6. Yau und Schun

[149] Schun fragte einst den Yau und sprach: »Wie fühlen Eure Majestät im Herzen?«

Yau sprach: »Ich bin nicht hochfahrend gegen die Hilflosen, ich verachte nicht die Armen, ich traure um die Toten, ich habe Liebe zu den Waisen und Mitleid mit den Witwen. Das sind meine Gefühle.«

Schun sprach: »Das ist ja ganz schön, aber es ist noch nicht wahre Größe.«

Yau sprach: »Was dann?«

Schun sprach: »Des Himmels Lebenskräfte erzeugen Ruhe. Sonne und Mond leuchten, und die Jahreszeiten gehen ihre Bahn. Tag und Nacht haben ihre feste Ordnung. Die Wolken ziehen, und der Regen fällt.«

Yau sprach: »Dann ist ja meine Art nur Kleben und Streben. Ihr seid eins mit dem Himmel, ich bin eins mit den Menschen.«

Die Kräfte Himmels und der Erde waren es, was die Alten für groß hielten, und der Herr der gelben Erde, Yau und Schun waren einig in ihrer Bewunderung. Darum: die Alten beherrschten die Welt; was brauchten sie zu handeln? Sie ließen einfach die Kräfte Himmels und der Erde walten.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 149.
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