8. Weihnachten.

[89] Dieses Fest wird bei uns jedesmal den 25sten December zum Andenken der Geburt Jesu gefeiert. Wir finden von der Feier dieses Festes schon im vierten Jahrhunderte Spuren.

Unstreitig ist dieses Fest an die Stelle des Festes gekommen, welches die Römer dem Saturn zu Ehren feierten, und welches Saturnalia hieß. Diese Saturnalien wurden bei den Römern 7 Tage mit aller möglichen Ueppigkeit und Ausschweifung gefeiert. Es war gleichsam das Fest der Freiheit und der Gleichheit, an welchem [89] der Sclav aufhörte Sclav, und die Herren aufhörten, Herren zu seyn. Der Sclav saß am Tische und ließ sich von seinem Herrn bedienen. Den 19ten December wurden des morgens früh in dem Tempel des Saturns eine Menge Wachskerzen angezündet, und mit dieser Ceremonie das Fest eröffnet. Durch die Anzündung der Wachskerzen wollten sie den Saturn versöhnen, welchem sie sonst Menschenopfer gebracht hatten. An diesem Tage schickten die Römer einander allerlei Geschenke, unter welchen auch kleine Bilder waren, welche unstreitig eine Beziehung auf die ehemaligen Menschenopfer haben sollten.

Die Christen wollten die Feier dieser Saturnalien, welche selbst noch von Christen gefeiert wurden, verdrängen, und ordneten ein Fest zum Andenken der Geburt Christi an. Sie mußten desto eher auf diesen Gedanken geleitet werden, da die Saturnalien ein Fest der Freiheit und der Gleichheit waren, wo aller Unterschied der Stände aufhörte, wo sogar eine umgekehrte Ordnung der Dinge herrschte. Der Herr war Knecht[90] und der Knecht war Herr. Christus, der König der Könige, war in der Gestalt eines Knechts gekommen, und hatte diejenigen, die Sclaven ihrer Sünde waren, zu Herren und Königen erhoben. Kurz man setzte das Fest ein, und behielt, um doch auch etwas Sinnliches dabei zu haben, viele unschädliche Gebräuche der Heiden bei, und gab ihnen eine gewisse Beziehung auf christliche Begriffe. Die Wachskerzen, welche man in dem Tempel des Saturns anzündete, zündete man auch in den christlichen Tempeln an; und da sollten sie eine bildliche Vorstellung von Christo, dem ewigen Lichte, seyn, welches in die Welt gekommen, alle Menschen zu erleuchten. Die an den Saturnalien übliche Gewohnheit, einander Geschenke zu schicken, behielt man gleichfalls bei. Sie sollten an die geistlichen und himmlischen Güter erinnern, welche Christus durch seine Geburt dem Menschengeschlechte vom Himmel gebracht hatte. Eine besondere Sitte, die in vielen Ländern, besonders in England, noch bis jetzt üblich ist, bestätigt den Ursprung des Weihnachtsfestes von den Saturnalien noch mehr: Man pflegt in den [91] Weihnachtstagen unter den Knechten eines Hauses einen zum Herrn des Hauses zu erwählen, den man den Weihnachtskönig nennt, und der über die übrigen Knechte sowohl, als über die Herren diese Tage hindurch eine Art von Herrschaft ausübt.

Der Gebrauch, welcher auch noch jetzt in vielen katholischen Ländern herrscht, Puppen zu verfertigen, welche man Christkinder nennt, die man in der Christnacht versteckt, sie suchen läßt, und dem Finder eine Belohnung giebt, scheint sich ebenfalls von der Gewohnheit an den Saturnalien herzuleiten, da man sich einander Puppen zuschickte; wenn nicht vielleicht dieser Gebrauch zu neu ist, als daß man ihn aus Gebräuchen der Saturnalien herleiten könnte, und er nicht vielleicht eine sinnliche Darstellung der Begebenheit seyn soll, da die Hirten auf dem Felde von dem Engel aufgefordert wurden, hinzugehen und das neugebohrne Kind zu sehen, welches einstens ein König seyn sollte.

[92] Die Ableitung des Namens Weihnachten ist eben so streitig, als die des Worts Ostern. Einige sagen: Weihnachten wäre so viel, als geweihte, heilige Nacht, in welcher der Erlöser wäre gebohren worden, und sie durch seine Geburt geheiliget oder geweihet habe. Diese Meinung pflegt auch folgender Umstand zu bestätigen: daß man in der ersten Zeit der christlichen Kirche viele Consecrationen und Einweihungen vorzunehmen pflegte. Z.B. Man consecrirte Brod und Wein zum Abendmahl, weihte Lichter u.s.w., welches auch noch jetzt in der römischen Kirche zu geschehen pflegt.

Andre sagen, Weihnachten sey aus Wein und Nacht zusammengesetzt. Die dies behaupten gehen aber in der Erklärung von einander ab.

Einmal soll Weihnachten von Wein und Nacht zusammengesetzt seyn, und daher den Namen haben, weil die alten Deutschen gegen das Ende des Decembers häufige Trinkgelage angestellt, sich häufig in Wein berauscht, und einander Geschenke [93] mit Wein gemacht hätten. Ihre Gastmahle hätten auch gewöhnlich die ganze Nacht, oder doch wenigstens einen gewissen Theil der Nacht hindurch gedauert. Die Schwärmereien, die von je her unter den Christen in dieser Nacht üblich gewesen sind, scheinen diese Meinung zu unterstützen.

Weit wahrscheinlicher scheint aber doch der Name von einer gewissen Sage herzukommen, welche einige alte Kirchenväter erzählen. Sie sagen nehmlich, daß in derjenigen Nacht, in welcher Christus gebohren worden, verschiedene Flüsse und Quellen in Wein verwandelt worden wären, und daß dieses noch in derselben Nacht und zu derselben Stunde geschähe, um die Ungläubigen von der Wahrheit der Offenbahrung zu überführen. Der Kirchenvater Chrisostomus sagt in einer seiner Homilien: daß das Wasser, welches man in der Christnacht schöpfte, sich einige Jahre ohne zu verderben erhalte. Und daher schließt er, möchte wol die Sage gekommen seyn, daß in der Geburtsnacht des Erlösers die Quellen und Flüsse sich in Wein verwandelt hätten. Der erste Kirchenvater [94] Epiphanius nimmt diese Sage als unbezweifelt an, womit er sich sogar Ungläubige zu widerlegen getrauet. Der andre, der 30 Jahr später lebte, erklärt diese Sage für das, was sie wirklich war, für Erdichtung, die sich aber doch auf eine wirkliche Begebenheit gründe. Die Sage war allgemein, das Volk glaubte sie überall, viele Patres glaubten sie, und nur der aufgeklärtere Chrisostomus kann sich nicht davon überzeugen. Was war es denn Wunder, daß sich diese Sage zugleich mit der Ausbreitung des Christenthums unter den Deutschen mit verbreitete, und von ihnen um so leichter geglaubt wurde, je mehr sie den Wein liebten, welches man überall von ihnen behauptet.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 89-95.
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