Horus

Fig. 163: Horus
Fig. 163: Horus

[255] Horus, (Aegypt. M.), nach Diodor der letzte Gott, der über Aegypten als König herrschte, Sohn der Isis und des Osiris, von den Griechen als identisch mit Apollo angesehen, denn er soll von seiner Mutter die Arznei- und Wahrsagerkunst erlernt, und sich durch weise Orakelsprüche, so wie durch Krankenheilungen um die Menschen verdient gemacht haben. Osiris war von dem bösen Typhon getödtet worden; damit nun H. den Mord nicht räche, wenn er auf den Thron steige, ward auch sein Untergang beschlossen, und H., obwohl er zur Latona geflohen war, überall aufgesucht und endlich[255] dort gefunden und in den Nil geworfen. Die bekümmerte Mutter fand ihn wieder, gab ihm durch ihre Kenntnisse das Leben und gar die Unsterblichkeit, unterrichtete ihn in den oben angeführten Künsten und forderte ihn dann auf, seines Vaters Tod zu rächen; dieser selbst stieg aus dem Grabe herauf, um ihn die Kriegskunst zu lehren. Nun zog er gegen den Verräther und Mörder des Osiris, überwand ihn und brachte ihn gefangen seiner Mutter; diese, aus Edelmuth und angeborner Grossherzigkeit, schenkte ihm die Freiheit, worüber H. so erzürnt war, dass er der Isis die Krone abriss. Was er befürchtet, geschah; gegen den Schlechten hilft Grossmuth nicht; Typhon erschien mit einem neuen Heer, um dem H. die Herrschaft streitig zu machen, unter dem Vorwande, dass er ein von Isis unterschobenes, nicht Osiris' ächtes Kind sei. Ein gewaltiger Krieg und zwei mächtige Schlachten waren hievon die Folge; in der letzten bei Antäum verlor Typhon Krone und Leben. So Diodor. Nach der ursprünglich ägyptischen Idee, nach welcher Isis die grosse Mutter Natur, Osiris die diese befruchtende Kraft der Sonne und des Nils ist, kann H., beider Sohn, nichts anderes sein, als der Frucht-Segen, der alle Jahre dem Lande von Neuem geboren wird.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 255-256.
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