Von den Beschützern und den Gönnern.

[194] Ein wahrer Gönner ist ein Phönix, den man nicht zwei Mal im Leben findet; war man daher so glücklich, ihn ein Mal zu gewinnen, so muß man sorgfältig darauf bedacht sein, ihn sich zu erhalten. Dazu bedarf es keiner knechtischen Unterwürfigkeit oder niedrigen Schmeichelei, sondern es wird genügen, die wohlgemeinten Rathschläge[194] des Gönners zu befolgen und sich durch Achtung, Ergebenheit und kleine Gefälligkeiten dankbar zu beweisen.

Mehr zu fordern, als aus eigenem Antriebe gewährt wird, oder überhaupt in seinen Ansprüchen unbescheiden sein, ist ebenso ein sicheres Mittel, den gewonnenen Gönner zu verscherzen, als wenn man dessen Rathschläge unbeachtet läßt, oder überhaupt auf seine Ansichten und Meinungen kein Gewicht zu legen scheint.

Man glaube nicht an die Versprechungen der Großen, oder man baue wenigstens nicht zu fest auf die Erfüllung derselben, wenn man wiederholte Täuschungen vermeiden will.

Wenn ein Großer zufällig sein Versprechen erfüllt, muß man dafür nicht nur ihm selbst, sondern ganz besonders auch Gott danken.

Oft erreicht man zwar durch lästige oder zudringliche Bitten, in Folge des Ueberdrusses oder des Unwillens, Manches, was die bloße Gutmüthigkeit dem bescheidenen Wunsche nicht gewährt haben würde; allein dieß Mittel ist theils zu gefährlich, als daß wir seine Anwendung rathen möchten, theils dürfen wir dieß auch schon deßhalb nicht, weil sich durch ein solches Benehmen ein großer Mangel an Tact und Lebensart verrathen würde.

Auf der andern Seite aber sagt ein sehr wahres Sprüchwort, welches eben kein ehrendes Zeugniß für die Sitten unserer Zeit ablegt: Wer nichts bittet, bekömmt nichts. – Will man daher etwas erlangen, so muß man um etwas bitten, aber die Art und Weise, wie man dieß thut, ist es, worauf es ankommt, und in der Beziehung wird ein Mann von Erziehung das Rechte zu finden wissen, indem er noch überdieß die directe Bitte, die stets etwas Demüthigendes an sich hat, vermeidet, und es so zu wenden weiß, daß ihm das, was er wünscht, angeboten wird.

Wer irgend ein Verdienst besitzt, der braucht sich nicht zu scheuen, es geltend zu machen, nur thue er es[195] mit Bescheidenheit; denn unbekannt oder unbemerkt gebliebenes Verdienst hat keinen bessern Lohn zu erwarten, als er der Dummheit zu Theil wird.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 194-196.
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