Dritter Brief.

[19] (An Denselben.)


..... Ich fühle noch Mängel und Fehler an mir; nämlich, ich empfinde einen Groll in meinem Herzen gegen einen Gotteslästerer und frevelhaften Menschen, den ich nicht haben sollte, wenn ich meinem göttlichen Erlöser ähnlich seyn will. Ach möchte er sich doch in Sanftmuth und Mitleid verwandeln. Darum flehe und bitte ich meinen göttlichen Erlöser kindlich. – Ich gehe diesem Manne aus dem Wege wo ich kann, aber letzthin kam er, da ich allein war, auf meine Stube und sagte, daß er eher gesund würde als K. (Er ist wassersüchtig.) Ich antwortete: das kann wohl seyn, bei Gott ist kein Ding unmöglich. Er aber sprach: »Was! mit Gott bleiben sie mir weg, was weiß Der von ihnen und von mir, ob wir krank oder gesund sind. Wie können sie so albern seyn? Es kommt allein darauf an, daß der Mensch gute Säfte hat.« Ich erwiederte ihm: Ach Lieber! versündigen Sie sich doch nicht so schrecklich an Gott. Sie sind wirklich ein höchst unglücklicher, bedauernswürdiger[19] Mann. Er: »Ja, und sie noch weit mehr, wenn sie glauben, daß Gott etwas von Ihnen weiß und Ihnen helfen kann.« Weiter konnte ich ihn nicht hören und ihm nicht antworten, so großen Aerger fühlte ich in meinem Herzen. Die Brust wollte mir zerspringen. Ich ging heraus ins Freie, um mir Luft zu verschaffen, setzte mich in den Garten an einen einsamen Ort und konnte kaum meine Thränen hemmen. Nach und nach bekam ich wieder Ruhe und Trost im Herzen. Ich kann aber doch diesen Menschen seit der Zeit gar nicht mehr ansehen, wenn er kommt, gehe ich heraus. – Ach mein bester Herr, es ist doch ein schauderhaftes und eckelhaftes Leben, hier auf dieser Sündenwelt unter Menschen zu leben, die den Namen Mensch nicht verdienen, weil sie teuflische Herzen haben. –

Ich glaubte, als Sie mir am Sonntage sagten, ich würde noch viel leiden müssen, Sie wollten mein Herz schonen, und mir nicht gerade heraus sagen, daß ich (von dem weltlichen Richter) nicht begnadigt bin. Allein das weiß ich, das sagt mir deutlich mein Geist. Aber glauben Sie ja nicht, daß ich davor die mindeste Furcht oder Bangigkeit habe, nein, gewiß nicht. Daran liegt mir auch nichts, mag der irdische Richter mich begnadigen oder nicht; ich bin in meinem göttlichen Heiland begnadigt. Er hat meiner Seele Gnade über Gnade zugesprochen und geschenkt, welche ich nicht verdiene. Mögen die weltlichen Richter mit meiner irdischen Hülle machen, wie es ihnen gefällt. Ach, wenn ich nur so glücklich wäre, daß Sie mir die Hoffnung geben könnten, daß, wenn ich wieder in die Strafanstalt komme, ich in eines der einsamen Gefängnisse gethan werde, wo ich von allen Menschen abgesondert wäre. Gott wie glücklich würde Dein armes Kind leben, das sich nur dann ganz glücklich fühlt, wenn es ganz einsam ist, und am unglücklichsten, wenn es unter Menschen seyn muß, die der leibhafte Teufel selbst sind. Ja, das ist die qualvollste Marter, das größte Leiden, das meinem Herzen in dieser Welt widerfahren kann. O, es ist gräulich, schrecklich und schändlich, mit einem christlich-liebenden und fühlenden Herzen, das Gott angehört, unter pestilenzischen[20] Menschen zu leben, bei denen Frechheit und Gotteslästerung ihren Wohnsitz haben. Du, mein göttlicher Heiland, mein liebevoller Erlöser, kennst mein Herz und weißt, daß ich mich in deinen göttlichen Willen und in Deine Leitung einzig und allein ergeben habe. Du giebst ja den Gläubigen den Trost: »Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr in mir Friede habt. In der Welt habt ihr Angst. Aber seyd getrost, ich habe die Welt überwunden.« Nun so glaube ich auch, die Welt zu überwinden in Dir, meinem göttlichen Heiland. Dein Wille geschehe! Wie Du willst, und nicht anders, wird es mir ergehen.

O mein lieber Seelenfreund! Wie glücklich war ich letzten Sonntag in der Kirche, wo sich mein Geist so ganz in die Nähe meines göttlichen Erlösers versetzt fühlte, als wäre mein Geist schon am Throne seiner Herrlichkeit bei allen seinen Seligen.

Ew. etc.

H. A. Busch.

Charité,

den 1sten August 1828.


* * *


An demselben Tage schrieb er auch an einen seiner Brüder, der in der Straf- und Besserungs-Anstalt zu Spandau war. Er wünschte so gern, daß dieser sein Bruder, der auch, wie er sagte, ein großer Sünder war, sich bekehren möchte. In dieser Absicht hat er folgenden Brief an seinen Seelenfreund geschickt, und überließ es seinem Gutdünken, ob er den Brief an seinen Bruder nach Spandau schicken wolle, oder nicht.

Quelle:
Busch, Heinrich Adolph: Selbstbekenntnisse eines begnadigten Verbrechers. Berlin 1830, S. 19-21.
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