§ 157

[385] Der Sturm, der am Sonntage Exaudi [Sonntag nach Himmelfahrt] drauf über mich kam, war noch größer. Ich hatte einen Argwohn auf einen von meinen Dienstboten geworfen, wegen seiner Treue und wegen seines Lebens. Gerichtlicher Weise hätte ich wohl denselben seiner Tat nicht überführen können; es waren aber doch so viel Wahrscheinlichkeiten da, daß ich schon um Ostern beschloß, bei Gelegenheit bei mir zu überlegen, ob ich solchen mit gutem Gewissen bei mir behalten könnte, oder ob ich demselben um Johanne [24. 6.], damit ich mich nicht fremder Sünden teilhaftig machte, und sündliche Leute um mich lidte, seinen Abschied geben wollte; es hatten aber andere Dinge hernach meinem Gemüte und Haupte so viel zu tun gegeben, daß ich diese wichtige Sache darüber vergessen. Früh am Sonntag Exaudi, als ich aufstehen will, fällt mir ein, daß es der Sonntag Exaudi sei, und noch 6 Wochen bis zu Johanne wären, und daß nun die Zeit da wäre, daß ich resolviren müßte, entweder demselben den Dienst aufzusagen, oder ihn bei mir zu behalten. Damit gieng das Feuer der Sorge und der Angst bei mir an: beides lag mir hart an, und konnte zu keinem Entschluß kommen, und sollte doch noch an demselben Tage den Schluß machen. Je kürzer die Zeit war, je schneller liefen die Gedanken, und Argumenta herüber und hinüber. Ich wußte kaum, wie ich in die Kirche kommen sollte. Als ich hineinkam, machte der Prediger den ersten Eingang von dem feurigen Busch, der da brennete, und doch nicht verbrennete [vgl. 2. Mos. 3,2.f.], und applicirte denselben sowohl auf die Kirche Christi überhaupt, als auf jeden angefochtenen Christen insonderheit. Ich dachte: du bist jetzt dieser brennende Busch, Gott helfe, daß er in dieser Hitze nicht verbrenne. Nach der Mahlzeit, da ich Bier und Wein getrunken, hörte die Plage guten Teils auf; indem mir die Argumenta genug schienen, die ich hatte, diesmal noch an keine Veränderung zu gedenken, sondern solche bis auf Michael [29. 9.] aufzuschieben, und inzwischen dem Übel und dem Dinge auf andere Weise, und durch gute Anstalten abzuhelfen: Nach dem Vesper-Caffée aber gieng die Plage wieder an, und den andern Morgen früh, da die Zeit vorbei war, und die Änderung meines Vorsatzes mich in Zank, Verdrüßlichkeit und Weitläuftigkeit[385] würde versetzt haben, tobete mein Gemüte noch ärger. Mein Lebtage hat es mir nicht so geschienen, als wenn ich wider besser Wissen und Gewissen täte, als dasselbe mal, bis hernach Gott um Pfingsten mein Gewissen und Seele beruhigte.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 385-386.
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