[88] Meister Sï, Meister Yü, Meister Li und Meister Lai sprachen untereinander: »Wer ist imstand, das Nichts zum Kopf, das Leben zum Rumpf, das Sterben zum Schwanz zu haben? Wer weiß es, daß Geburt und Tod, Leben und Sterben Ein Ganzes bilden? Mit einem solchen wollen wir Freundschaft schließen.«
Da sahen sich die vier Männer an und lachten, und da sie alle im Herzen damit einverstanden waren, so schlossen sie zusammen Freundschaft.
Nicht lange darnach wurde Meister Yü krank. Meister Sï ging zu ihm hin, um nach ihm zu sehen. Jener sprach: »Groß ist der Schöpfer, der mich also angefaßt hat!«
Ein schlimmes Geschwür war auf seinem Rücken hervorgebrochen mit fünf Löchern. Seine ganze körperliche Verfassung war in Aufruhr, aber im Herzen war er ruhig und unbewegt.
Er schleppte sich an den Brunnen, sah sein Spiegelbild im Wasser und sprach: »Ach, wie der Schöpfer mich behandelt hat!«
Meister Sï sprach: »Tut es dir leid?«
Jener sprach: »Nein, wie sollte es mir leid tun! Wenn er mich nun auflöst und meinen linken Arm verwandelt in einen Hahn, so werde ich zur Nacht die Stunden rufen; wenn er mich auflöst und verwandelt meinen rechten Arm in eine Armbrust, so werde ich Eulen zum Braten herunterschießen; wenn er mich auflöst und verwandelt meine Hüften in einen Wagen und meinen Geist in ein Pferd, so werde ich ihn besteigen und bedarf keines anderen Gefährtes. Das Bekommen hat seine Zeit, das Verlieren ist der Lauf der Dinge. Wer es versteht, mit der ihm zugemessenen Zeit zufrieden zu sein und sich zu fügen in den Lauf der Dinge, dem vermag Freude und Leid nichts anzuhaben. Ich nahe mich jetzt dem Augenblick, den die Alten bezeichnet haben als Lösung der Bande. Der Gebundene kann sich nicht selber lösen; die Verhältnisse binden ihn, aber die Verhältnisse sind nicht stärker als die Natur. Das ist von jeher so gewesen. Was sollte mir dabei leid tun?«[89]
Nicht lange darnach wurde Meister Lai krank und lag röchelnd im Sterben. Weib und Kinder umringten ihn unter Tränen.
Meister Li ging hin, um nach ihm zu sehen. Er sprach: »Fort, zieht Euch zurück! Haltet ihn nicht auf in seiner Verwandlung!«
Dann lehnte er sich an die Tür, redete mit ihm und sprach: »Groß ist der Schöpfer! Was wird er nun aus dir machen; wohin wird er dich jetzt führen? Wird er eine Rattenleber aus dir machen oder einen Fliegenfuß?«
Meister Lai sprach: »Wenn die Eltern dem Sohne gebieten, nach Osten oder Westen, nach Norden oder Süden zu gehen, so folgt er einfach ihrem Befehl. Die Natur ist für den Menschen mehr als Vater und Mutter; wenn sie meinen Tod beschleunigen will, und ich wollte nicht gehorchen, so wäre ich widerspenstig. Was kann man ihr denn vorwerfen? Wenn der große Gießer sein Metall schmelzt, und das Metall wollte aufspritzen und sagen: ›Ich will, daß du ein Balmungschwert aus mir machst!‹, so würde der große Gießer das Metall für untauglich halten. Wenn ich, nachdem ich einmal Menschengestalt erhalten habe, nun sprechen wollte: ›Wieder ein Mensch, wieder ein Mensch will ich werden!‹, so würde mich der Schöpfer sicher als untauglichen Menschen betrachten. Nun ist die Natur der große Schmelzofen, der Schöpfer ist der große Gießer: wohin er mich schickt, soll es mir recht sein. Es ist vollbracht; ich schlafe ein, und ruhig werde ich wieder aufwachen.«