20. Von den Sonntagen.

[120] Die ersten Christen feierten mit den Juden den Sonnabend, so wie sie die übrigen Feste mit ihnen zugleich feierten. Aber sie machten bald den Sonntag zu einem Feiertage, weil dies der Auferstehungstag Jesu war. Die Sonntage bekamen auch durch das ganze Jahr besondre Namen, um [120] sie von einander zu unterscheiden. Mit dem vierten Sonntage vor Weihnachten ging das Kirchenjahr an, und diese vier Sonntage hießen die Advents-Sonntage. Ist ein Sonntag zwischen dem Weihnachtsfeste und Neujahrstage so heißt er der Sonntag nach Weihnachten. Die Sonntage nach dem Feste der heiligen Dreikönige heißen Epiphanias-Sonntage; und dieser sind zuweilen nur zwei, zuweilen können ihrer auch sechse seyn, je nachdem Ostern früh oder spät fällt. Alle folgenden Sonntage bis zum Osterfeste haben eine Beziehung auf Ostern. So heißt der nächste Sonntag nach den Epiphanias-Sonntagen, Septuagesima, das ist der 70ste Tag vor Ostern. Der auf ihn folgt Sexagesima, das ist der 60ste Tag, der nächste Quinquagesima, der 50ste Tag vor Ostern. Die beiden ersten Sonntage sind gerade nicht der 70ste oder 60ste Tag vor Ostern; aber der letzte, Quinquagesima, ist jederzeit der 50ste Tag vor dem Osterfeste. Der Quinquagesima-Sonntag heißt auch Esto mihi, von den Anfangsworten eines Gesanges, mit welchem man an diesem Tage den Gottesdienst anfing. [121] Im Deutschen heißt er der Fastnachtssonntag, weil er vor den Fasten vorhergeht. Nun folgen die 6 Fasten-Sonntage, welche heißen:

Quadragesima, der 40ste Tag vor Ostern. Es war nicht immer gerade der 40ste Tag; er hieß aber so, weil kurz vorher die vierzigtägigen Fasten angegangen waren. Man nannte ihn auch Invocavit, er hat angerufen, aus Psalm 91, 15.

Reminiscere, (Gedenke,) der zweite Fasten-Sonntag, aus Psalm 25, 6.

Oculi, (die Augen,) aus Psalm 25, 15.

Dieser Sonntag heißt in der römischen Kirche auch Dominica Rosae, oder Rosata oder de Rosa, der Rosensonntag, wegen eines besondern Gebrauchs. Der Papst pflegt nehmlich an diesem Sonntage eine goldne Rose zu weihen, welche er der angesehensten Person, die sich eben [122] zu Rom aufhält, zu schenken, oder auch einem Fürsten zu schicken pflegt.

Laetare, (Freue dich,) aus Jesaia 66, 10. oder aus Jesaia 54, 1.

Judica, (Richte,) der fünfte Fastensonntag von den Anfangsworten des Psalm 43, 1.

Palmarum, (der Palmsonntag,) der sechste und letzte Fastensonntag, wurde so genannt, entweder von den Palmzweigen, welche das Volk dem Messias bei seinem feierlichen Einzuge in Jerusalem an den Weg legte, oder von dem feierlichen Aufzuge, welchen die römische Kirche an diesem Tage zu halten pflegt, wobei alle diejenigen, welche den Aufzug mitmachen, Palmzweige in den Händen tragen.

Die sieben Wochen von Ostern bis zum Pfingstfeste waren lauter Festtage, an welchen das Volk sich für die 40tägigen strengen Fasten wieder schadlos zu halten suchte. So traurig die Tage [123] vor Ostern gewesen waren, so heiter und angenehm waren die 50 Tage von Ostern bis Pfingsten. Das Volk betete aufrecht stehend in den Tempeln, und nicht auf den Knieen, pflegte den Leib mit den delikatesten Speisen und Getränken; die angenehme Jahrszeit trug zur Freude und zur Fröhlichkeit dieser Tage auch das ihrige bei. Zur Freude gestimmt wählten sie zu den Eingangsversen, welche jeden Sonntag abgesungen wurden, jedesmal die trostvollsten und erbaulichsten aus, von welchen auch nachher die Sonntage benannt wurden. Der erste Sonntag nach Ostern hieß: Quasimodogeniti, als die jetzt gebohrnen Kinder; es sind die Anfangs-Worte von dem Verse 1 Petri 2, 2. Er heißt auch Dominica in Albis (se vestibus), weil diejenigen, welche zu Ostern getauft worden waren, die ganze Woche hindurch mit weißen Kleidern, als einem Symbol der Unschuld, bekleidet einhergingen. Daher sie ein christlicher Dichter die weiße Heerde nennt.

Der nächste Sonntag hieß: Misericordias Domini (plena est terra). Die Erde [124] ist voll von der Barmherzigkeit des Herrn. Psalm 33, 5. Ist sehr passend auf die Erndtezeit, welche in Palästina um diese Zeit fiel.

Der dritte Sonntag heißt: Jubilate, (comnis terra.) Es jauchze dem Herrn jedes Land. Psalm 166. Der Ausbruch der Freude in einer angenehmen und fruchtbringenden Jahrszeit.

Der vierte Sonntag heißt: Cantate, singet, (cantate domino canticum novum.) Singet dem Herrn ein neues Lied. Psalm 96, 1. oder Psalm 98, 1.

Rogate, (bittet,) ist der fünfte Sonntag, aus Matthäi 7, 7. und heißt im Deutschen der Betsonntag. Man nennt ihn auch vocem jucunditatis; (eine liebliche Stimme.) Esaiä 64.

Exaudi, (erhöre,) aus Psalm 27.

Den nächsten Sonntag nach Pfingsten, fällt [125] das Fest der heiligen Dreieinigkeit, Festum trinitatis.

Alle folgenden Sonntage bis zum Ende des Kirchenjahres heißen Trinitatis-Sonntage, oder Sonntage nach Trinitatis. Dergleichen Sonntage können, wenn Ostern sehr zeitig fällt 27 seyn, wenn es aber sehr spät fällt, so sind ihrer doch 23.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 120-126.
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