2. Bei den Syrern.

[165] Bei den Syrern ist der Hochzeittag gewöhnlich der erste, wo Braut und Bräutigam einander kennen lernen. Meistens ist es die Mutter, [165] welche die Verbindung stiftet; so bald sie ein Mädchen gefunden hat, das sie für ihren Sohn schicklich zu seyn glaubt, so ist der Antrag bald geschehen, der Preis bestimmt, die Erlaubniß beim Cadi gesucht und erhalten. Alsdann werden Zeugen von beiden Theilen ernannt, deren Amt ist, die Braut zu kaufen und wieder zu verkaufen. Der Priester frägt den einen, ob er sie um so und so viel kaufen will, und den andern, ob er damit zufrieden ist. Bei der Bezahlung giebt er ihre Hände zusammen, die bestimmte Summe wird ausgezahlt, der Handel geschlossen, und die Ceremonie endigt sich mit einem Gebet aus dem Koran.

Von diesem Augenblick an steht dem Bräutigam frei, die Braut zu sich zu nehmen, er giebt aber allezeit der Familie durch einen Bothen erst Nachricht davon. Sie wird alsdann von beiderlei Aeltern geführt, und in die für sie bestimmten Zimmer gebracht, welche von dem Zimmer des Mannes immer abgesondert sind. Wenn der Abend herannaht, kleiden die Mannspersonen den Bräutigam aus, melden es dem Frauenzimmer, [166] und man läßt sie in den Hof vor ihre Zimmer kommen, wo ihn die nächsten Anverwandten empfangen, tanzen und singen vor ihm her, und die Braut kommt ihm auf die Hälfte des Weges entgegen. Sie läßt sich aber noch nicht ganz sehen. Ein Stück von rothem Flor bedeckt sie von oben bis unten, und oft hat sie noch vor dem Gesicht ein ausgeschnittenes goldnes Blatt, das Stirne und Backen bedeckt. Der Bräutigam führt sie hernach wieder zurück, und bleibt endlich mit ihr allein.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 165-167.
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