Freir

[208] Freir oder Frey (Nord. M.), Sohn des Niord; Niord ward unter die Asen aufgenommen, als er, von den Vanen ihnen als Geisel übergeben, seine Trefflichkeit durch Thaten bekundet hatte. F.s Mutter war Skade. Wie seine Schwester Freia der Mond, so ist F. ursprünglich die Sonne. Man nennt F. den vorzüglichsten der Asen; er herrscht über Regen und Sonnenschein und die Erdgewächse, und ihn muss man anrufen um gute Jahre und Frieden; er waltet auch über die güterreichen Menschen, gibt den verlobten Mädchen ihre Geliebten und den Frauen ihre Gatten wieder, wenn sie in der Schlacht gefangen worden sind. F. ging einst auf den Thron Hlidskialf, von welchem man die ganze Welt überschauen konnte, doch war dieser nur für Odin bestimmt, desshalb ward F. sogleich für seine Dreistigkeit dadurch bestraft, dass er in Liebessehnsucht zu einem Jotenmädchen versank. Er schauete nämlich dort die Tochter des Bergriesen Gymer und der Aurboda, die schöne Gerdur, welche so anmuthig und leuchtend war, dass, als sie die Hände erhob, um die Thüre von ihres Vaters Haus zu verschliessen, Luft und Wasser davon auf das Heiterste erglänzten. Als er nach Hause zurückkehrte, sprach, trank und speiste er nicht; ein verzehrender Unmuth ergriff ihn, und Niemand wagte mit ihm zu reden; selbst sein Vater Niord wandte sich nur an seinen Diener Skirner, welcher ihn auszuforschen versprach, doch wenig Hoffnung zeigte. F. liess sich williger finden, als Skirner gedacht, er sagte ihm, dass er das schöne Jotenmädchen liebe, und nicht ohne dasselbe leben wolle und könne. Zufrieden damit, dass nichts Aergeres ihn verstimme, unterzog sich Skirner dem Auftrage, für ihn um Gerdur zu werben, doch nur unter der Bedingung, dass F. ihm sein treffliches Schwert mitgäbe, welches von Zwergen mit tiefer Zauberkunst geschmiedet war, und die Eigenschaft hatte, dass es von selbst tödtete, wenn es einmal gezogen war. F. gab es unbesonnen hinweg, und gerieth dadurch in die Nothwendigkeit, den starken Beli, der ihn angriff, waffenlos zu bekämpfen, und ihn mit einem Hirschgeweih zu erschlagen, das er von der Wand des Saales herabnahm, worin sie sich begegneten. Noch schlimmer wird's ihm bei dem Weltuntergang Ragnarokr ergehen, denn die Söhne von Muspelheim sind nicht so leicht ohne Schwert zu bekämpfen, als der starke Beli. Skirner erhielt die günstige Antwort, dass F. die Hand der schönen Gerdur bekommen solle, und dass sie sich nach neun Nächten bei ihm einstellen werde, um die Vermählung zu feiern; da sprach Freir: »Das ertrage ich nicht, denn auch nur eine halbe Sehnsuchtsnacht ist länger, als sonst ein ganzer Monat.« - In Gerdur ist das Nordlicht[208] personificirt. Mit ihr wohnt F. in Alfheim, das die Götter ihm geschenkt, als er den ersten Zahn bekam. Als dem Sonnengotte gehört ihm auch der goldhelle Eber Gullinbursti. Nebst diesem besitzt er das Ross Blodughofi, das er auch seinem Diener Skirner zu jener Botschaftsreise lieh. Auch hat er ein kunstvolles Wolkenschiff, Skidbladnir genannt, ein Werk von Zwergen, Söhnen Yvolds. Es ist so gross, dass die Asen in Waffenrüstung darin Raum haben, und sobald die Segel aufgezogen sind, hat es guten Wind, wohin nur immer sein Lauf gerichtet ist. Will man aber nicht damit fahren, so kann man es in die Tasche stecken, aus so vielen Stücken ist es künstlich zusammengesetzt. - Man pflegte die heiligsten Eide bei F.s Namen zu schwören, in welchem Falle ein Thier (meistens ein Eber), ihm zum Opfer gebracht, und ein Ring in das Blut des Thieres getaucht, von den Schwörenden emporgehalten, und dabei ausgerufen wurde: »So wahr als mir F., Niord, und die mächtigen Asen helfen mögen!« - Der Eber war F. besonders heilig, und noch in der christlichen Zeit pflegte an dem Juelfest ein Eberbild auf die Tafel, an der die Helden zechten, zu kommen, und ein jeder, die Hand auf das Idol legend, irgend ein Gelübde zu Ehren des Gottes zu thun.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 208-209.
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