachtet: Atlantis (Schuchhardt, Hoernes), Turan (Strzygowski, Scheltema). Aber nur in ihren materiell konservierten Resten. Ausgrabung in China, Japan, Korea, Hinterindien, Indonesien.[56]

[Seit] c-d [wird der Mensch] seßhaft; deshalb differenziert er sich seelisch. [Die] Macht der Landschaft bindet das Blut an sich.

Ähnlich [ist es bei den] Haustieren: die Rasse [wird] durch die Lebensart verwandelt. Der c-Mensch wird [zum] Haustier. [Er ist] seelisch-leiblich verändert.

Der Nomade der See und des Landes ist der Protest der menschlichen Rasse gegen die Wirkungen der technischen Kultur, des ›Geistes‹. Vgl. Bohemien, Abenteurer, Seeräuber, Cowboy. Der wandernde Bauer sucht nur den Ort, wo er wieder Wurzeln schlagen kann, der Nomade flieht davor.


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Ich nenne die c-Kultur nordeurasisch. Sie ist Lebensstil, Weltanschauung, Seele. Nicht Sprache und Rasse. Hochkultur (d) kommt vom Norden her. Im Süden beginnend (Ägypten, Babylonien). Aber nie äquatorial. Die Saharakultur war gering (b mehr als c). Weder Keramik noch Sprache haben sichere Resultate, wenn man nicht (die historisch-politischen) imaginieren kann. Sich ein Bild machen. In einer Sprache Schichten unterscheiden – eine bedenkliche Vorstellung. Töpfe sind schließlich hergestellt worden. Liegen in Erdschichten. Man vergißt, daß es eigentlich keine Sprache gibt, sondern nur sprechende Menschen. Die ›Sprache‹ lebt im währenden Sprechen durch Generationen. Wir kennen davon nur das Schriftbild einiger, das die Lautgruppe nicht wiedergeben kann oder will. Auch die Buchstabenschrift ist konventionell, nicht wissenschaftlich. Man lernte lesen, d.h. bei dem Schriftbild eine gewohnte Lautgruppe denken, die sich von Generation zu Generation änderte, rassemäßig.


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Der b-Mensch haftet noch nicht am Boden, er schweift. In c [kommt] mit dem Bodenbau und der Viehhaltung die Seßhaftigkeit, damit [ist] die wechselnde Höhle ins Haus verwandelt. Die Viehnomaden[57] sind, erst aus seßhafter Viehhaltung hervorgegangen, wieder schweifend geworden.


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1. Jahrtausend [v. Chr.]: Die großen Bewegungsideen kommen auf: Schiff – Wagen – Reiterei. 1. Jahrtausend vor – 2. Jahrtausend nach Chr. sind sie allgemein verbreitet. Ebenso Bogen, Axt, Metall.

2. Jahrtausend nach Chr.: Eisenbahn – Dampfer – Auto.

Psychologie der Waffen: List, Mut, Stolz, Vorsicht, Tapferkeit. Mut des Seefahrers und Mut des Schwertkämpfers sind verschieden. Der eine wagt, um zu gewinnen, der andre wagt um des Wagens willen – weil das Leben sonst schal ist.


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1. Schiff, Hamitosemiten. Bogen, Axt. Ägypten, Babylonien, Mittelmeer. Bohuslän.

2. Streitwagen, Indogermanen. Schwert, Axt. Tripolje, Bronzezeit. 2. Jahrtausend, Hyksos, Antike, Indien, China. Antike (Apollo – Dionysos). Indien (Veden, Harappa, Shiwa).

3. Reiter, Indogermanen, Türken. Perser, Skythen, Borneo. 1. Jahrtausend.

4. Verbreitung der Bewegungsmittel. 1. Jahrtausend Polynesien, Japan, Peru, Mexiko. Arabien, Turkvolk, Hunnen, Germanen.

5. Abendland. Maschine. 2. Jahrtausend.

6. Rußland.


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b: Idee des ›Stammes‹ = Blutsverwandtschaft (Blutsbrüderschaft, Adoption).

c: Der ›Staat‹ [ist] erst mit der ›Nation‹ entstanden: Macht- und Kriegseinheiten. Sprachlich – gedacht. Begriffe der Regierung, des Befehls, der Grenze.

Der matriarchale Stamm (atlantisch): durch Heirat mit einem Weibe des Stammes dessen Angehöriger werden. Der patriarchale[58] (nordisch): durch Adoption. Blutsbrüderschaft. Also [Hegt der] Unterschied [in] der Idee: die männliche-kriegerische Linie der Tat und die mütterlich-gebärende der bloßen ›Generation‹. Männliche und weibliche Erbfolge – Tradition und Generation.


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Der Unterschied von reich und arm ist ebenso alt wie der von mächtig und machtlos. Adlig [ist] besitzend. Der Neid des Besitzlosen seit c. Das beginnt mit dem abgezogenen Denken (c), mit dem Reflektieren über Tatsachen. Wo statt des Instinktes, der nach Macht trachtet, der zweckgebundene Wille sich nach bestimmten Zielen richtet. Das rationalistische Gerede in Spätzeiten (Sophisten, Rousseau, Marx) ist gleichgültig. Die Tatsache ist, daß Überlegenheit sich durch Schätze, Bodenbesitz, Herrschertum, Waffenstärke etc. gleichmäßig äußert. In Urzeiten ist der, der viel Besitz hat, dadurch adlig. Armer Adel ist sinnlos.


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Die große Veränderung von Rasse und Seele: 5. Jahrtausend: der ›Bauer‹, der seßhafte Mensch, [hat] das festgegründete Haus – statt dem flüchtigen. Änderung der Nahrung. Sklaven des Bodens statt Herren der Erde. [Die] Seele des Bauern [ist] schlau, verschmitzt, geizig, ohne großen Schwung, der typische Untertan, der die Scholle nicht verläßt, um frei zu bleiben, sondern [der] mit ihr Sklave wird.


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c-Kultur: Der ›Bauer‹ ist Sklave des Bodens, gebunden, durch körperliche Arbeit verunstaltet, seelisch gedrückt. Die Viehhaltung läßt den Menschen frei bleiben: er herrscht über Tiere, nicht Pflanzen. Er wird nicht zur Pflanze. Rein körperlich sind Krieger-, Jäger-, Nomadenrassen besser gebildet als Erdarbeiter (Berg- und Landbau). Typus des Sklavenmenschen. Stolz ist man nur auf Landbesitz. Tendenz[59] des Besitzenden, sich von der schweren Arbeit zu emanzipieren. Die Idealtypen (pergamenische Göttinnen, Germanen des Tacitus, Naumburger Dom) sind Krieger, nicht Bauern.


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Der c-Mensch wird Pflanzer, erdgebunden, seßhaft, vegetativ. Alles andre: Fischenjagen, Viehhalten hängt davon ab. Mit der Ausbreitung des Wüstengürtels durch die alte Welt wird ein Teil davon wieder entwurzelt: So entsteht der Nomade, der von Wasserstelle zu Wasserstelle zieht, frei wird vom Gebot der Erde, Herrenmensch, Eroberer. Der Gegensatz von Bauernvolk und Herrenvolk: der Erde gehorchen – gebieten. Der geborene Sklave ist der Bauer. Jäger, Fischer. Nomaden lassen sich nicht unterwerfen.

Der Typus des Bauernvolkes entsteht im 5./4. Jahrtausend, der des Eroberervolks im 3. Deshalb sind Ägypten [und] Babylon nicht Eroberer, sondern Pflanzer. Seitdem gehen alle Kulturen aus Herrenschichten hervor.

[Es gibt] zwei Typen des Wandermenschen, der frei von der Erde ist: Beduinen und Wikinger. Von der Sahara aus entsteht die atlantische Seefahrt bis [zur] Nordsee und [zum] Schwarzen Meer, vielleicht auch Ostafrika – Arabien. Von der [Wüste] Gobi aus vielleicht die pazifische Schiffahrt – vom Indus oder Amur? Inka – Streitwagenvölker i Auch die Kälte des hohen Nordens vertreibt die Pflanzer und führt zur Eroberung. Skandinavien, Tolteken, Mongolen. Die Herrenseele – frei vom Gebot der Erde – kennt auch die Gemeinschaft nur in der Form der Gewalt: Adel, Krieger, nicht Bauern. Handel statt Industrie.


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Die politische Einheit in c ist der ›Stamm‹, von einer Zahl und Grenze, die die rasche Versammlung an einem Punkt möglich machen. So sind z.B. Benjamin, die Spartaner, die Kimbern gewesen. So zahlreich, daß die bewaffneten Männer auch Widerstand leisten können. Sinkt[60] die Zahl, so schließt sich der Stamm an stärkere an oder wird zersprengt, wächst sie, so zerfällt er. Der Stamm (Älteste oder Häuptling) zerfällt in Sippen (Geschlechtsverband), die ihre eigene innere Gerichtsbarkeit haben (clientes, familia). Franken, Tyrrhener sind stammverbunden; Dorer nur eine moderne Abstraktion auf Grund der Sprache. Erst in d war die politische Einheit die Nation (Stadt, Stand, Gesetz, Staat) mit Verwaltung und Regierung. Die Ostgoten, Lombarden [sind] ein Stamm (c), der auf altem Kulturboden einen Staat (d) zu gründen versuchte. [Die] Karolinger [sind] ebenso [ein] Stammesverband mit der äußeren Form des byzantinischen Staates. Erst im 10. Jahrhundert entstehen wirkliche Staaten abendländischen Stils. War Kafti ein Staat oder eine Amphiktyonie?


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In [den] c-Kulturen [herrscht] Ordnung nach Sippen. Patriarchat, Matriarchat. Stamm. In der d-Kultur [ist die] Stadt [die] Gesellschaft, [repräsentiert durch die] Stände. Je formeller, desto größer die Distanz zwischen oben und unten.

Zwei Stände. Dritter Stand. Rest, Bauern. Hochkulturen sind aristokratisch. Rasse [ist] Auslese. Rasse und Volksgenosse – [das ist ein] Widerspruch. Die Opposition gegen die Distanz erkennt sie durch ihren Angriff gerade an. Intellekt (Programm) gegen Instinkt (Rassewerte). Der gesunde Mensch empfindet instinktiv, daß Distanzen natürlich sind.

Von jeher [ist] die Rassemischung selbstverständlich, überall. Landschaft, Stand prägen immer neue Typen. Nur die rassisch Minderwertigen predigen Rasse. Kultur ist Form, ist Dichtung. Kultur ist Stand, Tradition, Zucht. Deshalb [sind] alle Revolutionen gegen Zucht, Bildung, Vornehmheit. Es sind die von der Rasse, dem Stand, der Kultur Ausgestoßenen, die bellen.


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Was ein c-Volk zäh behält, ist das, was zur Welt- und Lebensanschauung, zur Idee des Daseins gehört: Auf der einen Seite die Sitte[61] des Krieges, Staates, Rechts – also die Waffen (Ethos, Idee des Kämpfens), Titel und Ämter der Macht; die Jagd, den Haustyp (= Stil der Familie), auf der andren Seite das Tabu: Grabritus (wenn auch die künstlerische Gestalt des Grabes gern übernommen wird), die Idee des ornamentalen Ausdrucks (nicht die Ausdrucksmittel), die Idee der Religion (nicht Götternamen, Kulte, Ort, rituelle Formen). Wenig Wert wird gelegt auf Sprache, Keramik, Tracht, Götter, Kulte, praktische Geräte.


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[In] b-c[wächst] aus der Horde nichtsprechender Wesen der sprachverbundene Stamm. Geistiger Zusammenhang des praktischen Handelns, Unternehmens. Geistgeleiteter Instinkt und instinktgeleiteter Geist. Horde (Schwärm) [ist] eine naturhafte, organische Einheit, instinktiv. Idee des Wir. Stamm [ist] eine bewußte, irgendwie organisierte Einheit. Idee und Wissen der Einheit nach Zweck und Mittel. Sprache rasch wechselnd, da sie nur Hilfsmittel ist. In sehr primitivem Zustande. Sprache mit kleinem Wortschatz, primitiv, Grammatik, leicht lernbar. Wer in den Stamm eintrat, lernte die Sprache. Der Stamm gab seine Sprache auf und lernte die des Nachbarn.


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Der Seefahrer und der Reiter ist der Mensch, der sich seine Freiheit wieder erobert hat, gegen die seßhafte Kultur. Die Kultur geht vom Bauern aus, die Politik von Nomaden. Kultur ist durchgeistigt, Herrschaft ist ungeistig. Dem Raubtier Mensch ist die Kultur zuwider – er hat sich in eigner Fessel gefangen, der schlaue Jäger.


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Von a bis d wächst der Gegensatz zwischen unbedeutender Menge und bedeutenden einzelnen: das ist ein Maßstab für die Kultur. In c gibt es noch anonyme Bewegungen. In d sind sie kaum möglich.[62]

Da wir aber in Prähistorie und Archäologie nur Topfscherben, Geräte und Waffen, keine Einzelnamen und Einzeltaten kennen, so ist uns die Geschichte solcher Zeiten für immer versunken. Hier findet der unersättliche Drang, alles zu kennen, eine unübersteigbare Grenze.

Man mache sich das an den Funden in Boghazköi, den ägyptischen Inschriften, den Resten der altisraelitischen Literatur klar: Die Ausgrabungen ohne diese historische Kenntnis würden nichts von den Staaten, Kriegen, Persönlichkeiten melden. Nur ›Schichten‹.


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Organisation: In der c-Kultur gibt es noch keinen ›Staat‹, sondern nur die Macht eines Stammes, die sich allerdings über andre Stämme ausdehnen kann. Ein Staat ist eine politische Organisation mit Beamten, Verwaltung, dem Bedürfnis nach schriftlicher Mitteilung. Er mag noch so klein an Umfang sein, jedenfalls ist der Apparat wesentlich. Die Stammesmacht beruht dagegen auf persönlicher Berührung, patriarchalischem oder anderem Zusammenhalten.

Ein ›Staat‹ beginnt in Kafti um 2000. Staaten waren die Grundlage der Ostgoten (Theoderich), Westgoten, Vandalen, Franken. Mächte waren Hunnen. Arminius, Marbod. Stammesorganismen entstehen und vergehen, durch den Tod von Führern z.B., Staaten werden begründet und zerfallen. Künstlich.


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Kunstgeschichte: Wie entsteht das, was wir heute zurückschauend Kunst nennen? Sicher sind unsre Gefühle und Anschauungen sehr verschieden von dem, was in b [und] c empfunden wurde. Wie entstehen Ornament und Imitation? Baukunst ist geistig, Unternehmen, setzt Sprache, Befehl, Organisation voraus, während jeder für sich kneten und malen kann. Baukunst also erst in c. Malen, Stricheln wahrscheinlich schon in b. Baukunst [ist] deshalb zuerst unpersönlich. Stil der Rasse, weil viele dazugehören. Deshalb beginnt die Stilgeschichte (d) mit Bauen. Erst als das Bauen mit schriftlichen Entwürfen[63] anfängt, beginnt der persönliche Ausdruck, sehr spät. Damit auch die Plastik und Malerei: die Trennung von Entwurf (Idee, Skizze, Plan, also ›Schrift‹) und Ausführung (Malerei, Meißelei).


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In b (Altamira): nicht das Auge schafft, sondern die spielende Hand, zum Teil im Dunklen, instinktiv. Von Freude am Gebildeten ist keine Rede, sondern nur [von] Freude am Bilden. Das ist wichtig: Freude am Bilden, nicht am Gebildeten. Freude der Hand, nicht des Auges. Sobald das Ding fertig ist, interessiert es nicht mehr. Und es hat nur den Schaffenden interessiert, sonst niemand. Die Freude des Zuschauers – wenn es einen gab – erlischt auch mit dem Fertigsein. Wie bei Kindern, die die Tafel abwischen und von vorn anfangen. Wie bei Gesang und Tanz.

Altamira ist aber nur der zufällig erhaltene Zeuge einer Kunstübung, die viel weiter ging – Juchzen, wortlos, Nachäffen, Verkleiden, Sichbemalen, Tanzen. Das gehört zusammen. Erhalten hat sich nur Gemaltes, Geschnitztes in hartem Material. Die bemalte Steinwand ist etwas an sich sehr Nebensächliches. Es gibt ein falsches Bild, wenn man von da aus Stufen konstruiert. Was uns gefällt, sollte niemals für diese Zeiten als Maßstab gelten.


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a-b Kultur der Hand, c-d Kultur des Sprechens, organisiert, durchgeistigt, b: Schauen und Ahnen: das Auge sieht die Welt unter dem Aspekt der tätigen Hand, c: die Hand ist dem Geist unterworfen, b: Konflikt Schicksal-Kausalität: Natur-Menschenhand, die kausal arbeitet. Praktische Kausalität, c: Konflikt Geist – Hand. Der Geist, in die Ferne wirkend, die Hand nahe.


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[Die] Weltanschauung der c-Kultur äußert sich in Bau, Mythus, Schmuck. Bau und Schmuck (Ornament und Imitation) sind ursprünglich[64] aus verschiedenen Wurzeln hervorgegangen: der Bau ist ›Unternehmen‹, der Schmuck ist ›Handschrift‹, jener also ein ›Wir‹, dieser ein ›Ich‹, jener der Sprache der Grammatik, dieser dem innersten Fühlen näherstehend (etwa wie Bau der Tragödie und Melos der Verse verschieden sind). Aus der Ausdruckstätigkeit des Bauens geht das Architektonische hervor (auch die Komposition von Bildern), aus der des Schmucks Bildhauerei und Malerei. Atlantis (Stein) und Kasch (Ziegel) ›bilden‹ Lebensformen: Tier, Mensch, der Leib, in Atlantis seiner Lebensanschauung nach, in Kasch mythisch ausgestaltet. Im Norden entspricht der Pantheismus dem Übergewicht der Ornamentik. Der Holzbau ist Ornament. Die Seele des Schiffs, Ruders, Schwertes, Hauses, Topfes wird ornamental ausgedeutet. In der Landschaftsmalerei die Seele von Pflanzenwelt, Gebirge, Meer.


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c-Kultur: Hier beginnt das ›Wissen‹ als Fähigkeit und daraufhin als Besitz gewisser Typen. Damit aber auch der Unterschied von gelehrt und klug, die Erscheinungen des gelehrten Schafskopfes und des unwissenden Schlaukopfs. Heute, wo die Gelehrtenwelt ein Handwerk ist mit einer spezifischen Begabung für bestimmte gelehrte Arten, Methoden, Gebiete (wie [es] Begabung für Kombination von Stoffteilen zu Anzügen [gibt]), ist der gelehrte Idiot etwas Alltägliches. Gelehrtes Denken [ist] oft plump, dumm, flach; ungelehrtes sehr oft tief, kraftvoll.


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Das älteste Verkehrsmittel ist das Flußboot oder wie man es sonst nennen will. Der Mensch fürchtete den Wald, vor dem er ohnmächtig war, und das Gebirge, soweit es nicht wildreiche weite Täler hatte. Daß man den ›Höhlenmenschen‹ überall in den Bergen findet, ergab ein falsches Bild seiner Wohnweise. Da hat er sich erhalten, gelebt hat er meist anderswo. Der Landweg ist schwieriger als der Flußweg. Jeder treibende Ast zeigte, wie man es machen kann. Viel später[65] kommt das Saumtier, der Träger zu Lande. Noch viel später der Karren. Die Seefahrt aber entstand mit Selbstverständlichkeit aus der Flußfahrt – an den Mündungen.

Es ist klar, daß c-Siedlungen an Flüssen liegen (Tripolje, Nil, Indus, Euphrat). Eine Megalithkultur Elbe, Loire, Seine. Mit damaligen Seeschiffen konnte man alle Flüsse befahren.


54


Kultur und Arbeit: Tätigkeit ist etwas andres, ist erfülltes Dasein. Biene, Jagd, Fischen, Sammeln, Silex-spalten. Nichts von Arbeit. Erst mit c beginnt die ›Arbeit‹ als bewußtes Müssen, das der Stärkere auf den Schwachen ablädt. Mit dem reinen Denken (Sprache) das Arbeiten: Ackerbau, Viehzucht, Töpfern, Hausbau. Umkreis der dörflichen Arbeit. In d die städtische Arbeit, rein geistig, nicht der Hände. Wissenschaft, Kaufmann, Beamter, Verachtung der Handarbeit, die das Leben drückt. Technische Stadtarbeit: Sklavenarbeit.


55


Wie lange a-b gedauert hat, wissen wir nicht.

1. Nur die 2. Epoche. Längst gefühlt, aber falsch gedeutet: Neolithikum [ist] Museumsstandpunkt. Jäh, kurz, verhängnisvoll. Äußere Dinge. Zeugnisse: Bergbau, Schiffahrt, Pflanzenbau, Viehhaltung, Steinbau. Gleichzeitig 5. Jahrtausend überall. Grund? Arbeit zu mehreren. Setzen sich gegenseitig voraus: Viehhaltung den Pflanzenbau, Handel das Töpfern, Ackerbau das Zugtier, Tauschhandel das Boot, [den] Wagen, [die] Straße. Sprache: Das läßt sich beweisen. Von hier an viel schneller, jedes Jahrhundert bedeutet etwas.

2. Was ist ›Sprechen in Worten‹? Plötzlich entstanden. Worte kristallisieren. Kristallbildung. Nicht das Wort, sondern die fortlaufenden Sätze, Satzfolgen. Der Bauer selten, nicht unser Geschwätz, nur Notwendiges. Klatsch, Konversation zwecklos, sinnlos, aber: Der Zweck des Sprechens bestimmt die Form. Es muß einen Zweck gehabt[66] haben. Technik des Sprechens, Satzbildung ist nicht sinnlos. Wieder zwei Theorien. Romantik: Poesie. Dann müßte die Grammatik anders aussehen. Jede Poesie ist Ringen mit der Sprache als Rohstoff. Beides ist falsch. Man muß von der Form des Sprechens, nicht von der Sprache ausgehen. Schreibtischhypothese. Unterredung zu mehreren. Sprechen setzt Hören voraus. Antwort. Was gibt es denn für Satzformen? Befehl, Antwort, Frage, Feststellung, Verneinung, Bejahung. Sprechen ist Gedankenverbindung. Verstehen – sich verständigen. Technik des Sprechens in Absicht auf den andern.

3. Sprechen und Unternehmung war gleichzeitig da. Wie Hand und Werkzeug. Etwas wie ›Unternehmen‹ ist immer plural. Tun zu mehreren, dessen Technik.

Kompliziertes Tun: Schiffahrt, Wagen, Bergbau, Steinbau, Handel. Nicht ›das Schiff‹, sondern Verkehr zu Wasser; Zweck – Mittel. Schöpfung, Wille zur Macht über Pflanze, Tier, Wind,Wasser, Gott. Schöpferisches Tun: Schaffung von Pflanzen- und Tierformen, von Bauten, Schiffen.

Marx sieht das Unternehmen viel zu banal, dumm. Erfinden des Wagens, nein: Straße, Fahren. Organisation das Mittel, Zweck, Anordnung des Ausführens, Genie. Das ›Verfahren‹ ist lang, setzt viele Einzelhandlungen voraus: Saat, Ernte. Vieh. Handel. Verfahren ausdenken, Unternehmen leiten – Ingenieur, Direktor. Regieren.

4. Befehlen und Gehorchen. Führer, Ausführung, Ausdenken, Ausführen. Trennung von Denken und Hand. Denkarbeit, Handarbeit: zwei Taten. Entstehen des praktischen Denkens. Schöpferisches Tun. Begabung, Lernen, Schule, Tradition, Stil, Kenner. Dem Talent freie Bahn. Die Masse nur Instinkt, ohne Verständnis. Triumph: das erste Schiff, der erste Hochbau. Megalithbau, Schiff, Feldzug. Köpfe und Hände. Sprechen – Denken.

5. Organisation, Zusammenfassen in feste Formen. Gesamthandlung im Kampf. Organisation Kampf gegen alles. Truppe der Seeleute, Unternehmen. Staat: Form der Geschichte, des Stammes im Kampf ist Heer. Schlacht, Strategie, Waffen, Befehle, List. Gliederung des Stammes: Führer, Regieren eine technische Frage. Religion – Kampf[67] gegen die Mächte. List. Ablisten. Gegenseitige Abhängigkeit von Staat, Krieg, Heer, Wirtschaftsunternehmen. Eine bleibende Wirkung. Technik vermehrt Arbeit, vermindert sie nicht. Neue Bedürfnisse. [Sie vermehrt] daher Zahl der Menschen nach unten. Unterklasse. Zahl der Adelsnaturen bleibt, die der Unbedeutenden wächst.

6. Sprechende, denkende Menschenseele im Organismus. ›Sozial‹. Einsam, frei bleiben wollen, Individuum – Masse, sich verstecken, Weltanschauung. Neid, Verachtung von oben. Ehrgeiz, Stolz. Historische Gefühle, die einmal da sind. Grundgefühle, die keine Religion, [kein] Idealismus ändert, zu tief. Hier beginnt der Neid, der Ehrgeiz der Kleinen, die nichts können, der Unbegabten. Seelischer Konflikt der Über- und Untermenschen. Einsame – Herde. Rußland, Land der Knute.


56


Neue Termini: Es ist falsch, seßhafte Stämme ohne weiteres [als] ›ackerbauend‹ zu bezeichnen. Psychologisch ist Hauptsache das Siedeln (Haus, Dorf) im Gegensatz zum Schweifen. Ich nenne deshalb die c-Kulturen Siedler. Sie können trotzdem Jäger, Fischer sein. Der Pflanzenbau (nicht Ackerbau) kann auch von Nomaden geübt werden. Viehhaltung, Viehzucht, Herde, Stallvieh – das sind sehr verschiedene Dinge. Siedler, Heimat, Haus gehören zusammen. Trotzdem kann der Wandertrieb sehr stark sein (Norden). Siedeln und Sprache: Organisation des Lebens. Von der Jagd zur Herde, vom Sammeln zum Pflanzen.


57


Neue Termini: Ich möchte statt Paläolithikum, Bronzezeit etc. neue Worte bringen. Ebenso für primitiv: Unterschied, ob a-b oder heutige ›Kümmerstämme‹. Tongefäße, Schliff, Metall sind ungenaue Kennzeichen. Wortsprache ist wichtiger.[68]


58


Kultur und Seßhaftigkeit: Der seßhafte Mensch (c) geht weiter zum Stadtmenschen (d). Seßhaft durch Wirtschaft: Ackerbau, Stallwirtschaft, Bergbau, Hafen, Markt. Herder 337: Der Boden gehört jetzt nicht mehr dem Menschen, sondern der Mensch dem Boden. Kultur ist Zusammendrängen der Menschen, wobei neue Seelen- und Lebensarten entstehen: Neid, Bosheit der Händler, Politiker, Käufer, Gelehrten, also der Stadtmenschen (zu Seele, Kultur etc.).

Die Bauernseele in d als Reaktion auf die Stadtseele.

Mann und Weib, Vater und Sohn, Freund und Freund sind Seelenverhältnisse.


59


Der Horizont‹. Das Tier hat keinen: seine Merkwelt ist rein gegenwärtiger Inbegriff von Sinnesreizen, die triebhaft locken oder abstoßen, mit lebensmagnetischer Sicherheit des ›Richtigen‹. Auch der a-Mensch. Wahllos (Jetzt, Hier). Beim b-Menschen kommt die Erinnerung hinzu; er schaut und ahnt, weil der Sinnesreiz das Gedächtnis belebt: Es entstehen innere Bilder, Einbildungskraft. Seine Welt ist eine ›Weltanschauung‹ als Innenleben, wahlfrei, weil der Bewegungstrieb nun nicht nur auf Reize antwortet, sondern auf Grund vergangener Reize ein Bild als neuen, inneren Reiz entstehen läßt (vorstellen): Bild fernerer Gegenden, Zeiten: der gestrige Abend, die Insel drüben, das vorige Tun. ›Einst‹, ›Dort‹ statt ›Jetzt‹, ›Hier‹.

Beim c-Menschen wird daraus das Wissen. Der Begründungstrieb (Weil, Warum). Aus dem schauenden Gedächtnis (Bild) wird ein außerdem noch kausales (Grund, Zweck). Der Horizont ist jetzt geographisch-historisch.


60


Hier entscheidend zeigen, daß in allen Hochkulturen zwei Schichten übereinander liegen, eine bäuerlich-beduinenhafte c[-Schicht] mit[69] Bauernweisheit, Sprichwort, Brauch, ›Aberglaube‹, primitiver Religiosität und eine d[-Schicht] mit Philosophie, Religionssystem, Schrift, Schule, Staat.

So daß die katholische Kirche zu unterscheiden ist von der landschaftlichen Religiosität, welche ihre Lehren mit der Struktur zusammen angenommen hat: ein bäurischer Bauer und ein scholastisches Lehrbuch, die Politik Ludwigs XIV. und der politische Instinkt der Bretonen. Der letztere äußert sich im Bauernhaß gegen ›Staat‹. Revolte, Partikularismus. Ein großer Teil der ›Innenpolitik‹ besteht in der vorsichtigen Behandlung dieser Tatsache: Rom und Italiker, Deutschland und Baiern.


61


Hier erhebt sich die große ewige Frage nach dem Warum, die nicht wieder verklingen soll, immer verzweifelter, dringender, schärfer gefaßt, mit unzähligen Antworten, die nur die Seele der Antwort enthüllen, ohne die Fragepein zu stillen. Hier wird, in den dazu begabten Minderheiten, das Denken zur Kausalitätswut, mit grotesken Zügen an ewigen Geheimnissen nagend. Das Bild, an dem sich diese Besessenheit versuchte, die mit Religion fast identisch ist, in Atlantis Ahn, Enkel, Seele nach dem Tod, in Kasch Leben und Welt, Himmel und Erde. Genealogisch: Zeit, Jenseits, Ahnenkult. Kosmologisch: Raum, Himmel, Erde.


62


Kriege, c: Die Formen dieser Kriege sind heute noch überall da erhalten, wo sich Bauern- und Beduinentum erhalten hat: in der italienischen Vendetta, im Haberfeldtreiben, in der Dorffehde der jungen Leute, der Stammesfehde arabischer Stämme, in der Camorra.

Wie tief das in rasseechten Menschen sitzt, zeigt die Vendetta der Familien Bonaparte und Pozzo di Borgo, welche die Politik 1800–1815 gemacht haben. Vendetta schimmert in der Ilias durch in der Fehde zwischen Achill und Agamemnon, die damals dem Hörer menschlich[70] näher war als der Kampf um Troja. Homer selbst hat das Motiv nicht mehr verstanden. Die Fehden der Israelitenstämme, ägyptischen Gaue.


63


Persönlichkeit: In den b-Kulturen (Altamira) sind die menschlichen Hände (Bienen, Biber) Ausdrucksorgane eines schlafwandlerischen Wirkörpers, mehr hingezogen als sich hinstreckend. Diese absolute Instinktmalerei [ist] von keiner einzelpersönlichen Überlegung geregelt und behindert. Diese Zeichnungen sind wie Bienenzellen gar nicht das Produkt ›eines‹ ›Künstlers‹ und doch schon Ausdruck einer schweren Schicksalsahnung.

In der c-Kultur wird aus solchen Dingen die ›abgekürzte Zeichnung‹ als Symbol, Glyphe, von einem gemacht, aber als Träger der Wiridee, nicht entworfen [oder] gewollt, nicht als Kunstbegriff vor allem: so noch heute die echte Bauernkunst. Hier beginnt das Ich, aber als Atom eines Wir, nie subjektiv. Diese Stile sind ohne individuelle Abweichungen.

Erst in d entstand der ›Künstler‹ (Baumeister, Maler, Sänger), der im Unterschied von den andern (Zuschauern) sich seiner Rolle bewußt ist. Die Idee des Kunstwerks und [des] Künstlers taucht auf: es sind die Personen, in denen die Urzeit (b-c) herausmendelt, unverstanden, tragisch, ringend. Und so ist es überall: Die ›geniale‹ Persönlichkeit ist der vereinzelt mendelnde b-Typ, der Schicksalsmensch als Feldherr, Künstler, Seher. Die Talente sind die Spezialbegabungen der Ichmenschen. Genie ist Urtyp, Talent ist akzidentell (es gibt also geniale und ungeniale Talente) als Talent zum Reden, Tanzen, Rechnen, Frisieren. Denn jetzt, wo alles, was geschieht, bewußt ›getan‹ wird, findet das Tun eine Technik, und Talent ist die Geschicklichkeit im Verfahren irgendeiner Art. Universaltalent ist Unsinn.

In b sind alle ›genial‹, in c-d wenige. Kunstgeschichte (d) [ist] die Geschichte von Talenten (Schule, Stil) mit eingestreuten Genies.[71]


64


c-Kultur: Ich will hier zum ersten Male ernst machen mit der Unterscheidung von Rasse, Sprache und Volk, die oft gefunden, aber nie – nie – praktisch durchgeführt worden ist. Ich verweise auf ›Untergang des Abendlandes‹ I. Ein Volk nenne ich eine politische Einheit, die als solche den Gliedern zum Bewußtsein kommt. Die Ägypter sind ein ›Volk‹, seitdem sie ein Reich bilden. Vorher waren die Teile, Gaue, Stämme je ein ›Volk‹. Ein sumerisches Volk hat es nie gegeben. Es ist für das Vorhandensein eines Volkes gleichgültig, ob in ihm mehrere Sprachen geredet werden (Chatti, ›Sumir und Akkad‹), geschweige denn [mehrere] »Rassen« vertreten sind.

Unter Rasse verstehe ich eine unbewußte Einheit des leiblichen Ausdrucks, der früher einmal seelischer Ausdruck war, aber in vielen Zügen fossil geworden ist und nun mendelt. Aber ›Rassen‹ um 3000 sind sehr verschwommene, gemischte, abgeschliffene Typen. Dazu kommt der Begriff Menschenschlag – das was eine einheitliche Landschaft [oder eine] Stadt an Eigenzügen hervorbringt.

Endlich die Sprache, die nie als Typus, stets als Mundart bewußte Einheiten schafft: Sprachverwandtschaft (›arisch‹ und ›semitisch‹) ist eine wissenschaftliche Tatsache, keine geschichtsbewußte. Sprachen im realen Sinne sind nur solche, in denen einfache Menschen sich sofort verstehen. Alles andre sind ›barbarische‹ Sprachen für den, der sie hört, ohne Unter schied. Nicht Sprach-, sondern Sprechverwandtschaft [zählt].


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b (Altamira): Instinkt der Wesensbildung, ein Ergebnis des Kälteeinbruchs, der aus währender Verbundenheit mit [der] Naturfülle aufschreckt. Keine Kunst, sondern ein Naturtrieb, der zwischen Wabenbau der Bienen und Figurensymbolik steht, noch unpersönlich, naturverbunden, schon ›das Fremde‹ begeifend.

c (Keramik): hier schon die Zertrennung von zwei wesensverschiedenen Formwelten, der instinktiv-organischen (Gebirgsform der[72] Gefäße = Bienenzellen) und der geistig organisierten (Symbolik von Linien und Farbengebilden, ›Ornament‹, dazu gehört Megalithgrab und templum! Urlied).

d: Erst hier die echte ›Kunst‹, nämlich das persönliche Bewußtsein, Innerliches zu äußern, in ›Werken‹, deren Zweck nicht praktisch, sondern inneres Bedürfnis an sich ist: Also über das Megalithgrab hinaus zu Statue, Relief. Vom Ornament zur bewußten Imitation von Weltinhalten durch Wortdichtung, Bilddichtung (Epos, Gemälde). Erst das ist künstlerische ›Schöpfung‹. Ich nenne das Dichtung. Ein Symbol oder Ornament wird nicht gedichtet, sondern entsteht, überpersönlich. Eine Dichtung hat einen persönlichen Urheber.


66


Keramik: Sie ist die Graphologie vor der Schrift, die eigentliche Handschrift der c-Kulturen, aus der täglichen Gewohnheit des ›Verzierens‹. Die Sprache der Hand entsteht als bewußtes Ausdrucksmittel in c, vom Alperasymbol bis zur kursiven Schrift: die große Graphologie der wirpersönlichen Volkheiten. Das ist viel unmittelbarer (mit dem Stift Kurven ziehen, geübt, gewandt, täglich) als das Weben von Mustern und Bauen. Zu großartiger Höhe steigt dieser Wesensausdruck im Norden, wo das Leben sich selbst ehrt, nicht Ahnen oder Götter.


67


c-d-Kultur: Die herrschende Form der Geistigkeit, die wir in c voraussetzen müssen, ist ›gesunder Menschenverstand‹, Bauernschlauheit, Mutterwitz, heute unter Bauern, Fischern, Jägern, Naturvölkern, [in] Sprichwörtern. Aber auch bei Landadeligen, ›ungebildeten‹ Mönchen. Erst in den Städten wächst dann die Gelehrsamkeit, die mit Dummheit gut zusammengeht: gelehrte Trottel, schriftstellernde Tröpfe. Etwas Künstliches, woraus das Literatentum wächst, eine Seligkeit des Schreibens, Predigens, Redens, Debattierens, die den gesunden Menschen anekelt.[73]


68


a) Rasse, Leben, Blut = Wille zur Macht. Sprache und Denken: Im Palaver wird sie zum syntaktischen Werkzeug, ein konkreter Anlaß der Vorausberatung des zu ›Unternehmenden‹. Sprechen erst hier als vorsätzliche Mitteilung konkreter Inhalte (Jagdexpedition, Bau eines Schiffes, Kulthandlung, berechnen, befehlen, überlegen. Vom instinktiven Wir zum Ich und Du), die eine Organisation verlangen.

b) Kultur. Von hier an wird Geschichte ›gemacht‹ (im Kleinen), obwohl sie Schicksal ist. Von der Idee des Wir zur Organisation. Selbstbewußte Mehrheiten! Familie, Stand, Schar, Zunft, Körperschaft, Priesterschaft, Gerusia, Weiberschaft, Jungmannen. ›Volk‹, das Bewußtsein der Organisierten, Idee der Lage, Führung, Unternehmung, Gewohnheit des Besprechens, der Aufgabe. ›Die‹ Politik, ›der‹ Krieg als organisierte Aktion. Geschick als Geschichte. Landschaft und Geschichte. Bewußtsein vom kausalen Verhältnis zwischen Land und Mensch (Klima, Ungunst, Möglichkeiten, absichtlicher Wechsel des Ortes, Verkehr, Fahrten).

c) Die Wirtschaft nimmt die Form von Unternehmungen an: Organisation des Baues eines Hauses, Grabes, des Schmiedens, der Schiffahrt, Expedition. Zeitalter der Religion, deren unendliche Macht über den Geist! Auch der Mythos muß besprochen, erzählt, der Kultakt als Unternehmung organisiert werden.


69


Das Wir: Auch heute noch, wo angeblich der Individualismus herrscht, ist die Macht des ›Wir‹ in ihrer magischen Gewalt genauso groß wie je. Man hat nur andere Namen dafür. In einer Botschafterkonferenz vor einem Kriege will jeder einzelne den Frieden, aber jeder weiß, daß es nutzlos ist und der Krieg um nichts ausbricht. In jedem Parlament liegt diese Stimmung über den Köpfen, jeder sieht den Unsinn, aber niemand kann ihn hindern. Das Wir ist stärker als alle einzelnen zusammen. Ebenso wenn in einer Partei, einem[74] Trust die Führer tagen. Es ›liegt etwas in der Luft‹ und man kommt nicht zusammen, obwohl jeder es möchte. Man redet da von innerer Hemmung – in der Tat ist das Wir, mit Freud zu reden, nur verdrängt (Vorurteile etc). Jedenfalls besteht für die gesamte höhere Geschichte die Tatsache, daß in einer Mehrzahl etwas Stärkeres da ist, als alle einzelnen Willen zusammen. Und da zeigt sich, daß das bewußte, auf ein logisches Ziel gerichtete Wollen bei weitem nicht so tief reicht wie der dunkle, organisch logische Instinkt des ›Wir‹.


70


Erst mit c-d ergibt sich die Weltlage, daß die Menschen, völkisch organisiert, daher in den Kategorien der ›Menschenwelt‹ denkend, diese der übrigen Welt praktisch und theoretisch gegenüberstellen: Tier und Pflanze und alles andre sind Objekt, die Menschenwelt zerfällt in Freunde (›Volk‹, Stamm, Familie, Sippe, Stand usw., je nachdem) und Feinde. Theoretisch äußert sich das z.B. in der Religion, die Götter und Menschen entgegensetzt, praktisch in der Verwandlung der Erdrinde durch die Menschen.


71


Ursymbole der Kulturstufen: Die [Ursymbole] der Hochkulturen sind aus Kreuzung – Abwehr der unteren durch die siegenden – entstanden. Siegreich war in Ägypten und Babylon das südlich Heiße, sonst das Nordische. Auch das Uramerikanische kam vom Norden (Indianer aus Europa?) und wurde vom Pazifischen überschichtet. Körper, Raum, Weg sind also Abwehr –, Triumphsymbole, deshalb so prägnant.

Viel allgemeiner, gestaltloser sind die der Kulturamöben, nicht organisiert, sondern organisch, etwa ›strebend‹, ›gesättigt‹, was sich in Ornament, Bau, Grab, Aristokratie ausdrückt, in Numen, Mythus, Erotik. Die a-Kulturen sind nur Temperamente, unsymbolisch; die b-Kulturen (Schicksal) bloße Tendenzen, Nuancen des Gerichtetseins. Also auch die ›Seele‹ dieser Kulturen ist basalten, kristallisch, organisch,[75] organisiert. Aber nur die Hochkulturen sind tragisch, Bild eines Zweikampfes, hart, gefährlich, c ist verfließend, verdrängend, verschmelzend, Seele der Dörfer und Stämme.


72


Kulturen: Wichtig, daß die Zeiten immer kürzer werden: a – 100000; b – 10000; c – 3500; d – 1000. Man darf also nicht von Zeitaltern sprechen, b-d zusammen sind kurz gegenüber a. Episch – tragisch. Langer Atem – Explosion.


73


Amöben und Pflanzen: Zum Charakter der Amöbe gehört, daß sie nicht als Ganzes Höhepunkte der Vitalität erreicht, sondern überall immer wieder ›Knospen‹ bildet, die formschöpferisch wirken, kurzlebig, so die atlantische in Portugal, Bretagne, Kreta, Sardinien. Die Frühamöben sind längst abgestorben, tote Reste im System lebender Sprachen und Künste hinterlassend. Vom Hamitentum kann die Ethnologie nichts Lebendiges mehr finden. Was heute vielleicht noch gerade lebt, sind die Jungamöben des 3./2. Jahrtausends: hochnordisch und südostasiatisch mit Knospen wie Peru, Japan, Haida.

Also darf der Mutterboden der Amöben nicht zu eng umgrenzt werden, vor allem nicht durch ein Gebiet höchster Gestaltung. Also nicht ›portugiesische Megalithkultur‹, sondern ganz allgemein der ›atlantische Westen‹ bis Frankreich und Tunis, und für Kasch der Nordrand des Indischen Ozeans. Amöben sind schöpferische Möglichkeiten, die hier und da zu hohen Wirklichkeiten aufleuchten.


74


Verhältnis der älteren und jüngeren c-Kulturen: Sie bilden sich amöboid immer wieder, ohne daß man genau sagen kann, ob und seit wann es sich um gesonderte Individuen statt einer Amöbe handelt.[76] Schon im Aurignacien-Capsien, um 10000, gibt es ein nord- und südatlantisches Kristallisationszentrum, dessen genaue Lage für dieses ungewiß ist, wohl Afrika. Ebenso könnte eine c-Kultur Alpen – Schantung eine jüngere Kasch-Amöbe sein (›Japhetische Sprachen‹?).


75


c-Kultur: Gab es hier statt Früh- und Spätzeit von Pflanzen eine taktmäßige Diastole und Systole von Amöben? Sind die großen c-Stämme periodisch?


Um3500Durcheinanderschieben abgestoßener

Kasch- und Atlantiselemente

3000die Zeugung

2500Tuimah, Ende des Alten Reiches.

Bronzestil. Umwälzung? Entstehung

der c-Kultur des Nordens

2000Hyksos, Kassiten

1500Seevölkerstoß

1000Dorer. Jonisch phönikische

Expansion!

600Kelten, Meder, Skythen, Perser,

China, Sabeller?

200nach Chr. Völkerwanderung

600nach Chr. Islam

1200Innerasien und Columbus.


Liegt darin ein Rhythmus? Ist die Negerexpansion eine Folge davon? Ist ein Drawidastoß in Indien zu erschließen? Wann? Und die keramische Expansion? Glockenbecher. Nuraghen. Bronzezeit.


76


b-c Kulturströme (Menghin 658): Das Endcapsien durchbricht zuerst die Grenze zwischen Aurignac und Capsien südlich der Pyrenäen und dringt, sich mit dem Endmagdalénien mischend, bis nach Nordeuropa, Maglemose, vor! Damit ist die uratlantische Tendenz vorgezeichnet. Danach liegt der Capsienschwerpunkt in Mittel- und Südspanien und Nordwestafrika. Hier bildet sich der Begriff Atlantis.[77]

Davon abgesehen gibt es ein westeuropäisches (Nordspanien, Frankreich, England) Zentrum für Aurignacien und Magdalénien und ein fernöstliches (asiatisches?) mit dem Solutréen, das sich spät und schwach zwischen Aurignac und Magdalénien östlich des Rheins für kurze Zeit eindrängt.


77


c-Kulturen: Struktur: Auch bei ihnen ist eine (langsame) Entstehung, weniger Geburt als Sprossung, zu verzeichnen, dann Reifen, Sprossen, Teilen, ungeschlechtliche Zeugung, Alter. Im Gegensatz zu dem prachtvollen Aufstieg – gleich einer Rakete – bei den Hochkulturen geht es hier langsam. Alles, was der Ethnologe an heutiger Volkskultur untersucht, ist der Rest davon, zerfallend, verschwimmend, ohne Kraft.

Am Anfang ein gewaltiger Vergleich mit botanischem Ausdruck. Die c-Kultur-Amöben (eine Sprossung ist die Glockenbecherkultur), örtliche Seitengebilde, Teilung, Kriechen. Plasma. Es liegt mindestens (genaue tempi gibt es hier nicht!) ein Jahrtausend zwischen Entstehen und Höhe der Lebenskraft. Die Höhe bei Kasch-Atlantis im 4. Jahrtausend, bei Nord und Süd im 2. [Jahrtausend]. Amöben können zusammenfließen. Sie haben keine scharfen Grenzen.

Frobenius hat entdeckt, daß heute noch die atlantische c-Kultur in Spanien, Frankreich, Britannien, Süditalien im Volkstum liegt, die altnordische Rhein und Tiber als Grenze hat. Hier wurde die faustische Spätseele gezeugt!


78


c-Kulturen: Die Zahl dieser Kulturen ist klein; neben zwei mächtigen mögen einige kleinere entstanden sein, ohne Bedeutung. Jedenfalls hegt hier für alle Zeit die Entstehung von ›Orient und Okzident‹.

Die Zahl der ›ewigen‹ Ideen, welche diese c-Kulturen geschaffen haben, ist klein. Die ganze Weltgeschichte beruht auf ein paar ganz großen Konzeptionen, z.B. der kosmologischen Idee von Kasch, der genealogischen von Atlantis. In diese c-Kulturen fällt die Entstehung[78] des Wüstengürtels: die Nachwirkung des Pluvials, die Walddecke stirbt ab.


79


Wenn schon im Jungpaläolithikum die Rangunterschiede zwischen den Strömen des entwickelten Menschentums groß werden, bis zur völligen Unmöglichkeit des Sichverstehens, so verliert sich in den c-Kulturen die Einheit endgültig. Hier ergeben sich fließende Kulturen hoch über dem paläolithischen Rest, aber unter sich sind sie keineswegs gleich. Der Schwerpunkt liegt ohne Zweifel am Mittelmeer. Was im Ranjun-Kambodscha-Gebiet oder in Nordamerika vor sich geht, hat nicht diese Höhe. Um 3000, wo alles enger und steiler wird, hegt der Schwerpunkt an Nil und Euphrat, um 1000 in Mittelasien von Smyrna bis Schantung, um 1000 n. Chr. wieder am Euphrat, um 2000 wieder in Atlantis.


80


Nordland: Zu Anfang, Kap. 2. c-Kultur, nur das Vorhandensein beweisen. Erst im Heldenkapitel die Seele zeichnen. Nibelungenfilm, Sonnensehnsucht. Damals sondert sich das Germanentum ab, der letzte aufgesparte Schatz höchsten innerlichsten Heldentums: Hier ist Ehre und Treue bis in den Tod (Blutrache) auf die Spitze getrieben, über die drei vorigen Kulturen hinaus: das erscheint erst in der Völkerwanderung. Kriemhilds Rache.

Dies also in drei mächtigen Stufen zeichnen: 1. Anlage 4000. 2. Ausbruch 2000, Römische Legionen. Ähnliches in Indien und China ist verschollen. 3. Letzte und höchste Blüte 0–1000. Weltkrieg. Es bleibt der Ainostil von Stavanger über die russische Kirche bis Peking, Nordrand, Muschikkultur.


81


Von den Stärke der c-Bewegungen und den Feinheiten ihrer letzten Wirkungen macht man sich eine zu geringe Vorstellung. Die neuen Seelen ergriffen das Volkstum bis an die letzten Grenzen der alten[79] Welt. Nachweisen läßt sich [das] von Spanien bis Skandinavien und Persien, von [den] Alpen bis China, vom Persischen Golf bis zur Ostsee: daraus ermesse man die Wucht und die Reichweite nach andren Gegenden, die noch nicht erforscht sind.


82


Bei Amöben darf man wirklich von Einfluß reden; da fließt etwas von der Formtendenz oder Materie der andren hinein (Bandkeramik), während Pflanzen nur ›assimilieren‹. Das ist mehr als Vergleich. Im Bilde der Natur, d.h. der Sehwelt denkender Menschen, erscheinen immer wieder gleichbedeutende Sehvorgänge – ›vor den Augen vorgehend‹. Auch der Mensch ist für das Auge des Menschen ›Natur‹. Auch die Geschichte ist Geschichte eines Elements in der Natur. Also sind elementare Bildvorgänge in Pflanzen-, Tier-, Menschen-Geschichten symbolisch identisch.


83


Das Bedürfnis einer Scheidung von Zeitaltern der Vorgeschichte war immer da, aber es ist, wie alles im 19. Jahrhundert, durch materialistische Einteilung befriedigt worden: Der Übergang vom geschlagenen zum geschliffenen Stein, von der Höhle zur Hütte – also die vermeintlichen ›Errungenschaften der Menschheit‹ auf ihrem Wege vom Jäger und Fischer zu Jazz, Kino und Radio. Die wahre Epoche, um 5000, ist der Schritt vom Organischen zum Organisierten, der Emanzipation des Geistes vom Leben, das nun bewußt, vom Geiste erst ›erkannt‹, dann geregelt wird. Das Leben geht vom Natürlichen zum Künstlichen über. Der Instinkt soll – das ist und bleibt ein Ideal – dem Intellekt unterworfen werden. – Diese gewaltige Revolution vollzieht sich nur noch in einzelnen Bezirken und in diesen in einigen seelischen Arten des Menschentums. Von nun an gibt es niedere und höhere Arten der Menschheit, jene in dem – was und wie es geschieht – Stoff und Opfer, diese Geist und Herr. Es entstehen statt der Urkultur Einzelkulturen, Organismen, und die Frage erhebt sich, wie sie sich zu[80] älteren und jungen Typen verhalten (b-c-d). Innerhalb dieser c-Kultur ist und geschieht alles anders, verhängnisvoll, jäh, künstlich, stets gefährdet.


84


Jäger‹, ›Bauern‹: Psychologisch äußerst naiv ist die Einteilung der ›Völker‹ nach zwei Wirtschaftsformen. Erstens unterscheidet die ›Wirtschaft‹ die Menschen seelisch nicht, zweitens ist Wahl der Wirtschaft Ausdruck des Charakters, drittens gibt es keine Völker, viertens gibt es viel mehr ›Wirtschaftsformen‹.

Es ist flach und materialistisch zu glauben, daß der Bauer anders war als der Jäger: Weil man anders ist, wird man Bauer. Aber in Wirklichkeit gibt es, in buntem Durcheinander, fischende, seefahrende, bergbauende, in Waldrevieren, auf Lichtungen, in Hochsteppen lebende Stämme nebeneinander, viele, deren Männer sich mit allem möglichen befassen. Es ist immer die Minderheit der Stämme, die wirtschaftlich einseitig eingestellt ist, z.B. nicht jagt, fischt, ackert.[81]

Quelle:
Oswald Spengler: Frühzeit der Weltgeschichte. München 1966, S. 51-82.
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