Arsenik

[63] Arsenik. Es giebt mehrere Abänderungen dieses mineralischen Körpers in der Offizin, welche fast alle blos zu technischem und ökonomischem Gebrauche bestimmt sind.

Der Fliegenstein (Scherbenkobald, cadmia metallica, cad. nativa, cobaltum crystallisatum, arsenicum nativum friabile et porosum Cronst.) ist ein in Böhmen und Sachsen gegrabner natürlicher Arsenikkönig, eine Substanz aus hohl übereinander liegenden, spröden, zerreiblichen, etwas metallisch glänzenden, schwärzlich bleifarbnen Blättern zusammengesetzt. (Er enthält nichts von dem Halbmetalle, welches man Farbenkobald nennt.) Seine spezifische Schwere ist 8,30; er verdampft bei 380° Fahrenh. als ein grauer, wie Knoblauch stinkender Rauch, und löset sich in kaltem Wasser langsam, in kochendem aber schneller, und in beiden Fällen in allen Verhältnissen auf.

Weißer Arsenik (arsenicum album). Den beim Rösten arsenikhaltiger Erze davongehenden Rauch sammelt man (vorzüglich im sächsischen Erzgebirge) in langen wagerechten Schlotten auf, das Sublimat ist ein graues Giftmehl, (welches man auch zuweilen Fliegenstein nennt, von 3,700 spezifischer Schwere,) woraus durch eine zweite Sublimation ein dichter glasartiger, auf seiner Fläche weiß beschlagender Körper entsteht, den man weißen Arsenik nennt, ein mehr vom Brennbaren befreiter Arsenikkönig, ein Arsenikkalk. Sein spezifisches Gewicht ist 5,000; er löset sich leichter als der metallische Arsenik, und ebenfalls in allen Verhältnissen in Wasser auf, auch in Oelen zu einer pflasterartigen Masse. Er verdampft mit gleich stinkendem Geruche glühend bei 430° Fahrenh.

Fliegenstein sowohl als Giftmehl und weißer Arsenik zeigen eine saure Natur, letzterer am meisten; sie schmecken metallisch ätzend.

Operment (auripigmentum), ein in Persien und Ungarn gegrabnes Arsenikerz, welches aus gelbglänzenden, durchscheinenden, glimmerartigen, dicht übereinander liegenden, zerreiblichen Blättern zusammengesetzt ist, eine natürliche Verbindung von 9 Theilen Arsenik und einem Theil Schwefel, von 3,315 spezifischem Gewichte, welche sich sehr langsam in kochendem Wasser und in einem kleinen Verhältnisse auflöst.

Von ähnlicher Natur ist auch der gelbe Arsenik (arsenicum citrinum), eine derbe durch Kunst erzeugte Masse von etwas stinkendem Geruche.

Rauschgelb, (Risigal, Realgar arabum, Sandaracha graecorum, arsenicum sandaracha L.) ist röthlicher als Operment, übrigens von ziemlich gleicher Natur. Es kömmt in theils undurchsichtigen, theils durchscheinenden Stücken von stalaktischer oder auch krystallinischer[63] Gestalt zu uns, und wird in gleichen Gegenden gegraben. Seine Röthe mindert sich durch Befeuchtung mit Salpetersäure; er enthält 4/21 Schwefel, und hat 3,225 spezifische Schwere. Die Wörter Rauschgelb und Risigal kommen beide aus dem italienischen Rossogallo (rothgelb) her.

Der künstliche rothe sächsische Arsenik (arsen. rubr.) ist in seiner Natur nicht weit vom Rauschgelb verschieden, und hat nur etwas mehr Schwefel in seiner Mischung.

Alle geschwefelte Arsenikverbindungen brennen auf Kohlen mit einem blauen Flämmchen, und rauchen dann mit einem nach Knoblauch stinkenden Dampfe hinweg. Man braucht sie größtentheils nur zu Farben.

Der Fliegenstein und weiße Arsenik sind die gefährlichsten aller metallischen Gifte. Etliche Gran tödenden Menschen fast zuverlässig. Mehlbreie, Seife zur dicklichen Konsistenz aufgelöst und kalkartige Schwefelleber sind die hülfreichsten Gegenmittel. Seine Gegenwart in Flüssigkeiten entdeckt man durch den grüngelben Niederschlag, wenn man Kupfersalmiak (Kupferkalk in mildem flüchtigen Laugensalze aufgelöst) eintröpfelt, und durch das pomeranzengelbe Präzipitat, welches von schwefelleberlufthaltigem Wasser gefället wird (m. Arsenikvergiftung v.H.). Beide Niederschläge verbreiten ihren Knoblauchgeruch auf Kohlen.

Da zur Vertilgung schädlicher Thiere, der Fliegen, Schaben, Ratten, Mäuse u.s.w. kein Arsenik nöthig ist, weil es unschädlichere Ausrottungsmittel derselben giebt, so darf der Apotheker keinem Mehlhändler, Bierbrauer, Becker und Müller Arsenik verabfolgen lassen, nicht nur weil von diesem Gifte leicht etwas durch Unachtsamkeit in jene unentbehrliche Nahrungsmittel gerathen kann, sondern weil auch die Ratten und Mäuse nicht selten den Arsenik in Gefäse mit Mehl, Malz, Graupen u.s.w. zu speyen pflegen, und so oft ganze Familien unglücklich gemacht haben.

Blos männlichen Personen von einiger Bedeutung, welche mit Farben und Färberei überhaupt, und Kattun- und Pelzwerkfärben insbesondre, mit metallischen Kompositionen, Gold- und Silberscheiden, feinen Glasfabrikaten und ähnlichen Künsten sich beschäftigen, und den Arsenik namentlich zu einer dergleichen Arbeit verlangen, kann der Apotheker denselben, so wie namhaften und ehrenhaften Aerzten, Wundärzten und Viehärzten unter den Bedingungen verabfolgen lassen welche im Artikel Gift nachzusehen sind.

Da der Arsenik in Auflösung zu 1/10 bis 1/8 Gran alle in Typen zurückkehrenden Krankheiten hemmt, so wird es künftigen Zeiten, wo wir gewissenhaftere, hellsichtigere, behutsamere Aerzte und sorgfältigere Apotheker zu erwarten haben, vorbehalten seyn, dieses äusserst wirksame Gift zu einem äusserst wirksamen Hülfsmittel in den verzweifeltsten Beschwerden der leidenden Menschheit umzuschaffen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 63-64.
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