Nu

1. In einem Nu geschieht, das man im Jahr sich nicht versieht.

Lat.: Accidit in puncto quod non speratur in anno. (Seybold, 3.)


*2. Es geschah im Nu.

Lat.: Dum loqueris. – Inter manum et mentem. – Inter os et offam. (Binder II, 870 u. 1535.)


*3. Nu – darfen (bedürfen, brauchen) Jüden Blüt. (Podolien.)

Wenn die Grundlosigkeit einer Anklage klar und zur Genüge dargethan, wie diejenige vom Blutgebrauche der Juden zu ihren Osterbroten. Wie viel Judenblut hat es aber durch das ganze Mittelalter bis in die neueste Zeit gekostet, ehe die Ueberzeugung durchgedrungen, dass zu Osterbroten, die schon bereitet wurden, ehe es noch Christen gab, kein (Christen-)Blut erforderlich ist und verwandt wird. Mit der Dummheit und dem blinden Glauben kämpfen aber sogar die Götter vergebens. Doch ist der blinde Glaube der Juden um kein Haar besser, als der blinde Glaube der Christen.

*4. Nu – is eine (nicht) Meküdejsches (angetraut). (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Von rückgängigen Geschäften; gleichsam von einer Braut, deren Partie aufgelöst wurde: »Nun bist du also nicht verlobt.«


*5. Nu – is halb gebruten. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

In 2 Mos. 12, 9 wird die Zubereitung des Osterlamms vorgeschrieben und gesagt, es müsse halb gar sein (= nu). Bedient sich nun jemand des Wörtchens »nu«, um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, so wird ihm scherzhaft zugerufen: »Ja, nu heisst halb gar.«


*6. Nu, nu – mach Mojze. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Mojze machen heisst über ein Stück Brot vor jeder Mahlzeit den Segen sprechen, welchem das Händewaschen vorangeht. Zwischen dem Händewaschen bis zur Mojze darf nicht gesprochen werden, um den Segen nicht zu unterbrechen. Ist man jedoch gezwungen, während dieser Zeit auf irgendetwas, wie z.B. auf das Fehlen des Salzes aufmerksam zu machen, so hilft man sich mit dem Ausruf: Nu, nu! Der Volkswitz bedient sich dieser Redensart als Zuruf an jemand, der sich durch »Nu, nu«, aus einer Verlegenheit ziehen will.


*7. Nu, rüf mich Beigelchapper. (Podolien.)

Nenne mich Brezeldieb, ich achte es nicht.


*8. Nu, rüf mich Knacknüssel. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

Nenne mich immerhin Nussknacker, es ist mir gleich, welchen Spottnamen du mir nachrufst. Um auszudrücken, was kannst du mir thun, ich habe keine Furcht. Darüber, warum Nussknacker eine Beleidigung enthält, fehlt die Erklärung.


*9. Nu, rüf mich Pischer. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

In demselben Sinne.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1066.
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