Karoline Bettelheim

[47] Da bekam ich im Jahre 1852 eine kleine Klavierschülerin, die siebenjährige Karoline Bettelheim, als Honorar den guten Mittagstisch und somit war ich in der Hauptsache geborgen. Die kleine Karoline und später die große Sängerin an der Wuner Hofoper war ein ungewöhnlich begabtes Kind. Einen klaren, schnellfassenden Kopf und Händchen von Stahl. Dem Unterricht dieses holden Kindes, das ich schon früh ins Herz geschlossen hatte, widmete ich mich mit ganzer Liebe.

Sie machte so erstaunliche Fortschritte, daß sie schon nach einjährigem Unterricht mich in einem Konzerte im Saale Streicher, wo ich ein Violinsolo spielte, begleiten konnte. Beim hastigen Umblättern wirft sie die Noten zur Erde; schnell rafft sie diese aufs Pult und da ich fortspielte springt sie da ein, wo ich eben hielt; für ein achtjähriges Kind Geistesgegenwart und musikalische Sicherheit genug. Meine Unterrichtsstunden dehnten sich oft über drei bis vier Stunden aus, ich ließ sie oft bis zur Grausamkeit üben. So ließ ich sie einmal die Oktavenetüde aus dem Gradus von Clementi (Es-Dur), die bei einmaligem Durchspielen schon[47] den Arm erschöpft, zwei Stunden ununterbrochen üben – eine Brutalität aus Liebe. Mit Unterbrechung von anderthalb Jahren blieb sie meine Schülerin bis zu ihrem 14. Jahre. In ihrem 15. betrat sie die Hofopernbühne. Mit der herrlichen Stimme und ungemein reifer, künstlerischer Darstellung stand sie bald an erster Stelle. Neben der aufblühenden, großen Sängerin hatte das Klavier keinen Raum mehr. Zwar spielte sie noch häufig öffentlich, so in den Quartetten Hellmesbergers, im Gewandhaus in Leipzig, in London u. a., aber die Klavierkarriere war eigentlich damit abgeschlossen.

Im Zusammenhange spreche ich später noch öfter von ihr.

Fußnoten

1 Er war der einzige, der nach Auflösung des Kremsierer Reichstages von der radikalen Linken in Wien verblieben war. Er wurde neun Monate in Hast behalten und dann »wegen Mangel an Beweisen« (!) freigelassen.


Quelle:
Goldmark, Karl: Erinnerungen aus meinem Leben. Wien, Berlin, Leipzig, München 1922, S. 48.
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