Fieberchinabaum

[296] Fieberchinabaum, Cinchona officinalis, L. [Zorn pl. med. Tab. 292.] mit elliptischen, unten feinharigen Blättern, und rispenförmigen Blumen, deren Rand wollig ist, ein hoher, schlanker Baum, welcher im südlichen Amerika in Peru, vorzüglich auf den Hügeln in der Gegend von Loxa, und der Gebirgskette, die sich auf 30 Meilen nach Mittag und eben so weit nach Mitternacht erstreckt, am besten aber auf dem Berge Cajanuma wächst. Man schält ihn bei trockner Witterung im September und Oktober ab, wenn er etwa armsdick ist, er kann aber mannsdick werden.

Man hat in neuern Zeiten zwei Sorten Rinde unterschieden, welche, wie man glaubt, von einerlei Baume kommen.

I. Unsre gewöhnliche gemeine, feinröhrichte, gelbbraune Rinde (Cortex peruvianus, C. chinae, C. chinae chinae, C. chinchinae, C. quinquinae), welche man für die beste Sorte hält, besteht fast ganz aus dünnen oder feinen ungefähr zur Hälfte zusammengerollten Stücken oder Röhren, kaum von Fingerslänge und sehr unebner, feinchagrinirter, und feinaderichter, weißgrauer Oberfläche, und ist inwendig schlicht und hochzimmtfarbig. Sie muß schwer, hart und trocken, im Bruche dicht und glatt seyn, inwendig glänzende, harzige Punkte zeigen, und sich zwischen den Zähnen zerreiben lassen; ihr Geruch ist nicht unangenehm dumpfig, dem Schimmelgeruche etwas ähnlich, und ihr durchdringend anhaltender Geschmack ist mehr bitter als zusammenziehend, etwas schimmelartig und etwas gewürzhaft. Sie läßt sich leicht zu Pulver machen,[296] welches lichtbraun und etwas blässer als der Zimmt ist.

Aus England erhalten wir bessere Rinde, als aus Holland.

Die beste Sorte kömmt in Kisten mit Ochsenhäuten überzogen von 120 bis 130 Pfund Schwere über Cadix nach London, wo das Pfund 7 bis 8 Schillinge zu stehen kömmt, man verkauft sie aber zu 10 bis 12 Schilling.

Die mittlere Sorte kömmt in ähnlich eingepackten Kisten, aber von etwa 250 Pfund Schwere dahin, und ist gemischten Inhalts. Die Droquisten lesen sie aus und machen daraus ungefähr 200 Pf. eigentliche Mittelsorte, wovon das Pfund zu London für 5 Schillinge verkauft wird. (Das Ausgelesene sind etwa 25 Pfund gute röhrichte und 25 Pf. ganz geringe Sorte.) Diese Mittelsorte besteht aus dickern und größern Röhren und vielen platten Stücken, deren Oberhaut oft ganz weiß ist; zuweilen sind sie aber auch von außen roth und ganz ohne Oberrinde. Sie läßt sich beim Kauen nicht gleichartig zermalmen, es bleiben viele Fasern zurück; auch auf dem Bruche ist sie fasericht.

Diese Sorte kömmt auch in zusammengenähten Häuten (Zeronnas) vor.

Die schlechte oder geringe Sorte erscheint zwar auch in ähnlichen Kisten zu 250 Pfund, doch auch in Fässern eingepackt. Ist sie von starkem ächten Chinageschmacke und Geruche, so sind selbst die dicksten Stücken gut zu gebrauchen zur Tinktur, zu Aufgüssen und Dekokten, zum Extrakte u.s.w.

Ueberhaupt hat man von der Güte der Rinde vorzüglich und fast allein nach dem stärkern oder schwächern der China eignem Geruche und Geschmacke, und weniger nach ihrem äußern Ansehn zu urtheilen, denn das Aeußere weicht hie und da sehr ab. So giebt es sehr gute Stücke, welche auswendig fast ganz schwarz aussehn; es giebt dicke, flache Stücke, die aber sehr kompakt und röthlich von Farbe sind und einen noch stärkern Geschmack als die röhrichte Rinde besitzen, folglich letzterer vorzuziehen sind.

Die beste Rinde sollen die Engländer nach Fothergill nicht außer Land lassen; also bekämen wir nur die Mittelsorte. Doch auch letztere kömmt nicht einmal gerade von England, sondern gewöhnlich von da erst durch die oft betrüglichen Hände der Holländer nach Deutschland. Oft werden der Chinarinde andre mit Aloe bitter gemachte Rinden untergeschoben. – Ursachen genug der oft sehr geringen Wirksamkeit der in Deutschland gewöhnlichen Fieberrinde.

Man suche diese Droque, welche noch immer den ersten Platz unter allen Heilmitteln behauptet, und von deren Wirksamkeit so oft das Leben vieler Tausende, so wie der Ruf des Arztes, abhängt, wo möglich aus einer der ersten Hände (nicht aus der fünften und sechsten Hand) zu ziehen, und lieber hohe Preise für gute ächte Ware zu zahlen.

II. Die rothe Chinarinde (Cort. chinae ruber, C. peruv. ruber) ward in neuern Zeiten bekannt, da eine durch die Engländer (1779) von den Spaniern erbeutete Schiffsladung[297] davon in Europa vertheilt ward. Nachgehends ward sie rar, und man bekam statt der nun verbrauchten, fast blos trüglich verfälschte alte Rinden der gewöhnlichen, oder sonst roth gefärbte Rinden andrer Bäume dafür. Die Spanier boten sie dann zu dem hohen Preise von 10 Schilling das Pfund wieder an, und diese Theurung hinderte lange Zeit ihre Wiedereinführung, bis England (1786) wieder damit versorgt ward, woher wir sie noch ächt bekommen können.

Sie besteht aus dickern (gewöhnlich zwei Linien dicken) Rinden und weit größern Stücken, als die gelbe röhrichte ist, und die Stücken selbst sind rinnenartig, gemeiniglich die halbe Rinde von anderthalb Zoll starken und dünnen Aesten und aus drei Lagen zusammengesetzt. Die erstere ist dünn, uneben, in Querrisse zertheilt, öfters mit einer mosichten Substanz bedeckt und von einer rothbraunen Farbe; die mittlere ist dicker, fester und dunkler gefärbt und ausnehmend harzig; die innere endlich ist holzichter, faserichter und hat eine zwar helle, doch dunkelrothere Farbe, als die der gemeinen gelben Rinde ist. Ueberhaupt ist sie schwerer als die gewöhnliche; je dünner die Stücken sind, desto mehr Harz und Wirksamkeit enthalten sie.

Sie ist geruchlos, ihr Geschmack aber ist ungleich stärker, weit bitterer, als der der gelben, und eben so zusammenziehend. Ihr Bruch ist allemal fasericht.

Die röthesten, schwersten und festesten Stücke vom stärksten Chinageschmack muß man auswählen, und dieß sind gemeiniglich die kürzesten, breitesten Stücke.

Sie läßt mehr Kräftiges als die gelbe mit Weingeist und Wasser ausziehen, und enthält mehr Harz als diese. Auch läßt sie sich leichter pülvern, am meisten die mittlere Lage der Rinde; die innere holzichte am schwersten. Das erstere Pulver ist daher wirksamer.

Im Pulver (man soll sie nie im Pulver kaufen, so viel auch dergleichen aus England kömmt) wird sie gemeiniglich aus der gelben nachgemacht durch Vermischung mit 1/4 kalzinirter Magnesie. Ein deshalb verdächtiges Rothchinapulver aber wird man leicht prüfen können, wenn man ein Quentchen mit zwei Unzen Wasser anreibt, und die erhaltene hochrothe Tinktur mit etwas Zuckersäure oder Sauerkleesalzauf lösung versetzt, da denn die hohe Röthe unter Erscheinung eines weißen Niederschlags sogleich verschwinden wird, wenn die angebliche rothe Rinde aus der gelben mit gebrannter Bittersalzerde nachgemacht war.

Der Aufguß und der Absud der rothen Chinarinde ist dunkelfärbiger und bittrer, schlägt den Eisenvitriol mit schwärzerer Farbe nieder, und bleibt länger vom Sauerwerden frei, als der von der gewöhnlichen. Sie ist fäulniswidriger, und enthält mehr ätherisches Oel als letztere.

Sie besitzt dieselben Kräfte als die gewöhnliche Rinde, nur in jedem Betrachte stärkere. Ihre Wirkung ist schneller, anhaltender und in kleinerer Gabe merkbar.[298]

Man weiß noch nicht ob die rothe (wie doch wahrscheinlich ist) von einer andern Art Cinchona herrührt.

Ueberhaupt ist die Chinarinde beiderlei Art das erste Heilmittel, die sinkende Lebenskraft zu heben und die davon entstehenden Uebel zu tilgen, wohin auch ihre spezifische Kraft gegen periodisch zurückkehrende Krankheiten zu rechnen ist. Brand, Typhus, Wechselfieber, zögernde Eiterung, Keuchhusten und fast alle chronische Krankheiten sind ihr Wirkungskreis. Straffe Faser, Entzündungsanlage und Unreinigkeiten der ersten Wege sind ihre Gegenanzeigen. In allen diesen Fällen thut die rothe ächte Rinde fast noch einmal so viel, in gleicher Gabe.

Man erhält an Garayischem Extrakte (wesentliches Chinasalz, sal essentiale Chinae genannt) von sehr lieblichem kräftigem Geschmacke und rhabarberähnlichem Geruche aus der röhrichten Rinde, nach Remler, fast 1/14 an wässerigem durch Kochen bereitetem Extrakte im Durchschnitte 3/8, an geistigem aber etwa 1/6, welches letzte viel zusammenziehende Theile, aber wenig Geruch besitzt.

Das Garayische Extrakt von der rothen Rinde ist weißer, und kömmt der Quassie an Geschmack nahe.

Ein vortreffliches Chinaextrakt (Extr. novum cort. peruviani, in america australi paratum) kömmt über Spanien nach England, welches vom stärksten Chinageruche und Geschmack, ohne Bränzlichkeit, etwas weich von Konsistenz und von dunkler Farbe ist. Es löset sich schwer in kaltem, leicht aber in kochendem Wasser auf.

Es ist sehr kräftig und wohlfeil und scheint dort aus der frischen Rinde bereitet und an der Sonne eingedickt worden zu seyn.

Beide Rinden verlieren durch Kochen fast alle ihre antitypischen Kräfte und behalten fast blos die bittern und zusammenziehenden, mehrern andern Gewächsen eignen, Bestandtheile. Ein kräftiges Chinaextrakt muß daher ganz ohne Kochen bereitet werden, durch lauen oder doch nur warmen (120°-150°) Aufguß und durch Abdünsten im Wasserbade.

Das feine Pulver einer guten Rinde ist einem gleichen Gewichte gewöhnlicher Weise bereiteten Extrakts an Wechselfieber heilenden Kräften noch vorzuziehn.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 296-299.
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