Bergöl

[106] Bergöl (Petroleum, ol. petrae). Man hat dessen verschiedne Gattungen. Das weiße (Naphtha petrolei) quillt aus schwarzen, gelben und weißen Thonschichten in Persien und Medien (vorzüglich in der Nähe von Schamachin, Baku, Derbent), auch im Herzogthum Modena und auf der Insel Sumatra, so auch zu Baldsbronn in Lothringen. Es ist von weißer, wasserheller Farbe, die leichteste unter allen tropfbaren Flüssigkeiten von 0,708 spezifischer Schwere, sehr dünn und von durchdringendem gewürzhaftem Wohlgeruche, dem des rektifizirten Bernsteinöls nicht unähnlich. Schon in einiger Entfernung entzündet es sich vermittelst seiner Dunstatmosphäre, und brennt mit bläulicher Farbe und dickem Rauche; es geht in der Destillation mit Wasser unverändert über, löset sich weder in Weingeist, noch fetten Oelen (ohne Zusatz eines Harzes) auf, wohl aber in ätherischen Oelen und Vitrioläther, verfliegt von einem damit getränkten weißen[106] Papiere geschwind, ohne eine Spur von Flecken übrig zu lassen, und verdickt sich an der freien Luft, wird brauner von Farbe und unangenehmer von Geruche; dann ensteht

Das gemeine Bergöl (ol. petrae, petroleum), welches zwar nicht an innerer Natur, wohl aber durch die dunklere Farbe, die grössere Schwere, die Dicklichkeit und den unangenehmern Geruch von dem feinen weißen Bergöl abweicht. Dieses gelbe, gemeiniglich ins rothbräunliche fallende Bergöl ist häufiger anzutreffen: In Parma, Piazenza, in Modena, vorzüglich am Berge Chiaro in Dalmatien, Sicilien, in Frankreich, Schottland, der Schweiz, und hie und da in Deutschland quillt es aus der Erde und zwischen Steinritzen hervor.

An der Luft und durch die Länge der Zeit wird das gemeine Bergöl noch dunkelfärbiger, stinkender, zäher und schwerer; es wird mit einem Worte zu dem sogenannten Bergtheer (petroleum nigrum, Maltha, cedria terrestris), den man noch häufiger als jene feinern Bergöle in der Erde und in Quellen antrift. Zur letztern Sorte gehört der in England gebräuchliche barbadische Theer, und das in Frankreich gewöhnliche huile de Gabian, von dem Flecken dieses Namens in Languedok, wo es gefunden wird.

Die Bergöle sind nie häufig in der Arznei gebraucht worden. Das schwarze oder den Bergtheer, hat man als ein wurmtödendes Mittel zu einigen Tropfen innerlich angewendet, und als ein Hausmittel in der Lungensucht gebraucht; es ist sehr hitzig. Es wird größtentheils nur von Viehärzten gesucht.

Das gemeine Bergöl ist äusserlich in wässerige Geschwülste, in Frostbeulen, und in paralythische Glieder mit Vortheil eingerieben, und innerlich gegen Lungensucht (allzu hitzig!) gegen den Bandwurm, und in der Bleikolik eingegeben worden. Das feine, weiße aber ist zu selten, als daß es gehörig in Gebrauch hätte gezogen werden können, wiewohl es als Nerven erhebende, anthysterische und krampfstillende Arznei allerdings sehr viel verspricht.

Die häufige Verfälschung des gelben und feinern Bergöls mit Terbenthinöl, erkennt man durch Weingeist, den man damit schüttelt. Dieser nimmt das Terbenthinöl in sich, ohne das Bergöl zu berühren; man scheidet das Oel durch den Scheidetrichter. Auf diese Art wird es zugleich gereinigt, und es sollte kein Bergöl zum innerlichen Gebrauche ausgegeben werden, welches auf diese Art nicht gereinigt ist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 106-107.
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