Betragen bey dem Handkuß der Damen.

[153] Wenn du dir durch einen Handkuß eine Dame, wär sie auch nur Frauenzimmer von geringerm Stande, als du bist, verbindlich machen kannst, so verweigere ihr diese kleine Artigkeit nicht. Bey vornehmen Damen mußt du dich überwinden können, bisweilen eine Hand zu küssen, die eben nicht sehr zum Kusse reitzt. Siehst du, daß sie den Handschuh von der Hand lösen will, so warte nicht, bis sie ihn herabgezogen hat. Muthet sie dir aber zu, einen unsaubern Handschuh zu küssen, so sieh, daß du dich mit Feinheit und Manier los machst. Will sich das nicht thun lassen, so überwinde dich doch, denn man ahndet Kleinigkeiten bisweilen sehr scharf. Küssest du einer[154] Dame von Stand die Hand, so muß sich dein Mund auf ihre Hand hinabsenken. Küssest du einer Bekanntin, einer Freundin die Hand, so ist es kein Verstoß, wenn du ihre Hand deinem Munde zuführest.

Quelle:
Claudius, G[eorg] C[arl]: Kurze Anweisung zur wahren feinen Lebensart. Leipzig 1800, S. 153-155.
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