Höflichkeitsregeln und andere Bemerkungen im Umgange mit dem schönen Geschlechte.

[69] Eine kluge und vernünftige Dame verlangt von einem Herrn männliche Gesetztheit und Würde, und keine läppischen Komplimente oder eine lächerliche Zudringlichkeit. Sie verlangt Höflichkeit, doch keine übertriebene Kriecherei. Der Ton muß Freundlich, gefällig, scherzhaft und bescheiden sein. Schamhaftigkeit, Sittsamkeit und Bescheidenheit müssen unsere Haupttugenden sein. Wer diese besitzt, der ist der Gunst einer vernünftigen Dame ziemlich gewiß.

Ist die Dame läppisch und es liegt uns etwas an ihrer Gunst, so behandle man sie auch darnach. Man kann ihr die zweideutigsten [70] Komplimente machen, worüber sie gewiß herzlich lachen und ihren Freundinnen bald zuflüstern wird: »Ein herrlicher und spaßhafter Mensch ist der N.N. wirklich.«

Gefällig zeige man sich aber gegen jede Dame. Man suche ihr schnell den gefallenen Knittstock auszuheben und wenn sie schneller ist, als der Herr, so bedaure man es mit den Worten: »O hätte ich doch Flügel gehabt, um den Knittstock erhaschen zu können. Wie glücklich hätte ich mich dann schätzen wollen, wenn Sie ihn hätten auslösen müssen, um von Ihnen dafür ein Küßchen zu erhaschen;« oder: »In Zukunft, Demoiselle, bitte ich Sie, mir das Vergnügen zu gönnen, alles das, was Sie in meiner Gesellschaft fallen lassen, aufzuheben.«

Kluge Damen erkennen recht gut die Würde eines Mannes und wissen sie auch zu schätzen. Die Schönheit eines Mannes kann durchaus keinen dauernden Eindruck bei ihnen machen; [71] ja, der eitle Mann wird gar bald Gleichgültigkeit erregen. Der ernsthafte Mann, der auch in den Spielen gesellschaftlicher Tändelei seine Würde nicht vergißt, der als solcher Achtung einzuflößen vermag, macht einen weniger bemerken, aber desto sicherern Eindruck auf das weibliche Herz, als der schwatzhafte Geck oder der unberufene Wortführer. Gern schmiegt sich die Schwäche an die Stärke; die Dame will durch den Jüngling erhoben werden, denn sie selbst strebt höher und verlangt daher nicht, daß man sich herabziehe zu ihre Tändeleien.

Ist man in Gesellschaft von vielen Dame, so höre man geduldig selbst den unbedeutendsten Erzählungen zu, weil uns hierdurch der Titel eines angenehmen Mannes zu Theil wird. Gern spricht auch das weibliche Geschlecht über Familienangelegenheiten und legt nicht selten ein großes Gewicht auf Ereignisse, die eigentlich so geringfügig sind, daß der Mann, zu größern Sachen berufen, sie außer Acht läßt; wobei man [72] aber sehr anstößt, wenn man dafür kein lebhaftes Interesse heuchelt. Wohl aber hat man sich zu hüten, daß man sich mit ihnen in Klatschparthien einläßt.

Wer mit Leichtigkeit und Behendigkeit eine frohsinnige Theilnahme an den gesellschaftlichen Spielen, Gesprächen und Neckereien der Damen zeigt, wird auch viel bei ihnen gewinnen.

Ein Hauptzug in dem Charakter des schönen Geschlechts ist unbezähmbare Neugierde. Sie ist ein wichtiges Mittel, um sich bei ihnen, im allgemeinen genommen, zu empfehlen; doch muß man darin sehr behutsam sein, weil man sich dadurch leicht als Klätscher und Neuigkeitskrämer verhaßt machen kann. Ihre Forderung in diesem Punkte sind oft unverschämt; da sie besonders kein Geheimniß, wenn es eine Stadtneuigkeit betrifft, aufzubewahren vermögen und dann die ganze Verläumdungsgeschichte auf den ersten Hinterbringer wälzen.

[73] Was die Laune betrifft, so mag diese wohl bei dem männlichen und weiblichen Geschlechte gleich vertheilt sein.

Wenn man eine zankende Frau oder ein zankendes Mädchen sieht, so ist dieß wohl einer der widrigsten Anblicke; denn selbst der rüstige Kriegsmann, der unter seinen Kameraden als ein Raufer bekannt ist, sucht nicht selten das Weite, wenn sein keifendes Weib mit geballten Fäusten gegen ihn tritt. Daß die Frauen es selbst einsehen, wie die, durch Heftigkeit des Temperaments erzeugte Scheingewalt außer den Grenzen ihres Berufs liegt, sieht man daraus, daß jede nur etwas gebildete Frau den Ausbruch einer solchen Heftigkeit späterhin zu verheimlichen sucht, wogegen der Mann – oft unanständig genug – sich mit den Auftritten brüstet, wo er seine Kraft gezeigt hat.

Es scheint wirklich in der Natur zu liegen, daß Schwächere immer grausamer in der Rache sind, als Stärkere; vielleicht weil das Gefühl [74] der Schwäche die Empfindung des erlittenen Drucks verstärkt und lüsterner nach der Gelegenheit macht, auch einmal Kraft zu üben. Es ist daher wohl mit Grund zu sagen, daß die Rache des weiblichen Geschlechts weit fürchterlicher ist, als die des männlichen; denn sie ist dauernd und nicht leicht zu versöhnen.

Weit religiöser ist auch das weibliche Geschlecht gestimmt, als das männliche; welches wahrscheinlich daher kommt, weil ihr Beruf Duldung und Demuth ist. In der That sind die Damen in dieser Hinsicht als ein großes Bindungsmittel zwischen Cultus und Bürgerleben zu betrachten. Sie erfüllen oft in der Familie dasjenige im Kleinen, was die Sühnung unseres Heilandes war. Durch Sanftmuth und Liebe vereinigen sie die Kraft mit der Form, Gehorsam und Demuth mit dem anstrebenden zerstörenden Willen.

Durch ungezwungene Aufmerksamkeit auf Kleinigkeiten, jene unbedeutenden Galanterien [75] welche eben dadurch Werth bekommen, daß man keinen Werth darauf zu legen scheint, erwirbt man sich leicht den Ruf eines artigen Mannes. Hat dieser Ruf erst einmal Wurzel gefaßt, so kann man ihn nicht leicht wieder verlieren; denn was ein solcher anerkannt artiger Mann sagt und thut, das ist ohne Prüfung gut. Wer aber einen allgemeinen guten Ruf unter dem weiblichen Geschlechte erringen will, der hat sich vorzusehen, daß er eine Dame nicht besonders auszeichne. Von dem Augenblicke an, wo dies geschieht, wird man mit Argusaugen betrachtet und das allgemeine Interesse geht verloren. Mängel, Schwächen und Lächerlichkeiten werden hervorgesucht und einander mitgetheilt, wodurch nun Klatschgeschichten entstehen.

Bei dem Umgange mit Frauen hüte man sich ja die Grenzlinie zu überschreiten, welche die allgemeine Meinung festgesetzt hat, um den guten Ruf nicht zu verlieren. Die Frauen selbst handeln hierin oft höchst unbesonnen, weil sich nichts Arges dabei denken. Man gehe daher [76] höchst behutsam mit ihnen um. Durch die Heirath haben sie mehr Selbstständigkeit erhalten und dieß wohl fühlend, sind sie auch im Gesellschaftsleben freier und ungezwungener. Bald theilt man sich hierüber Bemerkungen mit und ehe ein Monat vergeht, so heißt es allgemein: »Die Frau N.N. soll ein recht gutes Gemüthe haben.«

Zum Schluß wiederhole ich nochmals: »Wo man den Damen gefällig sein kann, thue man es und sage: daß man sich eine Ehre und ein Vergnügen daraus macht!«

Quelle:
[Anonym]: Der galante Stutzer. Nordhausen 21829, S. 69-78.
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