Spontini – Congreve – Gutenberg.

[530] Mit Schwierigkeiten hatte es der Generalintendant Graf von Redern, wie vor ihm Graf Brühl, noch besonders zu tun in bezug auf Spontini, der auch mir Mißstimmung beibrachte. Als Generalmusikdirektor kam er im Jahre 1820 nach Berlin; am 14. Mai 1821 war die mit Tonmassen und nun auch vermehrt reichlichster Pracht ausgestattete Oper »Olympia« zum erstenmal unter seiner Leitung auf der Bühne. Die bei Wertschätzung doch zugleich urteilende Offenherzigkeit meines Berichts wurde von einem furchtsamen Zensor auffallend arg behandelt, wovon der »Gesellschafter« (1821. Bl. 85 und 90) durch viele mit Gedankenstrichen bezeichnete Lücken Zeugnis gibt. Die zweite Hälfte des Berichts mußte vertagt werden, um mit dem Zensor zu unterhandeln; er gestand, daß er eingeschüchtert worden[530] sei, zeigte sich jedoch nachgiebig, da er selbst diese einseitige Beschränkung als Gewalttat betrachtete.

Deutlicher wurde es auch mit der Zeit, daß bei jeder ihm nicht behagenden Aufrichtigkeit Spontini am Hofe klage, für ihn stets mit günstigem Erfolge. Dies dehnte sich weit aus, so daß ich – zum Beispiel – in absichtlichem Verdruß dem Verfasser einer anpreisenden Einsendung in bezug auf des Anmaßlichen alljährliches Konzert die Aufnahme verweigerte, weil Spontini, wie dies schon geschehen, klagen könne über den Abdruck der angeblich persönlichen Äußerung: Herr Ritter Spontini habe erklärt: »Die Konzerte, welche ich gebe, sind dem Andenken großer Meister geweiht, denen ich durch die möglichst vollendete und glänzende Ausführung ihrer Werke meine Ehrfurcht zu beweisen und deren Gedächtnis ich bei dem Publikum lebendig zu erhalten wünsche.«

Ich erhielt den Aufsatz zurück mit der Hinzufügung: »je consens volontier à la publication de la note ci-dessus. Spontini.« Gedruckt wurde nun das Eingesandte mit diesem Anhang und meiner Anmerkung: »Da obiger Aufsatz eine Privatäußerung des Herrn Generaldirektors Ritters von Spontini enthält, so hatte ich Gründe, des Genannten Einwilligung zum Abdruck von dem Einsender zu begehren, welche dann als Zusatz zum Manuskript in obigen Worten erfolgte.«

Im Jahre 1826 tummelte sich in den Zeitschriften ein Streit, weil der Redakteur der »Berliner musikalischen Zeitung«, A.B. Marx, ein Gegner Spontinis ohne Maß, ausgerufen haben sollte: »Ich muß Generalmusikdirektor werden, Spontini muß fallen, damit ich einmal an die Spitze komme!« Diese Angeberei kam von[531] dem abenteuerlichen Regimentsauditeur Gustav Nicolai, einem lenkbaren Werkzeug Spontinis. – Der Musikgelehrte Gottfried Weber und der Dichter Heinrich Stieglitz mischten sich ein als ein Verfechter des Marx. Der »Bemerker« des »Gesellschafter« mußte im Dafür und Dagegen auch einer der Kampfplätze werden: die Zensoren hemmten aber auf Befehl mitteninne die sich eben etwas klärende Dunkelheit.

Ein Jahr nachher rief Spontini die Berliner Polizei zur Hilfe; es wurde den Buchhandlungsbesitzern die Weisung erteilt: »Eine gewisse Flugschriftt nicht zu debitieren, von welcher man wissen muß, daß sie nächstens in Leipzig erscheinen und Diatriben gegen einen hiesigen Tonkünstler von europäischem Ruf enthalten wird.« Diese, den erwähnten Streit betreffende, von Spontini angeregte sehr unweise Weisung hinsichtlich einer noch gar nicht erschienenen Flugschrift wirkte erbitternd und die üble Stimmung schärfte sich, als noch in demselben Jahre (1827) durch Spontinis Einflüsterungen verfügt wurde: die Zensoren sollten erst nach der dritten Aufführung eines neuen Bühnenwerks das öffentliche Urteil gestatten. Bei solchen Begebnissen ist es leicht begreiflich, daß der Wahrheit und Recht liebende Graf Brühl mit den Bühnenwesen auch viel Qual hatte durch Spontini, der die ursächlichste Veranlassung war, weshalb Brühl im Jahre 1828 sich befreite und auf seinen Nachfolger, Graf von Redern, die weitere Zwietracht mit Spontini vererbte.

Ehe ich von dem stets mit Sorge für Unruhe beschäftigten Tondichter scheide, ist nochmals einzuschieben Gustav Nicolai, der durch unbedingte Lobdienerei den wenig deutsch verstehenden Spontini sehr schadete. Im[532] Jahre 1834 schickte jener in die Lesewelt seine Schilderung: »Italien wie es ist. Bericht über eine merkwürdige Reise in den hesperischen Gefilden, als Warnung für alle, welche sich dahin sehnen.« Es ist ein Machwerk voller Übertreibung, in den Zeitschriften dem Auszulachenden angereiht; eine ernste Widerlegung erschien im »Gesellschafter«, dann ein nirgends zureichender Widerspruch vom Verfasser. Überhaupt wurde er befehdet ringsum, mit Recht, aber auch mit überschwenglicher Spottlust, besonders durch Wolfgang Menzel in seinem »Literaturblatt«. Nach meiner, durch mancherlei unterstützten Überzeugung war dieser Nicolai hirnskrank; dies verschlimmerte sich nun bei dem ihn völlig beherrschenden, von ihm wiederholt ausgesprochenen Gedanken: »Alles ist persönliche Feindschaft!« – Mir war er unzurechnungsfähig, was ich einschalte, um weiteres leicht einsichtlich werden zu lassen.

Spontini, als er es sich nicht länger verhehlen konnte, daß die Berliner ihm aufständig werden möchten, ihm auch durch öffentliche Äußerungen deutlich werden mußte, daß ich bei Aufrechterhaltung der Wahrheit im Urteil für seinen Wert doch nicht geistesblind war, näherte sich mir mehr und mehr in Beiwirkung des uns beiden befreundeten, sehr kenntnisreichen Geheimrat von Grunenthal, der mir Mitarbeiter war. Das konnte ein ruhiges Urteil nicht hindern und noch im Jahre 1840 gab ich in meiner Zeitschrift (Bl. 39) zu lesen:

»Spontinis Oper: ›Agnes von Hohenstaufen‹ ist wieder neueinstudiert worden, und macht demnach einen abermaligen Versuch, im Bunde der ›Vestalin‹ und des ›Cortez‹ von den Werken Spontinis, die[533] ihn in Andenken erhalten auf den Repertoiren, das dritte zu werden. Wir gönnten damit wohl dem Meister ein besseres Resultat als bisher, zweifeln aber, daß es zu erreichen sein werde. Die Oper hat unbestreitbar noch immer Beweise von dem Talent des Komponisten, er überbot aber die Mittel zu sehr, wollte mehr mit dem Material als dem Geiste wirken und so ist's nur natürliche Folge, daß dieser von jenem unterdrückt ward.«

Die Leidenschaftlichkeit gegen Spontini kam schon im Jahre 1840 zu maßloser Steigerung, da man wußte, aus dem jetzigen Hofkreise sei er nicht begünstigt. Nun nahm sich zudringlich der hitzig unbesonnene Spontini seines Nicolai noch so weit an, daß er dessen Oberbehörde bis zum Thron hin verklagte; ich besitze diese angeberische Beschwerde in Abschrift, ohne mich erinnern zu können, von wem ich sie erhielt. – In schlimmster Schilderung wurde das seltsame Einschreiten Spontinis bei einer ihn nicht betreffenden Rechtsuntersuchung verbreitet, der Groll befeuerte sich, brach zornsprühend hervor im Jahre 1841, und es mag zeitgeschichtlich sachgemäß sein, aus dem »Gesellschafter« (1841. Bl. 62) hier einzuschalten:

»Berlin. Am 2. April, bei der Aufführung des ›Don Juan‹ im Königlichen Opernhause, erregte ein Teil der Versammlung stürmischen Lärm, der, sei er von Parteisucht verabredet, oder aus freier Bewegung hervorgegangen, in keinem günstigen Licht erscheint. Als nämlich Herr Spontini ins Orchester trat, um seinem Amt und seiner Pflicht gemäß, zu dirigieren, empfing ihn Pfeifen, Pochen und Schreien, was sich, als jener die Ouvertüre beginnen ließ, noch verdoppelte. Herr Spontini brachte die Ouvertüre zu Ende und trat erst ab,[534] als man ihm bemerklich machte, daß die Aufgeregten vielleicht selbst die Schranken des Orchesters nicht mehr beachten würden. – Es kann hier allerdings von einer Masse die Rede sein, aber nicht von dem Berliner Publikum, das in seiner Gesinnung das Verfahren jener entschieden von sich abweist. Nun ist es zwar nichts Neues, daß eine Masse ohne Überlegung handelt, aber es ist etwas Neues, daß sie im Königlichen Opernhause ihre Verfolgungen so weit trieb. Was gehen diese Massen Streitigkeiten an, welche Spontini führt, wenn er eben seiner Schuldigkeit gemäß und in seinem Amt als Operndirigent auftritt? Was geht es ferner die Zuhörer des ›Don Juan‹ an, was der Dirigent literarisch über seine amtliche Stellung unternahm? Was hier etwa zu rügen ist, kann nicht von einer Masse gerügt werden, welche entweder gar keine oder nur einseitige Kenntnis von den hierbei zu untersuchenden Bestimmungen und Verhältnissen hat. Daß ein Ausländer die höchste Stellung in der Musik hier einnimmt, ist empfindlich für uns, wir leugnen es nicht. Wer das aber nicht öffentlich geäußert hat in den Jahren, wo der Mann in Gunst war, soll es auch unterlassen, wenn ihn veränderte Umstände in Ungunst stellen. Das Volksgefühl, will etwa jene Masse ein solches verschieben, erwacht da gar zu spät! – Gewiß auch darf man fragen, ob wohl unter allen denen, welche Herrn Spontini an jenem Abend verdammten, auch nur einer wäre, der einen ehrenvollen Ruf vom Auslande ausschlüge, oder wenn ein solcher an ihn erginge, sich nicht so günstig als möglich stellen würde? Wir zweifeln stark! Nicht dem Künstler erwächst daraus ein Vorwurf! Daß derselbe seinen Kontrakt nicht erfüllt habe, mag man ihm[535] beweisen und nach den Beweisen dann verfahren, wie das Recht es verlangt; es wird aber gewiß von beiden Seiten zu klagen sein und eine aufgeregte Masse darf da nicht ohne weiteres entscheiden, wo selbst Rechtsgelehrte sich noch nicht klar herausfinden können. Wir enthalten uns durchaus, auf Einzelheiten einzugehen, aber selbst, wenn jene Masse annehmen dürfte, sie habe einen Schuldigen vor sich, immer bleibt es eine unziemliche Tat, einen Künstler solchen Ranges auf eine solche Weise zu behandeln. Wer von unseren heimischen, lebenden Komponisten hat Werke aufzuweisen wie ›Vestalin‹, ›Cortez‹, ›Nurmahal‹? Daß später manches minder Gute, ja man sage selbst Flaches, von ihm komponiert worden, liegt in der Natur der Abnahme des schaffenden Talents. Aber auch nun bleibt Herrn Spontini immer noch der Wert eines tüchtigen, des besten Dirigenten der Königlichen Oper, der am meisten auf die Feinheiten und Eigentümlichkeiten der verschiedenen Meister einzugehen weiß, wenn auch seine Auffassung mitunter von der anderer, ebenfalls tüchtiger Musiker abweichen mag. Diesen Mann nun weist eine kecke Masse in so abscheulicher Weise von sich und empfängt mit Beifall gleich darauf den nach ihm erscheinenden Dirigenten, der auch in dieser Hinsicht keinen Vergleich mit ihm aushalten kann und sich so etwas gewiß nicht anmaßt. Wenn sich dergleichen gegen einen Mann wie Spontini, der in seinen Schöpfungen die Dauer seines Werts hat, ergeben konnte, dann ist es die Pflicht der Öffentlichkeit, gegen ein solches Unwesen den Beleidigten in Schutz zu nehmen: um so mehr, als man wohl bedenken soll, daß ein solcher Fall in der Regel nicht einzel stehen bleibt. – Wir wollen übrigens nicht die[536] Hoffnung verlieren, daß jene Ruhestörer zur Ordnung wieder zurückkehren und gebührende Ächtung zeigen vor einem Künstler, der sich begründeten Ruhm erworben, mag er sonst sein, wie er will. Zu der Zeit, als man in der Begünstigung Spontinis fast von allen Seiten die Unparteilichkeit beiseite schob, haben wir uns nicht gescheut, in diesen Blättern manches kräftige Wort auszusprechen gegen das, was er verhinderte, und tat, wie über das, was er hätte tun können; obwohl wir jedoch dabei alle Zeit und geziemend seine Verdienste zugleich anerkannten, schwammen wir dennoch gegen den Strom und haben dafür Beweise. Jetzt aber, wo man in der Ungunst gegen Spontini ebenfalls allzu blind verfährt, scheuen wir uns nicht, eine Unwürdigkeit für das zu halten, was sie ist; es galt uns damals und gilt uns jetzt nicht Liebe und nicht Haß, sondern billige Gerechtigkeit und in dieser freuen wir uns, wiederholen zu können, daß unser urteilsfähiges Publikum, wohin wir hörten, den von jener Masse unternommenen Angriff auf Spontini, bei den verschiedensten Ansichten über diesen, als einen durchaus verdammenswerten betrachten und die vorgefallene Unbill in keiner Weise teilen mag.«

Begreiflich ereiferte sich nach solcher öffentlichen Gewaltsamkeit Spontini ungestümer, hierzu kam noch, daß er sein kontraktliches, allerdings die Generalintendanten Brühl und Redern höchst belästigendes, dann durch staatliches Übereinkommen mit Theodor von Küstner beschränktes Recht noch abermals verkürzt meinte. Im Widerstande veranlaßte er mit Äußerungen Erzürnen dort, wo das Gesetz nicht immer hinzureichen vermag; Spontini wurde seines Amtes enthoben, angeklagt, verurteilt, begnadigt, und verließ tiefinnerst verletzt und[537] empört Berlin im Jahre 1842, bald nach derselben Zeit, als der Graf von Redern die Generalintendanz der Königlichen Schauspiele seinem Nachfolger Küstner zu überlassen hatte. –

Aus anderem Bereich, auch Jahre umfassend, will ich jetzt Erinnerungen herbeirufen. Im Jahre 1828 war ich wieder einmal gedrängt zu einem Kampf im Kunstbereich, wodurch mir ein im Buchdruckereibetrieb gewandt Befähigter, Eduard Haenel, zum unversöhnlichen Feinde wurde. Er hatte mich veranlaßt zu der öffentlichen, seinen Namen nicht berührenden Erklärung (»Gesellschafter« 1828. Bl. 136):


»Den Freunden deutscher Kunst.


Einige Zeitungen haben die Nachricht verbreitet, Sir William Congreve's Verfahren, Abdrücke in mehreren Farben zugleich zu verfertigen, sichere gänzlich vor Nachahmung, und solche Abdrücke könnten nur durch die Maschinen von Congreve hervorgebracht werden. Um das Gegentheil zu beweisen, werde ich erstens: dem Publikum die Nachahmung eines auf Congreve'sche Art behandelten Abdrucks in vielen Exemplaren vorlegen, und zweitens: Abdrücke einer Platte nach eigener Erfindung in gleicher Manier liefern, wobei es Jedem überlassen bleiben soll, eine vervielfältigte Copie auf genannter Maschine oder auf andere Weise zu machen, indem ich für diesen Fall meines Rechtes als Mitglied der Academie mich begebe. – Die Congreve'sche Maschine besitze ich aber nicht, was ich zu bemerken bitte: ich werde nur diejenige benutzen, deren ich mich seit 20 Jahren bei meinen Arbeiten bediene. Die Abdrücke beider oben besprochenen Platten will ich meiner Zeitschrift[538] (›Gesellschafter‹) beilegen, und denke dies spätestens nach sechs Monaten zu thun, da Geschäftsverbindlichkeiten mir nicht erlauben, diese Arbeit sogleich vorzunehmen.

Mich leitet übrigens nicht die Absicht, irgend Jemand seinen Ruhm zu rauben oder seinen Erwerb zu schmälern; ich möchte nur auch hier das Meinige dazu beitragen, daß man, statt so oft gleich nach dem Auslande zu schauen, doch erst bei heimischen Künstlern anfrage, ob sie Dieses oder Jenes nicht auch ausführen können? Wir haben in Deutschland wackere Künstler genug, die auf solche Fragen warten, und ich, in meinem Kunstbetriebe fortwährend hinlänglich beschäftigt, bin nicht von kleinlicher Rücksicht bestimmt, wenn ich es beklage, daß Viele unter uns noch immer eine nicht überall begründete Vorliebe für alles Fremde hegen, eine Vorliebe, die es eben bewirkt, daß bei uns Manches, was den Deutschen zur Ehre gereichen würde, nicht zu rechtem Leben und Bekanntseyn kommen kann, obwohl namentlich im preußischen Staat ein verdienstvoller Eifer herrscht, um den vaterländischen Kunst- und Gewerbfleiß zu ermuntern und den Sinn dafür immer mehr zu erkräftigen.

Berlin, den 12. August 1828.


F.W. Gubitz.«


Die angekündigte Nachahmung wurde dem »Gesellschafter« (1829. Bl. 37) eingefügt mit der Erläuterung:


»Zur Beilage.


Meinem Versprechen zufolge gebe ich hiermit die Copie einer auf Congreve'sche Weise behandelten Verzierung. Ich habe eben diese gewählt, weil das Original Vielen bekannt und vom Verfertiger zur Empfehlung versandt wurde. Bemerken muß ich aber, daß[539] mehrere Platten vom Original vorhanden, deren Abdrücke sehr verschieden sind; ich hatte zur Copie das Exemplar vor mir, was ich empfing mit dem Briefe, worin der Absender diese Druckart für unnachahmlich erklärte. Die Copie ist genau in Allem, was die Guillochir-Maschine an der Original-Platte that, das auf gewöhnliche Weise Gravirte aber etwas besser ausgeführt, ohne über die gegebenen Contoure hinauszugehen. Die hier zu lösenden Fragen waren: ob das auf der Guillochir-Maschine Angefertigte nachgeahmt und die auf den Holzschnitt angewendete Congreve'sche Manier in meinem Druck mit Genauigkeit ausgeführt werden könnte? Ich ließ das Original von meinem ehemaligen Schüler, F.L. Unzelmann, im Holzschnitt copiren, formte die Platte und bewirkte dann mit dem Abguß, nach einer von mir veranstalteten Vorrichtung, auf meiner Maschine den Druck. Sonach würde nun, weil eine Form (Matrize) da ist und so viele Abgüsse gemacht werden können, als man deren irgend bedarf, eine Gleichmäßigkeit aller Abdrücke entstehen, da niemals eine zweite Original-Platte (Matrize) nöthig wird. Obwohl dies der erste Versuch, und mir Manches daran noch nicht nach Wunsch ist, darf ich doch überzeugt seyn, daß die in Rede stehenden Fragen befriedigend gelöst sind. In Kurzem gebe ich nun als Beilage dieselbe Verzierung, nur mit Einlegung einer anderen Zeichnung der rothen Stellen, und glaube, daß dann in der gewöhnlichen Congreve'schen Weise schon dieselbe Platte, die ich nachahmte, selbst von den Verfertigern und Besitzern der Original-Platte nicht nachgeahmt werden kann.

Berlin, den 27. Februar 1829.


F.W. Gubitz.«
[540]

Das Nachgeahmte war ein geschmückter Tabaksumschlag für Friedrich Justus in Hamburg, hinsichtlich der Platte und des Abdrucks aus den Werkstätten Hänels, dessen zu heißer Eifer sich noch nicht beruhigte. Durch Verbreiten der Meinung: das von mir in bezug auf Platte und Abdruck Dargelegte sei keineswegs dazu geeignet, um der Gewerbsamkeit dienlich zu werden, trieb er mich wider meinen Willen zum Gegenbeweise. Ich übernahm zu diesem Zweck die Lieferung von Tabaksumschlägen für Jochim Christian Justus in Hamburg mit bestem Erfolge, und nun hatte ich mir die Feindschaft Hänels dauernd zugezogen. Vorherrschend bezeugte er dies im Jahre 1840, als das Vierjahrhundertsalter der Buchdruckerei gefeiert werden sollte, ich für diese Angelegenheit zum Mitglied der Komitees, später zu deren Vorstand erwählt war, und nun ein Getümmel von Hänel- und Händelei mich umringte.

Jene Jubelfeier, geweiht dem Johann Gutenberg und seiner Erfindung, ging in Berlin von den Gehilfen aus, und ihr Komitee wählte am 15. September 1839 Rudolph Decker, E.S. Mittler und mich zum Vorstande, von dem nun auch die Berliner Buchhändler zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlüssen angeregt wurden. Im November 1839 wurde dann ich zum Vorstande der Komitees gewählt.

In den Versammlungen herrschten nicht selten die aus der französischen Julirevolution hervorgegangenen Meinungszwiste über Freiheit und Ordnung, nächstdem bemühte sich Eduard Hänel mir gegenüber mit Anreiz zu Hadern und Zwiespalt. Unterstützt von nur vier anderen, war es ihm gelungen, daß die Buchdruckereibesitzer und Buchhändler anfangs sich von den Gehilfen[541] trennten, sich wieder zusammenfanden, und dies wiederholte sich mehrmals. Am 3. April 1840 war man endlich bis zur Einigkeit über ein »Programm«, dem ein zweites, dann ein drittes folgte, und die sämtlichen Schicksale der Feier sind angedeutet in einem, von der Kampfesnot mir abgedrungenen, sich hier anschließenden Schreiben an den König Friedrich Wilhelm IV., der seit dem 7. Juli 1840 Thronherr war.


»Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König, allergnädigster König und Herr!


Ew. Majestät, meinen Gebieter und Herrn, auf dem Throne Preußens in Ehrfurcht begrüßend, nahe ich mich Namens des ›Comité zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst‹, und als Vorstand, mit der unterthänigen Bitte, die angefügten beiden Exemplare der zu der Feier veranlaßten Medaille von uns huldreich anzunehmen. Sie wurden geprägt, die eine dem nun dahingeschiedenen Könige, die andere Allerhöchst Ihnen zu überreichen; möchten Ew. Majestät uns würdigen, diese urspringliche Absicht gelten zu lassen, und auch noch für den Hochseligen unsre geringe Gabe, die wir Ihm nicht mehr darbringen konnten, als ein Zeichen der Liebe und des Vertrauens zu unsrem väterlichen Herrn empfangen, da es unserm Gefühl widerstrebt, ihr irgend eine andere Bestimmung zu geben.

Zugleich wage ich, Namens der hier in Bezug kommenden Gesammtheit, die Bitte, einen gnädigen Blick zu gönnen der Feier, zu welcher die Vorbereitungen und Vorarbeiten gemacht sind, und mit der es nun steht wie im Jahre 1740. Ew. Majestät Ahnherr, Friedrich der Zweite, der Große, vertagte gleich nach dem Antritt[542] Seiner glorreichen Regierung die damalige Säcularfeier auf den 25ten Juli und die beiden folgenden Tage; ihr war, wie die vor uns liegenden gedruckten Fest-Beschreibungen darthun, Alles gestattet, was Würde und Glanz verleihen konnte einem Moment, den unsre Vorfahren nicht als einen, auf das Gewerbliche allein abgeschränkten betrachteten, sondern in vollem Bewußtseyn und Recht anerkannten, daß es ein Fest des aus Gott in den Menschen waltenden Geistes sey.

Indem wir jetzt auf Ew. Majestät Gnade und Entscheidung hoffen, erkühne ich mich, in möglichster Kürze Allerhöchst Ihnen Bericht zu geben aus den bisherigen Akten. Die Buchdruckerei- und Schriftgießerei-Gehülfen hatten schon vor beinahe drei Jahren sich vereint, um zu dem Säcular-Fest unter sich einen Fond zu bilden, sie allein haben bis jetzt die Summe von 2300 Thlr. zusammengebracht; der Lohn für ihre Entbehrungen war ihnen der Glaube: sie würden das Fest in gleicher Weise begehen können wie ihre Vorfahren. Die Buchdruckerei- und Schriftgießerei-Principale und die Buchhändler vermehrten und werden noch vermehren die dem Feste bestimmte Summe, so daß Alles aus den Mitteln der Betheiligten entsteht, wie denn auch zu der bezweckten topographischen Ausstellung das Viele – unter demselben manches Bedeutende, in der Erfindung Neue – mit aller Uneigennützigkeit bewerkstelligt wird.

Im November 1839 wählte man mich zum Vorstande des Comité, und obwohl ich mich anfangs aus Gründen weigerte, mußte ich endlich dem allgemeinen Verlangen nachgeben. Ich fand nun in Bezug auf die Ausführung der Feier nichts vor als die polizeiliche Erlaubniß zu den berathenden Zusammenkünften, und[543] erste Pflicht war es, die Königliche Genehmigung zu erbitten. Mein unterthäniger Antrag stand, was die öffentliche Feier betrifft, in allen Einzelnheiten auf dem historischen Grunde; nichts war darin enthalten, was nicht im Jahr 1740 ausgeführt worden ist. Es erfolgte jedoch ein völlig abschlägiger Bescheid, uns durch das Ministerium zugefertigt; dieses aber nahm sich der Angelegenheit mit Eifer an, und nachdem wir, mit großem Schmerze, die ›kirchliche Feier‹ aufgaben, genehmigte Se. Majestät alle Vorschläge, nur nicht ›den beabsichtigten Festzug durch die Straßen‹.

Mit dem Comité berathend, und wohl erkennend, daß die Gesammtheit, nachdem die Kirche ihr verschlossen, den nicht genehmigten Zug als den Haupttheil der öffentlichen Feier betrachtete, fiel mir eine abermalige Unterhandlung mit dem Ministerium zu, und ich fand von Neuem die geneigte Willigkeit bestätigt, so daß ich eine Vereinigung in der ersten Linden-Barriere, vor dem Königlichen Akademie-Gebäude, in der Weise, wie das beiliegende Programm angiebt, der Gesammtheit vorschlagen zu dürfen mich für berechtigt hielt, da ich Punkt für Punkt besprochen hatte. So berief ich nun eine General-Versammlung des Comité's, so wie sämmtlicher Buchdrucker-und Schriftgießerei-Principale und der Buchhändler. Ich ward entschieden überstimmt bei dem Vorschlage, die Feier nach diesem Programm auszuführen, und da ich meinerseits mich außer Stande befand, mehr für die Wünsche der damals zahlreich überwiegenden Gegenpartei zu thun, die zugleich, wenn der Zug nicht zu ermöglichen wäre, einen Anschluß an das Fest zu Leipzig begehrte – ein Vorschlag, den ich entschieden bekämpfte – legte ich ihr gegenüber mein Amt in dieser[544] Angelegenheit nieder, ward aber auf der Stelle durch Acclamation selbst von den mir Widerstrebenden zu ihrem Vorstand erwählt, indem sie erklärten, daß auch sie mit meinen bisherigen Schritten zufrieden seyen, und mir in Dem, was noch zu thun, vollkommen vertrauten. Durch Circulare und spätere Versammlungen war ich so glücklich, beinah völlige Einigkeit herzustellen, und reichte nun das Programm ein, um die Erlaubniß zur öffentlichen Bekanntmachung zu erhalten. Da trat der tiefgefühlte hohe Trauerfall dazwischen, geziemend fragte ich für jetzt nicht weiter an, erhielt auch bald den Ministerial-Erlaß: daß die Feier bis nach Beendigung der Landestrauer aufzuschieben sey. Hiernach wurde unsrerseits der Wunsch ausgesprochen, dieselben Tage wählen zu dürfen, die im Jahre 1740 dazu bestimmt wurden, was auch Gewährung erhielt. Hinsichtlich des ganzen Programms wurde uns aber, nach mehrmaligen Anfragen, die beiliegende Verfügung vom 20ten Juni, wodurch es noch Beschränkungen zu erleiden hätte, was um so mehr überraschend, als das Programm früher schon unbefugter Weise in einer hier herausgekommenen Schrift abgedruckt war mit Dem, was nun nicht genehmigt seyn sollte.

Vergebens würde ich mich bemüht haben, unter diesen Beschränkungen das Fest zu Stande zu bringen, und meine Lage schien in diesem Augenblick rathlos, um so mehr, da eben die Feste des Auslandes im Anzuge und in der Nähe waren; eben so unrathsam war es aber, sogleich meine Stellung in dieser Angelegenheit aufzugeben, weil ich zu genau die stürmischen Folgen kannte. Doch mit der Wahrheit und Offenheit braucht man ja nicht zu zagen, ich mußte den Stand der Sache darlegen, nahm aber das gewonnene Vertrauen in Anspruch,[545] so wie die bisherige so erfreuliche Haltung der Gesammtheit, beschwichtigte einzelne Vorschläge, die von Neuem auftauchten, und Alle hoffen nun mit voller Zuversicht auf Allerhöchst Ihren Ausspruch.

Indem ich nun in tiefster Unterwürfigkeit um Ew. Majestät gnädige Entscheidung in Betreff der Feier überhaupt bitte, erkühne ich mich, zu bemerken, daß die Vereinigung in der Linden-Barriere durch jene Beschränkungen eine durchaus nichtige werden würde. Stumm müßten wir da erscheinen, stumm von da uns wegbegeben, und mehr in Trauer als in Festlichkeit an der Stätte vorübergehen, wo dereinst unter Ew. Majestät Regierung – die Gott segnen wird! – das Standbild des großen Königs sich erheben soll, der im Jahr 1740 über das dritte Säcular-Fest der Buchdruckerkunst seine Gnade in Vollem walten ließ. Der dahingeschiedene Hochselige gewährte uns noch unter dem 21sten Mai d.J., durch huldvolle Vermittelung Allerhöchst Ihres Bruders, des Prinzen Wilhelm, Königliche Hoheit, das Königliche Exercirhaus zu dem Festmahl – der Hochselige war in der Gewährung, und wir hoffen! – Wir hoffen – und flehen Ew. Majestät um eine weitere Gunst an für das Fest, dessen Wichtigkeit einleuchtet, auf dessen Feier in Berlin jetzt mehr als je die Blicke Deutschlands gerichtet sind, zu dem so Viele freudig ihre Ersparnisse hergaben, zu dem so viele Arbeiten bereit liegen, so viele Anstrengungen gemacht worden sind! –

Mein Interesse an dieser Angelegenheit ist das allgemein geistige und vaterländische, kein persönliches. In der Ueberzeugung, das geistige Princip, welches in Preußen sich erhob und sich durch Jahrhunderte immer bestimmter entwickelte, wolle diese Feier als eine der schönsten Besiegelungen,[546] habe ich, durch die Gesammtheit berufen, meine geringen Kräfte mit Unermüdlichkeit dazu angewendet, auf der einen Seite, den mannichfachen Beschränkungen gegenüber, die Würdigkeit des Festes, auf der andern die Einigkeit zu gewinnen, und bin in dem Bewußtseyn, eben so wohl dem Staat, wie Den von mir repräsentirten, bei dem Feste Betheiligten meine Pflicht erfüllt zu haben. Ein Mann, der nun fünfunddreißig Jahre dem Staate in seiner Stellung diente, so weit er es vermochte, der, ein Künstler, in der Zeit des Leidens mitten unter den Franzosen zum Schriftsteller wurde, um dem Staat in seinem Unglück gegen die damaligen öffentlichen Anfechtungen zu dienen, und dies that selbst unter lebensgefährlichen Bedrohungen; der später bei der segensvollen Erhebung mitzuwirken trachtete, wie er konnte, fortwährend seine Bemühungen einsetzte, wenn man ihn irgendwo rief; – Einer, der so handelte, aber doch in fünfunddreißig Jahren in eigenen Angelegenheiten nie eine Zeile an Se. Majestät oder an seine Chefs schrieb, nie einen Wunsch für sich hatte, mit seinem Bewußtseyn zufrieden war, der darf hoffen, daß Allerhöchst Sie ihm glauben, wenn er sagt: ich habe auch hier kein persönliches Interesse, es ist die Sache, und diese allein, die mich bestimmt. Zum ersten Male äußere ich mich über jene Vergangenheit am Thron, und es geschieht nur, um einiges Vertrauen für meine Worte zu erwecken, und darauf hinzudeuten, daß ich nicht unerfahren bin über die Verhältnisse des Lebens, über die allgemeinen Gesinnungen. Demnach mögen Allerhöchst Sie mir gestatten, aus treuem, redlichem Herzen, und mit der flehentlichen Bitte, mir nicht zu zürnen, es auszusprechen: daß man allseitig Ew.[547]

Majestät gnädigste Entscheidung in dieser Angelegenheit für eine wichtige, in vieler Hinsicht höchst einflußreiche und segensvolle hält.

Die allgemeine Zuversicht auf Ew. Majestät Geist und Wohlwollen erleichtern mir die Pflicht, mit Offenheit die jetzige betrübende Sachlage dieser bezweckten Feier zu entwickeln; in der innigsten Demuth erwarte ich nun meines Königs und Herrn Befehle und ersterbe in tiefster Ehrfurcht


Ew. Majestät

unterthänigster

F.W. Gubitz.


Professor der Königlichen Akademie der Künste,

als Vorstand der Comitéen zur vierten Säcular-

Feier der Buchdruckerkunst.


Berlin, den 27ten Juni 1840.«


Auf dieses, bei der Schwüle jener Zeit aus den Empfindungen etwas überströmende Schreiben empfing ich keine Antwort auf geradem Wege, in der Sachlage aber Gewährung durch die hier mitgeteilte Anzeige:


»Auf die von Ew. Wohlgeboren Sr. Majestät dem Könige unterm 27. v.M. eingereichte Vorstellung, wegen der Säcular-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst, werden Sie benachrichtigt, daß in einer, am gestrigen Abend dem Ministerium des Innern zugegangenen Allerhöchsten Ordre vom 20. d.M. Se. Majestät die Feier des Festes in der Weise genehmigt haben, wie solche in dem überreichten, von dem Comité entworfenen gedruckten Programm vorgeschlagen worden ist.[548]

Ew. Wohlgeboren bleibt demnach überlassen, das Weitere mit dem Königlichen Polizei-Präsidium zu verhandeln.

Berlin, den 23. Juli 1840.


Ministerium des Innern, Polizei-Abtheilung. v. Puttkammer.«


Sei es nicht verhehlt, daß ich gehofft hatte, die Feier würde bewilligt werden bis zu der Freiheit, die ihr anfangs bewilligt war, wozu die kirchliche Mitwirkung und offene Bahn zur Bewegung des Festzuges gehörte. Auch wider das Gestattete regten sich in streitiger Verschiedenheit die Gegner, die Gehilfen blieben aber mit mir einmütig darüber: die Feier könne und müsse nach dem bewilligten Programm vollbracht werden. – In diesem letzten Zeitraum hatten die Aufrührerischen mich möglichst in Zornstimmung jagen wollen, ich hielt mich jedoch meist zusammen bis zur Sicherstellung des Ganzen. Voraussehend, auch bei dem Festmahl werde Wortsturm ausbrechen, zeigte ich an, daß ich davon fern, in allem anderen aber mich ausdauernd treu halten würde, und meiner Erklärung schlossen sich mehrere an. Es erfolgte, was ich vermutet hatte; mit Wort und Klang wurde während des Festmahls oft meiner gedacht, und in diesem Teil der Feier drang soviel Leidenschaftliches ein, daß die Freude entwich.

Weil ich gern mich abwende von den Wirren über jene Säkular-, aber nicht Jubelfeier, sei nur noch, soweit es die Öffentlichkeit betrifft, eingeschaltet, was im Jahre 1840 für den Juni erlaubt und für den September verboten war. – Es fiel aus die kirchliche und die Feier in den Anstalten für Wissenschaften und Kunst, der freie[549] Zug durch die Stadt und deren festliche Abenderleuchtung. Das Ganze blieb im Beginn eingeengt auf ein Versammeln im Vorhofe des Universitätsgebäudes, in dessen Innerem nur beteiligte Kunstgenossen Reden hielten bei der Ausstellung von allerlei Bezüglichem. Den Zug durch die Straßen hatte man beschränkt auf den Weg zur Mittagstafel im Exerzierhause, bei dem Abendfest im Tivoli waren die Bühnen- und Larvenspiele zu beseitigen; – es mußte vieles vermieden werden, so daß bei diesem Druckereifest, das ein Volksfest hätte sein sollen, offenbar vom Druck anderer und schwärzerer Art zu reden wäre.

Beizufügen ist noch, daß die mit wechselnder Gegnerei mir Hinderlichen im Jahre 1841 über dies Säkularfest ein Druckheftchen erscheinen ließen, worin sich willkürlicher und unwillkürlicher Irrtum ausbreitet. Dies ist leicht begreiflich, da die ungenannten Verfasser selbst auf den Seiten 8 und 12 bekennen mußten:

»Uns fehlen fast sämtliche offizielle Daten; die betreffenden Verhandlungen und Beschlüsse sind in des Hrn. Professor Gubitz' Händen befindlich, und ihre Auslieferung und Benutzung war nicht zu erlangen.« – »So ist es auch nicht unsere Schuld, wenn die fernere Darstellung einseitig nur die Ansichten und Bestrebungen der Prinzipale vertritt bis zu dem Augenblick der Koalition mit den Gehilfen.«

In dem Bericht über das von mir vermiedene Festmahl ist dann in jenem Heftchen zu lesen:

»Längst schon herrschte die frühere Ruhe nicht mehr, und eine begierig gehaschte, schnell vergriffene Spende von Gubitz vermehrte das Gewirre. Es waren die gedruckten Reliefporträts des verstorbenen Königs, des[550] regierenden Herrscherpaares und Goethes in einem Umschlag, und eine sinnvoll ausgeführte Erinnerungskarte, die Jubelfeier der Typographie in den vier Jahrhunderten 1540,1640,1740 und 1840 durch vier Fahnenträger, jeder in der Tracht seiner Zeit, über ihnen Guttenberg schwebend, allegorisch dargestellt.«

Nun aber bin ich froh, daß die nochmalige Beschäftigung mit diesem Feste, samt der übel einwirkenden Hänel- und Händelei – die in der Schilderung nach den mir vorliegenden Akten einen ganzen Band füllen könnte – überwunden ist: denn jedes Beschränken des die geistige Tätigkeit Erweiternden berührt meine Erinnerungen peinlich. –

Bei Aufzeichnungen meiner Erlebnisse hat mir das Gedächtnis zuweilen schon Pius Alexander Wolff genaht; jetzt sei er mir näher gekommen, um mit einem Hinblick auf ihn diesen Band zu schließen.

Von denen, die im neunzehnten Jahrhundert als Schauspieler auch dichterischen Beruf erwiesen haben, ist er unzweifelhaft mit voran zu nennen; nächstdem war er im Umgange liebenswürdig betulich. Als er von Weimar nach Berlin kam (1816), ward ich mit ihm und seiner zehn Jahre älteren, deshalb leicht eifersüchtigen, aber auch geistreichen, als Schauspielerin höchst ausgezeichneten Frau rasch nah und näher bekannt. Leider war er vom Jahr 1824 ab durch eine Halskrankheit zunehmend gehindert in seinem Beruf, und zuletzt verlor er die laute Sprache fast ganz. – Dies ward Veranlassung zu Raupachs Lustspiel: »Das Ritterwort«, mit dem alten, mehrmals verschieden benutzten Stoff: daß ein Ritter seiner Herzerwählten für eine leichte Gunst sein Ehrenwort verpfändet, dafür alles zu tun,[551] was sie begehren würde, sie ihm auferlegt, drei Jahre hindurch stumm zu sein, was er, sein Ehrenwort einzulösen, vollbringt, dann aber von der grausig Übermütigen scheidet. – Dies Bühnenspiel sollte Wolffs Antrieb, noch in seinem Beruf tätig zu sein, befriedigen; er starb aber am 28. August 1828 und ein andrer stummer Ritter trat für ihn ein im November desselben Jahres. Für Wolffs Heilung von seinem Halsübel waren besonders in den letzten drei Jahren alle Hilfsmittel besorgt und versucht worden, auch eine Reise nach Italien und nach der Provence. – Was er mir darüber schrieb, sei, da es etwas von umfänglichen Teilnahme beanspruchen darf, hier mitgeteilt:

»Meinen herzlichsten Dank, verehrter, lieber Freund, für Ihre freundlichen Zeilen vom 12ten d. Monats. Wie freue ich mich darauf, Ihnen von meiner Reise erzählen zu können und Alles mündlich zu berichtigen, was Ihnen in Hübner's ›Staats- und Zeitungs-Lexicon‹ zweifelhaft vorkommt; aber diese Freude ist noch sehr in die Ferne gerückt, denn so bald sehen wir uns nicht wieder. Die Verordnung meines Arztes ist Entfernung von Berlin und der Bühne, und erst nach dem nochmaligen Gebrauch des Emser Brunnens, den ich aber, so bald es nur angeht, im Frühling besuchen will, darf ich aus meiner Verbannung wiederkehren. Die vier Monate in Italien und Frankreich haben, wie Sie wohl von unseren beiderseitigen Freunden werden gehört haben, nicht die wohlthätige Wirkung für mich gehabt, welche ich erwartete. Auf deutschem Boden geht es mir etwas besser. Ist es die Folge der Reise, ist es die reinere stärkende Luft, die ich hier einathme, ich fühle mich viel wohler als unter dem südlichen Himmel. Man thut jenen[552] Himmelsstrichen in der Ferne viel zu viel Ehre an, man glaubt Wunder, wie weit man in den Mittag hineingereift sey, wann man sich in Nizza oder der Provence befindet, und das ganze ist am Ende doch nur lauwarmes Wasser. In gewissen Jahren lobt man sich das Entschiedene, was so zwischen drinn liegt ist matt; so ging es mir mit jener Luft: sie hat mich noch mehr abgespannt, ich wäre elend geworden, wenn ich mich nicht rasch entschlossen hätte, in unsern deutschen charakteristischen Winter zurückzukehren. – In Berlin drängen sich theatralische Begebenheiten, von denen die Briefe, die ich in letzter Zeit erhalten, angefüllt sind; ich ärgere mich manchmal über mich selbst, daß sie mir nicht mehr Theilnahme abgewinnen und ich bewundere Bethmann (Bethmann übernahm damals die Leitung des Magdeburger Theaters), daß er sich auf's Neue an die Spitze eines Geschäfts stellt, welches mir wie ein saurer Äpfel vorkommt: er wird sich die Zähne auch stumpf beißen. –

Von der hiesigen Bühne kann ich Ihnen nichts melden, denn ich gehe des Abends selten aus, und vermeide den Zug in dem Karlsruher Theater; aber der Sänger Haizinger, der mir manchmal im Zimmer vorsingt, und ein ganz ausgezeichneter Gesangkünstler ist, hat mir schon viele genußreiche Stunden verschafft. Er wird wahrscheinlich im April nach Berlin kommen und ich empfehle Ihnen diesen Sänger auf's Angelegentlichste; versäumen Sie es nicht, ihn zu hören, es ist etwas Außerordentliches. Schade, daß er als Darsteller noch nicht mehr Fortschritte gemacht hat; indessen hält man ihm gern etwas zu gut, wenn man seine rührende Stimme, seinen seelenvollen Vortrag, seine vortreffliche Methode vernimmt.[553]

Meine Beschäftigung (die geistige nämlich) besteht im Lesen; wenn man so viele Jahre hintereinander einseitig thätig gewesen ist, sieht man bei eintretender Muße mit Schrecken, wieviel man Rechts und Links hat liegen lassen.

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen tausendmal und wir Beide bitten Sie, Ihrer Frau Gemahlin die schönsten Grüße darzubringen. Behalten Sie mich in gutem Andenken, und fortdauernder Freundschaft, und genehmigen Sie die Versicherungen meiner wahren Hochachtung und Anhänglichkeit.

Karlsruhe, d. 31. Januar 1826.


P.A. Wolff.«


Eine seiner letzten Rollen war der »Lumpensammler« in jener französischen Wirkungsblenderei, die im Februar 1827 auf die Bühne der »Königlichen Schauspiele« kam, nachdem sie etliche Monate vorher im Königstädtischen Theater ausgepocht worden war. Nun erwarb der »Lumpensammler« den reichlichsten Beifall durch die Darstellung Wolffs und ich gedenke gern seiner Freude, als ich ihm an jenem Abend auf einem Papierstreifen die mit Bleistift geschriebenen Zeilen gab:


»Für Freund P.A. Wolff.


Als Lumpensammler tust du an der Kunst ein Wunder,

Du machst ein Festkleid ihr aus dem Pariser Plunder.«


Im Jahre 1828 besuchte Wolff noch den Badeort Ems, auf der Rückreise sein geliebtes Weimar und von dort schrieb man mir: »Seine Vorhersagung erfüllend, starb er am 28. August, an demselben Tage, an welchem Goethe, sein großer Meister, einst das Licht der Welt erblickte.«[554]

Quelle:
Gubitz, Friedrich Wilhelm: Bilder aus Romantik und Biedermeier. Berlin 1922, S. 530-555.
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