10. Fastnachten.

[99] Fastnachten, der Fastenabend, war in der ältesten Kirche nichts anders, als derjenige Abend, welcher vor der vierzigtägigen großen Fasten vorherging, und war der Vorbereitungstag auf die Fasten, so wie der heilige Abend der Vorbereitungstag auf ein Fest war.

Schon in den ersten Zeiten der christlichen Kirche suchten sich die Christen, ehe die großen Fasten angingen, auf alle mögliche Art zu belustigen, und man sah ihnen hierin je mehr nach, je strenger diese Fasten in der alten Zeit der christlichen Kirche gehalten wurden. Sie pflegten Gastmahle, Liebesmahle anzustellen, sich mit ihren Feinden auszusöhnen, reichliche Allmosen auszutheilen, und alles vorräthige Fleisch, das sie doch während der bevorstehenden Fasten nicht genießen durften, zu verzehren. Noch jetzt sind die Christen, vorzüglich in dem Orient, in diesen Tagen vor der Fasten ganz ausgelassen, so daß auch deswegen [100] die Türken über sie spotten. Diese pflegen zu sagen, daß die Christen um diese Zeit von einem Fieber überfallen würden, welches nicht eher nachließe, bis ihnen ein gewisses Pulver auf den Kopf gestreuet würde, worunter sie die Asche verstehen, welche am Aschermittwochen den Leuten von den Priestern auf die Köpfe gestreuet wird.

In der römischen Kirche ist das sogenannte Carneval,3 welches mit allen möglichen Lustbarkeiten gefeiert wird. Es geht an einigen Orten den 26sten December, anderswo den heiligen Abend vor dem Dreikönigsfeste, an; an einigen Orten aber, wie z.B. zu Rom, bestimmt die Obrigkeit die Zeit. Es dauert bis zum Aschermittwochen, und wird mit allerlei Lustbarkeiten, als Opern, Tänzen, Komödien, Maskeraden und andern Spielen gefeiert. In Venedig ist dieses Carneval vorzüglich glänzend.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 99-101.
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