Der richtige Takt gegen Dienstboten

[58] will auch wohlbedacht und geübt sein. Ihnen gegenüber nehme die junge Dame ein gesetztes Wesen an.

Es kommt häufig vor, daß dienende Personen schon seit ihrer Kindheit im Hause sind, ihnen mangelt dann das richtige Taktgefühl, welches meistens nur der Gebildete besitzt, sie behandeln die erwachsene Tochter des Hauses so, wie sie früher das Kind behandelt haben. Diese vermeide es alsdann möglichst, alte bewährte Dienstboten dadurch zu kränken, daß sie plötzlich einen herrischen, befehlenden Ton gegen sie annimmt; sie weise sie freundlich darauf hin, daß das bisher zwischen ihnen bestandene »Du« sich nun in »Sie« verwandeln müsse, auf etwaige Scherze gehe sie nicht mehr wie früher ein und zeige durch ihr Betragen gegen sie, daß sie ihnen jetzt eine Respektsperson geworden ist.

Frei von jedem Hochmut, von jeder rücksichtslosen Ueberhebung sei das Benehmen der jungen Dame zu den Dienstleuten, aber nie vergesse sie ihnen gegenüber das richtige Taktgefühl, welches sie stets hindere, in einen vertraulichen Ton mit ihnen zu fallen. Ungebildete benutzen denselben gar leicht, sie mißverstehen diese Leutseligkeit und nehmen sich allzu große Freiheiten heraus. Niemals habe ein junges Mädchen mit der Magd oder dem Diener Geheimnisse vor ihren Eltern, es würde sie solche Gemeinschaft mit ihnen sehr herabsetzen, wäre ein arger Verstoß gegen die seine Sitte. Bei dem Verlassen einer größeren Gesellschaft ist es schicklich, dem aufwartenden Dienstboten ein Trinkgeld zu geben; ist die junge Dame ohne Begleitung einer älteren Person, welche dies übernimmt, auf einer solchen, so muß sie selbst nicht vergessen, es zu thun.[58]

Quelle:
Ernst, Clara: Der Jungfrau feines und taktvolles Benehmen im häuslichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. Mülheim 3[o.J.]., S. 58-59.
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