Ilja

[271] Ilja (Slav. M.), ein berühmter Held der Russen, der fabelhaften Zeit angehörig; er blieb, verspottet ob seiner Feigheit, bis in sein dreissigstes Jahr daheim, und zog dann, plötzlich heldenkühn und kräftig sich erhebend, zu König Wladimir, einem so gewaltigen Herrn unter den Slaven, als je König Artus mit seiner Tafelrunde es unter den Angeln und Normannen war. Auf dem Wege zu dem Hofe dieses Fürsten verrichtete I. die erste herculische Waffenthat: seit dreissig Jahren hatte ein Räuber, welcher von seiner Kunst, den Schlag des Frühlingssängers nachzuahmen, den Beinamen Nachtigall erhalten alle Wege jener Gegend unsicher gemacht; da er auch noch andere Thiere, Schlangen, Wölfe, Bären etc. nachzuahmen wusste, fürchtete man ihn sehr; weil man glaubte, er stehe mit diesen Raubthieren im Bunde, auch sah man ihn selbst nur selten oder nie, weil er aus grosser Ferne traf. I.s scharfes Gesicht entdeckte das Auge des Räubers durch neun hinter einander stehende Bäume, durch deren Aeste er schauete, und so schoss er dem Bösewicht das Auge aus, und führte ihn, obgleich seine Gattin all' ihr Gold als Lösegeld anbot, und seine Söhne in ihren schwarzen Rüstungen ihm den Sieg schwer machten, nach Kiew zu Wladimir, sich durch diese That in die Reihen der Helden einzukaufen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 271.
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