Meine Orchestration

[53] Zur Orchestration kam ich in folgender sonderbaren Weise. In meinem zweiten Theaterjahr in Ödenburg 1849-50 bat mich ein Sänger, ihm ein Couplet zu instrumentieren. Ich hatte bis dahin noch nie einen solchen Versuch gemacht. Er sang in C-Dur und ich instrumentierte in C-Dur. Hätte er in Fis-Dur gesungen, ich hätte doch C-Hörner und C-Klarinetten gesetzt, denn ich wußte überhaupt noch nicht, daß es für Hörner, Klarinetten, Trompeten Transpositionen gibt. Und diese waren damals für das Blech noch notwendig, da es noch keine Ventile gab. Ich hatte vom Instrumentieren überhaupt noch keine Ahnung, aber ich saß doch schon ein Jahr im Orchester, hörte die Verwendung und kannte den Charakter jedes Instrumentes, die Aufgabe war nicht so schwer und so ging ich daran. Nun trat die Solotänzerin mit dem gleichen Ansinnen an mich heran, nur daß ich nicht für Singstimme, sondern für die Füße instrumentierte. Sie sang mir ihre Polka und ich instrumentierte mit Hörnern, Trompete in C. Diese beiden waren meine ersten, sehr bescheidenen Komponistenhonorare (3 fl.).


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Nun fing ich an, mich fürs Orchester zu interessieren. Ich befragte die Kollegen, wie es mit den Hörnern usw. bestellt sei. Drei bis vier Jahre später schrieb ich eine Ouvertüre, einen[53] Psalm für Chor, Orchester und Solostimme. Bei Abfassung genannter Werke hatte ich noch immer keine Instrumentationslehre oder Partitur gelesen. Aber ich saß doch schon mehrere Jahre im Orchester und habe so empirisch das grobe Handwerk gelernt. –

Das Klavierquartett, mehrfach öffentlich aufgeführt, erweckte Aufmerksamkeit. Meine Kollegen drängten mich, die Sachen doch in einem Konzert aufzuführen. Da es aber weder Quartettnoch Orchesterkonzerte gab, sollte ich die Stücke in einem eigenen Konzerte produzieren. Eines Tags trat mein Schwager in mein Zimmer und gratulierte mir zu meinem 27. Geburtstage. Siebenundzwanzig Jahre und noch nichts für die Unsterblichkeit getan! – Heraus mit dem Konzert!

Quelle:
Goldmark, Karl: Erinnerungen aus meinem Leben. Wien, Berlin, Leipzig, München 1922, S. 53-54.
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