Huhn

[428] Huhn, Phasianus Gallus, L. mit zusammengedrücktem fleischartigem Kamme auf dem Scheitel, ähnlichen Lappen auf beiden Seiten der Kehle, nackten Ohren, und zusammengedrücktem, aufwärts gehendem Schwanze, ein bekannter Hausvogel, welcher aus Asien abstammt. Er lebt von Getraidekörnern, Insekten und Regenwürmern; das Männchen ist stolz, streitbar, und gnügt zehn Hünern, welche, die kürzesten Tage des Jahres etwa ausgenommen, fast beständig legen und ihre Eier binnen 22 und 25 Tagen ausbrüten.

Des gilblichen, weichen Fettes, besonders der kastrirten Hähne (Kapaunfett, axung. Caponis) bedient man sich äußerlich zur Schmeidigung und Erweichung. Die Alten bedienten sich der getrockneten und gepülverten innern Haut des Magens der Hühner (pelliculae ventriculi gallinacei) als eines Magen stärkenden, Harn treibenden (lächerlichen) Mittels.

Das arzneilichste Produkt dieses Vogels sind die Eier (ova gallin.), deren äußere, harte Schale (testae ovorum) die Dienste einer reinen Kalkerde leistet. Das Innere besteht theils aus einem wasserhellen, dicklichen, gallertartigen, zähen Wesen, dem Eiweiß (albumen ovorum) einer eigenartigen thierischen Substanz, welche in kaltem Wasser (wie 1:10) auflösbar ist, aber schon von einer mäßigen Hitze (160° Fahr.), und durch Zumischung von Weingeist und Säuren gerinnt, das ist undurchsichtig weiß, fest und in Wasser unauflösbar wird. Seine Eigenschaften sind Schärfe einwickelnde;[428] es koagulirt die heiße Milch und dient so zur Bereitung süßer Molken; wenn es mit frisch gebranntem gepülvertem Kalke geknetet wird, entsiehet einer der festesten Kütte. In zehn Theilen Wasser aufgelöst und trüben Flüssigkeiten zugemischt, macht es diese hell, wenn man sie jähling damit ins Kochen bringt, Abklären.

Der in der Mitte des Eiweißes schwimmende gelbe Theil, das Eidotter (vitellus ovi), woraus beim Bebrüten das kleine Huhn entsteht, welches bis zum Auskriechen von dem Eiweiße seine Nahrung zieht, löset sich emulsionartig in Wasser auf, macht es gleich einer Seife mit Fettigkeiten und Harzen mischbar, und enthält außer einer Eiweißsubstanz noch eine Menge ölartiges thierisches Fett, das Eieröl (oleum ovorum).

Lezteres zu erhalten, muß die Eiweißsubstanz der Dotter zum Gerinnen gebracht und ihm das überflüssige Wasser entzogen werden. Aus den hart gekochten Eiern nimmt man die gleichfalls erhärteten Dottern heraus, rührt sie bey gelindem Feuer einige Zeit lang, damit sie trocken werden aber nicht anbrennen, verstärkt dann die Hitze etwas, bis die Masse zu dampfen aufhört, einen fetten Glanz bekömmt, und etwas wieder erweichet, so daß sie zwischen den Fingern gedrückt, Oel ausschwitzen läßt. So schüttet man sie geschwind in einen Beutel und preßt zwischen Platten, in kochendem Wasser heiß gewacht, das thierische Oel aus. Es ist gelb, geschmacklos, von Geruche der Eidotter, und wird bei mäßiger Kälte dicklich. Funfzig Eidotter geben höchstens fünf Unzen Oel. Acht Tage lang an der Luft getrocknete Eidotter mit der Hälfte Gewicht des stärkesten Weingeistes gemischt, dann mit einem zehnfachen Gewicht Wasser, worinn etwas Alaun aufgelöst worden, verdünnt, und Tag und Nacht stehn gelassen, sollen dieses Oel, ohne Feuer, geben, sechs Quentchen von acht Eidottern.

Man schreibt dem Eieröl eine vorzüglich lindernde, schmeidigende Kraft zu, vorzüglich bei aufgesprungenen Warzen und Lippen, so wie auf Goldaderknoten gestrichen.

Das rohe Eiergelb ist mehr als alle andre Thiersubstanzen leicht und kräftig nährend; für Ausgehungerte, nach großen Blutstürzen, und bey verhindertem Schlingen in Klystiren. Man will es in der Gelbsucht dienlich gefunden haben.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 428-429.
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