Destillation

[211] Destillation, ist eine Art Abdampfung in verschlossenen Gefäsen, in einer Geräthschaft, wovon der Theil, welcher die zu destillierende Materie enthält, erhitzt wird, das damit verbundene Gefäs aber, worin das in Dunst verwandelte Destillat sich in Tropfen verdichten und aufgefangen werden soll, kühl bleibt, oder abgekühlt wird. So werden die leichter durch die Hitze auszudehnenden, leichter in Dünste aufzutreibenden Feuchtigkeiten, zu deren Erlangung man die Destillation anstellt, von den feuerbeständigern oder festen Theilen mit möglichst geringem Verluste abgesondert.

Durch diese Operation aber werden nicht nur flüchtige Flüssigkeiten,[211] welche man zu erhalten wünscht, blos abgesondert, sondern man vereinigt auch durch diese Feuerarbeit verschiedne Flüssigkeiten, um ein neues Produkt im Destilliren zusammen zu setzen, wie bei Versüßung der Säuren mit Weingeist geschieht. Ausserdem dient sie noch zur Verstärkung saurer und laugenhafter Flüssigkeiten (dephlegmatio, concentratio), und dann achtet man das übergegangene Phlegma nicht, indem der entwässerte zurückgebliebne Körper (residuum) der Gegenstand der Arbeit war, Dephlegmiren.

Anfänglich bediente man sich hiezu, wie schon das Wort destillatio (Herabtröpfeln) anzeigt, der abstei genden Destillation (destill. per descensum), indem man das Feuer über den zu destillirenden Substanzen anbrachte, wodurch die Dämpfe nach unten zu getrieben wurden, wo man ein Gefäs zu ihrer Aufnahme angebracht hatte. Ein Beispiel hievon siehet man bei der Destillation des Birkenrindenöls, Dagget. Diese Art ist nur noch bei wenigen Verrichtungen, wozu keine behutsame Mäßigung des Feuers gehört, üblich.

Bei der aufsteigenden oder geraden Destillation (destillatio recta. dest. per ascensum) wird das Feuer unter dem zu destillirenden Körper, z.B. unter der Blase oder dem Kolben angebracht, die Dämpfe werden genöthigt, aufwärts zu steigen, wo sie in dem aufgesetzten kühlern Hute oder Helme sich zu Tropfen verdichten, und durch den Schnabel desselben in die Vorlage ablaufen. Größtentheils bedient man sich dieser Vorrichtung, wo Flüssigkeiten überzutreiben sind, die bei einem geringern oder doch nicht größern Feuergrade, als die Hitze des kochenden Wassers ist, in Dünsten aufsteigen, z.B. Weingeist, ätherische Oele, Wasser.

Bei der schiefen oder seitwärts gehenden Destillation (dest. obliqua, dest. ad latus) wird zwar die zu destillirende Materie ebenfalls von unten erhitzt (z.B. in der Retorte), die Dämpfe aber können, ohne sich hoch zu erheben, gleich zur Seite entweichen. Diese bequeme Art ersetzt fast völlig die andern beiden Arten, und hat den Vorzug, daß man eine Fuge weniger zu verwahren hat, weil der Abkühlungsort der Dämpfe, welcher bei der Blase und dem Kolben ein abgesondertes Stück, den Helm, ausmacht, hier der weite Hals der Retorte ist, und also ohne Fuge einen verschlossenen Weg für das Destillat bis zur Vorlage darbietet.

Die Destillirgeräthe sind Retorten, und Blasen oder Kolben mit Helme.

Die Retorten (retortae) werden ihres niedergebognen Halses wegen so genannt. Ihre Vorzüge sind, daß sie ohne Blasen und Steinchen, und durchaus in ihrer Kugel von gleich dickem Glase sind. Je dünner das Glas dazu ist, desto weniger zerspringen sie durch Abwechselung der Hitze und Kälte. Schon in der obern Wölbung verdichtet sich ein guter Theil Dünste, diese Verdichtung aber ist unnütz, weil die Feuchtigkeit wieder herab in den Bauch der Retorte fließt. Blos in dem Halse der Retorte und der Vorlage können sich die durch Kälte verdichtbaren Dünste[212] mit Erfolge zu Tropfen vereinigen, herablaufen und gefangen werden. Es ist daher sehr gut, wenn wenigstens der Anfang des Retortenhalses recht weit und räumlich zugleich gut gekrümmt ist, und von der Krümmung an gerade hin läuft.

Nur bei Arbeiten, welche einen Hitzgrad erfordern, worin Glas schmelzt, nimmt man, statt der gläsernen, irdene Retorten, am besten von Steinzeug. Da sie allemal dem freien Feuer ausgesetzt werden, so müssen sie beschlagen seyn, Beschlag.

Die Retorten von gegossenem Eisen sind sehr dauerhaft, aber nur zu Substanzen brauchbar, von denen es nicht angegriffen wird, z.B. zur Destillation des Hirschhorns, Franzosenholzes, zur Uebertreibung des Quecksilbers u.s.w.

Die gewöhnlichen gläsernen Tubulatretorten (retortae tubulatae) mit einer eingeschmolzenen gläsernen kurzen Röhre in ihrem Gewölbe sind von ungleich dickem Glase, und daher dem Zerspringen leicht ausgesetzt (sie halten selten mehr als Eine Arbeit aus); überdem kostbar und schwer zu bekommen. Allen diesen Unbequemlichkeiten hilft man durch eine in das Gewölbe gewöhnlicher Retorten eingeschliffene Oefnung ab (wovon weiter unten). Sie sind zu vielen Absichten dienlich, wo man den Hals der Retorte nicht mit der zur Destillation bestimmten Materie verunreinigen, oder bei der Destillation etwas zusetzen will.

Kolben, (cucurbitae) sind gläserne hohle Kugeln, die sich allmählich in einen langen Hals mehr und mehr verengern. Bei der Destillation stellt man sie aufrecht, und setzt auf die Mündung einen Helm (alembicus, capitulum), eine Art von Hut, an dessen inwendigem Rande herum eine Traufrinne läuft, die sich in einen Schnabel öfnet, woran eine Vorlage gepasset wird. Soll diese Destillirgeräthschaft, welche man Brennzeug nennt, von einigem Nutzen seyn (gewöhnlich sind die Retorten vorzuziehn), so muß der Hals des Kolbens weit, bei größern Arbeiten einer Faust weit, kurz, und mit dem recht weiten Helme genau zusammen geküttet seyn, die Traufrinne des Helms aber sich ohne hervorstehende Erhabenheit (wie doch gewöhnlich) in den Schnabel ausladen. In dieser Verfassung haben sie den Vortheil, daß man den Ueberrest nach der Destillation rein und bequem herausnehmen kann.

Braucht man die Kolben zur Digestion, so sind die langen verengerten Hälse nützlich.

Selten bedient man sich der Vorstöße (tubi intermedii) oder der[213] gläsernen oder irdenen zwei bis drei Schuh langen Röhren, die man zwischen der Retorte und der Vorlage anküttet, theils um letztere recht weit vom Ofen zu entfernen, theils zur bessern Abkühlung der Dünste, theils um einen trocknen Anflug darin auffangen und nachgehends leicht heraus nehmen, theils um bequem beobachten zu können, was während der Destillation vorgeht. Bei den meisten Arbeiten sind sie entbehrlich, und weil man bei ihnen eine Fuge mehr zu verkütten hat, nicht selten nachtheilig.

Die Vorlagen (excipula) brauchen zur Retorte und zum Helme nur weite Flaschen mit kurzen Hälsen zu seyn, abgesprengte große Kolben verrichten gleich Dienste. Sehr nützlich ist an der Seite des Bauchs eine Tubulatröhre mit einem Wirbelhahne, um die nach und nach übergehenden Flüssigkeiten jede besonders herauszulassen.

Die Destillirblasen (vesicae destillatoriae) haben mit der beschriebnen Geräthschaft des Kolbens mit aufgesetztem Helme die größte Aehnlichkeit, ausser daß sie von Metall und gewöhnlich von Kupfer sind. Der Hut öfnet sich in einen Schnabel, und an diesem ist eine herabsteigende Röhre befestigt, welche schief abwärts durch ein Faß mit kaltem Wasser angefüllet (refrigeratorium), läuft, und daher Kühlröhre genannt wird; an die untere Mündung der letztern wird das Gefäs zur Aufnahme des Destillats gelegt.

Die gewöhnlichen Blasen haben den Fehler, daß ihr Hals allzu enge ist, als daß die Dünste in gehöriger Menge aufsteigen könnten, daß der Huth oben nicht spitzig, sondern platt, und untenher mit keiner Traufrinne versehen ist, folglich keinen Nutzen hat, da die verdichteten Tropfen wieder zurück in die Blase fallen müssen. Zudem ist der Schnabel und die Kühlröhre gemeiniglich so enge, daß sich nur wenig Dünste auf einmal verdichten können, die Flüssigkeit in der Blase also einer stärkern und langwierigern Hitze ausgesetzt wird, wovon das Destillat einen übeln Geruch und Geschmack annimmt. Die Abkühlung durch eine spiralförmig gewundene Kühlröhre (Schlangenröhre), welche äusserst schwer zu reinigen und kostbar ist, hilft diesem Nachtheile nur wenig ab.

Die Blasengeräthschaft aber, welche ich hier abbilde, ist von diesen Mängeln frei; es wird niemand gereuen, sie zu seinen Arbeiten genommen zu haben. Ihre Vorzüge sind, daß die Mündung oder der Hals so weit als die Blase selbst ist, u. daß die in dem spitzig kegelförmigen Huthe (welcher von aussen durch den mit kaltem Wasser angefüllten Huthabkühler oder Mohrenkopf (caput aethiops) abgekühlt wird, verdichteten Dämpfe ringsum in einer gleichfalls abgekühlten Traufrinne sich sammeln und so in grosser Menge ganz kalt durch den Schnabel ablaufen.

Die Blase selbst wird von Eisen oder (gewöhnlich) von Kupfer verfertigt, der Helm aber muß entweder von Steinzeug oder von reinem Zinne seyn, so auch die absteigende Röhre, weil selbst Wasser, welches mit einem Helme und Kühlröhre von Kupfer destillirt wird, einen Kupfergeschmack annimmt. Eine[214] Schlangenröhre ist bei einem Helmabkühler völlig überflüssig.

Setzt man diese gerühmte Blasengeräthschaft in einen eben mit seinem Rande an der Blase anschließenden Kessel voll siedenden Wassers, so ist die Vorrichtung zur Destillation aus dem Wasserbade (destillatio e balneo mariae, balneo maris) im Stande, eine Vorrichtung, welche zur Destillation wohlriechender Wässer und des höchst rektifizirten Weingeistes ungemeine Vorzüge hat, da das innere[215] Gefäs nie eine größere Hitze als die von 202° Fahr. erreicht.

Man macht einen Unterschied zwischen trockner Destillation (destillatio sicca), wo man z.B. bei Austreibung bränzlichter Oele aus Horn, Hölzern, Asphalt u.s.w. keine Feuchtigkeit (Wasser, Wein, Branntwein) zusetzt, und der feuchten Destillation (destillatio humida), wo man die animalischen oder Pflanzentheile nicht vor sich zur Destillation einsetzt, sondern eine der genannten Flüssigkeiten beifügt.

Bei aller Destillation ist die erste wichtige Rücksicht die Kenntniß des jedesmal anzuwendenden nöthigen Hitzgrades. Er darf weder zu gelind noch zu stark seyn. So erfordern die leichten ätherischen Oele, der Aether und der Weingeist einen geringern, das Wasser einen etwas höhern, und die schweren ätherischen Oele, die bränzlichten Oele, die sauern Geister, die Spiesglanzbutter, der Phosphor, das Quecksilber u.s.w. einen immer höher und höhern Hitzgrad, als der Punkt des siedenden Wassers ist. Wollte man bei erstern eine zu große Hitze anwenden, so würde z.B. das ätherische Oel seinen feinen Geruch verlieren, dagegen einen widrigen Geruch und Geschmack annehmen, und sich größtentheils in der Luft zerstreuen, mit dem Weingeiste würde ein Theil übel schmeckendes und riechendes Phlegma übergehen, und ihn an Güte und Stärke verschlechtern u.s.w. Ist das Feuer bei schwerer übersteigenden Flüssigkeiten zu schwach, so geht wenig oder nichts über, und Zeit, Mühe und Kohlen sind verschwendet. Ein guter Arbeiter setzt daher ein Quecksilberthermometer neben die Retorte oder dem Kolben ins Sandbad, dessen Skale von 200° bis 600° Fahr. reicht, und arbeitet dann weit sichrer, als wenn er, wie gewöhnlich, mit seinem trüglichen praktischen Gefühle im Finstern herumtappt.

Man wende ferner bei jeder Destillation nur den eben nöthigen Hitzgrad auch deswegen an, um das oft gar zu leichte Ueberlaufen der zu destillirenden Materie zu verhüten, wodurch oft das Destillirgeräth zersprengt, und das Destillat verunreinigt und verdorben wird.

Dieses Ueberlaufen zu verhüten, muß der Bauch der Retorte, der Kolben oder die Blase nie ganz, höchstens zu zwei Dritteln, oft nur zur Hälfte angefüllet werden. In einigen Fällen wird das Ueberlaufen durch etwas hinzu geschüttetes fettes Oel verhütet, in allen Fällen aber am sichersten durch hinlängliche Abkühlung des Helms, der Helmröhre, des Retortenhalses, der Vorlage u.s.w., so wie durch ein zur schnellen und reichlichen Verdichtung der Dämpfe zweckmäßig gebautes Destillirgeräth überhaupt.

Die stärkste Hitze giebt man dem Destillirgefäse, wenn man es über freies Feuer setzt, von unten beschlagen ( Beschlag), wenn es irden oder gläsern, oder unbeschlagen, wenn es von Metall ist. In dieser Verfassung läßt sich aber die Hitze nie völlig gleichförmig erhalten, am leichtesten in einem Lampenofen, weniger über Kohlen, am wenigsten bei Holze.

Gleichförmiger ist die Hitze zu regieren, wenn man das Gefäs ins Sandbad (w.s.) stellt; weder[216] die allzu jählinge Erhitzung, noch die allzu jählinge Verkühlung ist hier leicht möglich. Sehr gelinde Wärme und fast eben so starke Hitze als bei freiem Feuer läßt sich durch das Sandbad bewirken, so wie alle übrigen Grade, wenn der Arbeiter, wie gesagt, den Wärmemesser in den Sand setzt, und stete Aufsicht über seine Arbeit hat.

Da letzteres aber nicht der gewöhnliche Fall ist, und der Apotheker fast gar nicht, wie er doch sollte, mit dem Thermometer arbeitet, sondern sich auf sein empirisches (sehr trügliches und relatives) Geschick verläßt, so kann das Wasserbad (w.s.) in Apotheken nicht entbehrt werden, wodurch die zu destillirende Materie ohne Zuthun selbst des unbehutsamsten Arbeiters in einer Wärme bleibt, welche wenigstens geringer, als die des kochenden Wassers ist.

In der allgemeinen Regel muß bei jeder Destillation von Anfange nur gelindes, erst allmählig verstärktes Feuer gegeben werden, das Zerspringen der Gefäse zu vermeiden.

Da bei der Destillation einer Menge von Körpern nicht nur die schon darin vorhandenen Flüssigkeiten ausgetrieben, sondern auch durch den beitretenden Hitzstoff neue Flüssigkeiten, ich meine die verschiednen Gasarten, erzeugt werden, welche zuweilen einen hundertmal größern Raum einnehmen, als die verschlossenen Destillirgefäse fassen können, so ist uns, da wir nun aus der Chemie die Natur dieser Luftarten kennen, gar leicht begreiflich, warum in vielen Fällen die Gefäse bei dieser Arbeit so leicht zerspringen, und (ausser der Lebensgefahr dabei) die ganze Arbeit und Mühe zunichte machen. Ein gewöhnlicher, gedungener Arbeiter hilft sich leicht durch nachlässige Verküttung der Fugen, und dadurch, daß er in allen Fällen in dieser Gegend eine hinreichend große Oefnung unterhält. Man steckt nämlich, wo der Retortenhals in die Vorlage geküttet wird, eine aufgeschnittene Federspuhle ein, und verhütet durch diesen freien Ausgang der Dämpfe aller Art, das Zerspringen der Gefäse gar leicht. Es ist aber unnöthig zu erinnern, wie viel des oft kostbaren Destillats hiedurch als unverdichteter Dunst in die freie Luft übergehe, als reiner Verlust.

Hier einen Mittelweg einzuschlagen, muß man aus der Chemie die Natur der übergehenden Dünste und Luftarten kennen. Sind es solche, welche sich in der kühl erhaltenen geräumlichen Vorlage von selbst verdichten, z.B. in Dunst aufgelösetes Wasser, Weingeist, so ist es thöricht, diese Dünste entweichen zu lassen; sind es solche, welche sich zum Theil durch eine kühle Oberfläche, zum Theil aber, oder allein vermittelst der Leitung durch Wasser verdichten lassen (z.B. ammoniaklaugensalzige und saure Dünste, Aetherdunst, Quecksilberdunst,) da ist es nicht weniger thöricht, durch eine so weite Oefnung diese unverdichteten Dünste nutzlos in Luft übergehen zu lassen; finden sich aber bei der Destillation Luftarten mit ein (denn bei Destillationen, wo man Flüssigkeiten aufzufangen hat, sind letztere gewöhnlich der größere Theil, und die unverdichtbaren Luftarten betragen nur den geringern Theil), welche[217] sich weder durch Abkühlung noch mittelst Leitung durch Wasser verdichten, und zu tropfbarer Gestalt bringen lassen, z.B. phlogistisirte, brennbare und Salpeterluft, da würde es thöricht seyn, diesen Gasarten keinen Ausgang zu verschaffen.

Da hingegen diese unverdichtbaren bei der Destillation so gefährlichen Gasarten nie allein, sondern immer in Gesellschaft der andern Dünste übergehen, welche man eben in der Vorlage verdichtet zu erhalten die Absicht hat, so darf bei den meisten Destillationen das Destillirgeräthe nie weder luftdicht verschlossen seyn, noch eine so nachtheilige Oefnung haben, als man gewöhnlich macht. Wird nämlich in der Gegend der Einfügung des Retortenhalses, oder wohl gar noch weiter zurück, bei Kolben und Helm eine Oefnung gelassen, so geht ein großer Theil aller Dünste ohne Unterschied diesen Weg, verdichtbare und unverdichtbare, weil die erstern auf ihrem kurzen warmen Wege noch keine Gelegenheit hatten, sich entweder durch (Absetzung ihres Hitzstoffs) Abkühlung, oder durch Berührung des Wassers in der Vorlage zu verdichten. In dieser Gegend des Destillirgeräthes sind mit einem Worte alle diese Oefnungen offenbarer, oft großer Verlust.

Der Woulfische Destillirapparat hilft diesem Verluste auf der einen, und der Gefahr des Zerspringens auf der andern Seite ab. Er gehört aber seiner Kostbarkeit wegen gar nicht in die Werkstatt des Apothekers. Wir lernen jedoch von ihm, was zu thun sey, und dieß ist in folgender, leicht auszuführenden Vorrichtung enthalten, welche man blos bei der Uebertreibung destillirter Wässer, des Weingeistes und der ätherischen Oele entbehren kann, bei den übrigen Destillationsarbeiten aber mit größtem Vortheile anwendet.

Man verküttet zu dieser Absicht den Retortenhals luftdicht mit einer geräumigen Vorlage, welche an ihrem Untertheile eine Tubulatröhre mit einem eingeschliffenen Wirbelhahne von Glas, von Holz oder einem Federkiele (je nach der Natur des Destillats) besitzt, um die verschiednen Destillationsprodukte von Zeit zu Zeit herauszulassen, ohne das ganze Geräth auseinander nehmen zu dürfen. Am hintern Theile der Vorlage ist eine kleine Oefnung eingeschliffen, woran man bei jeder Destillation den abgesprengten Hals einer kleinen zu drei Vierteln mit Wasser angefüllten Retorte mit Siegellack anküttet, in welche der Schenkel einer dünnen krummen Glasröhre durch eine oben eingeschliffene Oefnung (luftdicht verküttet) bis an den Boden herabsteigt, auf der andern Seite aber in die offene Mündung einer gleichhaltigen kleinen Arzneiflasche geht, ebenfalls bis zum Boden herab.

Durch diese Oefnung der Vorlage gehen alle elastischen Dünste in das abgesprengte Retörtchen über, drücken das da befindliche Wasser durch die kommunizirende Röhre in das Arzneiglas hinüber, und steigen in letzterm entweder als Luftblasen in die Höhe, wenn sie vom Wasser nicht eingeschluckt werden können, oder lösen sich in diesem Wasser auf, und gehn folglich nicht verloren. In beiden Fällen setzen sie das Destillirgeräth nicht[218] in die Gefahr des Zerplatzens. Zu Ende der Destillation, wenn sich die Hitze mindert, entsteht eine Luftleere in der Retorte und der Vorlage, und das von den Dünsten angeschwängerte Wasser (z.B. dünner Salzgeist bei Destillirung des rauchenden Salzgeistes oder versüßter Salpetergeist bei der Destillation des Salpeteräthers u.s.w.) zieht sich wieder in das Retörtchen zurück; es gehn auch wohl noch Luftblasen aus der Atmosphäre durch diese Separatflüssigkeit in die Vorlage zurück, um die etwa noch darin fehlende Luft zu ersetzen, bis sich alles wieder ins Gleichgewicht gesetzt hat. Auch hier wird das zu Ende der Destillationen so gewöhnliche Zerspringen der Gefäse, welches von der darin entstandnen Luftleere bei der Verkühlung herrührt, gänzlich vermieden; auch kann aus dem angekütteten Retörtchen (weil es von der Flüssigkeit nicht voll wird) nichts in die Vorlage herüber gesogen werden, und so etwa das Destillat darin verderben, oder verdünnen. Bei dieser leichten Anstalt braucht man auch nie einige Flüssigkeit in der Vorlage vorzuschlagen, das Destillat sammelt sich in seiner möglichsten Konzentration darin.

Die Retorte selbst bekömmt am besten eine (zu sehr vielen Arbeiten dienliche und bequeme) Tubulatöfnung am Obertheile ihres Gewölbes, mit einem eingeschmirgelten Glasstöpsel wohl verwahrt.

Auf den meisten Glashütten schleift man solche Oefnungen sehr wohlfeil ein. Mittelst eines kleinen kupfernen Rings, Schmirgelpulver und Wasser schneidet man sehr leicht auf einer kleinen Drehbank dergleichen Tubulatöfnungen in gläserne Gefäse. Drechsler und andre Handwerksleute können dasselbe. Sogar aus freier Hand mit einer der Spitzen einer abgebrochnen englischen Feile kann man es verrichten, obgleich mühsam, so wie es auch die Alten aus freier Hand verrichteten.

Mit dieser gar nicht kostbaren Vorrichtung kann man alle, sonst auch noch so schwierige, Destillationen, ohne die mindeste Gefahr, und[219] ohne den mindesten Verlust des Produkts leicht verrichten, und die Destillate von verschiedner Güte abbrechen und besonders auffangen. Die Vorlage mit der Tubulatröhre und einem Hahne darin ist kein Einwurf gegen die Wohlfeilheit, da sie nicht ins Feuer kömmt, und keine Gewalt von elastischen Dünsten erleidet. Eine mäsig behutsame Hand kann viele Jahre damit arbeiten, und viel Vortheil damit stiften.

Beim gewöhnlichen Destillationsgeräthe, welches jeder kennt, vermeidet man einigermasen den Verlust, der durch Verfliegung der Dämpfe entsteht, wenn man den Schnabel des Retortenhalses unter das in der Vorlage vorgeschlagene Wasser gehen läßt, aber doch nur etwas; die Tiefe des Wassers, wodurch die Blasen aufsteigen, ist gering, und die Luftblasen sind zu groß. Auch kann man hier weder die Produkte abbrechen, noch sie in konzentrirter Gestalt auffangen.

Man thut sehr wohl, den Hals der Retorte ausser der Vorlage bei den Arbeiten abzukühlen durch ein vierfaches umgeschlagenes und feucht erhaltenes Löschpapier, worauf man bei Uebertreibung leichter, feiner Flüssigkeiten ganz kaltes, bei schweren aber (z.B. Mineralsäuren) heißes Wasser tröpfeln läßt. Es hat mehrere Nachtheile, wenn man die Vorlage zur Verdichtung und Abkühlung der Dünste bestimmt; sie diene blos zum Sammlungsorte der schon im Retortenhalse entstandnen Tropfen.

Eine Striefe feuchte Hammel- oder Schweinsblase, eine Striefe Papier mit einem steifen Teige aus Roggenmehl und Wasser, oder wo Mineralsäuren überzutreiben sind, ein Teig aus venedischem Talkstein, Thon und dünnem Tischerleim erfüllen alle Absicht bei Verküttung der Fugen des Destillirgeräths. Um den gläsernen Stöpfel in der Tubulatöfnung der Retorte läßt man einige Tropfen brennendes Siegellack fließen.


Kurz abgesprengter Kolben mit weitem Helme.
Kurz abgesprengter Kolben mit weitem Helme.

Kurz abgesprengter Kolben mit weitem Helme.


Verbesserte Blasengeräthschaft.
Verbesserte Blasengeräthschaft.

Verbesserte Blasengeräthschaft.


Vervollkommteres Destillationsgeräth.
Vervollkommteres Destillationsgeräth.

Vervollkommteres Destillationsgeräth.


Kleine Bohrmaschine zu Tubulatöfnungen.
Kleine Bohrmaschine zu Tubulatöfnungen.

Kleine Bohrmaschine zu Tubulatöfnungen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 211-220.
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