1. Bei den Griechen.

[163] Wenn junge Mannspersonen unter den Griechen ihren Geliebten die ganze Macht der Liebe zeigen wollen, so schneiden sie sich mit Messern in die Arme. Sie verheirathen sich in Gegenwart des Priesters, wozu sie allezeit Gevattern nehmen. Wann die Braut aufs beste geputzt ist, wird sie in das Zimmer gebracht, wo sich die Sippschaft versammelt hat. Der Priester stellt alsdann das Bild eines Heiligen auf den Tisch, wo zwei Ringe, nebst zwei kleinen von Wolle gemachten Kronen liegen, und zwei angebrannte Wachskerzen stehen. Der Bräutigam nimmt alsdann den ersten Platz ein. Man bringt zugleich eine große Schüssel, und der Priester fragt die Gesellschaft, ob sie Geschenke geben wolle. Einige geben Geld, andre Wäsche, Küchen- und Hausgeräthe. Das Geld wird in die Schüssel gelegt, das übrige in Körbe. Während dieser Zeit wird mit Weihrauch, [163] oder andern wohlriechenden Sachen, geräuchert, und gebetet. Braut und Bräutigam nähern sich alsdann dem Priester, der die Ringe weihet, sie an beider kleine Finger steckt, wieder abzieht, und dieses verschiedenemal wiederholt. Hernach nimmt er die Kronen, setzt sie ihnen auf den Kopf, und nimmt sie wieder ab. Beide Verlobte nehmen sich bei der Hand, und drehen sich einigemal um die Gevattern, alsdann wird ein Glas mit Wein gebracht, woraus Braut und Bräutigam trinken, und der Priester, der den Rest zu sich nimmt, zerbricht das Glas.

Die Popen selbst müssen sich bei ihrer Verheirathung bei dem Bischofe melden, und ihm die Person nennen, die sie sich erwählt haben. Diese muß ehrbar, keusch und vornehmlich schön seyn. Die Heiligkeit des Standes erfordert, daß ein Priester sich in keine Liebeshändel einlasse; die Reize seiner Frau sollen ihn in den engsten Schranken seiner Pflicht erhalten. Wenn sich daher eine vorzügliche Schönheit auszeichnet, so bestimmt sie das Volk der Gegend gleich für einen Geistlichen, [164] und giebt sich Mühe, sie ihm durch die Verwandten antragen zu lassen. Man sieht es für eine religiöse Handlung an, griechische Schönen, wo nicht Gott, doch seinen Dienern zu widmen.

Man kann daher keiner Frau höhere Lobsprüche machen, als wenn man sagt, sie übertreffe an Schönheit und Tugend die schönste und sittsamste Priesterfrau, welche immer ungemeine Bescheidenheit mit ihrer Schönheit verbinden. Der weiße Schleier auf ihrem Kopfe, die Reinlichkeit ihrer Kleidung, und die Unschuld ihrer Aufführung und Reden, haben so viel Einnehmendes, daß sie oft den heftigsten Anfällen der Galanterie ausgesetzt seyn würden, wenn sie ihre Tugend nicht schützte.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 163-165.
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